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Erster Aufzug

Gaststube bei Friesecke

Erster Auftritt

Friesecke (in roten Filzschuhen beim Morgenkaffee): Mit dem Kaffee muß es dann aber anders werden, Mutter. Das ist Wassersuppe.

Auguste: Vorläufig sind wir noch allein, und so schlecht ist er nicht.

Friesecke (hält ihr die Tasse hin): Schmeck'!

Auguste: Er steht auch zwei Stunden. Mit deinem Aufstehn muß es sich vor allem ändern. Ein Hotelier, der um zehn Uhr morgens erst erscheint –

Friesecke: Der keine Gäste hat.

Auguste: Es ist des Personals wegen.

Friesecke: Das es noch nicht gibt.

Auguste: Aber nächstens geben wird. Wahrscheinlich wenigstens.

Friesecke: Was wetten wir: heut über acht Tage ist der erste Kurgast da.

Auguste: Hoffentlich.

Friesecke: Hand darauf! Und dann Adolfs Ärger! Ein Schlaganfall ist wohl das mindeste.

Auguste: Augen wird er machen!

Friesecke: Der Herr Schwager! Der große Mann soll sehen, Fritz Frisecke hat auch Ideen und bessere als er.

Auguste: Die Idee war eigentlich von mir.

Friesecke: Ich sagte eines Abends – – –

Auguste: Nur: Der Gasthof geht nicht; kein Zug drin.

Friesecke: Ich sagte: Perleberg ist ein toter Platz.

Auguste: Und damit warst du fertig. Aber ich fuhr fort: Kommen die Leute von selbst nicht, muß man sie holen.

Friesecke: Richtig. Und dann ich: –

Auguste: Erst sagte ...

Friesecke: Vorher kam ich noch: Die Gegend hier ist scheußlich, Natur so trostlos ...

Auguste: Und dann sagte ich: Perleberg muß Sommerfrische werden. Von wem ist also der Plan?

Friesecke: Man kann es von zwei Seiten sehen. Doch wie Adolf sich ärgern würde, daran dachte ich zuerst, und auch die Anzeige im Berliner Tageblatt ist von mir.

Auguste: Wie hätte man sonst erfahren sollen, eine neue Sommerfrische, Perleberg in der Mark hat sich aufgemacht?

Friesecke: Und wie ich ihm die Zeitung, das Inserat blau angestrichen, zugesteckt habe! Beim Lesen ist er sicher auch blau angelaufen. Hättest ihn sehen sollen, wie ich das neue Schild hinhängte: »Hotel und Kurhaus Zum Felsental«. Von seinem Platz hinter den Gardinen ist er überhaupt nicht mehr fortgekommen. Am ganzen Leib hat er vor Wut gezittert.

Und als ich bei dem Maler draußen stand. Ein französisches Wort nach dem anderen zum Vorschein kam: Pension, diner, souper und saison. Das Gefühl, jedes Wort ist ihm ein Stich ins Herz, und Speisen à la carte und table d'hôte!

Auguste: Hast du auch schon einmal den Fall gedacht –

Friesecke: Welchen vielleicht?

Auguste: Es käme kein Gast. Dann lacht nämlich er.

Friesecke: Ausgeschlossen! Wie kommst du darauf? Setz dich selbst in den Fall, du liest: Luftkurort und Sommerfrische alles inklusive ab drei Mark fünfzig. Denk doch nur, alles einbegriffen, inklusive!

Auguste: Was denkst du dir dabei?

Friesecke: Nichts. Die Hauptsache ist, was denkt der andere. Und denkt er viel, kommt er.

Auguste: Gut. Wie soll ich's mit drei Mark fünfzig aber machen?

Friesecke: Von ab – steht in der Anzeige. Das ist der Haken. Verlangt's einer dafür – zeig ich ihm sein Zimmer; dann wird er wohl verzichten. Und ehe er wieder abfährt, zahlt er eine Mark drauf.

Auguste: Dafür gibt's Morgenkaffee, Mittagessen, Nachmittagskaffee –

Friesecke: Ist extra.

