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Vorsatzblatt

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Humphry Klinkers
Reisen.
Dritter Band.


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An den Doctor Lukas.

Ich müßte sehr undankbar seyn, mein liebster Lukas, wenn ich nicht geneigt wäre, von diesem Volke vortheilhaft zu denken und zu sprechen, unter dem ich in wenigen Wochen mehr Gutheit, Gastfreyheit und vernünftiges Vergnügen genossen habe, als in irgend einem Lande während meiner ganzen Lebenszeit. – Mags doch seyn, daß die Unpartheylichkeit meiner Bemerkungen ein wenig nach dem Danke für diese Wohlthaten schmecke; ein Mensch kann sich eben sowohl durch besondre Wohlgewogenheiten für ein Land, als durch heimliche und persönliche Abneigungen wider dasselbe einnehmen lassen; und bin ich partheyisch, so ist doch wenigstens einiges Verdienst bey meiner Bekehrung von einem eingeschränkten Vorurtheile, das mit mir aus der Kindheit aufgewachsen ist.

Die ersten Eindrücke, die ein Engländer in diesem Lande empfängt, sind eben nicht von der Beschaffenheit, daß sie ihm seine Vorurtheile benehmen könnten, weil er alles was er sieht, mit ähnlichen Artikeln in seinem Lande in Vergleichung zieht, und diese Vergleichungen sind Schottland in allem Aeußern nachtheilig, worunter ich den Anblick des Landes, in Absicht auf den Anbau, die Gestalt des großen Haufens unter dem Volke, und die Sprache des allgemeinen Umganges rechne. – Die Gründe des Herrn Lismahago haben mich noch so weit nicht gebracht, daß ich nicht noch immer der Meynung seyn sollte, die Schottländer würden für sich selbst ganz wohl thun, wenn sie sich mehr zu den Ausdrücken und der Aussprache der Engländer gewöhnten; diejenigen vor allen Andern, welche in Süd-Brittanien ihr Glück zu machen. – Ich weis aus der Erfahrung, wie nahe das Ohr eines Engländers an seinem Herzen liegt, und wie geneigt er ist, zu lachen, wenn er seine Sprache mit einem fremden oder Provinzialaccent aussprechen hört – Ich habe einen Parlamentsmann im Unterhause gekannt, der sehr nachdrücklich und richtig redete, der aber nicht vermögend war, Gehör zu gewinnen, weil er im schottischen Dialecte sprach, welcher (der Herr Lieutenant Lismahago mag mirs nicht übel nehmen!) auch den erhabensten Gesinnungen allemal eine gewisse bäuerische Miene giebt. Ich habe hierüber den vernünftigen Männern, mit denen ich hier gesprochen, meine Meynung nicht verhehlt, und ihnen gesagt, wenn sie nur einige geborne Engländer dazu bestellen wollten, ihre Jugend unsre eigne Muttersprache zu lehren: so würd' in zwanzig Jahren zwischen der Edimburger und Londoner Jugend im Dialecte kein Unterschied mehr wahrzunehmen seyn.

Die bürgerlichen Einrichtungen, bis auf einige wenige, die eine nothwendige Folge der Union hervor gebracht hat, sind nach ganz andern Mustern gebildet, als die ähnlichen Einrichtungen in England. Ihr Justitzcollegium ist ein sehr ehrwürdiges Gericht, mit Männern von Würde und Fähigkeiten besetzt. – Ich habe ein paar Sachen vor diesem ehrwürdigen Tribunale verhandeln gehört, und haben mir die Schutzreden der Advocaten sehr wohl gefallen; sie waren in allem Verstande gründlich und zierlich. Der Rechtsgang in Schottland ist meistentheils aufs römische Recht gebauet, und daher weicht er von dem rechtlichen Verfahren ab, das den engländischen Tribunälen gebräuchlich ist; und, wie mich däucht, haben sie vor uns den Vorzug in der Methode, die Zeugen besonders abzuhören, und in der Einrichtung ihrer Gerichte von geschwornen Männern, durch welche sie dem Uebel mit Sicherheit vorbeugen, welches ich in meinem Letzten aus Lismahagos Munde anführte.

