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Da, wo der Klippen lange Reihen barsten,
Blieb eine Kluft zurück, und in der Kluft
Sind Schaum und gelber Sand, jenseits sodann
Viel rote Dächer um ein schmales Werft
Gedrängt, dann ein verwittert Gotteshaus,
Und höher auf steigt eine lange Straße
Zur einen hochgelegnen Mühle hin,
Und himmelan dahinter eine Düne, grau,
Mit Hünengräbern, und ein Haselbusch,
Im Herbst von Nüssesammlern abgesucht,
In einem Kesselgrund der Düne blüht.
An diesem Strand vor hundert Jahren einst
Drei Kinder dreier Häuser – Annie Lee,
Das nettste kleine Mädchen in dem Ort,
Und Philipp Ray, des Müllers einziger Sohn,
Und Enoch Arden, rauhen Seemanns Kind,
Verwaist durch Winter-Schiffbruch – spielten
Dort mitten in dem Wust und Strandgerümpel,
Gerolltem Tauwerk, schwarzen Fischernetzen,
Mit Rost bedeckten Ankern, Booten, die
Ans Land gezogen waren, und erbauten
Da ihre Schlösser sich von losem Sand,
Um deren Ueberflutung zu betrachten,
Verfolgten oder floh'n die weiße Welle
Und hinterließen täglich neu im Sand
Die täglich weggespülte Fußspur wieder.
In einer engen Höhle unterm Fels
Der Klippe spielten Haushalt oft die Kinder.
Enoch war Hausherr heute, Philipp morgen,
Doch Annie Hausfrau stets; zuweilen nur
Wollt' Enoch herrschen eine Woche lang:
»Das ist mein Haus und das mein kleines Weib.«
»Mein's auch« sprach Philipp, einer nach dem andern.
Wenn dann im Streit der stärk're Enoch siegte,
Dann pflegte Philipp, dessen blaues Aug'
Mit Thränen ganz hilfloser Wut sich füllte,
Zu schrei'n »Enoch ich hasse dich,« und dann
Pflegt' mitzuweinen auch die kleine Frau
Und bat sie, nicht zu streiten ihretwegen,
Sie wollte gern ja beider kleine Frau sein.
Doch als der ros'gen Kindheit Morgen schwand,
Des Lebens Sonne stieg, mit höh'rer Glut
Die beiden traf, entbrannte beider Herz
Für jene Eine nur, und Enoch sprach
Sein Lieben aus, doch Philipp liebte still,
Und güt'ger gegen Philipp schien das Mädchen
Als gegen ihn, allein sie liebte Enoch,
Zwar unbewußt, und würd's geleugnet haben,
Hätt' einer sie gefragt. Doch immermehr
Ins Auge faßte Enoch seinen Vorsatz,
Zu sparen Alles bis aufs Aeußerste,
Um selbst ein Boot zu kaufen und ein Heim
Für Annie zu bereiten; und es glückt'
Soweit ihm, daß zuletzt auf Meilen hin
An diesem meergepeitschten Strand so kühn,
Begünstigt so vom Glück, so sorgsam in
Gefahr, als Enoch war, kein Fischer lebt'.
Auch hatt' auf einem Kauffahrteischiff er
Ein Jahr gedient und war nun Vollmatrose;
Und dreimal hatt' er schon ein Menschenleben
Des aufgeregten Meer's Bereich entrissen.
Ein jeder war ihm wohlgesinnt. Und eh'
Er einundzwanzig Lenze noch erreicht,
Kauft' er sich selbst ein Boot und baut' ein Heim
Für Annie, nett und traut, in halber Höh'
Der engen Straße, die zur Mühle führt'.
An einem schönen Herbstesabend war's,
Da zog das junge Volk, ein Fest sich machend,
Mit Taschen, Säck' und Körben groß und klein,
Zum Nüssesuchen in den Haselbusch.