Auguste: Es steht doch: alles einbegriffen.

Friesecke: Wohl. Nur der Nachmittagskaffee nicht. Das ist überall so. Drei Mahlzeiten und basta!

Auguste: Wie sollen die Leute sich hier nur den ganzen Tag unterhalten?

Friesecke: Ihre Sache. Und eigentlich sollen sie sich nicht unterhalten. Ausruhen sollen sie.

Auguste: Aber da denkt man sich Wald bei.

Friesecke: Gibt es an der Nordsee Wald? Und du ruhst doch prachtvoll aus.

Auguste: Dafür hast du dort das Meer.

Friesecke: Ich bin nicht schuld, daß Perleberg nicht am Meer liegt. Auch noch für drei Mark fünfzig! Auf dem flachen, auf dem sozusagen originalen Land ist es auch ganz schön, und wer durchaus Wald haben muß – in Ganthe fängt er an.

Auguste: Eine halbe Stunde zu Fuß.

Friesecke: Ein Spaziergang nach Tisch.

Auguste: Und die Allee und die nach Wusterwitz mit Obstbäumen und Pappeln sind wirklich hübsch.

Friesecke: Tausend Schönheiten gibt's überall, und die Leute haben Zeit, sie zu suchen.

Auguste: Ein Kellner meinst du?

Friesecke: Ein Oberkellner und ein Hausknecht kommen morgen. Und dann muß Lene tüchtig helfen.

Auguste: Soll ich mich auf die verlassen?

FRTSECKE: Verlaß dich drauf. Ich mach's ihr klar. Die Stuben sie, du die Küche. Und sind wir dann richtig im Schuß, und die blanken Taler kommen einer zum andern – den ersten Tausender, den ich zur Bank bringe, zeige ich Adolf, und platzt er nicht – gib mir einen Kuß, Mutter!

 

Zweiter Auftritt

Lene tritt auf

Friesecke: Komm her, Lene, reiß dich zusammen! Seitdem wir Hotel geworden sind – bis ein Stubenmädchen kommt – fürs erste machst du die Zimmer. Aus dem Effeff. Da fällt, bist du anstellig, auch ein Taschengeld für dich ab.

Auguste mit dem abgeräumten Kaffeegeschirr exit

Friesecke: Und bekommst du mit Männern, jungen Herren, zu tun, dein Vater war Beamter, hatte den Kronenorden, mehr sag ich nicht! Deine Pflicht tun. und beim Abschied – Hand auf! Allenfalls, Lene – das hängt davon ab – ein Küßchen allenfalls. Nur in den besseren Zimmern selbstverständlich. – Daß du dich nicht wegwirfst! Ein Mädchen hat nur eins: die Ehre! Wie ein Soldat. Was allerdings etwas Grundverschiedenes ist. Aber das verstehst du nicht. Du weißt Bescheid.

Lene: Ja.

Friesecke: Daß deine Schwester mit dir zufrieden ist! Und Diner sagen für Mittagbrot und Saison und ähnliches. Überhaupt ein bißchen unterhaltsam: Schön ist das Wetter heute, gnädige Frau. Und haben Herr Amtsrichter gut geschlafen? Das zahlt sich zum Schluß aus. Und höchstens – du weißt! Allenfalls. Und nun Schluß und zur Küche.

Lene exit

 

Dritter Auftritt

Ein Postbote (tritt auf): Ein Telegramm. Kurhaus zum Felsental. «

Friesecke: Natürlich. Gut (er öffnet) Tack! Ein Gast! Sie bekommen einen Schnaps, Schindler.

Postbote (trinkt): Wohl ein Fremder?

Friesecke: Ein Kurgast aus Berlin. Ein feiner Mann. Mittelpublikum braucht Postkarte. Wir wollen uns sehr exklusiv gestalten.

Postbote: Besten Glückwunsch auch.

Exit

 

Vierter Auftritt

Friesecke (ruft rechts in die Tür): Lene! Auguste!

Auguste und Lene treten von der Arbeit auf

Auguste: Was gibt's?

Friesecke (gibt ihr das Telegramm): Lies! Der erste!

