Stendhal
Schwester Scolastica
Stendhal

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Vorwort

Am 8. Oktober 1841 war Henri Beyle (bekannter unter seinem deutschen Pseudonym Stendhal), nachdem er wiederum zwei volle Jahre im geistlosen Civitavecchia ausgehalten hatte, über Genf nach Paris zurückgekehrt, als gebrochener, kranker, gleichwohl lebensfreudiger, weil endlich wieder freier Mann. Die Mittel, die dem verabschiedeten achtundfünfzigjährigen Konsul in seinen Alterstagen zur Verfügung standen, waren kärglich. Sein Ruhegehalt betrug 5050 Franken im Jahre; dazu kamen 900 Franken Leutnantspension und 1600 Franken Rente aus der Hinterlassenschaft seiner früh verstorbenen Mutter.

Beyle, der als Kriegsteilnehmer, als langgedienter Beamter, als (freilich nur im Urteile der Nachwelt berühmter) Autor der Weltliteratur alle Anrechte auf einen sorgenlosen Lebensabend hätte haben sollen, hatte also nicht mehr und nicht weniger als rund 460 Franken im Monat zu verzehren. Beyle war Lebenskünstler und fand sich damit ohne zu klagen ab.

Seine bis dahin veröffentlichten Werke sicherten ihm keinen Zuschuß. De l'Amour (1821) war unverkauft geblieben; Armance (1827) hatte keine Leserschaft gefunden; Rouge et Noir (1830) errang nur einen Zeiterfolg; und die uns so köstliche Chartreuse de Parme (erschienen am 6. Mai 1839) brachte es zwar auf zwei Auflagen im ersten Jahre (den Brüsseler Nachdruck von 1839 nicht mit gerechnet); dabei blieb es aber. Mit einem Worte, wenn der Dichter die Freuden des Pariser Lebens einigermaßen genießen wollte, galt es Neues zu schaffen. Er entschloß sich, Novellen zu schreiben, deren Stoff er aus damals unbekannten italienischen Chroniken des 16., 17. und 18. Jahrhunderts, die er in Abschriften besaß, zu schöpfen gedachte.

Am 21. März 1842 schloß er mit der Revue des Deux Mondes, wo in den Jahren 1837 bis 1839 bereits vier seiner Novellen im Erstdruck erschienen waren, einen Vertrag ab, der ihn verpflichtete, Novellen im Umfange von 16 bis 17 Bogen der Revue gegen 5000 Franken zu liefern. 1500 Franken bekam er am gleichen Tage als Vorhonorar.

An der Novelle Suora Scolastica, deren Niederschrift (Diktat) im April 1839 in Paris, unmittelbar nach der Vollendung der Kartause von Parma, begonnen worden war und die hier in freier deutscher Fassung gegeben wird, arbeitete Beyle in zuversichtlicher Stimmung am Nachmittag und Abend des 21. März, nicht ahnend, daß er an seinem letzten Werke schrieb. Der Tod reichte ihm zwei Tage darauf, am 23. (am Aschermittwoch) morgens zwei Uhr, die Hand, nachdem ihn am Abend zuvor, auf dem Heimwege von einem Diner beim Minister des Äußeren, Guillaume Guizot, auf der Straße, ein Schlaganfall niedergestreckt hatte.

Die Suora Scolastica reiht sich durch ihre Plastik der Gestalten, ihre kulturgeschichtliche Treffsicherheit und ihren packenden Chronikenstil den Meisterwerken ihres Schöpfers an.

Arthur Schurig



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