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Der Sonnenuntergang des Jahrhunderts

Geschrieben in bengalischer Sprache
am letzten Tage des letzten Jahrhunderts

 

1.

Die letzte Sonne des Jahrhunderts versinkt in den blutigroten Wolken des Westens und im Wirbelsturm des Hasses.

Die nackte Selbstsucht der Völker tanzt in wahnsinniger, trunkener Gier zu den Klängen der klirrenden Schwerter und der heulenden Rachegesänge.

 

2.

Doch der hungrige Leib der Nation wird im Augenblick der höchsten Raserei zerplatzen von ihrem schamlosen Fressen.

Denn sie hat die Welt zu ihrem Fraß gemacht.

Und während sie sie gierig beleckt und zermalmt und in großen Bissen hinabschlingt, Schwillt sie mehr und mehr,

Bis mitten in diesem unheiligen Festmahl der Strahl des Himmels plötzlich herabfährt und ihr brutales Herz durchbohrt.

 

3.

Das purpurne Leuchten am Horizont ist nicht die Morgenröte deines Friedens, mein Mutterland,

Es ist der Widerschein des Scheiterhaufens, auf dem ein ungeheurer Leichnam zu Asche verbrennt; die Selbstsucht der Nation, die sich den Tod gefressen.

Dein Morgen wartet hinter dem stillen Dunkel des Ostens,

Er wartet geduldig und schweigend.

 

4.

Sei wach, Indien!

Halt' dein Opfer bereit für den heiligen Sonnenaufgang!

Laß deine Stimme die erste sein, die ihn begrüßt, und singe:

»Komm Friede, du aus Gottes großem Schmerz geborene Tochter, Komm mit deinem Schatz von stillem Glück,

Komm mit dem Schwert der Tapferkeit,

Komm mit dem Kranz der Sanftmut auf der Stirn!«

 

5.

Oh, meine Brüder, schämt euch nicht, vor den Stolzen und Mächtigen zu stehen

In dem weißen Gewande eurer Einfalt!

Eure Krone sei die Demut, und eure Freiheit die Freiheit der Seele.

Auf der kahlen Stätte eurer Armut errichtet täglich von neuem Gottes Thron,

Und wisset: das Ungeheure ist nicht das Große, und Stolz währt nicht ewig.

 


Gedruckt im Sommer 1921

Poeschel & Trepte in Leipzig

 


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