Auguste: Ein Gast?

Lene: Wahrhaftig?

Friesecke: Hurra! Was hab ich gesagt?

Auguste (liest): Zimmer für heute. Tack.

Friesecke: Tack! Ein Name! Kurz und gut. Depesche. Ein vornehmer Herr. Tack? Hieß nicht bei unserem Regiment der Etatsmäßige Tack, von Tack natürlich? Am Ende hat er das »von« weggelassen, ein Wort im Telegramm zu sparen. Das würde Alfred noch mehr aufbringen.

Lene: Wer hätte das so schnell gedacht.

Friesecke: Meine Annonce; inklusive!

Auguste: Aber heut schon! Nichts Anständiges hab ich zum Essen im Haus. Am Ende kommt er zu Tisch. Hätte er's auf dem Bahnhof aufgegeben, wann könnte er hier sein?

Lene: Elf Uhr fünfzig.

Friesecke: Mutter, dann tummle dich. Was willst du geben?

Auguste: Gut bürgerlich.

Friesecke: Das heißt?

Auguste: Eine Suppe zuerst. Brühe.

Friesecke: Bouillon!

Lene: Mit Ei.

Auguste: Nein.

Friesecke: Kommt darauf an, was er zahlt. Ab vier Mark fünfzig mit Ei.

Auguste: Dann Braten mit Gemüse.

Lene: Aber da fehlt das Zwischengericht.

Friesecke: Sie hat recht. Ein paar Neunaugen.

Lene: Eine feine Omelette.

Auguste: Neunaugen, Kalbsbraten mit Rotkohl und Preiselbeeren zum Schluß.

Friesecke: Himmlisch! So kann er dreist von Adel sein.

Auguste: Dann will ich mich schicken. Erst aber laß mich mit dem Telegramm hinüber.

Friesecke: Zu Adolf? Nein. Das muß feiner gemacht werden. Bis elf kommt er doch zu uns, spionieren. Und dann, als wäre nichts Besonderes, reiben wir die Neuigkeit ihm unter die Nase.

Auguste: Aber laß mich dabei sein.

Friesecke: Kommt er, ruf ich dich.

Auguste: Gut.

Exit

Friesecke (ruft ihr nach): Neunaugen!

Lene (ebenso): Preiselbeeren! (zu Frisecke) Welches Zimmer muß ich in Ordnung bringen?

Friesecke: Das mittlere Vorderzimmer. Das hört man am Namen. Für den Hotelier eins der Dinge, die er beherrschen muß. Kommt ein Telegramm, wissen, wohin mit dem Gast. Am Namen kennen. Leute gibt's, die heißen Kleinstäuber, Gundelfinger und so. Viel Geschrei und wenig Wolle. Aber Tack, das knackt wie Kommando. Der Mann weiß, was er muß. Vorn heraus natürlich. Und Lene – da könnte der Fall eintreten gewissermaßen, er schneidig, fesch mit Bügelfalten, und du trittst ein und fragst, was wünscht der Herr? Er aber nimmt dich um die Taille (er tut's) rein kavaliersmäßig – ein Küßchen allenfalls!

Lene: Wenn ich mag.

Friesecke: Selbstverständlich. Sonst höflich abgewinkt. Nur höflich in einem erstklassigen Hotel, daß Form, Annehmlichkeit des Aufenthalts für den Gast und schließlich das Trinkgeld nicht leidet. Aber mein Gott, es muß einer auf dem Bahnhof sein, der ihm die Sachen abnimmt. Der Hausdiener sozusagen. Die Mütze mit der goldenen Schrift ist da, doch kommt der Mann erst morgen.

Lene: Vielleicht kann Wagners Gustav gehen.

Friesecke: Recht hast du, Mädchen. Spring hin, sag Bescheid. Kommt er um elf, ist keine Zeit zu verlieren. Und die Mütze nimmst du mit. Wagner soll an Adolfs Fenster damit vorbeigehen. Wo hab ich sie denn? (er sucht und findet die Mütze hinter dem Büffet und setzt sie auf) Niedlich, nicht? Und nun fort? Halt, fehlt nicht noch etwas?

