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»Ich verlange durchaus Herr im Hause zu bleiben,« sagte neulich Herr Simon, »nicht aus Steifsinn, denn ich bin verträglich, sondern aus Grundsätzen, Arist. – Glauben Sie mir, das beste Weib hat seltsame Launen, und taumelt unter Grillen und Thorheiten herum, wenn sie nicht zum Gehorsam geübt wird.«

»Ist das so leicht, Herr Simon?«

Er. Alles besteht in der Methode, mein Herr. Wenn man nie etwas abschlägt oder begehrt, als mit vernünftigen Gründen, die man, wie Sie wissen, immer findet, so lernt die Frau bald den Willen ihres Mannes für den klügsten Willen halten, und folgt dann ohne Widerspruch.

Ich schwieg betroffen; denn, im Vertrauen gesagt, der häusliche Muth dieses redlichen Mannes wird in der Stadt nicht gebührend erkannt. Jedermann glaubt vielmehr, daß ihn seine Dame, obwohl an einem seidenen Faden, doch sicher wie in Ketten, leitet.

Es ist Sünde, dachte ich, so ein Wohlbehagen, so ein täuschendes Gefühl der Kraft zu stören; doch entfiel mir, daß es Täuschungen gäbe, daß mancher Günstling eigenen Willen dem Sultan für den seinigen verkaufe, und daß eine jede Frau eine geborne Staatskünstlerin sey.

»Ei Possen! Possen!« rief Herr Simon. »Ja wenn man ihre Winkelzüge nicht endlich durchgeforscht hätte! Wer mit den Wendungen ihrer List, mit dem Labyrinth ihrer Einleitung bekannt ist, der lauscht am rechten Ort, und hört sie auf den Zehen kommen.« – »Herr Simon,« sprach ich, »lieber Herr Simon! es giebt aber doch eine Menge Krümmen, die sich nicht berechnen lassen.«

Vor einigen Tagen traf ich die Frau meines Freundes allein zu Hause, ein freundliches, angenehmes Weib, die so natürlich spricht und handelt, daß, wenn sich Frau Simon verstellt, Verstellung nothwendig die Natur der Damen seyn müßte. – »Herrliches Wetter!« rief sie mir entgegen. »Jetzt wäre das so recht eine Zeit um den Hallerbrunnen zu besuchen. Die Gegend, sagt man, ist wunderschön; wollen Sie mit von der Parthie seyn?«

Ich. Wenn es morgen seyn kann – herzlich gern.

Sie. Morgen? Gut! Es bleibt dabei. Je eher je lieber; das Wetter kann sich ändern.

Ich. Ob's auch Herr Simon zufrieden seyn wird?

Sie. (lächelnd). Mein Mann ist, wie Sie wissen, ein gütiger Mann, und schlägt mir ein unschuldig Vergnügen nicht ab. Machen Sie sich nur immer zurecht; wir fahren um Sechse präcise. – Hier wurde sie abgerufen, und ich setzte mich im Bücher-Cabinet meines Freundes nieder.

Nach einer halben Stunde trat Herr Simon unter einem lebhaften Gespräch mit seiner Frau in's Vorzimmer, und weil ich das Wort Deister hörte, so lauscht' ich neugierig, wie die Sache wohl negocirt werden möchte? Hier ist der interessanteste Theil ihres Gesprächs.

Frau Simon. Du hast Recht, mein Kind, es ist eine theure lange Weile. Man jagt über die kahle Chaussée, ißt und trinkt schlecht, ermüdet sich, erhitzt sich und kriegt am Ende nichts als Bäume zu sehen, die man in der Nähe haben kann. – Arist ist gewaltig für die Reise eingenommen. –

Herr Simon. Ich diene meinen Freunden gern; nur müssen sie nicht verlangen, daß ich mich ihretwegen ennuiiren soll – Außerdem geht's morgen nicht an; ich habe dringende Geschäfte, und weiß mich kaum durch die Papiere zu finden. Überhaupt sind mir alle die Parthien zuwider, wo man so feierlich nach Freude läuft, und sie erst findet, wenn Alles vorbei ist. Ach, rufen wir dann ermüdet – wie froh bin ich, wieder zu Hause zu seyn! – Warum gingen Sie denn aus dem Hause, Mesdames?

