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Um diese Zeit ist auch der Graf, welcher seit einem Jahr in der Armee des Kaisers mit zu Feld gelegen, auf sein Schloß zurückgekehrt. Als nun die erste Freude des Wiedersehens vorüber war, glaubte der Arzt mit seinen forschenden Augen den Zug eines stillen Kummers in dem Gesicht der guten Gräfin zu erkennen; doch die Bescheidenheit des Alters hatte immer noch eine Frage darüber auf seinen Lippen zurückgehalten. Als er aber eines Tages ein Weib von den schwarzen fahrenden Leuten, die derzeit unter ihrem Herzog Michel durch das ganze Reich zogen, aus ihrer Kammer schlüpfen sah, da hat er abends beim Lustwandeln in dem Gärtlein ihre Hand genommen und ihr eindringlich zugeredet: "Ihr wißt, gnädige Gräfin, ich trage ein väterlich Herz zu Euch; so sagt mir auch, was ließet Ihr um Mittag, da Euer Herr sein Schläfchen tat, die arge Heidin in Eure Kammer?"
Die gute Gräfin erschrak; aber als sie in das milde Gesicht des Greises sah, da sprach sie: "Ich habe ein großes Leid, Meister Cyprianus, und möchte wissen, ob noch eine Zeit kommt, wo es von mir genommen wäre. "
"So öffnet mir Euer Herz!" entgegnete er; "vielleicht, daß ich bessern Rat weiß als jene fahrenden Leute, die wohl den Betrug der Leichtgläubigen, aber keineswegs die Zukunft verstehen! "
Auf diese Worte hat die Gräfin dem alten Meister ihren Kummer vertraut, und wie sie durch ihre Kinderlosigkeit sogar das Herz ihres Gemahls zu verlieren fürchte.
Sie gingen währenddessen an der Umfassungsmauer des Gärtleins entlang, und Cyprianus schaute über die unten liegenden Wälder hinaus, auf die schon der rote Abendschein sich legte. "Die Sonne scheidet", sprach er; "und wenn sie morgen emporsteigt, so muß sie mich auf der Reise nach meinem Heimatland sehen. Aber ich schulde Euch Leben und Gesundheit, und so will ich denn gebeten haben, wollet eine Dankesgabe, die ich durch sichere Hand aus der Heimat an Euch senden werde, nicht verschmähen. "
"So müßt Ihr wirklich fort, Meister Cyprianus? " rief die trauemde Frau. "Da wird mein liebreichster Tröster mich verlassen! "
"Klagt darüber nicht, Frau Gräfin! " entgegnete er; "die Gabe, von der ich sprach, ist ein speculum, zu deutsch ein Spiegel, unter sondrer Kreuzung der Gestirne und in der heilbringendsten Zeit des Jahres gefertigt. Wollt ihn in Eure Kammer stellen und dort nach Frauen Art gebrauchen, so dürfte er Euch bald bessere Kunde bringen als die trügerischen Leute der Haide. – – Man hält mich", setzte der Greis geheimnisvoll lächelnd hinzu, "in meiner Heimat für nicht unkundig der Dinge der Natur." Die Erzählerin unterbrach sich. – "Ihr wißt wohl, gnädige Gräfin, daß der Name Cyprianus später im ganzen Norden als eines mächtigen Zauberers bekannt geworden ist. Die Bücher, die er geschrieben, hat man nach seinem Tod in dem unterirdischen Gewölbe eines Schlosses an Ketten gelegt, weil man geglaubt hat, es seien böse, das Heil der Seele gefährdende Dinge darin enthalten. Aber die das getan, haben sich geirrt, oder sie sind selbst nicht reinen Herzens gewesen; denn – wie Cyprianus während seines Aufenthalts in diesem Haus oft gesagt haben soll – "die Kräfte der Natur sind niemals böse in gerechter Hand."
Aber ich will in meiner Geschichte fortfahren. – Einige Monde später, nachdem der Meister unter trostvollem Zuspruch an die beiden Ehegatten das Schloß verlassen hatte, hielt eines Tages ein Wägelchen mit einer großen Holzkiste auf dem Hof; und da der Graf und seine Gemahlin, welche in der Nachmittagsstunde müßig am Fenster standen, von Neugierde getrieben hinabgegangen waren, war ihnen von dem Fuhrmann ein auf Pergament geschriebener Brief des Cyprianus überreicht. Die Kiste aber enthielt die bei seinem Abschied verheißene Dankesgabe. "Möge" – so lautete das Schreiben – "dieser Spiegel so viele Tage der Freude eurem Leben zulegen, als er mich Stunden heiligster Arbeit gekostet hat. Wollt aber nicht vergessen, das Letzte in allen Dingen steht allezeit in der Hand des unergründlichen Gottes. – Nur eines ist zu verhüten. Niemals darf das Bild einer argen Tat in diesen Spiegel fallen; die heilsamen Kräfte, welche bei seiner Anfertigung mitgewirkt haben, würden sich sonst in ihr Widerspiel verkehren; insonders möchte den Kindern, so – das walte Gott! – euch bald umgeben werden, daraus eine tödliche Gefahr erwachsen, und nur eine Sühne, aus des Übeltäters eigenem Blut entsprossen, vermochte die Heilkraft des Spiegels wieder herzustellen. Allein die Güte eures Hauses ist so groß, daß solches nicht geschehen kann; und somit wollt in Hoffnung und Vertrauen diese Gabe aus der Hand eines dankbaren Freundes empfangen."
Und wie der Meister es gewollt, in Hoffnung und Vertrauen empfingen die Ehegatten sein Geschenk. Als die Kiste in den Flur getragen und geöffnet war, zeigte sich zuerst ein Gestell, künstlich in Bronze gearbeitet. Dann hob man den Spiegel heraus; ein hohes schmales Glas von einem wunderbar bläulichen Lichtglanz. "Ist es nicht, mein Gemahl", rief die Gräfin, die einen Blick hineingeworfen, "als liege die drinnen abgespiegelte Welt in sanftem Mondenschein?" Der Rahmen war von geschliffenem Stahl, in dessen tausenden Facetten der gefangene und gebrochene Lichtstrahl wie in farbigem Feuer blitzte.
Bald war das schöne Werk in dem Schlafgemach der Eheleute aufgestellt; und an jedem Morgen, während die Dienerin ihr das blonde Haar strählte oder die seidene Flechte in einen Knoten legte, saß die gute Gräfin mit gefalteten Händen vor dem Spiegel des Cyprianus und schaute andächtig und voll Hoffnung in ihr eigenes liebes Antlitz. Wenn aber die Frühsonne auf die Facetten des Rahmens leuchtete, dann saß das Bild der schönen Frau wie in einem Kranz von Sternenfunken. Oft nach seinem ersten Gang durch Feld und Wald trat ihr Gemahl wieder in das Schlafgemach und lehnte schweigend hinter ihrem Stuhl; und wenn sie ihn dann im Spiegel sah, so meinte sie jedes Mal, daß seine Augen weniger finster blickten.