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Ich war auch verliebt. Tatsächlich. Ich meine nicht so Jugendeseleien, wie damals mit der Hausmeisterin, die immer behauptete, daß ich neue Beinkleider hätte und den Schneider auszwicken wollte. Oder mit dem dicken Kindsmädel, das beinahe jede Nacht an meine Tür klopfte und fragte, ob ich kein Zuckerwasser brauchte, weil ich so hart schnaufte.
Davon rede ich nicht. Nein, es war eine wirkliche, ordnungsmäßige Liebe. Kein Kocherl, oder so was. Im Gegenteil. Sie war die Tochter eines reichen Getreidehändlers, hübsch, sehr üppig, und spielte Klavier. Meine Schwester behauptete, daß sie sich Servietten in das Korsett stopfte, aber ich kann es nicht wohl glauben. Bestimmt weiß ich es ja nicht, denn sie war tatsächlich sehr gut erzogen, und überhaupt die Familie!
Ich meine nämlich, daß ich mir keine Gewißheit verschaffen konnte. Also – übrigens, es war wirklich merkwürdig, mit sechzehn Jahren eine solche Büste!
Beinahe wie die Hausmeisterin, aber runder, schöner. Ich meine, nicht so wackelig.
Also, die Geschichte war so. Ich war Praktikant bei einem Gerichte, oder Referendar, wie man in Preußen sagt.
Es ist die erste Staffel der Laufbahn; man ist bereits staatlich und leistet so eine Art von Beamteneid.
Auch erhält man Bezahlung; ich glaube monatlich sechzig Pfennige für den Verbrauch von Federn und Papier. Das heißt, ich erhielt das Geld nie; unser Präsident gab uns die Schreibmaterialien und vertrank den Betrag selbst.
Aber es war in uns doch das Bewußtsein, daß wir in die Beamtenkategorie eingereiht waren. Und da denkt man unwillkürlich an das Heiraten.
Man stellt sich das so vor: Anstellung, Beförderung, das eigne Heim. Ich glaube, daß alle Referendare die gleiche Idee haben.
Warum hätte ich eine Ausnahme machen sollen?
Noch dazu wäre es mir sehr erwünscht gewesen, ein anständiges, das heißt also: ein wohlhabendes Mädchen heimzuführen.
Ich erhielt jede Woche aus der Universitätsstadt Rechnungen zugeschickt. Nebenbei bemerkt, finde ich es sehr gut, daß die Geschäftsleute ihre Firmen auf die Kuverts drucken lassen.
Man weiß dann sofort, was in den Briefen steht, und kann sie ungeöffnet wegschmeißen.
Ich schmiß damals sehr viele weg, aber ich war doch gewissenhaft genug, zu denken, daß irgend etwas geschehen müsse.
Und was gibt es da?
Eine größere Summe aufnehmen? Das ist heute kaum mehr möglich. Eine Tante beerben? Das wäre freilich das Beste gewesen. Aber in meinem Falle ausgeschlossen, ganz ausgeschlossen. Die alten Mädchen in meiner Familie besaßen nichts. Ich weiß nicht, lebten diese Geschöpfe so unökonomisch, oder? Tatsächlich hatten sie keinen Knopf.
Also blieb noch die Ehe. Sie ist heute das einzige Mittel, aus unseren Kapitalisten Geld herauszukriegen. Da war der Privatier Gillinger mit zwei Töchtern, und der Getreidehändler Scholler mit der sechzehnjährigen Elsa, die das stramme Korsett hatte. Die Gillingers hätten auch Geld gehabt, aber, ich weiß nicht.
Ein bißchen Fleisch soll doch vorhanden sein; so ein knochiges Wesen hat äußerst selten ein weiches Gemüt.
Deshalb verwandte ich mein ganzes Bemühen auf Fräulein Scholler.
Ich glaube noch heute, daß ich glücklich geworden wäre.
Bei einer Kahnpartie fiel die Kleine einmal nach rückwärts von der Bank hinunter.
Ich sah die Farbe ihres Strumpfbandes und weiß daher recht wohl, was ich sage.
Ach Gott, ja!
Und das mit den Servietten war sicherlich eine Verleumdung, denn man kann doch Schlüsse ziehen. Von dem einen auf das andre. Das liebe Ding wohnte gegenüber von dem Gerichtsgebäude.
Ich versäumte nie, sie zu grüßen, wenn ich sie am Fenster sah. Und da mir, wie heute noch, klar war, daß alles Uniformliche, Kostümliche sehr stark auf die Weiber wirkt, zeigte ich mich häufig in der Robe.
Ich glaube auch, daß es wirkte. Die Hausmeisterin wenigstens, welche mich nur einmal in dieser Kleidung sah, war wochenlang begeistert und ärger als je bemüht, mir den Schneider auszuzwicken.
Elschen benahm sich freilich zurückhaltender, aber doch, man konnte den Eindruck bemerken.
Ich war immer ein Mensch von raschem Entschlusse, und da ich mir sagte, daß bei meiner gesellschaftlichen Stellung eine leere Liebelei zwecklos und unmoralisch wäre, nahm ich mir vor, Herrn Getreidehändler Scholler zu besuchen.
Der Mann mußte bemerkt haben, daß ich seiner Tochter Aufmerksamkeiten erwies, die eine Erklärung verlangten.
Kurz und gut, ich machte meine Aufwartung. Ich wurde sehr nett empfangen. Der Alte war ein gemütlicher Mensch, allerdings etwas stark bürgerlich, aber er bemühte sich offenbar, gute Manieren zu zeigen.
Elschen kam, und wir sprachen von dem und jenem.
Auch von meiner Stellung, meinen Aussichten; ich sagte, daß ich Richterbeamter werden wolle, weil mir das am besten zusage. Man sei unabhängig, würde mit vollem Gehalte pensioniert, und dann genieße der Richter doch ein kolossales Ansehen.
Ich bemerkte mit Vergnügen, daß Herr Scholler meinen Ausführungen sichtliches Interesse schenkte.
Er ließ mich nicht aus den Augen; besonders dann, wenn ich die Vorzüge des Berufes rühmte und über meine Zukunft sprach, hörte er mir aufmerksam zu und nickte mit dem Kopfe.
Ich war darüber nicht erstaunt, denn ich habe immer gefunden, daß man gerade in den bürgerlichen Kreisen einen großen Respekt vor der akademischen Bildung hegt.
Aber angenehm berührt war ich doch, daß der Vater meiner Angebeteten diese – wie soll ich sagen? – Ehrfurcht vor dem geistig Höherstehenden teilte.
Ich wurde gesprächig, ich zeigte mich Elschen im schönsten Lichte und beschloß, den braven Leutchen schon beim nächsten Besuche meine Absichten zu enthüllen. Ich verabschiedete mich, und Herr Scholler begleitete mich bis zur Türe. In dem dunklen Hausgange hielt er mich einen Augenblick zurück und sagte: »Wissen S', mir hamm aa'r an Rechtspraktikanten in unserer Familie g'habt. I woaß, was des für arme Luada san. Da, b'halten S' as no!« Dabei drückte er mir etwas in die Hand und schob mich gutmütig hinaus.
Es war ein Zehnmarkstück.
Was sollte ich tun? Sehen Sie, das sind unsre Kapitalisten, und solchen Begriffen von unsrer Stellung kann man noch heute begegnen.
Ich habe daraufhin das Frauenzimmer links liegen lassen. –