Frau Simon. Eben das ist meine Meinung, und damit ist's aus. Arist mag sich eine andere Gesellschaft suchen. Nein, das herrliche Wetter will ich besser anwenden, und morgen kann ich endlich thun, was ich schon so lange Willens war. Deine Stube hier, die Bücherkammer, will ich nun einmal recht waschen und scheuern und reinigen lassen; Alles muß hier umgewandt und in eine vernünftige Ordnung gebracht werden. Jetzt trocknet's geschwind, und so wirst du endlich den ekelhaften Unrath los.

Herr Simon. Dortchen, nein, um's Himmels willen, das geht noch weniger an! euer Kramen und Poltern, weißt du doch, ist mir ein rechter Abscheu. Laß das bis auf ein andermal gut seyn; morgen muß ich arbeiten.

Frau Simon. Aber könntest du nicht, lieber Mann, ein paar Tage in der kleinen Thorstube sitzen? Ich muß mich wahrlich schämen, wenn hier ein Fremder kommt. – Alles das legt man endlich der Frau im Hause zur Last. – Einmal muß es doch geschehen.

Herr Simon. Ja, und soll auch geschehen; aber nur wenn ich nicht zu Hause bin.

Frau Simon. Damit hältst du mich nun schon viele Monate hin. – Zürne nicht, mein lieber Mann; diese Unordnung macht uns Beiden wenig Ehre. Ist es gesund, ist es angenehm, in einem solchen Stalle zu leben? ist es schicklich, irgend Jemand hier herein zu führen? Auch du wohnst gern in einer reinlichen Stube. – Wie dir's so wohl seyn wird, wenn der Gräuel einmal weg ist, wenn deine Kammern durch die gesunde Frühlingsluft recht durchgeweht und durchgereinigt sind.

Herr Simon (nach einigem Nachdenken). Hör, mir fällt etwas ein – weil doch Arist seinen Sinn darauf gesetzt hat – so laß uns nach dem Deister reisen – unterdessen mögen sie poltern.

Frau Simon. Gut, lieber Mann! – Reise du mit ihm hin, und mache dir viel Vergnügen – ich will Alles wohl besorgen.

Herr Simon. Nein, Madame, das war die Meinung nicht! da fehlen mir hundert Bequemlichkeiten – ohne dich reis' ich nicht aus der Stelle.

Frau Simon. Kann der Schreiber nicht Acht geben, daß man die Papiere nicht rührt, und die Bücher abnehmen und aufsetzen? Ist dazu deine Gegenwart nöthig?

Herr Simon. Nein, Kind – aber Sie reisen mit, wenn es gefällig ist.

Frau Simon. Lieber Mann!

Herr Simon. Kurz und gut! – Eine Gefälligkeit ist der andern werth; und wenn ich in das Ausräumen willige, so mußt du mit nach dem Deister.

Frau Simon. Werde nicht heftig, lieber Mann! deine Wünsche sind Befehle für mich; ich will gleich die Berutsche bestellen. Hier umarmten sie sich, und ich schlich aus der Hinterthüre leise die Treppe hinab. Wir reis'ten nach dem Deister. Als wir in den Wagen stiegen, drückte mir Herr Simon freundlich mit den Worten die Hand: diesen Tag haben Sie mir zu verdanken. Meine Frau wollte durchaus nicht dran; aber sie versteht zu gehorchen.

Warum gelingt es jeder klugen Frau, ihren vernünftigen Mann, so oft sie Lust hat, nach dem Deister zu führen?