Die Universität zu Edimburg hat in allen Facultäten vortreffliche Professoren, besonders ist die medicinische über ganz Europa berühmt. – Diejenigen, welche diese Wissenschaft studiren, haben hier die beste Gelegenheit, solche vollkommen und in allen ihren verschiednen Theilen zu lernen; denn man lieset theoretische und practische Collegia; ferner über die Anatomie, Chemie, Botanik, Materia-Medica, Natur-Historie und Experimental-Physik; und wie gesagt, es sind Männer von vorzüglicher Wissenschaft, die diese Collegia lesen. Was diesem Studio noch am vorzüglichsten zu Statten kömmt, ist die practische Erfahrung, welche die Krankenanstalt giebt; die beste milde Stiftung, die ich jemals gekannt habe. Da ich doch der milde Stiftungen erwähnt; – Es giebt hier verschiedne Spitäler, die außerordentlich gut fundirt sind, und nach vortrefflichen Anordnungen unterhalten werden; und diese thun der Stadt nicht allein großen Nutzen, sondern sind ihr auch eine Zierde. Unter diesen will ich nur des großen Werkhauses gedenken, in welchem alle Arme, für die sonst nicht gesorget worden ist, nach ihren Kräften und Fähigkeiten Arbeit bekommen, und zwar nach so weiser Einrichtung, daß sie beynahe ganz ihren Unterhalt erwerben; und das hat die glückliche Wirkung, daß sich kein Bettler in der Stadt sehn läßt. Vor ungefähr etlichen und dreyßig Jahren gab Glasgow das Muster zu dieser Anstalt. – Selbst die schottländische Geistlichkeit, der man so lange Zeit Phanatismus und pietistisches Geschwätz vorgeworfen hat, kann itzt eine Menge Mitglieder aufweisen, die wegen ihrer Gelehrsamkeit berühmt und wegen ihrer Toleranz ehrwürdig sind. Ich habe ihre Predigten mit Erstaunen und Vergnügen gehört. Die guten edimburgischen Christenseelen stehn auch nicht mehr in dem Wahne, daß Staub und Spinngewebe wesentliche Zierrathen eines Gotteshauses sind. – Einige ihrer Kirchen sind so ausgeschmückt, daß es vor ein wenig länger als hundert Jahren selbst in England darüber hätte zum Aufruhr kommen können. Ein Musikus aus der Domkirche zu Durham giebt hier öffentlichen Unterricht im Choralsingen, und es wird mich gar nicht wundern, wenn ich in etlichen Jahren höre, daß man auch eine Orgel dazu spielt.

Edimburg ist ein Treibhaus für Genies. – Ich habe das Glück gehabt, daß man mich mit verschiedenen Autoren von der ersten Classe bekannt gemacht hat, als: die beyden Humes, Robertson, Smith, Wallace, Blair, Ferguson, Wilkie und Andre; und ich habe sie alle eben so angenehm im Umgange gefunden, als sie in ihren Schriften lehrreich und unterhaltend sind. Diese Bekanntschaften hab' ich dem Dr. Carlyle zu verdanken, dem sonst nichts als die Neigung fehlt, um mit den Uebrigen zugleich als ein schätzbarer Schriftsteller genannt zu werden. Der Magistrat wird alle Jahr zu Edimburg neu gewählt, und scheint sowohl für Ansehn als Macht recht gut eingerichtet. – Der Lord Provost ist an Würde dem Lord Mayor in London ähnlich, und die vier Bailies entsprechen dem Range der Altermänner. – Sie haben einen Dean of guild , der in Handlungssachen die erste Instanz ist; sie haben einen Schatzmeister und einen Stadtschreiber; und die übrigen Mitglieder des Raths bestehen aus sogenannten Deacons , oder Beysitzern, wovon jährlich nach der Reihe einer für jede Gilde oder Amtsbrüderschaft zum Vorsprecher erwählt wird.

