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In Süddeutschland liegt eine kleine Stadt, nicht ferne vom Gebirge, am Gestade eines grünen Stroms, in einer heitern Gegend. An diesem Orte lebte vor manchen Jahren ein angesehener Würdenträger aus guter, alter Familie. Er hatte zu seiner Zeit ein adeliges Fräulein geehlicht, das ihm zwar keine Schätze, aber bald einen braunlockigen Knaben einbrachte, den die Aeltern um so inniger liebten, als er das einzige Kind des Hauses blieb.
In der That hatten sie auch viele Freude an dem Jungen. Es war eine stille, innerlich geschäftige Natur, äußerlich zumeist in seltsame Fährten verloren, dabei jedoch oft Laut gebend von einem geheimen Leben, das die Aeltern nicht verstanden, aber bewundernd ahnten. So merkten sie bei vergehender Kindheit mehr und mehr, wie der Knabe Haus und Garten und die altertümlichen Gassen für sich eigens erbaute und ergrünen ließ und einen Flor von Dichtung darüber warf, der zu schön war, um kindisch zu heißen, und als er mit zunehmenden Jahren öfter und öfter vor die Thore kam, so hatte er auch sein eigenes Schauen für die Landschaft, und der Wiesenbach, der Wald und das Hochgebirge waren Dinge, die ihm offenbar mehr bedeuteten als den anderen Leuten in dem Städtchen.
Der Landrichter von Bolzen bewohnte ein landesfürstliches Haus, das, vor Jahrhunderten als festes Schloß zu Schutz und Trutz erbaut, noch den gothischen Giebel, die dicken Wände mit schmalen Fenstern, im Innern dunkle Gänge, hinter sich aber einen lachenden Burggarten hatte, der zwischen bezinnten Mauern in sicherm Verschlusse lag. Er endigte in einem halbverfallenen Thurm, aus dessen Schießscharten man über Wies' und Feld auf ferne Dörfer sah, deren spitzige Kirchthürme über den Wäldern erglänzten, während am Horizonte die Alpen mächtig hinabzogen.
Es war dem Knaben lieb, wenn er oben im Vaterhause auf dem bretternen Speicher, der manches sonderbare Geräth, manch' altverbrauchtes Zeug bewahrte, wenn er da einsam und vergessen von dem Giebelfenster hinunter schauen konnte auf die schwarzen Dächer der Stadt, wo verschiedene heimliche Hofstätten erschienen, mancher hölzerne Gang, den er unten nicht mehr finden konnte, wo unbekannte Männer und Frauen wandelten und oft halbverhallende Stimmen herüberklangen, die er nicht verstand, wo er weit über das Land hinsehen und den Alleebäumen nachgehen konnte, bis sie auf fernen Hügeln verschwanden, wo entlegene Weiher glänzten und hohe Wälder dunkelten, hinter denen er sich die Fremde dachte. Auch freute er sich oft in den finstern Gängen seines Schlosses, die von seinem Fußtritte erschallten und seine Stimme in starkem Wiederhalle zurückgaben, an den alten schwarzen Bildnissen, deren Namen Niemand mehr wußte – er glaubte, es wären verstorbene Kaiser der deutschen Nation. Neben ihnen hingen auch noch hin und wieder alte Pickelhauben oder ein verrostetes Schwert aus vergangenen Zeiten, die ihm aber noch immer zu groß und zu gewichtig waren, so oft er sie auch versuchte – mit der Zeit, war seine Hoffnung, würde er auch noch hinein wachsen.
Und so saß er auch manche Abendstunde in den Fensterbrüstungen auf den eingemauerten Bänken und blickte in die stillen Gassen hinunter, spähend, als erwarte er eine wichtige Begebenheit – aber lieber als dies Alles war ihm der alte Thurm an der Stadtmauer, der in der Ecke des Gartens stand, und zwar da, wo die Bäume immer mächtiger wurden, das Gras immer höher und die Haselbüsche immer dichter. Auch der Epheu zeigte hier den reichsten Wuchs und wand sich an dem morschen Treppengeländer hinauf und über dem Dache spielten die leichten Ranken im Winde, wobei der Wetterhahn zuweilen seltsam knarrte. In diesen Thurm verlegte Jörg seine Kinderstube; da las er seine ersten Bücher und träumte seine schönsten Träume. Da schleppte er allerlei zusammen, was ihm werthvoll dünkte, Geschichten blondhaariger Ritter, die Beschreibungen fernem Länder, alte schmuckreiche Landkarten und die herrlichen Leiden Robinson's.
