Hermann Sudermann
Die Magd
Hermann Sudermann

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X.

Das Gehöft, das die Leute das »Wolfsnest« nannten, lag ein wenig abseits vom Dorf und war gewiß die stattlichste Wirtschaft unter den fünfen, denen man Hochachtung schuldete. Aber man sah nicht viel davon, denn es war auf drei Seiten von einem Erlengehölz so dicht umgeben, daß man höchstens bei Nacht die Lichter durchschimmern sah.

Was darinnen vorging, blieb jedem Nachbarn verborgen. Und nur wer von der Landseite herfuhr, gewahrte die roten Ziegeldächer, die als Wahrzeichen des Wohlstandes selbst Stall und Scheune bedeckten.

Wer durch das Gittertor eintrat, wurde erst recht überrascht durch die schönen Maschinen, die auf dem Hof der Reihe nach standen.

Hier die Wirtin zu sein, mußte jede mit ehrfürchtigem Stolz erfüllen, die auf Arbeit hielt und auf Ordnung.

Die Marinke fand sich rasch in das neue Leben, und war sie von Kindesbeinen an fleißig und tüchtig gewesen, wie hätte sie's hier nicht sein sollen, wo sie auf eigenem Boden stand?

Das erkannte voll Ingrimm sogar die Schwiegermutter an, wenn sie vom Fenster der Altsitzerstube aus, bereit zu Tadel und Zank, das Wirken der Hausfrau verfolgte. Und sie hütete sich wohl, sich an ihr zu vergreifen oder den Sohn gegen sie aufzubringen. Beides versparte sie sich auf günstigere Zeit. Nur daß sie niemals zur Mahlzeit erschien und ohne Gruß aus- und einging.

Die Marinke kümmerte sich nicht viel um ihr feindseliges Benehmen, denn sie hatte ja Schlimmeres erwartet. Wie Jozup sich stellen würde, wenn es zwischen ihr und der Alten zu offenem Zwist kam, das wußte sie nicht. Ob er ihr auch in heißer Liebe zugetan war, der Mutter würde er doch wohl nicht Unrecht geben, denn er mußte ihr ewiglich dankbar sein, weil sie ihn in der Erbfolge den älteren Brüdern vorgezogen hatte. Der eine war Schutzmann in Berlin, und der andere stand kurz vor dem Versorgungsschein. Schreiben taten sie beide nicht mehr.

Mit dem Jozup war's eine eigene Sache. Manchmal, wenn er dasaß und sie ansah halbe Stunden lang, ganze Stunden lang, ohne ein Wort zu reden, und sie gleichsam aufzehrte mit seinen schwarzen Rauschbeerenaugen, dann dachte sie sich innerlich schaudernd: »Das ist zuviel, das darf nicht sein, das geht wider Gottes Macht und Willen.«

Und wenn er bei ihr lag und zitterte vor allzugroßer Liebe und ihr nicht nahezukommen wagte, dann dachte sie wieder: »Das ist die Strafe, weil er sich an dem Jurris vergangen hat.« Bis er sich dann auf sie stürzte wie ein wildes Tier, so daß sie nun zitterte vor seiner allzugroßen Liebe. Und manchmal dachte sie dabei: »Vielleicht ist er wirklich ein Werwolf und heißt nicht bloß so.« Aber dann warf sie die Furcht wieder ab und tröstete sich: »Das kommt bloß daher, daß er zu lange nach mir begehrt hat und ganz ohne Hoffnung gewesen ist. Und nun kann er's noch immer nicht fassen.«

Und dann war es ihr manchmal, als könnte sie ihn mit der Zeit auch wiederlieben. Aber ihr Herz war immer noch auf dem Kirchhof, dort, wo der Jurris lag. Und hätte sie sich getraut, ab und zu an das Grab zu gehen, ihr wäre manches leichter geworden.

Auch auf das Kind übertrug der Jozup seine wilde Liebe. Ob es sein eigenes war oder nicht, darüber hatten sie beide nicht mehr geredet, und Marinke war wohl darauf bedacht, ihm seinen Glauben zu lassen, denn sie wußte, wenn's anders käme, würd' es ihr schlecht gehn.

Er nannte den Kleinen auch nicht »Jurris«, wie er getauft war, sondern »Wilkiutis« oder »Wilkytis«, was gar kein christlicher Vorname ist, sondern das »Wölfchen« bedeutet. Und er war ganz zornig, wenn die Dienstboten nicht taten wie er. Nur die Marinke durfte seinen wirklichen Namen noch in den Mund nehmen, aber schließlich brachte sie's auch nicht mehr übers Herz und nannte ihn immer bloß »Kindchen« oder auch »Liebling«.