Weil die Freude zu gebieten, ce qui plait aux Dames, das Studium ihres Lebens ist, und weil der Stolz des Herrn der Schöpfung sie gerade zu nach dem Throne führt; denn uns ahnet so ein Hochverrath nicht. Wir brüsten uns in unserer Repräsentation, und geben, für die Zeichen der Regierung, die Regierung selbst hin.

Aber ist es denn so ein Unglück, durch eine Frau geleitet zu werden? einen freundlichen Richter zu erkennen, der entscheidet, wenn Unentschlossenheit an unserer Ruhe nagt? an der Hand einer sanften Gebieterin durch das dornige Leben zu wandeln, wo wir in unserer Leidenschaft gewiß den Pfad nicht immer fänden, der sicher zwischen Abgründen hinführt?


An Arist.

Dieser Brief ist von einem Unbekannten.

Ihre Reise nach dem Deister, Arist, ist das böseste, schädlichste Blatt, das jemals geschrieben worden ist. – Wenn der Zufall Sie auch den Mysterien weihte, was berechtigte denn Ihre Schwatzhaftigkeit, einen solchen Hochverrath gegen allgemeine Ruhe und häusliches Glück auszuüben? Sie konnten ja immer mit Ihrer sublimirten Politik die güldene Kette als Ordensband tragen, mit dem süßen Schein die Kunst des guten Weibchens einschläfern; oder ihr mit der Blendlaterne in jeden Schlupfwinkel folgen; aber – mußten denn eben alle Stoks fallen, um Ihre Actien zu erhöhn?

Seit dem 22. Mai Das erste Stück war in dem Blatte vom 22. Mai 1778 abgedruckt. ist die Revolution allgemein. Die Ehemänner, und selbst Hagestolze, spähen jetzt, mit dem Fernglas in der Hand, die entlegensten Fußsteige aus, und schwindeln vor jedem Maulwurfhaufen, als vor einer Fallbrücke. Jedes Wort wird zu Protokoll genommen, auf alle mögliche Art declinirt, in dem entferntesten Sinn ausgelegt, und mit Argwohn und verdoppeltem Mißtrauen bestraft. Aus Furcht auf den Deister zu reisen, geht keiner aus der Stelle, und den armen Weibern bleibt nichts übrig, als gähnend dem Herrn die Pantoffeln zu setzen.

Alle Männer, Arist, sind zum Eigensinn, zum Vorwitz, und zur Pedanterei geneigt. Sie urtheilen, wie die einzigen Spender der Vernunft, ohne in die Details zu gehen, über Alles, und jeder Umstand soll in ihre Grille passen; der beste Vorschlag und die richtigste Idee muß ihnen immer so fein überzuckert, im Säftchen, beigebracht werden, daß sie sich ungestört für Autor und Verleger ausgeben dürfen. Die mehresten Weiber müssen gewöhnlich die geringste Kleinigkeit erst durch hundert Parallelstriche in Licht und Schatten setzen, und dennoch werden die auf die besten Endzwecke zielenden Bemühungen oft vereitelt.

So war es bisher, Arist, ehe man, noch in die Karte guckte, um zu sehen, was Trumpf ist. Was wird's nun seyn, da Sie mit Ihrer Lorgnette hinter den Stuhl treten, und dem unglücklichen Spieler auch noch das zweifelhafte Glück des Ungefährs rauben? – Warum ließen Sie nicht Herrn Simon seine Binde, und der Frau Simon das seidene Gängelband? Ging's nicht recht gut so?

Der Anhang zu der Erzählung, Alles, was Sie da von Folgsamkeit sagen, von dem Glücke geleitet zu werden – ist ein Palliativ , das dem keimenden Gifte nicht widerstehen wird. Gehen Sie – jeder gute Altvater wird seine Kinder vor solchen Kenntnissen, als vor vergifteter Contrebande warnen, und – ce qui plait aux Dames ist: daß Ihr Blatt je eher je lieber confiscirt und verbrannt werde.