Lene: Hast du Champagner im Haus? Möglich, so ein vornehmer Herr will gleich Champagner.

Friesecke: Wie soll ich keinen Sekt im Hause haben! Drei Flaschen feinste Marke: Carte blanche.

Lene: Adieu.

Friesecke: Und setz dein Aussehen instand.

Lene exit

Friesecke: Und jetzt Generalmusterung!

 

Fünfter Auftritt

Adolf Kramer, vollbärtig, groß im Gegensatz zu Friesecke, tritt auf

Adolf: Guten Morgen.

Friesecke: Adolf? Guten Morgen.

Adolf: Wohin hat's das Mädchen so eilig?

Friesecke: Welches Mädchen? Lenchen? Telegrafiert nach Berlin um zwölf Flaschen Champagner.

Adolf: Champag – ...

Friesecke: Da hat mein Weinlager ein Loch.

Adolf: Wer soll den trinken?

Friesecke: Die Gäste.

Adolf: Hast du welche?

Friesecke: Bist ein komischer Kerl, Adolf. Oh ich Gäste habe? Hast du mein Inserat in der Zeitung nicht gelesen?

Adolf: Doch. Und?

Friesecke: Also.

 

Sechster Auftritt

Auguste tritt auf

Friesecke: Adolf fragt, ob wir Gäste hätten. (er lacht)

Auguste: Aber Adolf!

Adolf: Was ist merkwürdig daran? Ihr hattet ja bis jetzt keine.

Friesecke: Das war uns sozusagen recht.

Adolf: Was?

Friesecke: Sollte Auguste mit wehen Knien sich überanstrengen? Das hatte Dr. Pistorius streng verboten. Aber kaum war sie wieder auf den Beinen, sagten wir uns, jetzt soll das Geschäft beginnen.

Adolf: So?

Friesecke: Der Gasthof wurde der Neuzeit entsprechend renoviert.

Adolf: Der Neuzeit entsprechend?

Auguste: Man annoncierte.

Adolf: Und ist jemand –?

Auguste: Wir müssen sehr bitten.

Friesecke: Um elf Uhr fünfzig kommt zum Beispiel der erste Gast.

Auguste: Depeschierte.

Friesecke: Ein Telegramm!

Adolf: So? (nach einem Augenblick) Dann kann man gratulieren.

Friesecke: Wir werden die Geschichte bald in Gang bringen. Trinkst du ein Glas Bier?

Adolf: Gibt's das überhaupt bei euch noch?

Auguste: Fürs erste können wir die kleinere Kundschaft nicht entbehren.

Adolf (zu Frisecke, der das Bier ins Glas laufen läßt): Daß du dich selbst bemühst!

Friesecke: Das Personal tritt erst morgen an. Schneller, als wir dachten, kommen Gäste.

Adolf (trinkt): – Und was denkt ihr nun eigentlich?

Auguste: Endlich Geld zu verdienen.

Adolf: Ihr lockt Menschen, die keine Ahnung haben, wie es hier aussieht, her.

Friesecke: So fangen wir nicht an. Wer hat mich, der auch keine Ahnung hatte, hergelockt?

Adolf: Du wolltest nicht in die Sommerfrische.

Friesecke: Ich mußte bleiben. Und darum war dein Verbrechen eminent. Meine Gäste dürfen nach ein paar Wochen wieder fort. Aber weil du das Grundstück, auf dem wir stehen, die Kneipe loswerden wolltest, war dir dein Schwager recht. Was hast du von der Schönheit der Natur hier gefabelt! Abends kam ich, zu sehen war nichts mehr. Auf dein Wort verließ ich mich, und nach der vierten Flasche um Mitternacht gehörte mir der Kasten, und du hattest unser Geld. Geschwärmt hast du von Perleberg, als läge es in der Schweiz an Gletschern und Zahnradbahn.

Auguste: Das war buchstäblicher Betrug, den ich nicht vergesse. Uns aus dem schönen Angermünde fortzulocken!

Adolf: Aber für ihr Geld wollen die Leute doch etwas haben.