Der Kleine wuchs rasch heran und konnte gehen und sprechen, noch ehe das erste Ehejahr um war. Und der Jozup spielte mit ihm wie der Wolf mit seiner Brut vor der Höhle im Sonnenschein. Lag lang auf der Erde und ließ ihn klettern über sich her und hob ihn hoch in die Luft, und dann mußte er sehen, wie er von den Handflächen wieder herabkam.

Um das Erlengehölz aber schlichen oft in der Dämmerung zwei alte Leute und kuckten sich die Augen entzwei nach dem künftigen Erben, und kuckten nicht minder nach der Marinke, ob ihr Leib noch immer nicht Spuren zeige von kommendem Segen, damit alsbald der Vertrag in Kraft treten könne, der ihnen den Enkel zurückgab.

Den Hof zu besuchen, war ihnen verboten, obwohl der Alte die Vormundschaft hatte, und ebenso durfte Marinke nie mehr zu ihnen gehen. Oft hätte sie gern ihren Kopf auf den Schoß der Mutter gelegt und sich streicheln lassen von ihren verständigen Händen, aber um des lieben Friedens willen entbehrte sie auch das.

Um wenigstens etwas von ihr und dem Kind zu haben, hatten die Alten es auf sich genommen, den Milchwagen, der ja zum Verladen der Kannen bei den Besitzern immer reihum fuhr, selbst zu kutschieren, wenn ihre Woche gekommen war. Aber der Jozup ließ die Kannen schon vorher an den Rand des großen Weges bringen, wo sie herrenlos standen, bis der Wagen sie auflud, und als die Alten sich dumm stellten und unter diesem oder jenem Vorwand doch aufs Gehöft fuhren, da machte er kurzen Prozeß und trat aus der Genossenschaft aus. Und das tat er um so lieber, als er selber nicht gern mehr nach Augustenhof hinwollte. Den Grund sagte er nicht, und vielleicht besaß er auch keinen. Aber den Wieszpatis nannte er nur noch »den Deutschen«, und das schöne Besteck sah er nicht an. Das lag auf dem Grunde des Schrankes und zehn Schichten Kleider darübergefliehen.

Nun war der liebe Jurris schon zwei Jährchen tot, und der Tag seines Sterbens kam heran.

Ob der Jozup sich dessen erinnerte oder auch nicht, kurz, um die Stunde, in der damals das alles geschehen war, erklärte er plötzlich, er wolle aufs Haff hinaus, mit dem Keitelnetz ein Gericht Fische zu fangen. Er tat das sehr selten, denn den Fischer zu spielen, war er zu stolz. Und wie er die Marinke zum Abschied küßte, da war Triumph in seinem Auge, so daß sie sich dachte: »Jetzt geht er Gott danken und sich freuen an seiner Gewalttat.«

Und weiter dachte sie: »Soll der arme Jurris nun ganz allein da liegen und denken, ich hab' ihn vergessen?«

Sie wußte, die Eltern gingen nicht gern auf den Kirchhof, und der Vorwurf in ihr sprach lauter und lauter.

Darum nahm sie den kleinen Jurris kurzweg bei der Hand, denn es mußte ja aussehen wie ein ganz kleiner Spaziergang. Sobald sie aber hinter den Erlen war und die Alte ihr nicht mehr nachblicken konnte, hob sie ihn auf den Arm und schritt, so rasch sie konnte, dem Kirchhof zu, der wohl eine halbe Stunde entfernt lag.

Das Grab war ziemlich verfallen. Frische Blumen lagen nicht darauf, und auch sie hatte ja keine mitbringen können. Darum pflückte sie Blätter von den Ahornbäumen, und weil sie zufällig ein Knäulchen Zwirn in der Tasche hatte, machte sie sich daran, eine schöne Girlande zu winden, die den Grabhügel der Länge und Breite nach festlich umrahmen sollte. Zeit hatte sie genug, und der Kleine grub artig im Sand.

Ihm die Zeit zu vertreiben, sang sie ein Lied, und auch weil ihr hier an dem Grab so wohl war.

Sie sang:

»Dort unter den Linden
In jenem Grabe,
Da liegt und schlummert
Mein lieber Knabe.

Auf seinem Denkmal
Stehet zu lesen,
Wie schön und tapfer
Er einst gewesen.