So stieg er am Abend immer hinauf in sein Thurmstübchen und las, oft weinend, oft in lautem Jubel, in seinen alten Historien oder in den Erzählungen von der Neuen Welt. Abwechselnd lag er dann auch über den vergilbten Landkarten und betrachtete die großen Städte, wie sie mit ihren eckigen Bastionen an den Flüssen liegen oder an der See. Da weilte sein Blick gern auf Köln am Rhein, oder auf Danzig in Polnisch-Preußen, oder auf Augsburg am Lech im Herzogthum Schwaben. Er meinte in ihre Gassen hineinzusehen und das Volk gewahr zu werden, wie es ehrenfest und mannhaft mit leisem Summen darin herum wimmelte. Er erschaute die ehrenfesten Patricier, die aus dem Rathhause kommen, die schönen Frauen, die aus der Kirche gehen und wenn sein Auge auf die niederländischen Städte fiel, so glaubte er den Freiheitsdonner der Kanonen zu hören aus dem Kriege gegen den spanischen Philipp. Dann betrachtete er auch die schwarzen reißenden Ströme, die durch den großen Bogen hinrieseln, bis sie sich ins Meer stürzen, wo die Delphine spielen und die holländischen Fregatten mit grüßenden Schüssen vorübersegeln. Er wäre ihnen gern nachgezogen in den großen Ocean und über diesen hinüber, um in der Neuen Welt zu landen, zu Valparaiso in Neuspanien. Nebenbei dachte er sich oft als Einsiedler in einem warmen Lande mit einer Hütte an der Felsenwand und einem Garten von Palmen und Brodfruchtbäumen, unter denen sich seltsame Blumen wiegen und vertraute Lama's weiden. An den Garten stieß der Urwald und durch die Palmen sah man auf das Meer, an dessen anderm Ufer seine Heimath lag. Zuweilen dachte er sich auch in den sonnigen Orient und ritt auf arabischem Hengste mit den Karavanen nach Mekka, oder er meinte, er ziehe im Lande Hindostan als indischer Fürstensohn auf weißem Elephanten über den Bazar zu Madras. Er liebte sein Vaterland, die alten Herzogthümer, die großen Ströme, die mächtigen Städte, die ehemaligen Kaiser und die deutschen Ritter, aber doch gab er Allem ausländische, ferne Namen. Die Flur seiner Geburtsstadt nannte er das Thal von Quito und die beschneiten Alpen hieß er die Cordilleras de los Andes. Wenn er aber nicht auf den deutschen Strömen hinunter ruderte, so träumte er sich ins Gebirge, wo die stille Herrlichkeit der Gletscher ruht und weit hinten im Forste die ewigen Quellen entspringen und von dort schlug er sich durch Drachen und böse Greifen seinen Weg hinunter nach Italien, in die grünen Ebenen der Lombardei und zog hinab im Gefolge des großen Barbarossa durch die Mark Ancona, um in Apulien auszuruhen, im paradiesischen Tarent.
Selige Stunden, die der Knabe an seiner Schießscharte verlebte, im Thale von Quito, am Fuße der Cordilleras, im neunten, im zehnten, vielleicht auch im elften Jahre seiner Jugend!