Friesecke: Und für unser Geld wolltest du etwas haben.

Auguste: Gutes Essen und anständige Wohnung bekommen sie.

Adolf: Das haben sie besser zu Haus.

Friesecke: Selbstverständlich. Zu Haus ist alles am besten. Doch will der Mensch reisen.

Adolf: Was sollen sie den ganzen Tag tun?

Friesecke: Hast du gefragt, was wir hier den ganzen Tag, Monate, Jahre anfangen würden?

Auguste: Was gehen dich fremde Menschen an?

Friesecke: Mehr Mitgefühl für sie, als für uns!

Auguste: Aber hättest du den Gedanken gehabt! Statt uns zu danken, daß wir Geld in den Ort bringen.

Friesecke: Laß mich mal eine kleine Rechnung aufstellen: nehmen wir fürs erste Jahr nur zweihundert Gäste an, und jeder braucht durchschnittlich sechs Mark täglich.

Adolf: Bei drei Mark fünfzig alles einbegriffen.

Friesecke: Bleibt einundzwanzig Tage hier.

Adolf: Nicht einen.

Friesecke: Sechs mal einundzwanzig?

Auguste: Hundertsechsundzwanzig.

Friesecke: Mal zweihundert?

Auguste: Fünfundzwanzigtausendzweihundert.

Friesecke: Sagen wir sechsundzwanzigtausend Mark. Niedlich für den Anfang.

Adolf: Von denen dreiundzwanzigtausend an dich fallen.

Friesecke: Sagen wir zwanzig.

Adolf: Und du glaubst, das sehe ich ruhig mit an?

Friesecke: Du freust dich, hoffe ich, verdiene ich.

Adolf: Wozu hätte ich denn das Ding an euch verkauft?

Auguste: So? Nun, Adolf, ist's heraus. Uns zu ruinieren, weil du dachtest, die Sache ist heut oder morgen doch wieder zu Ende –

Friesecke: Aha!

Auguste: Und dann kaufe ich sie um ein Butterbrot zurück – nur darum hast du uns das Haus gegönnt? Aber jetzt, wo du siehst, wir kommen aus dem Abgrund, in den du uns stürzen wolltest, vielleicht noch einmal heraus –

Friesecke: Durch eigene Intelligenz!

Auguste: Statt dich zu freuen, dein Unrecht bleibt ohne Folgen für uns, gönnst du uns das bißchen Glück nicht –

Friesecke: Da hört sich doch alles auf!

Auguste: Von einem Bruder!

Friesecke: Vor den Staatsanwalt gehört das!

Adolf: Regt euch nicht auf. Es ist für nichts und wieder nichts. Denn das steht fest: zehn Gäste, wenn's so viel werden. Und die wirst du auch bald wieder verjagt haben, denn du hast zum Gastwirt soviel Beruf wie zum Landbriefträger.

Friesecke: Das hättest du mir vor dem Kauf sagen müssen. Da meintest du allerdings, ich sei dazu geboren.

Adolf: Man irrt sich manchmal.

Auguste: Und warum hat er kein Talent?

Adolf: Er ist faul.

Friesecke: Nun bitte ich mir aber aus!

Adolf (zu Auguste): Ist's nicht wahr? Bestimmt ist er doch eben erst wieder aufgestanden?

Friesecke: Seit sieben Uhr morgens tummle ich mich im Haus.

Auguste: Er hat sich's bis jetzt vielleicht ein bißchen leicht gemacht, aber es war auch nichts zu tun.

Friesecke: Sollte ich Fliegen fangen?

Adolf: Es wird nicht anders. Du bist nicht dazu geschaffen. Dir gehörte ein Gütchen, wo du Feld, ein bißchen Garten hast, mit Gemütlichkeit für dich schaffst. Um andere Menschen dich zu plagen, untertäniger Diener und so, ist nichts für dich.

Friesecke: Das war einmal mein Gedanke, bis du mich überzeugtest, Gastwirt sei meine Sache.

Adolf: Es war voreilig von mir.

Friesecke: Vorher hättest du's sagen müssen und dein Eigentum behalten.