Mit Blumen schmück' ich's
In jedem Lenze,
Sitz' auf dem Grabe
Und flecht' ihm Kränze.

Und ranke Grünes
Rings um die Kanten
Und pflanze Goldlack
Und Amaranten.

Und klag' und weine,
Weil sie den Knaben
Mir aus dem Brautbett
Gerissen haben.

Doch aus dem Herzen
Stiehlt ihn mir keine,
Und jeden Abend
Komm' ich und weine.«

»Wenn ich hier mit meinem Kindchen an jedem Abend ein Stündchen sitzen könnte«, dachte sie bei sich, »ich wollte, weiß Gott, nicht weinen, sondern immer vergnügt sein.«

Und wie sie sich noch an ihrer Geborgenheit freute, da wurden mit einemmal vom Kirchhoftor Schritte laut, schwere, unsichere Schritte, und ein Klappern dabei – das kannte sie wohl.

Sie ließ die Girlande liegen, nahm das Kind auf den Arm und ging der Schwiegermutter entgegen.

Die schwang die Krücke und schrie: »So also bist du dem Jozup treu, du Allerweltsfrauenzimmer, daß du selbst mit den Gräbern buhlen gehst? Ohne Jungfernschaft bist du ins Haus gekommen, den Muturis« – das Frauenkopftuch – »hat die Pestgöttin dir umgelegt und nicht ich. Aus der Mistpfütze bist du gekrochen, und nicht eher werde ich ruhen, als bis ich dich dahin zurückgeprügelt habe.«

Und sie schlug mit ihrem Krückstock auf die Marinke los.

Die dachte nur daran, den kleinen Jurris zu schützen, der bitterlich zu weinen begann, weil einer der Schläge auch ihn getroffen hatte, und ging davon ohne ein Wort der Erwiderung.

Die Alte kam nachgehumpelt und setzte sich vor das Hoftor, um dem Jozup aufzupassen.

Und als er um die Dämmerstunde vom Haff zurückkam, erzählte sie ihm alles. »So hat sie dich beseift«, sagte sie. »Nun strafe sie, wie sich's gebührt.«

Er zog die Augenbrauen noch dicker zusammen und kämpfte lange mit sich. »Warum soll ich sie strafen?« sagte er dann. »Es ist besser, ihr Zeit zu lassen, damit das Andenken an jenen aussauern kann aus ihrem Gemüt.«

»Bist du ein Mann oder ein Stöpsel?« fragte höhnisch die Alte.

»Weil ich ein Mann bin«, entgegnete er, »weiß ich, was ich zu tun habe.«

Aber sie ließ ihm keine Ruhe. »Weiche Äpfel faulen bald«, sagte sie, »und wer bloß Krumen essen will, bricht sich am ehesten die Zähne entzwei. Darum tu deine Schuldigkeit an ihr.«

Aber er liebte die Marinke zu sehr, um sie zu schelten. Nur fernhalten tat er sich von ihr, und auch das Kind sah er nicht an wohl eine Woche lang.

Und die Alte wühlte und hetzte bei jedem Begegnen, denn jetzt hatte sie einen Grund.

Und da sie den Krückstock gegen die Schwiegertochter schon einmal gehoben hatte, ohne daß ihr ein Übles geschehen war, so wagte sie es alsbald von neuem und fiel über sie her, allemal, wenn sie ihr nicht entweichen konnte.

Zuerst ließ die Marinke sich alles gefallen und war auf nichts weiter bedacht, als den Kleinen zu schützen. Da sie aber immer häufiger angefallen wurde, mußte sie sich wohl zur Wehr setzen. Und eines Tages – nicht weit vom Herd – riß sie der Krüppligen den Stock aus der Hand und warf sie gegen den hängenden Kessel, so daß ein wenig von dem kochenden Wasser herausspritzte.

Die Alte hub sofort furchtbar zu heulen an. Die Schwiegertochter habe sie geschlagen und verbrüht, und sie zeigte den Dienstboten die Blasen an Hals und an Händen. Und als der Jozup vom Feld kam, zeigte sie sie auch ihm und klagte, sie sei schon seit langem ihres Lebens nicht sicher.

Da geschah es zum ersten Male, daß er sich an seinem Weib vergriff. Er schlug sie nicht, wozu ein zorniger Mann wohl das Recht hat, sondern warf sie schweigend über den Tisch und schüttelte und würgte sie, wie man mit einem bissigen Hund tut.