Ob gleich diese Stadt, nach der Natur ihrer Lage, eben sowenig sehr bequem eingerichtet, als sehr reinlich gehalten werden kann: so hat sie gleichwohl ein gewisses prachtvolles Ansehn, das einem Ehrfurcht einprägt. Das Casteel ist ein Beyspiel vom Erhabnen in Lage und Architectur. – Seine Fortifications werden in gutem Stande unterhalten, und die Garnison darinn, welche ans regulairer Militz besteht, wird alle Jahre abgelöset; allein, nach der itzigen Kriegskunst würde es keine ordentliche Belagerung aushalten können. Der Casteelhügel, der sich vom äußersten Thore bis zum Obernende der Hohenstraße erstreckt, wird von den Bürgern als ein öffentlicher Spatziergang gebraucht; die Aussicht über den Arm der See in die Grafschaft Fife ist weit und vortrefflich, und die Reihe von Städten, die man längst der Seeküste liegen sieht, sollten einen auf die Gedanken bringen, daß hier ein starker Handel getrieben werden müßte; allein genau betrachtet, findet man, daß diese Städte seit der Union her immer in tiefern Verfall gerathen, weil die Schottländer dadurch ihren Handel nach Frankreich großtentheils verloren haben. – Der Pallast Holyrood-Heuse ist ein Juwel von Architectur, das in einen tiefen Grund geworfen ist, darinn man ihn nicht sehn kann; eine Situation, die der so verständige Baumeister nicht gewählt hat; er muß gezwungen gewesen seyn, auf den alten Platz zu bauen, wo vorher ein Kloster stand. Edimburg dehnt sich an der Südseite immer weiter aus, woselbst man nach engländischer Art verschiedene recht artige kleine viereckte Plätze oder Squares angelegt hat; an der Nordseite denkt man gleichfalls einige Entwürfe auszuführen, welche, wenn sie zu Stande gekommen, die Schönheit und Bequemlichkeit dieser Hauptstadt sehr vermehren werden.

Der Hafen ist zu Leith, einem blühenden Städtchen, eine gute Viertelmeile von hier, woselbst ich zugleich über hundert Schiffe habe liegen gesehen. Ich muß Ihnen sagen, daß ich so neugierig gewesen bin, mich in einem Ever über den Frith setzen zu lassen, und daß ich zwey Tage in Fife gewesen bin, welches außerordentlich fruchtbar an Korn ist, und eine bewundernswürdige Menge schöner Landhäuser hat, die sehr hübsch gebauet sind, und in prächtigen Möblen unterhalten werden. Allenthalben in Schottland, so weit ich darinn umher gesehen habe, findet man unglaublich viele schöne Landsitze. – Dalkeith, Pinkie, Yester und Hopton, alle innerhalb anderthalb Meilen von Edimburg, sind fürstliche Palläste, in deren jedem mit Gemächlichkeit ein Monarch wohnen könnte. – Ich denke, die Schottländer prunken ein wenig mit diesen Monumenten der Größe. – Wenn mirs erlaubt ist, Tadel in meine Anmerkungen über ein Volk zu mischen, das ich verehre, so muß ich gestehen, mir scheint Eitelkeit seine schwache Seite zu seyn. – Ich besorge sogar, daß ihre Gastfreyheit nicht ganz frey von allem Großthun ist, – Mich deucht, ich habe wahrgenommen, daß sie sich sehr viel Mühe geben, ihr schönes Leinengeräthe (womit sie wirklich reichlich versehn sind,) ihre Möbeln, ihr Silberzeug u. s. f. auszukramen; und was ihre Tafel und ihre mancherley Weine anbetrifft, so muß man gestehn, daß sie in diesem Artikel sehr freygebig, wo nicht verschwendrisch sind. – Ein Edimburger wird sich nicht begnügen, es einem Londoner, der zehnmal so reich ist als er, gleich zu thun; nein, er meynt, er muß ihn noch kostbarer und noch Prächtiger bewirthen.

