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»Ehre sey der hochwürdigsten Jungfrau Maria, der heiligsten Mutter des Kindleins Jesus! Unter ihrem Schutze wollen wir heute andächtiglich vernehmen, was ich in alten glaubwürdigen Büchern gelesen, und von einem sehr gelehrten Abbate bestätigt erhalten habe.
Ihr möget wissen, Freunde und Zuhörer, denen ich um den geringen Preis einiger Kupfermünzen eine wunderbarliche Historie zur Befestigung der Andacht und des Glaubens verkündige, daß es im rauhen Norden Länder giebt, wo der Olivenbaum nicht wächst, und der Lorbeer nicht gedeiht, sondern Oede und Unfruchtbarkeit herrscht. Eines dieser Länder ist Deutschland, woher die Ketzerei stammt, die wie eine fressende Schlange allenthalben hinkroch, und nur unser Vaterland, das gesegnete Italien verschonen mußte, weil es unmittelbar unter dem Schutze des heiligsten Statthalters Gottes steht. Wünschet Euch darum nicht, fremde Länder zu besuchen, weil der Italiener stirbt, wo er seinen Wein, seine Gesänge und seinen Gott nicht findet.
Aber es ist den verlorenen Schafen der Kirche gegeben, den Weg über die Alpen zu suchen, und sogar in die Nähe des heiligsten Stuhls Petri zu dringen, und sie geben vor, entweder zu ihrer Belehrung zu reisen, oder die Künste zu studiren, deren Wiege und Triumph bei uns zu schauen ist. Falsche Vorspiegelungen jedoch! Braucht man zu reisen, um glücklich zu seyn? Nützt diesen Künstlern ihre Geschicklichkeit, wenn sie in ihre Heimath zurückkehren, wo es kalt ist, und wo man sich in die Häuser verkriechen muß, wo man die Bilder aus den Kirchen verdrängt, und das Volk wenig den unvernünftigen Thieren nachsteht?
Ich will Euch sagen, warum diese Leute zu uns kommen: entweder, um reuevoll Buße zu thun, und das Ketzerthum abzuschwören, und das sind die wenigsten; oder, wie die meisten thun, Eure Sitten zu verderben, das Ansehen unserer würdigsten Obrigkeit zu schmälern, in Saus und Braus zu leben, und Eure Weiber und Töchter zu verführen, wenn sie nicht sogar den frechen Blick nach den dem Himmelsbräutigam geweihten Jungfrauen emporheben. Billig fraget Ihr, wie der heiligste Vater solch' Gesindel in den Mauern der geweihten Stadt dulden möge? Meine Antwort ist: daß die Langmuth des Himmels unerschöpflich ist, und die wohlthuende Sonne den Bösen wie den Gerechten ohne Unterschied bescheinet.
Nun will ich Euch eine Geschichte erzählen von einem solchen wüsten, fremden Maler, die sich vor langer Zeit begeben. Er war einer von denen, wie sie hier herumziehen in unanständigen Röcken, mit stinkender Tabakspfeife, hängenden Haaren und wenigen Bajocchis in der Tasche. Denn sie haben immer minder Geldes in ihrem Beutel, als Haare in ihren revolutionären Bärten.
Während ich Athem schöpfe, und meine Gedanken sammle, so kauft in der Geschwindigkeit um einen Spottpreis die vor mir liegende, Euch zu Nutz und Frommen gedruckte Lebensbeschreibung des verruchten Rebellen Menotti, der in voriger Woche zu Modena gehangen wurde. Betet dabei für seine arme Seele und zugleich für die Eurige, daß Gott dieselbe besser vor dem Laster der Revolution bewahre, als es mit Euren Landsleuten zu Bologna geschah.
So, meine Freunde, kauft immerhin; jeder Pfennig wird durch mein dankbares Gebet den armen Seelen im Fegefeuer tausendfältige Früchte tragen. Der Maler hieß aber Theobald, und ein Mädchen aus dem guten Volk jenseits der Tiber, welches auch dießmal dem heiligsten Vater treu blieb in der Stunde der Noth, hieß Paola. Das Mädchen trug duftendes Brod in die Stadt zum Verkauf, und brachte seinem Bruder, welcher damals als Maurergeselle an irgend einem Palaste arbeitete, häufig eine kleine Erfrischung zu seinem Vergnügen. Auf einer dieser Wanderungen wurde Paola von dem fremden Maler gesehen, der alsobald in schnöder Lust für die Schöne entbrannte.