Philipp, des Vater krank lag und ihn brauchte,
Blieb eine Stunde noch zurück; jedoch
Als er die Höh' erklomm, just wo zur Höhle
Sich des Gebüsches steiler Rand hinsenkt,
Sah er das Paar, Enoch und Annie, sitzen
Einmütig Hand in Hand, entflammet ganz
Sein großes graues Aug' und wetterbraun
Gesicht von einem stillen, heil'gen Feuer,
Wie's auf dem Altar brennt. Und Philipp sah,
Und las in ihrem Antlitz sein Geschick;
Als eines dann sich an das andre schmiegte,
Seufzt' er und schlich davon, sein wundes Herz
Zu bergen drunten in des Waldes Tiefe.
Daselbst verbracht' er still, indes die andern
Sich laut ergötzten, eine trübe Stunde,
Dann stand er auf und ging, im Herzen tragend
Sein Leben lang der Sehnsucht ew'ges Weh.
Es wurden jene nun vermählt, und froh
Erklang der Hochzeitsglocken Spiel, und froh
Entfloh'n die Jahre, sieben voller Glück,
Und alle in Gesundheit, Wohlergeh'n;
In gegenseit'ger Liebe und voll Arbeit,
Die aller Ehren wert, mit Kindersegen,
Zuerst ein Töchterchen. In ihm erwacht'
Bei seines ersten Kindes erstem Schrei
Der edle Wunsch, so viel ihm möglich wär'
Von dem Erwerb zu sparen für sein Kind
Und eine bessere Erziehung ihm
Als er und sie gehabt zu geben einst;
Ein Wunsch, der neu erwacht', als zwei Jahr' drauf
Ein Knabe kam und ihrer Einsamkeit
Als ros'ger Abgott blieb, wenn Enoch fern
Auf wilder See war oder oft auch reiste
Landeinwärts; denn es waren Enochs Schimmel
Und Enochs Meeresbeut' im Weidenkorb
Voll Seegeruch und auch sein derb Gesicht,
Von tausend Winterstürmen tief gebräunt,
Am Marktkreuz wahrlich nicht allein bekannt,
Auch in dem Laubengang jenseits der Düne,
Bis hin zum Löwen, der das Thor bewacht,
Und zu dem Pfauentaxusbaum am Schloß,
Für dessen Freitagsspeise Enoch sorgte.
Dann ändert' sich's, wie alles ird'sche thut.
Zehn Meilen nordwärts von der engen Bucht
Erschloß ein größrer Hafen sich; dorthin
Ging Enoch oft zu Wasser oder Land;
Als einst er einen Mastbaum dort im Hafen
Erklomm, glitt er falschgreifend aus und fiel.
Als man ihn aufhob, war ein Bein gebrochen;
Und während er hier krank darniederlag,
Gebar sein Weib ihm einen zweiten Sohn,
Ein kränklich Kind; und eines Fremden Macht
Schlich unheilvoll sich ein in sein Geschäft,
Das Brot der Gattin und den Kindern raubend.
Und ihn, der doch streng gottesfürchtig war,
Befiel, wie er so dalag thatenlos,
Nun Traurigkeit und Zweifel; und ihm wars,
Als säh' er, wie beim Alpdruck in der Nacht,
Ein immer kümmerlicher Leben führen
Die Kleinen kärglich von der Hand zum Mund,
Als Bettlerin sein Lieb; da betet' er:
»Bewahre sie davor, wie's mir auch geh'.«
Und während er so flehte, kam der Herr
Des Schiffs, dem Enoch hatt' gedient, zu ihm,
Von dessen Unglücksfalle er gehört,
Und den er kannt' und schätzt', erzählend ihm,
Nach China sei sein Schiff bestimmt zu gehn,
Doch brauch' er einen Oberbootsmann noch.
Woll' er dies sein? Doch könnte manche Woche
Vergehen noch, eh' es den Ort verließ'
Und segele. Woll' Enoch diese Stelle?
Und Enoch war sogleich dazu gestimmt,
Sich freuend der Erfüllung des Gebets.