Doch saß er nicht immer gedankenvoll auf seiner Warte, sondern oft auch trug er seine Träume herunter in den Garten und webte die Lilien und die Rosen hinein, die da an der Mauer hin erblühten. Er dachte oft, wenn nur Eine verzauberte darunter wäre, legte sich ins Gras und beobachtete ihr Walten, ihr leises Regen in dem Winde. Er gab ihnen Namen, nannte die Rose Florismund, die Lilie Blancheur und lauschte, ob der Rosenprinz nicht zum Lilienfräulein spreche. Auf dem Bache aber, der hell und klar in ungedämmtem Bette durch den Garten floß, erbaute er seine Flotten und richtete manchen schönen Hafen ein für seine Galeeren, die er aus dicken Tannenrinden geschnitten hatte. Auch gab er dem Gewässer wieder jene klingenden fremden Namen, bei deren Klange seine Sehnsucht mitklang und zuweilen ließ er eine Galeere mit vollen Segeln auf dem Bache fortwogen, der sie dann durch die Wiesen in den Strom trug. Wenn so das Schiff mit fliegenden Wimpeln durch Hochburgund und Aragonien dahinzog, sagte er zu sich selber, es geht nach den Inseln der Seligen. Er wäre zu gern Admiral gewesen, um in den Indischen Ocean zu schiffen und ins Stille Meer oder um die Schlacht von Lepanto zu schlagen oder den bedrängten Rhodisern zu helfen, die ihm so herrlich vorkamen auf ihrer asiatischen Insel. Es konnte ihn sehr inniglich betrüben, daß die alten Ritter untergegangen bis auf die großen Grabsteine in der Pfarrkirche, wo sie kniend ausgehauen waren; aber manchmal dachte er, er könnte doch noch einer werden und dann ging er hin und nahm seine Armbrust, lehnte sich an die Gartenmauer und schoß einen Pfeil hinaus durch den Epheu in das Abendroth, um Alles zu vertilgen, was schlecht und niederträchtig auf dieser Erde.
Von allen diesen Dingen wußte der alte Herr von Bolzen sehr wenig und seine Gemahlin nicht viel mehr. Sie sahen zwar, wenn sie etwa in den Thurm hinaufstiegen, die Bücher und die Landkarten des Knaben, aber er hat ihnen nie gesagt, daß die Ebene um seine Vaterstadt das Thal von Quito und die Tirolerberge die Cordilleras de los Andes seyen. Auch bemerkten sie wohl seine Schiffe in dem Gartenbache und die Mutter gab ihm zuweilen verschiedenes Zeug zu ihrer Betakelung, aber sie hatte keine Ahnung davon, daß von Zeit zu Zeit eine Galeere nach den Inseln der Seligen segle. Etwas Näheres hätte vielleicht des Amtmanns Marie, Jörg's Schulfreundin, erfahren können, allein sie erkundigte sich nicht darum. Ihres Vaters Garten stieß an den des Landrichters und manchen schönen Sommerabend, wenn sie auf die Scheidemauer gestiegen war und in die Bäume hineingerufen hatte: Jörg, wie geht's! erschien dieser, reichte ihr die Hand, ließ sie in sein Gebiet herunterspringen und ging dann mit ihr an dem Bache lustwandelnd auf und ab. Dabei sagte er ihr, sie sey eine Prinzessin oder ein Ritterfräulein und hieße Bertha von der Reismühle oder Rosamunde von Plantagenet oder Theophania von Byzanz. Auch sprach er zuweilen verschiedene unbekannte Sprachen mit ihr, die er selber nicht verstand, die sie aber sehr gern zu hören behauptete. Ebenso nannte er ihr die Namen aller seiner Galeeren, allein wenn sie auch da war, zu den Zeiten, als wieder ein Segel nach dem fernen Ocean entsandt wurde, er sagte ihr nicht, wohin es bestimmt war, und auch nicht, was er in den Brief geschrieben hatte, der für seinen überseeischen Freund darin lag. Hätte sie ihn gefragt, sie konnte es vielleicht erfahren, allein sie war nicht neugierig.