Ob gleich die Landhäuser des schottischen hohen und niedern Adels überhaupt ein großes und mächtiges Ansehn haben, so halte ich doch dafür, daß ihre Lust- und Thiergärten sich nicht mit unsern in England vergleichen lassen; Ein Umstand, der desto merkwürdiger ist, damit der einsichtsvolle Herr Philip Miller Chelsea gesagt hat, daß fast alle Kunstgärtner in England geborne Schottländer sind. Laub und Gras sind hier nicht so schön grün, als in England. – Die Lustgärten sind, nach meiner Meynung, nicht so gut nach dem Genius Loci angelegt; auch werden die Beete, Gänge und Decken nicht in so zierlicher Ordnung unterhalten. – Die Bäume sind in steifen Linien gepflanzt, und das thut lange nicht die angenehme ländliche Wirkung, als wenn sie in unordentlichen Gruppen hingeworfen sind und freye Felder dazwischen liegen; und die Tannenbäume, die sie gewöhnlicher Weise um ihre Häuser herum gepflanzt haben, die sehn im Sommer trübselig und Begräbnißhaft aus. – Doch muß ich bekennen, sie geben nützliches Bauholz, schützen vor den kalten Nordwinden, wachsen und gedeihen in dem schlechtesten Boden, und verbreiten beständig einen harzigen Balsam in die Luft, der solche für zarte Lungen sehr gesund und zuträglich machen muß.

Tabby und ich, wir haben bey unsrer Zurückfahrt über den Frith beyde unsre Angst ausgestanden. – Sie fürchtete sich vorm Ertrinken, und ich fürchtete mich vorm Erkälten, weil ich ganz vom Seewasser durchnässet wurde; wir sind aber diesesmal beyde noch glücklich mit der bloßen Furcht davon gekommen. – Sie befindet sich vollkommen gesund; und ich wünschte, ich könnte das auch von Liddy sagen. Mit dem armen Kinde muß was Ungewöhnlichs obhanden seyn; sie verliert die Farbe, die Lust zum Essen, ist niedergeschlagen, traurig, melancholisch, und oft findet man sie in Thränen. Ihr Bruder hat sie im Verdacht, daß sie sich über Wilson grämt, und droht dem Abentheurer mit Rache. – Es scheint, sie hat auf dem Balle einen heftigen Schreck gehabt, über die plötzliche Erscheinung eines gewissen Herrn Gordon, der besagtem Wilson ungemein ähnlich sieht; ich denke aber vielmehr, sie hat sich beym Tanze erhitzt und darauf erkältet. – Ich habe den Doctor Gregory, einen liebenswürdigen Mann und sehr erfahrnen Arzt, um Rath gefragt, der räth zu der Luft in den Hochlanden und zu den Ziegenmolken; und wahrhaftig, das kann für keinen Patienten schlimm seyn, der in den wälischen Gebirgen geboren und erzogen ist. – Und dieser Rath des Doctors ist mir auch deswegen noch um desto angenehmer, weil ich ihn grade an dem Orte ins Werk setzen kann, den ich in Gedanken als den Kehrwieder unsrer Reise bestimmt hatte. – Ich meyne die Gränzen von Argyle.