Adolf: Zu gutem Rat ist's nie zu spät.

Auguste: Du meinst – wir sollen verkaufen?

Adolf: Ich sage, Fritz paßt nicht ins Geschäft.

Auguste: Und du hast wohl schon einen Käufer?

Adolf: Muß es sein, wird sich auch der finden.

Friesecke: Es muß nicht sein. Reden wir nicht mehr davon.

Auguste: In fünf Jahren, haben wir unser Schäfchen im Trocknen, darfst du wieder nachfragen. Wenn's dann keinem zu teuer ist.

Friesecke: Das Fünffache, Zehnfache! Verlaß dich darauf.

Adolf: Ein gewisser Nutzen würde jetzt schon für euch abfallen, und ihr hättet die Arbeit nicht. Ein guter Freund –

Auguste: Wir freuen uns auf die Arbeit.

Friesecke: Sind jung und mobil (lacht) Und der gute Freund, Adolf, bist du selbst.

Adolf (nach einem Augenblick): Gut. Warum nicht die Wahrheit sagen? Ja – ich will. Eure Idee ist gut. Nicht leicht wäre einer auf sie verfallen.

Friesecke: Das glaube ich!

Adolf: Denn die Gegend ist zu scheußlich. Aber sie scheint einzuschlagen; ihr bekommt Gäste und schnell. – Die Idee also anerkenne ich, und daß aus ihr dauernd Kapital zu schlagen ist unter einer Bedingung: Ihr geht hier hinaus.

Friesecke: Sehr gut!

Adolf: Nichts ist damit getan, daß ein paar Leute kommen, die sehen, was ist oder vielmehr, was nicht ist. Sie zu halten, gilt's, daß sie sich über Perleberg lobend aussprechen, und um das zu erreichen, gehört eine Persönlichkeit hier an die Spitze.

Friesecke: Und ich bin keine Persönlichkeit?

Adolf: Ganz und gar nicht.

Friesecke: Hörst du, Mutter?

Adolf: Und in jeder Hinsicht so ungeeignet wie möglich.

Auguste: Doch du wärest die Person?

Adolf: Ich glaube.

Friesecke: Und warum?

Adolf: Ich setze durch, was ich will.

Friesecke: Das kann jeder sagen.

Adolf: Hab ich dir das Geschäft nicht verkauft, als es noch keinen Pfennig wert war?

Auguste: Da hört aber alles auf!

Friesecke: Beschwätzt hast du mich.

Adolf: Auch die Gäste müssen beschwätzt werden. Vormachen muß man ihnen, was nicht da ist; solange es fehlt. Denn – kommt erst Geld her – ist alles zu schaffen. Aber Zeit gewinnen, ein Programm haben, einen Willen, Persönlichkeit mit einem Wort. Ihr hattet die Idee. Sie muß euch bezahlt werden.

Auguste: Kein Wort mehr!

Friesecke: Schluß, Clavigo!

Auguste: Wir können unser Geld selbst verdienen.

Adolf: Ich sag's noch einmal. Ihr kennt mich.

Friesecke: Gott sei Dank!

Adolf: Besser, man hat mich nicht zum Feind!

Friesecke: Können wir nicht beurteilen. In der Lage waren wir noch nicht.

Adolf: Nach reiflicher Überlegung komme ich. Die Idee an sich ist vorzüglich. Ihr ruiniert mir alles.

Friesecke: Wir – dir? Du bist wohl – (Gebärde)

Adolf: So oder so – ihr müßt hinaus!

Friesecke: Bin ich doch neugierig.

Auguste: Unsere Hypotheken sind noch sechs Jahr fest.

Adolf: Nehmt an: Ich will in Güte – sonst hab ich vielleicht die Mittel, euch zu ruinieren.

Friesecke: Nur vorwärts!

Adolf: Ihr werdet anders reden, hat sich erst entschieden, ob –

Auguste: Ob?

Friesecke: Was?

Adolf: Wollt ihr?

Friesecke: Nein, nein, nein!