Luise.


An Luisen.

Sie nehmen die Sache tragisch, Madame, und hätten mir bald das Gewissen gerührt; denn ich möchte nicht gern, daß mein Blatt irgendeine Reise nach dem Deister verdürbe. Aber nichts ist verloren; beruhigen Sie sich. Der Herr Gemahl richtet jetzt sein Fernglas allein auf den bezeichneten Fleck, und gibt das übrige Land ohne Argwohn, mit allen seinen Verschanzungen, Preis. Lassen Sie ihn nur in dem Falle mißtrauisch werden, wenn Sie irgend etwas heftig verwerfen. Ihnen bleibt immer noch das gleichgültige Nein, das schmachtende Ja, der vielseitige Vortrag, mit der Farbe, die den Wunsch colorirt, der Meisterzug sich ausforschen zu lassen, um scharfsinnig überrascht zu werden, das widerlegende Schweigen, das überzeugende Lächeln, und die noch beredtere Thräne. Sie sehen, wie wenig verrathen ist; nur ein kleiner Artikel aus der weiblichen Encyclopädie, die täglich durch neue Supplemente vermehrt wird. Also mit Ihrer Ruhe und Ihrer häuslichen Polizey steht es noch sehr gut, und das seidene Band , oder die goldene Kette, hält immer noch fest.

Nur zum Ordensband, Madame, taugt diese Kette nichts; denn sie wird vom Fürsten und Bettler getragen, und ist schon lange kein besonderes Ehrenzeichen mehr. Ich ein Politiker, Luise? Freilich wird mein Wille nie gebrochen; aber meine ganze Politik, im Vertrauen gesagt, ist – keinen Willen sei haben. Ich schwimme so ohne Widerstand mit dem Strome fort, auf dem Kahn, den meine Freundin steuert, und frage selten, wo der Wind herkömmt, um das Manövre nicht zu verwirren. Aber Sie sind eine erzpolitische Dame. Sie wissen, was Stoks sind. – Ihr Freund will ich gerne seyn – denn Ihr Verstand würde selbst mit einem Bart nicht übel kleiden; aber Ihr Mann? – Nun der Himmel hat auch das gut gemacht, und, weil Sie den Handel so gründlich verstehen, Ihnen vermuthlich einen Gatten beschieden, – der auf der Börse nicht genannt wird.

Wer hat denn unsern Vorwitz, unsere Pedanterei, unsern Eigensinn geläugnet? dafür haben Sie, der Abwechselung wegen, mehr als einen Sinn, und den unsrigen selten. Sie geben uns Witz für unsere Vernunft, und für unsere Grillen Vapeurs. – Allerdings wissen Sie; Ihre Ideen zu überzuckern und in einem Säftchen beizubringen. Wir nennen das les Douceurs des Dames; wir lieben den Confect, wie die Kinder – und werden auch so gelenkt und regiert. – Und so wird es bleiben, Luise! Ich begegnete noch vor wenig Tagen der Frau Simon mit ihrem seidenen Gängelband, und der redliche Mann lächelte freundlich, wie ein Knabe, der blinde Kuh spielt, unter seiner Binde hervor. – Man hat zwar nie in die Karte geguckt, um zu sehen, was Trumph ist; aber wenn wir auch hinein schielten, um zu erfahren, wie viel Trümphe in der Hand unserer Nachbarin sitzen, so wird uns das wenig helfen. – Die Natur hat die Karten so gemischt, daß wir am Ende immer verlieren, wenn das verlieren heißt, Madame, wider seinen Willen nach dem Deister geführt zu werden; denn, merken Sie das, der Hallerbrunnen ist ein herrlicher Ort. – Zwar hat er seine Weiblichkeiten, Labyrinthe, mühsame Pfade, eine phantasiereiche Wildheit; vieles scheint Natur, und ist doch Kunst; wenig stille Wasser, und doch gründen sie an einigen Orten tief; aber der Tag wandelt so sanft unterm freundlichen Gemurmel des Bachs, an der Hand einer Freundin, im Schatten lispelnder Zweige, daß wir über der Freude da zu seyn, vergessen, wie wir hingekommen sind.