Eines Abends aber, als Jörg auf den Ruf ihrer Stimme aus seinem Dickicht heraustrat, sah er auf der Gartenmauer neben Marien noch eine andere jugendliche Gestalt, welche er freundlich einlud herabzuspringen, während er selbst der Dame ritterlich seine Hand bot. Diese sagte, ihr Begleiter sey des Försters Erstgeborener, mit Namen Kunz, dem sie so viel Schönes von seinen Galeeren erzählt, und der nun gekommen sey, sie zu sehen. Vor jungen Leuten hatte Jörg keine Scheu; er nahm den Knaben an der Hand, führte ihn durch die Laubgange, welche er ihm als Urwald bezeichnete, zu seinen Wässern und zu seinen Flotten und erklärte ihm das Meiste ohne Rückhalt. Er sagte ihm, dies sey der Strom Guadalquivir, welcher von verschiedenen seefahrenden Nationen umwohnt werde. Dort unter den Apfelbäumen läge Hochburgund, die Freigrafschaft, und da an den Haselsträuchen sey das Reich Aragonien. Unter dem Schutze dieser Krone habe er hier einen Hafen angelegt, welchen man Tartessus heiße, weiter oben aber den Platz zu einer Stadt ausgesteckt, welche wegen ihrer gesunden Luft Buenos-Ayres genannt werden würde. Seine Flotte ferner sey die ansehnlichste in diesen Meeren und er unterhalte damit Verbindungen bis in den Ocean. Als des Försters Kunz diese Dinge hörte, fingen seine Augen an vor Freude zu glänzen. Er sagte schüchtern, auch er habe schon in Büchern gelesen, wo von solchen Geschichten die Rede sey, was ihn bei Jörg so sehr empfahl, daß ihm dieser eröffnete, er brauche nachgerade einen Admiral und wollte ihm gern diese Stelle verleihen. Försters Kunz empfing die Würde mit hohen Freuden und hat sie von dem Tage an mit Ehren getragen.
Es war viel Kunstsinn in dem jungen Admiral. Schnitzen und Zimmern verstand er weit besser als sein Herr und Meister und sein Vater hatte auch das schönste Werkzeug dazu. So stellte er bald in dem Hafen zu Tartessus statt der Rindenflotte, die er einst feierlich verbrannte, ein kleines Geschwader aus, das seemännisch hergezimmert war – weitbäuchige Schiffchen, schwarz angestrichen, innerhalb kalfatert, die Masten und das Takelwerk in schönster Ordnung. Auch die Waffen zu Schutz und Trutz mußten spüren, daß ein tüchtiger Schmied über sie gekommen. Die Schwerter legten sich besser in die Hände. Helm und Schild wurden zierlicher.
Die Knaben verstanden sich immer mehr und hielten immer fester zusammen. Was Jörg oben im Thurme ersonnen hatte, das führte Kunz unten im Garten aus. Manche Stunde aber saßen sie in der Thurmstube ruhig nebeneinander oder an einer Schießscharte des Gartens und schauten auf das Thal von Quito hin, über dem die Sonne unterging, sprachen dabei von den Reichen jenseit des Oceans, von Valparaiso und von ihrer Insel in der Südsee, oder sie wünschten sich hinüber auf die andere Seite der Cordilleras de los Andes, und meinten, wenn jetzt die Zinnen von Ravenna oder von Tarent so schön im Abendroth glänzten, da müßte es herrlich seyn, als Belagerer davor zu liegen mit einem Heere von hunderttausend Mann.
Die schönsten Tage aber gingen ihnen auf am Schluß der Kinderjahre, wenn immer der Treuenfelser Heinz zum Pfarrer in die Vacanz kam. Dieser war eigentlich ein junger Freiherr, der auf einem Landsitze von einer klugen Mutter erzogen wurde und hatte deshalb vor den Knaben in dem Städtchen Verschiedenes voraus. Er konnte sich rühmen, schon etliche Male Sporen getragen und beim Heueinfahren den Sattelgaul geritten zu haben, auch ging er zuweilen mit dem alten Forstwart auf die Jagd. Dabei war er auch voll großer Träume und trat gläubig ein in die mährchenhafte Welt, die Jörg um sich erschaffen hatte. Doch war ihm der Garten fast zu klein und er zog lieber in den Wald und durch die Felder oder führte seine Gespielen in dem kleinen Nachen auf dem Teich. Er war sonst freundlich und guten Herzens, aber streitbar und wild, wenn's zum Schlagen kam. Er hatte wohl auch eine eigene Lust an seinen jungen Fäusten und mit dem Treuenfelser Heinz zog jeweils der Krieg in die kleine Landstadt ein. Da wurden unter den Bürgerskindern die wehrhaften ausgehoben und mächtige Schlachten geschlagen, auf den Wiesen vor der Stadt oder selbst unter den Fenstern des Pfarrhofs. Das war ausgemacht, der Treuenfelser führte die besten Streiche und kümmerte sich am wenigsten um seine Haut. Wenn er dann in der grünen Au seine Scharen musterte, so sagte er ihnen, der Kampf gehe um das Heilige Grab, er sey Richard Löwenherz von England, Jörg stelle Ludwig den Heiligen von Frankreich vor und Försters Kunz nenne sich Tankred von Sizilien. Darauf schwenkte er kampflustig das Banner und führte seine Reisigen mit gewaltigem Kriegsgeschrei gegen die Sarazenen unter Sultan Saladin, in denen man die tapfere Jugend der Vorstadt erkennen konnte.