Herr Smollett, einer von den Richtern des Commissionsgerichts, welches gegenwärtig gehalten wird, besteht sehr gütig auf der höflichen Einladung in seinem Landhause, am Ufer des Lough-Lomonds, etwa vier Meilen von Glasgow, abzutreten. Nach dieser letzten Stadt denken wir in zwey Tagen abzugehn, und Stirling auf dem Wege mitzunehmen. Ich bin reichlich mit Empfehlungsschreiben von unsern edimburger Freunden versehn, die ich, wie ich Ihnen betheuren kann, sehr ungerne verlasse. Ich bin so weit davon entfernt, es für ein Mißvergnügen zu halten, in diesem Lande zu wohnen, daß, wäre ich genöthigt ein Städter zu werden: Edimburg ganz gewiß mein Hauptquartier seyn sollte. Ich bin,

Mein liebster Doctor,
Ihr

   Edimburg,
den 8ten August.

ganz treuer   
M. Bramble.

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An Sir Watkin Philipps, im alten Jesuitercollegio zu Oxford.

Liebster Freund,

Ich bin nun nicht mehr ferne von Virgils ultima Thule , wenn anders die Ausleger Recht haben, welche die Orkneys oder Hebriden darunter verstanden wissen wollen. Diese Orkneys, oder orcadischen Inseln, liegen da vor mir bis auf einige hundert in der Nordsee herumgestreut, und machen einen Prospect, der mahlerischer und romantischer ist, als ich jemals einen gesehn habe. – Diesen Brief schreib' ich in dem Hause eines Edelmanns nahe bey der Stadt Inverary, die man für die Hauptstadt der westlichen Hochlande rechnen kann, die wegen nichts so sehr berühmt ist, als wegen des prächtigen Schlosses, das der letzverstorbne Herzog von Argyle angefangen, und mit unsäglichen Kosten bis unters Dach gebracht hat – Ob es jemals ganz völlig ausgebauet werden wird, das ist eine Frage. –

Aber, Ordnung ist die Seele eines Briefes – Wir haben vor zehn Tagen Edimburg verlassen; und je mehr wir nordwärts reisen, desto schwerer ist, mit Fräulein Tabitha Bramble durchzukommen; ihre Neigungen sind also nicht magnetisch, sie ziehn nicht nach dem Pole. Wenn man ihrem Vorgehen trauen darf, so ist die Ursache, warum sie Edimburg wenigstens nicht gerne verlassen hat, daß sie eine gelehrte Streitigkeit mit Herrn Moffat, über die Ewigkeit der Höllenstrafen, nicht hat zu Ende bringen können. Dieser andächtige Herr fieng mit zunehmenden Jahren an, über diesen Lehrsatz Zweifel zu hegen, bis er endlich der gewöhnlich angenommenen Bedeutung des Worts Ewig einen offenbaren Krieg ankündigte. Gegenwärtig ist er überzeugt, daß Ewig nichts weiter anzeigt, als eine unbestimmte Anzahl von Jahren; und daß der allerabscheulichste Sünder mit neun Millionen, neunmal hundert Tausend, neun Hundert neun und neunzig Jahren im höllischen Feuer loskommen kann; welche Periode oder Zeitraum, wie er sehr richtig bemerkt, nur gleichsam einen unmerklichen Tropfen im Oceane der Ewigkeit ausmacht. Dieses gemilderte System vertheidigt er nun, und behauptet, daß es sich besser mit den Begriffen von Güte und Barmherzigkeit, die wir von dem höchsten Wesen haben, vereinigen lasse. – Unsre Tante schien auch geneigt, diesen Lehrsatz zum besten der gottlosen Sünder anzunehmen; allein er ließ sichs verlauten, daß kein Mensch so völlig gerecht sey, daß er nach dem Tode von aller Strafe befreyet bleiben könnte, und daß der frömmeste Christ auf Erden sich sehr glücklich zu schätzen habe, wofern er mit einer Fasten von sieben bis acht tausend Jahren, in Feuer und Schwefelflammen, abkäme. Dieser Lehre konnte Tabby nicht gehorsam werden; sie ward davor mit Schrecken und Abscheu erfüllet – Sie nahm ihre Zuflucht zu der Meynung des Humphry Klinkers, welcher rund heraus erklärte: es sey die papistische Lehre vom Fegefeuer, und zur Vertheidigung seiner Meynung führte er aus der Schrift an: ins ewige Feuer, das bereitet ist dem Teufel und seinen Engeln. Sr. Wohlehrwürden, der Herr Magister Mac Corkendale, und alle Gottesgelahrte und Heilige von dieser Gemeine wurden um Rath gefragt, und einige von ihnen hatten über die Sache ihre Zweifel; diese Skrupel und Zweifel hatten auch angefangen unsre Tante zu ergreifen, als wir uns von Edimburg aufmachten.