Als er sie losgelassen hatte, nahm sie den kleinen Jurris auf den Arm und rannte in ihrer Seelennot zu der Mutter Enskys, obwohl ihr ja jeder Verkehr verboten war.

Die küßte zuerst den kleinen Jurris halbtot und rief dann den Alten herbei. Der tat dergleichen, und als Marinke ihnen alles erzählt hatte, wollten sie sie sogleich bei sich behalten.

Aber die Marinke willigte nicht darein. »Von hier holt er mich schon morgen vormittag«, sagte sie, »und wenn ich mich wehre, schleppt er mich womöglich an den Haaren zurück. Aber ich weiß jetzt, was ich ihm sagen werde, wenn ich auch nicht danach tun kann.«

Damit ging sie zurück. Der Alte bat sich aus, ihr den Kleinen noch eine Strecke zu tragen, und als sie es nicht erlaubte, lief er auf seinen Schlorren hinter ihr drein und machte mit leeren Armen Eiapopeia.

Am nächsten Morgen wollte der Jozup schweigend von dannen gehen, aber sie hielt ihn zurück und sagte: »Ich habe es satt, mich schlecht behandeln zu lassen. Ein Kind hat uns der Himmel bisher nicht geschenkt, es hält uns also auch nichts zusammen. Wenn ich auch eine böse Stiefmutter habe, geprügelt oder gewürgt werd' ich dort nicht, und darum ist es das Beste, ich gehe nach Hause. Die fünfhundert Taler kannst du behalten.«

Er wurde weiß wie der Kalk an der Wand und entgegnete drauf: »Das einzige ist, ich teile ihr mit, wessen Blut in den Adern des Kleinen fließt. Dann wird sie's vielleicht weitererzählen, aber im Hause wird Ruhe sein.«

Da sagte die Marinke: »Gestern vor vierzehn Tagen war des Jurris Todestag, und heute wird mein Todestag, wenn du das tust, so wahr ich dein Weib bin.«

Der Jozup wußte nun, daß in dieser Sache ihr Sinn unveränderlich war und daß er nie und nimmermehr daran würde rühren dürfen. Darum sagte er: »Ich werde nachsinnen, ob es ein anderes Mittel gibt.«

Und die Marinke sagte: »Du kannst nachsinnen, soviel du willst. Ein anderes Mittel, als daß sie aus dem Hause geht oder ich, wirst du nicht finden.«

Der Jozup lief in der Stube umher und schrie: »Sie hat mich vorgezogen, seit ich im Kinderkleid war – sie hat die Brüder hinausgejagt, damit ich hier Herr bin. Verlange du nicht zu viel von mir!«

Und die Marinke erwiderte: »Ich verlange ja nichts.«

An demselben Morgen ging er in die Altsitzerstube und blieb dort länger als eine Stunde. Und das Ende war, daß gegen Mittag die Alte herauskam, das Gesicht wie behonigt, und zu der Marinke sagte: »Setze meinen Teller auch auf den Tisch, liebe Tochter. Damit Friede wird, will ich fortan mit euch zusammen essen.«

Aber die Marinke traute ihr nicht, und als die Alte den Kleinen ihren »Putytis«, ihr Hähnchen, nannte und ihn gar auf den Arm nehmen wollte, zog sie ihn rasch auf die Seite.

Von diesem Tag an war die Wilkene wie umgewandelt, und niemand konnte wissen, wodurch es geschehen war.

Die Mutter Enskys aber, die alle Freitagabend im Erlengebüsch auf Marinke lauerte – denn so war es jüngst ausgemacht worden –, sagte zu ihr: »Paß gut auf, daß sie nicht an den Herd kommt. Ich will mich rösten lassen wie Flachs, wenn sie nicht darauf sinnt, dich und das Kind zu vergiften.«

Die Alte aber saß allabendlich am Rand des Sumpfteichs hinter dem Roßgarten, um Fischbrut zu käschern, wie sie sagte, für die Angeln, die nächstens ausgelegt werden sollten, und in der Dunkelheit kam sie mit Kräutern beladen nach Hause, die sie niemandem zeigte.

Am Sumpfteich wuchs neben der Hundsromei und dem Kalmus auch Wasserschierling in Menge. Das ganze Dorf hätte man ausrotten können, so viel Schierlingsstauden standen dort mit ihren weißlichen Schirmchen.

Ja, die Marinke paßte gut auf.