Die Schönheit der Frauen ist nur bei uns zu Hause, und das glückliche Italien das Paradies der Liebhaber. Aber neugierig und verschmitzt und eitel sind auch unsere Weiber, und stehen darinnen den fremden wenig nach. – Gott helfe Euch, guter Nachbar Lorenzo, der Ihr so kräftig nießet, und zwei hübsche Töchter habt! Ihr bestätigt meine Worte.
Paola bemerkte leichtlich, daß Theobald Gefallen an ihr gefunden, und ihr auflauerte, so gut er konnte. Da sie nun dieses gewahrte, und nicht sogleich sich darüber ärgerte, war sie schon halb in die Schlingen des Satans gefallen.
Es ist ein treuloses Volk, das der Fremden. Die Reichen klappern mit dem Gelde, und sagen zu dem reizenden Weibe: »Ergib Dich mir, mein Schatz, mein süßes Gut, mein holdes Leben, meine theuerste Seele; siehe, ich bin nur einen Augenblick da, und fahre morgen nach Neapel oder nach Genua, und dann nach der Heimath, und Du siehst mich nicht mehr, und kein Mensch weiß, daß wir zusammen vergnügt gewesen!«
Die Aermeren sagen: »Schönste Blume, die ich auf meiner Pilgerschaft gefunden! Laß Dich pflücken, und ruhe an einem Busen, den Du treuer und redlicher in der Welt nicht findest. Zwar weile ich nur kurze Zeit, aber sobald ich meine Wanderschaft geendigt, bin ich wieder da, und führe Dich als meine eheliche Frau heim!«
Die Künstler aber sagen mit teuflischer Hinterlist: »Du gefällst mir, schönes Bild, doch gefällst Du mir in allen Ehren. Die Natur hat aus Deinem Halse, Deinen Schultern, Deinen Armen Meisterstücke gemacht, die nirgends sonst gesehen werden. Leihe mir diese Schätze nur auf ein Paar Stunden für das Auge, damit ich sie auf der Leinwand entwerfe, und Dich verewige; das ist nichts Böses, und geschieht nur zu Ehren des Schöpfers, und Leib und Seele hat keinen Schaden davon!«
Ach, dürfte ich doch hinzusetzen: daß solches Scharwenzeln und Schlangengeplauder vergebens und in den Wind gesprochen sey! Ihr wißt aber sicherlich, geliebte Zuhörer, ein jeder unter Euch, ohne Ausnahme, daß jenes Weib sich dem Gelde des Fremden ergab, und diese Blüthe von dem Freier, der niemals wiederkam, gepflückt wurde, und daß den Künstlern täglich neue Opfer in die Schlingen laufen. Aus der Schmeichelei sproßt die Eitelkeit, hieraus das unbesonnene Vertrauen, und aus demselben die Schande. Die Schande bleibt aber niemals verschwiegen, eben so wenig als eine Verschwörung, die gegen die rechtmäßige, von Gott eingesetzte Gewalt angezettelt wird. Nebenbei erzähle ich Euch, daß der höllische Zucchi bereits geviertheilt wurde, und die Franzosen jetzt haufenweise an der Cholera sterben.
Die Cholera ist aber nichts anders als der Erzfeind des Menschengeschlechts, den der allmächtige Gott als seine Geißel in der Gestalt von Pestbeulen und schwarzem Erbrechen über die Rebellen aller Länder schickt. Gott bedient sich in seiner unerforschlichen Weisheit häufig des Bösen, um die Anschläge der Schurken auf Erden zu vereiteln und zu bestrafen. Wir werden dieses aus dem weitern Verlauf der lehrreichen Historie ersehen, die ich Euch verkündige. Präservativbillen gegen die um sich greifende Pest sind um billigen Preis bei dem gelehrten Doctor Spigoni, unfern vom Coliseo, zu haben. Dem, der den festen Glauben hat, helfen sie gewiß.