Ob man uns durch einen langen Umweg über die Chaussée, oder, auf einem Richtweg, durch die untiefe Wiese gebracht hat – wenn ich glücklich bin, so schikanire ich nicht über die Art, wie ich's geworden bin.

Also nun verstehn wir uns, Luise. Meine Moral ist gar nicht Contrebande; denn sie ist in jedem Land ein einländisches Product; und mein unschuldiges Blatt verdient darum nicht verbrannt zu werden, weil es den güldenen Spruch dramatisirt: Gehorche deiner Obrigkeit.

Arist.


An Arist.

Also ist es im Ernst Ihre Meinung, Arist! Sie empfehlen Weiberherrschaft, weil Sie Ihre Frau gemächlich, durch lauter englische Gärten, führt, in solchen krummen Gängen und Pfaden, daß ein ehrlicher Kerl kaum eine Spanne vor sich wegsehen kann. Alles ist freilich Liebhaberei in der Welt, aber ich bin für die alte Ordnung: Weib, sey unterthan deinem Manne! und wenn auch die Franzosen darum den heiligen Paulus für einen unhöflichen Apostel erklären. Ein Mann, der über seine Würde hält, nicht negoziirt, sondern befiehlt, kann sich der Mühe überheben, die weibliche Politik zu ergründen, die ohnehin mit weißem Zwirne genäht ist.

Meine Frau kennt ihre Pflichten, und argwohnt nicht, daß es ein Recht in der Welt gibt. Ein Geist herrscht in dem Hause. So geht es ordentlicher zu, als in einer manichäischen Wirthschaft, wo sich immer die beiden Principien zerren.

Wills.


An Herrn Wills.

Ihre Paschassprache, mein Herr, beweis't nur, daß Sie grämlich sind, nicht, daß Sie in Ihrem Hause gebieten. Man hat eigene Methoden für Ihre Gattung. Die Sache wird so eingeleitet, daß gerade Ihr herrisches Nein die Absicht Ihrer Dame erfüllt. Sie werden also doch gegängelt, und bringen sich um den Dank, womit man wenigstens unsere freundliche Folgsamkeit belohnt. Wir sind Deutsche; wir haben die Achtung für unsere Weiber von unsern Vorfahren geerbt. Ihnen waren sie heilig, wie Tacitus erzählt; man verachtete ihren Rath nicht, man gehorchte ihren Aussprüchen gern, man glaubte, daß sie die Zukunft erklärten, weil sie es vermuthlich auch verstanden, die Zukunft nach ihrem Willen zu lenken Inesse quin etiam sanctum aliquid et providum putant, nec aut consilia earum aspernantur, aut responsa negligunt. Tacitus de morib. Germ. . Sollten wir uns einer Vätertugend schämen? Durch Trotz hat man noch nie eine kluge Frau gedemüthigt; aber wohl ihre Erfindungsgabe gereizt, dies fruchtbarer an Hülfsmitteln, als die Staatskünstelei der Könige, ist. Sind Sie aber wirklich der Meinung, daß es leicht sey, Weiberlist zu ergründen, so hören Sie, zu Ihrer Erbauung, eine Geschichte aus dem Orient, wo die Weiber Sclavinnen sind. Um sie zu begreifen, ist nöthig zu wissen, daß in Arabien ein Spiel im Gebrauch ist, welches in einer Wette besteht, nichts von dem andern anzunehmen, ohne das Wort ›Diadesté‹ auszusprechen. Zuweilen dauert das Spiel verschiedene Wochen durch; beide strengen ihren Scharfsinn an, um sich einander zu überraschen; wer am ersten die Bedingung vergißt, und etwas nimmt, ohne das Wort auszusprechen, hat die abgeredete Wette verloren.