Adolf: Dann verlangt seid ihr erledigt auch kein Mitleid von mir. Ihr habt nicht hören wollen.

Auguste: Wir wollen nicht hören.

Adolf (stark): Also?

Friesecke: Nichts zu machen!

Adolf exit

 

Siebenter Auftritt

Auguste: Was sagst du?

Friesecke: Wir können uns gratulieren.

Auguste: Aber – – –

Friesecke: Hast du seine Augen gesehen? Wie ein neidischer Rollmops. Zu schön. An solchen Tagen lohnt sich's, zu leben.

Auguste: Christine steckt dahinter. Er selbst ist im Grund nicht so schlimm.

Friesecke: Ein gefährlicher Bruder.

Auguste: Was er nur gemeint hat? Wenn was entschieden ist?

Friesecke: Nichts. Fällst du auf die Finte herein?

Auguste: Du nimmst die Sache zu leicht, Fritz.

Friesecke: Ich lasse mich nur nicht verblüffen. Ich will ihn ärgern, nicht soll er mich.

Auguste: Ärger ist gut zu seiner Zeit. Hier aber handelt es sich um unsere Existenz. Will er wirklich, er hat andere Mittel und ist gescheit.

Friesecke: Der Dümmste bin ich auch nicht.

Auguste: Vielleicht. Aufpassen muß man, die Augen aufhalten.

Friesecke: Will ich wie ein Schießhund. Und wo ich ihm eins versetzen kann – die Augen muß er noch einmal machen, (kopiert) Zu schön!

Auguste: Er hat ein ganz bestimmtes Ziel. Das ist klar.

Exit

 

Achter Auftritt

Friesecke: Wir sind auf Posten, Freundchen.

Baumbach (tritt auf): Kann man einen Schnaps haben?

Friesecke: Korn wie immer?

Baumbach: Seitdem ihr so vornehm geworden seid? Gäste kommen auch schon, hört man. Da werdet ihr wohl bald im Gold wühlen.

Friesecke: Jeder in Perleberg soll sein Teil haben.

Baumbach: Was du selbst einstecken kannst, gönnst du keinem von uns. Dafür werden wir unten im Dorf alles tun, dir abzujagen, was möglich ist. – Was hat denn dein Schwager Kramer vor?

Friesecke: Hat er was vor?

Baumbach: Einen hübschen Posten Rohre hat er mir abgenommen.

Friesecke: Was für Rohre?

Baumbach: Bleierne, eiserne und so weiter.

Friesecke: Röhren?

Baumbach: Rohre sozusagen.

Friesecke: Was will er damit?

 

Neunter Auftritt

Lene (stürmt herein): Der Zug ist da! Er ist angekommen!

Friesecke: Hast du ihn selbst gesehen?

Lene: Von weitem. Bin gestürzt, mich noch zurechtzumachen.

Schnell exit

Baumbach: Da will ich mich drücken. Mahlzeit!

Exit

Friesecke: Rohre –? Hätte man einen Wagen schicken sollen? Zwar die paar Schritt. Wenn nur Gustav mit dem Gepäck keine Dummheiten gemacht hat! Herrgott, war er das am Ende schon? (zur Tür, die er öffnet)

 

Zehnter Auftritt

Tack, mit einem schmalen Köfferchen in der Hand, tritt ein. Gustav hinter ihm, mit der Mütze in der Hand und leeren Händen

Tack (dünn, schmächtig, semmelblond, mit Brille): Guten Morgen, Herr ...?

Friesecke: Frisecke. Der Wirt.

Tack: Tack ist mein Name. Ich habe telegrafisch um ein Zimmer gebeten.

Friesecke: Ist reserviert

Tack: Ich möchte noch sagen –

Friesecke: Wollen Sie nicht dem Hausdiener die Tasche geben?

Tack: Ich möchte keinen bemühen. Wollte sagen, bin mit einem bescheidenen Zimmerchen zufrieden. Ich werde viel draußen sein.

Friesecke: So –?

Tack: In der Zeitung las ich, Sie geben Pension um drei Mark fünfzig. Mehr will ich jetzt nicht ausgeben. Ich wäre Ihnen dankbar ...

