August Sperl
Kinder ihrer Zeit
August Sperl

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7

Leutold, des Pflegers Reitknecht, hantierte etliche Tage später im Sonnenscheine vor der Sattelkammer.

Es war ein hübsches Plätzchen. Ueber die niedere Mauerbrüstung sah man hinaus auf den See und auf das blauduftige Gebirge. Aber Leutold, der Reitknecht, schnitt ein finsteres Gesicht und brummte von Zeit zu Zeit unmutig vor sich hin. Und von all der Schönheit des sonnigen Seegaus machte er nicht den geringsten Gebrauch.

Er war nun mit dem Putzen des Riemenzeuges fertig und ging an die wollenen Pferdedecken. Er legte die erste über eine Stange, griff nach einem schweren Haselstocke und begann zu klopfen.

Anfangs betrieb er das Geschäft ohne Uebereilung. Plötzlich aber kniff er die Lippen ein, holte weit aus und ließ den Haselstock mit Knallen herniedersausen auf die gespannte Fläche. »Das gilt dir, Seemünsterer!« sagte er und atmete tief auf. Und wiederum holte er aus, und noch stärker knallte es, als der Stock auf die Wolldecke fuhr. »Und das ist für dich, Seefelser!« sagte er höhnisch. Und nun ging es, daß der Staub in Wolken aufstieg: »Seemünsterer – Seefelser – Seemünsterer – 142 Seefelser –!« Ganz laut rief er die Namen aus, und furchtbar klatschten die Schläge seines Stockes.

Heftig atmend hielt er endlich inne. Es ging nicht mehr. Ein leiser Windhauch blähte die wohlgereinigte Decke. Nein, es ging wahrhaftig nicht mehr. Heftig atmend warf er den Haselstock zur Erde und rieb mit der Linken die schmerzende Rechte. Er war anzusehen wie ein zorniges Kind, das sich an der Tischkante gestoßen und dann seine Hände wund geschlagen hat an der bösen, so unschuldigen Kante.

Lange schon stand der Pfleger hinter dem Ahnungslosen. Jetzt fragte er ihn freundlich: »Was hältst du vom heiligen Antonius in Seemünster, Leutold?«

Der Knecht fuhr herum, grüßte mißtrauisch und äußerte vorsichtig: »So viel wie vom heiligen Antonius in Seefels, Herr.«

»Und was hältst du vom heiligen Antonius in Seefels, mein Lieber?« fragte der Pfleger und lachte ein wenig.

Da blickte der Knecht noch einmal forschend auf das gütige Gesicht des Herrn, faßte ein starkes Zutrauen, putzte die Hände an seiner Schürze ab und sagte: »Auf den –!« Er räusperte sich und fuhr mit dem Handrücken über seinen Mund. »– wie auf den andern!« vollendete er die verächtliche Rede.

143 »Und warum bist du so zornig auf beide, mein Sohn?« forschte der Pfleger sehr befriedigt.

Wie einem geöffneten Erbsensacke entquoll es nun dem Munde des Knechtes: »Ist das auch eine Art von solchem Heiligen? Ihr kennet doch, Herr, das schöne Jagdmesser, das silberbeschlagene mit der geschnitzten Saujagd auf dem beinernen Griffe – 's ist nicht zu sagen, wie schön – und das Messer hab' ich vor kurzem verloren –«

»Schade, das war eine gute Arbeit,« bestätigte der Pfleger.

»O, nit zu sagen, wie schön!« rief der Knecht mit jammervollen Gebärden. »Und wahrhaftig, ich hab's gesucht, wie man nur etwas suchen kann, und hab's nit finden können. Ist mir auf einmal durch den Kopf gegangen: Du Ochs, da plagst dich, und wozu sind denn die Heiligen in Seemünster und Seefels? Du Ochs, jetzt wirst du's bald haben. – Ist mir nur das eine zweifelhaft gewesen, welchen von den zweien sollt' ich wohl fragen? Hab' ich mir gesagt: den alten, den in Seemünster; denn der hat die größer' Erfahrung. Hilft der nit, kannst alleweil noch zum andern gehen. Gut. Bin also nach Seemünster gefahren, hab' mir eine dicke Wachskerze gekauft um mein Geld, hab's angezunden und bin niedergekniet mit der brennenden Kerze vor dem Heiligen. Hab' ihm alles vorgestellt. Es ist 144 ein Erbstück von meinem Vater her, hab' ich ihm gesagt, o schau, hab' ich gesagt, ich bin ein armer Tropf und ich weiß, mit den Armen hast immer so viel Erbarmen gehabt, also hilf mir, heiliger Anton, und ich will dir's danken mein Leben lang. Ja, was weiß ich, noch viel mehr hab' ich ihm vorgebetet, dem heiligen Antonius. Und er hat mich auch so freundlich angelacht, daß mir ganz warm geworden ist ums Herz. Hab' meine Kerze vor ihn hingesteckt und hab' mir gedacht: Jetzt ist's gewonnen! Und dann bin ich heim. Hab' zwei Tag' gewartet, drei Tag'; hab' mir ja denken können, daß es ihm Arbeit macht, das Suchen. Hab' also gern gewartet und voller Vertrauen – drei Tag', vier Tag'. Aber am fünften Tag ist's aus gewesen und gar, und ich bin fuchswild nach Seefels geritten, hab' mir gesagt: I was, der von Seemünster ist alt und hat 's Gemerk nimmer so wie vorzeiten; bittest den jungen Antonius. Hab' mir also in Seefels zwei dicke Kerzen gekauft um mein gutes Geld und bin zum Heiligen in die Kirche. Auf den Knien bin ich hineingerutscht, auf den Knien bin ich gelegen vor dem Bildstock, und die Steinplatte hätt' können weich werden, so eindringlich hab' ich ihn gebeten, den heiligen Antonius von Seefels.«

»Und hat er dir dein schönes Messer wiederfinden 145 helfen, mein Sohn?« erkundigte sich der Pfleger mit spöttischem Lächeln.

Der Knecht murmelte einen Fluch zwischen den Zähnen, wandte sich, warf eine andre Decke über die Stange, griff nach dem Haselstock und begann mit aller Kraft zu klopfen: »Seemünsterer – klatsch! Seefelser – klatsch! Seemünsterer – klatsch! Seefelser – klatsch!«

Lächelnd sah ihm der Pfleger eine Zeitlang zu, dann rief er: »Komm heute nach dem Essen zu mir, Leutold. Ich will dir etwas sagen, was dein Herz erfreuen kann.«

Leutold nickte verwundert. Der Pfleger aber wandte sich und schritt in tiefen Gedanken zurück über den Schloßhof.



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