Wir kamen durch Linlithgow, wo man ehdem einen eleganten königlichen Pallast fand, der aber nun ganz verfallen ist, so gut wie die Stadt selbst. – Mit Stirling stehts nicht viel besser zu, ob das gleich noch mit einem schönen alten Schlosse prangt, in welchem die schottländischen Könige während ihrer Minderjährigkeit zu residiren pflegten – Aber Glasgow ist Schottlands Stolz, und kann auch wirklich allenthalben in der Christenheit für eine wohlgebaute und blühende Stadt gelten. Hier hatten wir das Glück, daß uns Herr Moore, ein angesehener Wundarzt, in sein Haus aufnahm, denn wir waren ihm durch einen unsrer Freunde in Edimburg empfohlen worden; und dieser Freund hätte uns keinen wesentlichern Dienst erzeigen können. – Herr Moore ist ein muntrer aufgeräumter Kumpan, verständig und schlau, und denkt und thut nach seiner eignen Weise; und seine Ehefrau ist eine angenehme Person, wohl erzogen, gefällig und verbindlich – Gefälligkeit, welche ich für das Wesentlichste bey einem guten und menschenfreundlichem Herzen halte, ist das entscheidende Kennzeichen des schottischen Frauenzimmers in seiner Heymath. – Unser Wirth hat uns alles Sehenswerthe gezeigt, und uns allenthalben in Glasgow bekannt gemacht, woselbst man uns auf seine Empfehlung mit dem Bürgerrechte beehrt hat. Wenn man den Handel und den Reichthum dieses Orts überlegt, so findet man es sehr natürlich, daß hier Freude und Fröhlichkeit herrschen. – Es giebt hier eine große Anzahl junger Leute, die es der Jugend in der Hauptstadt an Lebhaftigkeit und Aufwande gleich thun; und ich ward bald überzeugt, daß nicht alle weibliche Schönheiten aus ganz Schottland auf dem Jagdballe zu Edimburg versammlet gewesen wären. – Die Stadt Glasgow ist eben so blühend durch Gelehrsamkeit, als durch den Handel – Hier ist eine Universität, die in jeder Wissenschaft sehr ausgesuchte Professoren hat, welche auch reichlich salarirt werden – Es war eben Ferienzeit, als ich durchkam, deshalb konnte sich meine Neugierde nicht völlig befriedigen; indessen ists ausgemacht, daß ihre Unterrichtsmethode in einigen Stücken vor der unsrigen einen Vorzug hat. – Die Studenten werden nicht dem Privatunterrichte ihrer Lehrer überlassen; sondern jeder Professor lehrt seine eigne Wissenschaft in öffentlichen Classen oder Hörsälen.