Paola war ein gutes Mädchen, schön wie der Tag, und fromm, als ob sie von Engeln erzogen worden wäre; dieß hinderte jedoch nicht, daß sie den Vorspiegelungen des Malers aus Eitelkeit ein williges Ohr lieh. Der Teufel freute sich schon auf den feisten Braten, denn wie Euch nach den köstlichen Fritelle, so wässert ihm das unsaubere Maul nach einer andächtigen Seele.
Paola hatte aber eine besondere Andacht zur heiligen Jungfrau, der sie von ihrer Mutter verlobt worden, und darum erbarmte sich ihrer die großmächtigste Patronin, und gebot gerade dem Teufel, sie vor der Wollust des Fremdlings zu schützen. Satan murrte, und wir können's ihm nicht verargen, weil er alle Mühe umsonst hatte, indem ihm der deutsche Ketzer ohnehin schon gewiß war. Aber er muß thun, was ihm die Himmlischen befehlen.
Tebaldo sagte eines Tags zu Paola, da er ihr wieder begegnete: »Ich bewohne ein ganz stilles Haus auf dem quirinal'schen Hügel. Keine Seele ist, welche Dich bei mir mit neugierigen Augen entdecken könnte; Deine Ehre lauft nicht Gefahr, und eine kurze Weile reicht hin, daß ich Deinen wunderschönen Arm sammt der zierlichen Hand mit leichten Kohlenstrichen copire, wenn Du mir dieses Glück zu Theil werden lässest. Ich warte Deiner, wann es morgen Abend zum Gebet läutet, unter der Thüre meiner Wohnung, und hoffe zuversichtlich auf Deine Zusage.«
Paola weigerte sich anfangs, und bald gab sie nach. Ihr kennt ja die Weiber. Sie versprach zu thun, wie der fremde Schmarozer es verlangte, und freute sich im Voraus, die Unerfahrene, auf den verhängnißvollen Abend.
Ihre Mutter lag kränklich zu Bette, und fragte die Tochter: »Was schmückest Du Dich also, mein Kind? Wozu das feine Sonntagshemd mit den durchsichtigen Spitzen? Wozu das Corallenhalsband von Deiner Pathin? Willst Du Deine arme Mutter verlassen, um zu einem Feste zu gehen? O, halte an den Geboten Gottes, und laß Dich nicht von den leichtsinnigen Burschen verlocken, die bei Gesang und Tanz des Mädchens Herz zu verführen suchen! Du wirst bald in's Kloster treten. Hüte Dich also vor Sünde!«
Die verschmitzte Paola antwortete: »Lieb' Mütterlein, ich gehe zur Kirche, um ein Gelübde zu thun, daß ich bei mir beschlossen, damit Du genesest. Ich will der heiligsten Mutter eine Kerze opfern, und komme mit dem Bruder zurück, wenn er von der Arbeit wiederkehrt.«
Dessen erfreute sich die Mutter, und belobte in Worten und Gedanken das fromme Kind, und ergab sich darein, allein zu bleiben. Wie aber nach geraumer Frist der Bruder allein kam, und die Schwester nicht gesehen haben wollte, da rief die Mutter mit aufgehobenen Händen: »Ach, Tommaso! guter Sohn, wir werden gewiß ein großes Unglück mit unserer Paola erleben. So gehe denn, und suche sie allenthalben, und komme nicht wieder, bevor Du sie gefunden.«
Tommaso rannte wie ein Besessener davon, und fürchtete nur, daß seine schöne Schwester in die Hände von verfluchten Freimaurern gefallen seyn möchte, die öfters bei ihren heimlichen Gastmälern das Blut einer keuschen Jungfrau zu trinken pflegen.
Hat jemals Einer von Euch einen Freimaurer gesehen? Sie wandeln in menschlicher Gestalt, und sind doch wüste Ungeheuer darunter. Ein bösliches Geschlecht, noch vom babylonischen Thurm herstammend, und rußig von Innen, wie die Kohlenbrenner von Außen. Darum haben sie sich auch zu unserer Zeit in Kohlenbrenner verwandelt, und der Himmel gebe, daß diese Empörer und Verschwörer von Grund aus zernichtet werden! Gegen Carbonari und Calderari Kyrie Eleison!