Ein Philosoph in diesem Lande hatte, weil er nicht unempfindlich war, lange der weiblichen Herrschaft gehuldigt, und nahm sich auf ein Mal vor, klüger zu werden. Er schrieb daher ein Buch von ihren Ränken und Künsten zusammen, und führte es überall mit, um sich bei jeder Gelegenheit daraus Raths zu erholen.

Eines Tages kam er ein arabisches Lager vorbei; da saß, am Eingang ihrer Zeltes, eine junge muntere Frau, die ihn freundlich grüßte, und ihn gastfrei einlud, bei ihr auszuruhen. Er hatte sich kaum niedergelassen, ihren Wuchs, ihren Blick, das einsame Zelt, den Teppich und die Küssen betrachtet, so ward ihm für das System seiner Weisheit bange. Er nahm also seine Zuflucht zu dem Buch, schlug die Augen nicht weiter auf, und las andächtig vor sich weg. »Das ist ja wohl ein treffliches Buch« sagte die Araberin, »das dich so hinrückt?« – »Allerdings,« gab der Philosoph zur Antwort; »es enthält Geheimnisse« – »die du mir nicht offenbaren willst,« fiel ihm die Frau in einem von den Tönen in die Rede, mit welchen alle Saiten eines Männerherzens so im Einklang beben. – »Nun es enthält,« erwiederte er, »ein vollständiges Verzeichniß aller Künste schlauer Weiber, das dich nicht belustigen wird, denn du wirst daraus nichts Neues lernen.« Die Araberin fand das äußerst spaßhaft; »und bist du sicher,« fragte sie, »daß alle Kunststücke drinne sind?« – Unter'm Scherzen ward die Unterhaltung freier; der Philosoph vergaß sein Buch; er wurde zärtlich, kühn und dringend, die Dame leiser, einsylbiger, und es hätte arg genug werden können – als sie ihren Mann auf dem Felde erblickte. »Ha!« – schrie sie, »wir sind verloren! Rette mich! – Mein Mann ermordet uns Beyde. Um des Propheten willen, kriech schnell in diesen Kasten!« – Der Philosoph besann sich nicht lang, und sie schloß ihn sorgfältig ein.

Hierauf ging sie ihrem Mann entgegen. – »Du kommst,« sprach sie, »zu rechter Zeit. Hier hat mich eben ein Fremder besucht, ein weiser Mann, wie es anfangs hieß, der ein ganzes Buch geschrieben hat, das von Weiberränken handelt, aber endlich ward er äußerst verwegen und redete von Liebe.« – Man begreift die Wuth des Arabers; aber wer beschreibt die Angst des Philosophen, der, aufgelöst im Todesschweiß, jedes Wort wie einen Dolchstich fühlte? »Wo ist der Elende?« rief der Mann, »daß er von meinen Händen sterbe!« »Hier in diesem Kasten,« sagte die Frau, und reichte ihm den Schlüssel hin. – Aber, indem er hinstürmte, schlug sie ein unmäßiges Gelächter auf. »Ertappt, ertappt!« schrie sie, unter beständigem Lachen. »Gleich die Wette bezahlt! Hast du nicht den Schlüssel genommen, ohne Diadesté zu sagen?« Nun stand der gute Mann, wie versteinert, da, und ließ die Arme senkrecht fallen. »Ja du hast gewonnen,« sprach er; »aber – böses Weib, die Ärgerniß hättest du mir ersparen können.« Er gab hierauf geduldig den Schlüssel und die Wette hin. Als er wieder aus dem Zelte war, zog die Frau ihren halbtodten Philosophen hervor. »Tiefgelehrter, weiser Herr!« sprach sie lächelnd, »zieh ruhig deine Straße; aber vergiß nicht, das Stückchen gefälligst in dein Buch einzutragen Die Geschichte ist aus den Mélanges de la littérature orientale genommen..


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