Daß die Alte Spiritus wollte zum Einreiben gegen die Gicht, das hatte nichts auf sich, aber daß sie sich auch das Kesselchen holte mitsamt dem Kocher, während sie doch jetzt immer am Tisch aß, das gab schon mehr zu bedenken. Und stundenlang saß sie am Herd, um sich die Glieder zu wärmen, obwohl die Luft noch ganz sommerlich war.

Vom Wasseransetzen bis zur fertigen Mahlzeit wich die Marinke nicht von der Stelle. Kaum den Kopf zu wenden traute sie sich, und schließlich wurd' ihr ganz wirblig von dem ewigen Argwohn. Und eines Abends, als es Kürbisbrei gab mit Zucker und Rosinen, da fiel ihr ein fremder Geruch auf, der aus der Schüssel emporstieg. Der Jozup mochte wie viele den Kürbis nicht und kriegte was anderes, die Alte bekam mit einemmal die Kolik, ging zu Bett und ließ sich Melissentee kochen, so daß nur sie selbst und das Kind noch übrigblieben, davon zu essen, denn den Leuten war schon vorher zugeteilt worden.

Darum tat sie nur so, als ob sie aß, und gab auch dem Kind nichts, füllte aber, soviel sie konnte, in eine breithalsige Flasche und lief heimlich damit zu der Mutter Enskys, damit sie nun tue, was not war.

Und als der Freitagabend herankam, da sagte die Mutter: »Ich bin in Heydekrug gewesen beim alten Settegast, der hat den Brei untersucht und gesagt, der Pons Stootsanwalts, wenn man's dem anzeigen wollte, wär' mit der Hälfte zufrieden. Und hier auf dem Zettel steht alles.«

Die Marinke nahm den Zettel und ging zum Jozup. »Deine Mutter ist mir die Rechte«, sagte sie.

»Wieso?« fragte er und ließ die Halsbinde los, denn er zog sich eben die Kleider vom Leib.

»Weil sie mich hat vergeben wollen – mich und das Kind.«

Er wurde so rot, als müsse er an ihren Worten ersticken, und riß sich das Hemd am Hals entzwei.

»Ich habe das Versprechen getan, dich niemals zu schlagen«, sagte er, »aber du machst es einem recht schwer.«

»Hier ist der Zettel«, sagte sie.

Er las den Namen des alten Settegast, den jeder ehrte weit und breit, und so rot, wie er gewesen war, so blaß wurde er nun. Und dann ließ er sich alles von ihr erzählen. Auch daß die Mutter Enskys die Probe zur Apotheke getragen hatte, verschwieg sie ihm nicht. »Straf mich, wenn du willst«, sagte sie, »aber das Kind mußt' ich am Leben erhalten, gleichviel, wer sein Vater ist. Und das Beste wird wohl sein, du läßt mich jetzt gehen, sonst gelingt es mir doch nicht.«

»Du und das Kind bleiben hier«, erwiderte er.

»Gut«, sagte sie, »dann muß deine Mutter fort, oder ich zeige sie an.«

»Du zeigst sie an?« fragte er, als ob er nicht recht gehört hätte.

»So wahr ich ein Kind habe, ich zeige sie an.«

Da lief er hinaus, halbnackt, wie er war, und kam die ganze Nacht nicht mehr wieder. Auch am nächsten Morgen war er nirgends zu sehen, erst gegen Mittag trat er mit einemmal aus der Altsitzerstube. Er zitterte am ganzen Leib und sagte: »Ich habe mit der Mutter gesprochen. Was sie jetzt tun muß, das habe ich ihr schon damals prophezeit und habe für alle Fälle mit den Brüdern das Nötigste geordnet. Sie werden die Hälfte aller Einkünfte bekommen und sie dafür in Pflege nehmen, solange sie lebt. Siehst du nun wohl, wie lieb du mir bist – du und das Kind?«

Drei Tage später fuhr die Alte ab. Sie hatte kaum einen Widerspruch zu leisten gewagt, denn sie wußte, die Anzeige drohte.

Als sie auf dem Wagen saß, mit dem der Jozup sie zur Bahn brachte, reckte sie noch einmal den Krückstock nach der Marinke und schrie ihr den schwersten Fluch an den Hals: »Mag der Perkuhns dich treffen nach Bartholomä!«

Und da es bis zum nächsten Bartholomä noch lange hin war, verbesserte sie sich: »Nein, noch vorher, jetzt gleich soll der Perkuhns dich treffen.«

Da zogen die Pferde an, und sie fuhr in die Weite, dorthin, wo kein Litauergott mehr donnert.


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