Während Tommaso lief, und die arme Mutter betete, hatte der Maler sein Opfer ergattert, und verstohlen in sein Haus gezogen. Bedächtig schob er den Riegel vor seine Kammerthüre, und sagte mit funkelnden Augen: »Nun sind wir allein, mein Leben! Niemand überrascht uns, und wir sind ungestört, so lange es Dir bei mir gefällt.«
Dann betrachtete er mit wollüstigem Entzücken das verschämte Madchen, wie es, reizender als je, verschämt vor ihm stand, und rief feurig: »Wie Du geputzt bist! Ein Meisterstück des Schöpfers, und geschaffen nicht nur für die Kunst, sondern auch für die Liebe! – Komm', setze Dich zu mir auf dieses Ruhebett. Erlaube, daß ich diesen weißen Flor von Deinen Alabasterschultern nehme, und den Arm enthülle, nach dessen wunderschönen Formen mein Auge sich sehnt. Bist Du ängstlich, mein Kind, weil Dein Busen so wallt? Beruhige Dich, und theile meine Gefühle; ich bitte Dich darum! Ich bete Dich an, Du schönes Modell, wie kein anderer Künstler es je besessen. Sey ganz die Meine, und zähle auf meine Liebe und meine Verschwiegenheit!«
Das Mädchen schien überrascht, bestürzt, erschüttert, und seufzte: »Liebenswerther Fremdling! bedenke doch, was Du thust. Noch summen in meinen Ohren die letzten Glockenschläge des Ave Maria, und schon soll ich Deinem Willen zu eigen seyn? Verlange nicht nach meiner Umarmung, die Sünde möchte Dir Verderben bringen. Du hast mich getäuscht and überlistet, und wenn ich auch die Liebe theilte, die Du mir zu erkennen gibst, so würde dennoch unendliche Schmach Dir aus dieser Stunde erwachsen.«
Diese Worte verwirrten den jungen Lüstling, und eine göttliche Mahnung klopfte an sein Herz, denn, auch die Ketzer haben öfters menschliche Regungen; nur weichen diese leider schnell vor der bösen Lust. Tebaldo setzte sich der schönen Paola gegenüber an die Staffelei und begann zu zeichnen; aber die Kohle flog in seiner Hand, und seine Pulsen tobten vom ungestümen Blut und alle seine Sinne kamen in Aufruhr, als ihm gegenüber das schöne Bild den Kopf wie entschlummernd sinken ließ, und die leichte Umhüllung des Busens verrätherisch lockend herabfiel.
Der Maler stürzte außer sich in die Arme des Mädchens, die ihn wie die einer Träumenden gleichsam bewußtlos umfingen. Er drückte glühende Küsse auf die Lippen der Schönen, und das halbdunkle Gemach sollte sich in einen Tempel verbrecherischer Liebe verwandeln.
Da durchfährt es ihn, wie ein kalter Schwerthieb, und sein Blut wird zu Eis, da er gewahrt, wie Paola an seiner Brust immer bleicher und kälter wird, wie sich ihre Züge verändern, wie ihre Augen aufgehen, aber starr und gläsern sind, wie die einer Todten. Er will in die Höhe springen, aber die Arme der räthselhaften Leiche halten ihn zurück; er will die Last – vor Kurzem noch so beneidenswerth – abschütteln; vergebens. Das Entsetzen steigt ihm tödlich zum Herzen, und er schreit nach Hülfe, aber seine Stimme verhallt, und Niemand nähert sich der verschlossenen Thüre.