Friesecke: So? Na – eigentlich – Sie werden ja sehen. Ich will Ihnen zeigen; bitte, ich gehe voraus.

Beide exeunt

Gustav: Warum mußte ich denn auf den Bahnhof? Soll ich noch bleiben?

 

Elfter Auftritt

Auguste (tritt auf): Wie sieht er aus?

Gustav: Ich weiß nicht.

Auguste: Ist's was Feines?

Gustav: Weiß ich nicht.

Auguste: Hat er Gepäck?

Gustav: Eine Tasche in der Hand.

Auguste: Und die Koffer? Willst du dich nicht um die Koffer kümmern?

Gustav (grinst): Sind ja keine da!

Auguste: Keine Koffer? Was stehst du denn noch hier herum? Frag Nachmittag wieder vor. Marsch!

Gustav exit

 

Zwölfter Auftritt

Friesecke tritt auf

Auguste: Was machst du für ein Gesicht? Wer ist's denn?

Friesecke: Ein Volksschullehrer. Drei Mark fünfzig und keinen Pfennig mehr.

Auguste: Nun sag bloß!

Friesecke: Was wird Adolf sagen?

Auguste: Er darf Genaues nicht wissen. Wir tun, als sind wir sehr zufrieden. Und was ist für den Anfang auch dabei? Ein Volksschullehrer ist ein anständiger Mensch.

Friesecke: Wär's wenigstens ein Oberlehrer!

Auguste: Nenn ihn Oberlehrer.

Friesecke: Er sieht nur so ein bißchen – Mutter, der wird sich für dein Geld aber herausfüttern wollen.

Auguste: Wohin hast du ihn gebracht?

Friesecke: Auf Nummer elf.

Auguste: Das geht nicht, Fritz. In der Dachkammer kann kein Mensch zwei Tage bleiben.

Friesecke: Ich wollte ihn abschrecken.

Auguste: Unmenschen sind wir nicht. Und weil er der erste und die Gegend schon nicht überwältigend ist, gib ihm Nummer sechs.

 

Dreizehnter Auftritt

Tack (tritt auf): Verzeihung – ich wollte –

Friesecke: Darf ich meine Frau vorstellen? Meine Frau!

Auguste: Sehr angenehm.

Tack (zu Auguste): Ich sage Ihnen herzlichsten Dank für das schöne Zimmer, das Sie mir einzuräumen die Güte hatten. Da will ich ausruhend einmal ordentlich genießen.

Auguste: Bitte sehr. Gerade sagte mein Mann, es ist ein netteres Zimmer freigeworden.

Tack: Aber nein! Ich bin ja so zufrieden und fühle mich schon heimisch.

Auguste: Für denselben Preis dachten wir.

Tack: Nein. Ich bleibe wenig zu Haus. Freie Gottesluft soll die Brust nach einer Ewigkeit in dumpfer Schulstube schöpfen. Weiter ist nichts nötig. Noch ein Wort: Frühstück, Mittag und Abendbrot bekomme ich?

Friesecke: Gewiß.

Auguste: Und Nachmittagskaffee.

Tack: Das ist mehr als ich erwarte. Oder, ist's nicht unbescheiden, ein Gläschen Milch?

Auguste: Einen halben Liter Milch, Herr Tack.

Tack:. Viel schönen Dank! Wann darf ich zum Mittagessen da sein?

Friesecke: Um ein Uhr Table d'hôte.

Tack: So will ich mich vorher noch ein wenig umsehen. (mit Wärme zu Auguste, der er beide Hände gibt) Ich freue mich so! Guten Morgen.

Exit

Einen Augenblick herrscht Stille, dann

Friesecke: Tja ...

Auguste: Man schämt sich wirklich, dem Menschen drei Mark fünfzig abzunehmen.

Friesecke: Nachdem du noch einen halben Liter Milch dazu gibst? Und du hörst doch: nichts weiter will er als Gottesluft. Und hat Perleberg vielleicht auch keine Gottesluft?! (er schlägt die geballte Faust auf den Tisch)

Vorhang

 


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