Sie mußten manchen Strauß verloren geben, die Ungläubigen, und manche ihrer Standarten wurde in dem Thurme aufgehängt als Erinnerungsmal an die glorreichen Tage König Richard's, bis er wieder kam im Herbste und wieder seine Getreuen sammelte und wieder gegen Jerusalem zog oder Askalon stürmte. Freilich gerieth er auch zuweilen in Noth, wie ja die besten, und als er einmal Ludwig den Heiligen aus einem starken Fähnlein Seldschuken, das ihn im Siegesjubel davon führen wollte, herauszuhauen unternahm, da geschah es, daß er zwar den König rettete, aber nur mit seinem eigenen Blut, denn als der Kampf geschlagen war, hatte er lange zu thun, um in Guadalquivir seine Stirnwunden zu stillen, und Ludwig der Heilige sagte ihm mit einem Spruche, den er vielleicht auch in einem Buche gelesen hatte: Lieber Vetter, ich will's euch stets gedenken.
Solche Thaten machten den Treuenfelser fast zum Wunder für die Knaben, und auch die Mädchen dachten gut von dem blonden Helden, seit er einst Amtmanns Marie an dem verwegenen Thürmerseppel so ritterlich gerächt. Dieser hatte sich nämlich bei einem Spiele auf dem Friedhofe an dem Mädchen, das den christlichen Kreuzfahrern zugethan war, vergriffen und wollte es an den Haaren zu Boden reißen, als Heinz in edlem Zorne herbeiflog, den Frechen ins Gras warf, ihn bei den Füßen in den Pfarrhof zog und dort in den Schafstall sperrte. So, Seppel, sagte er, jetzt bist du Sultan Bajazet, und darfst froh seyn, daß du es so weit gebracht.
Wenn dann an solchen Tagen der Kampf vorüber und die Abendsonne im Sinken war, dann zogen die Kämpen mit den Trophäen in den Thurm hinauf, trockneten sich den Schweiß von der Stirn und beriethen in ernster Versammlung – den hohen Rath von Indien nannten sie es – die kriegerischen Geschäfte des nächsten Tages. Und wenn die Zeit gekommen war. wo der Treuenfelser Heinz wieder auf sein Stammschloß gehen mußte, dann nahmen sie mit nassen Augen Abschied von dem edeln und festen, und zählten die Tage ab bis er wiederkommen würde und mit ihm die Tage der Abenteuer, der Kriegslust und der Schlachten.
So vergingen die Jahre und mit der Zeit kam auch der Tag heran, wo der alte Herr von Bolzen sterben mußte. Jörg drückte ihm sanft die Augen zu und schluchzte: Du hast auch nicht mehr erleben können, lieber Vater, wie aus deinem Kinde etwas wurde! Frau von Bolzen war zu den Füßen des Todtenlagers niedergesunken, unfähig ihren Thränen zu gebieten. Er fiel ihr um den Hals und weinte fast noch stärker als sie. Sey ruhig, Mutter, sagte er, – uns wird geholfen werden – ich geh' nach Indien. – Sie verstand ihn nicht.
Als der Vater begraben war, zog Frau von Bolzen aus dem alten Schlosse, verließ die Landstadt und schlug ihren Wittwensitz in einer größern auf, wo sie einfach und in stillem Frieden lebte. Jörg hatte Försters Kunz und dem Treuenfelser Heinz Lebewohl sagen und den Thurm, den Garten, seine Waffen und seine Flotten alle verlassen müssen. Der jähe Sprung aus den Kinderjahren in das Jünglingsalter hatte ihm ziemlich weh' gethan in seinem Herzen. Das Thal von Quito sah er nimmer mehr, die Cordilleras nur noch am fernen Horizonte – aber oft an schönen Abenden dachte er wehmüthig zurück an jene Freuden seiner Jugend.