Da öffnet sich – erschreckt nicht zu sehr, meine Freunde, denn diese Geschichte ist wahr, und nicht etwa ein Spiel der Einbildungskraft – Paola's Mund, und aus ihm dringt ein rauher Ton, wie der einer Posaune, und dröhnt ihm in's Ohr: »Du bist am Ziele, feiger Sündenknecht! Du wolltest einer Jungfrau die Ehre, einer Mutter die Tochter, der Kirche eine verlobte Braut rauben, und dieses kostet jetzt schon Dein Leben. Weißt Du, wer ich bin?«
Wimmernd starrte Tebaldo nach Paola's Munde, der sich aufthat, wie der Rachen eines Delphins, und woraus ein gehörnter Kopf mit Ziegenbart und glühenden Augen und feuersprühenden Nasenlöchern sprang, und Paola's runde Arme wurden zu lang behaarten Teufelsklauen, und ihr Gewand zerfiel wie mürber Staub, und Satan selbst in seiner scheußlichsten Gestalt erhob sich, ungeheuerlich schnaufend, und ließ nicht ab von dem Maler, dessen Kehle unter dem gewaltigen Griff des Höllengespenstes nur ächzte: »Paola! Hexe! was hast Du mir gethan?«
»Sie ist gerettet!« schnaubte das brennende Ungethüm: »Die Glocken des Ave Maria lockten sie in die Kirche, an welcher sie vorbeiging, und die gnadenreiche Mutter des Herrn sendete ihr einen plötzlichen Schlummer, und mich hierher zu Deiner Strafe!«
Somit zerriß Satan den Maler, und streute seine Gliedmaßen in dem Gemach umher, worinnen man noch jetzt an den Wänden die blutigen Spuren des Ketzergehirns sieht.
Tommaso fand nach langem Suchen seine Schwester in einem Winkel der Kirche, eingeschlafen vor dem Altar der Madonna, zur Zeit, als schon der Meßner die Pforten schließen wollte.
So ist verlaufen diese bewundernswürdige Historie, zum abschreckenden Exempel für alle Verführer und eitle Weiber, die sich gerne verführen lassen. Paola ist eine heilige Nonne geworden, und wird nächstens vom heiligen Vater selig gesprochen, hoffe ich. So wie sie nun im Himmel unsere Fürbitterin ist, so wollen wir auch hier zu ihr beten, und nicht minder für die Seelen aller irregeleiteten rechtgläubigen Weiber. Die Seelen der Ketzer kümmern uns ohnehin nichts, und wir würden ihnen wenig helfen, da sie alle verdammt sind! – So, meine Freunde! Nun noch ein kleines Scherflein in meine Mütze, damit ich zufrieden heimkehren kann, um für Euch ein neues Lied zu ersinnen, welches Euch Nutzen und Belehrung bringt. Der Himmel vergelte es Euch tausendfach an Euern Kindern, und der Segen des heiligen Vaters sey für Euch ein doppelter.«
Der Bänkelsänger kehrte heim in seine räucherige Spelunke unfern von dem Monte testaccio. Sein Weib schleppte ihm das Nachtmahl von fetten Kuchen und würzigen Zwiebeln herbei, und labte mit einem tüchtigen Kruge voll Weins seine trockene Kehle. Nachdem er sich erholt und den Magen üppig gefüllt, schmatzte er behaglich, und sprach zu dem Weibe: »Hier sind drei Thaler, die ich mir sauer verdient, Signora Margaritta. Was hat Dein Trödelverkauf heute getragen?« – »Bei'm Bacchus, mein Alter, verteufelt wenig, einen halben Thaler Ueberschuß.« – »Und der Bettel des kleinen Nicolino?« – »Hm! der Kleine ist ein durchtriebener Strick, er brachte heute schon anderthalb Thaler heim.« – »Ja, ja! Gott segnet die Jugend! Er wird ein wackerer Bursche werden, wie sein Aelterer, der auf den Heerstraßen von Calabrien unter dem klugen Giovanni sein Glück macht. Und Theresina?« – »Ach, das Weibsbild hat heute wenig nach Hause gebracht! Die Maler behaupten: sie hätte schon zuviel an ihrer Frische verloren, und nur die Aermsten verlangen sie noch zum Modell.« – »Verdammtes Lumpenpack! aber natürlich, Magaritta: die Jugend währt nicht immer. Wir müssen nächstens die kleine Claudia zum ersten Mal ausschicken. Das Mädel mit seinen vierzehn Jahren und brennenden Augen wird wieder Geld in's Haus bringen. Die Theresina mag sehen, wie sie sich nun weiter hilft. Mit Klugheit und Andacht verhungert man nicht.«