Onkel ist über Glasgow ganz entzückt – Nicht nur hat er alle Fabriken in der Stadt besucht, sondern hat auch Hamilton, Paisley, Renfrew und jeden andern Ort, drey bis vier Meilen in die Runde, mitgenommen, wo Werke der Natur oder der Kunst zu sehen waren. Ich glaube, das Rütteln und Schütteln auf diesen kleinen Reisen hat meiner Schwester Liddy gut gethan; sie beginnt wieder munter zu werden, und Lust zum Essen zu bekommen. – Das gnädge Fräulein Tante hat das Netz ihrer Reizungen, wie gewöhnlich, ausgeworfen, und sie dachte schon wirklich, daß sie einen reichen Bandfabrikanten, Herrn Maclellan, aufgezogen hätte; allein als das Ding zur rechten Sprache kam: so fand sichs, daß seine Neigungen bloß geistlich gesinnet und auf den andächtigen Umgang gegründet waren, den sie bey den Andachtsübungen des Herrn John Weßley hatten, welcher auf dem Wege seiner apostolischen Mißion in Person hierher gekommen war.– Endlich giengen wir weiter nach den Ufern des Lough-Lomonds, und kamen durch das kleine Städtchen Dumbarton, oder (wies Onkel genannt wissen will,) Dunbritton, woselbst sich ein Bergschloß befindet, das merkwürdiger in seiner Art ist, als ich noch jemals eins gesehen habe. – Der elegante Buchannan hat es als arx inexpugnabilis mit einer eignen Beschreibung beehrt; und es muß auch wirklich bey der alten Art zu belagern unüberwindlich gewesen seyn. Es ist ein Felsen von ziemlich weitem Umfange, der zwo Spitzen hat, und in einem Winkel liegt, den der Zusammenfluß der Clyde und des Levens bilden. Er ist an allen Seiten perpendikular und unzugänglich, an einer Seite ausgenommen, woselbst der Zugang befestigt ist; und in der ganzen Gegend umher ist keine Anhöhe zu finden, von welcher man es bestreichen oder bombardieren könnte.

Von Dunbarton sieht man die Westhochlande als große benebelte Berge erscheinen, die wie über einander gewälzt liegen. – Das aber ist für jemand, der in Glamorgan aufgewachsen ist, gar nichts befremdendes. Wir haben uns auf einige Zeit zu Cameron gesetzt. Dieß ist ein sehr hübsches Landhaus, welches dem Commissarius Smollet zugehört, und worinn wir alle mögliche Bequemlichkeit gefunden haben, die wir nur wünschen konnten. Es liegt, wie ein Druidentempel in einem Eichenwäldchen, dicht an der Seite des Lough-Lomond. Dieses ist ein sehr großer Landsee, der sehr helles und klares Wasser hat, an etlichen Orten unergründlich scheint, zwey bis drittehalb Meilen breit, und bis achte lang ist. Es liegen darinn über zwanzig grüne Inseln, auf welchen Büsch' und Bäume wachsen. Einige sind mit Korn angebauet, und einige davon haben reichlich Rothwildprett. – Sie gehören verschiedenen Edelleuten, deren Landsitze längst den Ufern dieses Sees zerstreuet liegen, und welche romantischer in die Augen fallen, als man sichs einbilden kann. Onkel und ich haben unsre Damen zu Cameron gelassen; denn um hierher zu kommen, muß man in einem Boote über einen kleinen Arm von der See gehn, und Tabby will um alles in der Welt sich dem Wasser nicht wieder anvertrauen. – Die Landschaft hier wird immer wilder, je weiter man hinein kommt; und die Hochländer sind von den Plattländern in Sprache, Kleidungen und Mienen sehr weit unterschieden.

Wenn die Plattländer einmal einen Feststagstrunk thun wollen: so gehen sie zu einer öffentlichen Schenke, die sie Change-House nennen, und lassen sich einen Schoppen Zweypfenniger geben, welches ein dünnes, brausendes Malzgetränke ist, nicht völlig so stark, als das engländische Tafelbier. – Dieses bringt man in einer zinnern Kanne, woraus es in ein Tümelchen geschenkt wird, welches sie Quaft nennen; dieser Quaft ist sein artiger Becher, aus allerley hölzernen Stäbchens, als von Buchsbaum, Ebenholz, u. s. w. Eins ums Andre zusammen gesetzt, mit sehr saubern Reiffen und zwey Hänkelchen – Es geht ungefähr ein halb Nösel hinein, ist zuweilen am Rande mit Silber beschlagen, und hat von eben dem Metalle auf dem Boden eine Platte, auf welcher des Wirths Name eingegraben ist. – Die Hochländer hingegen verachten dieses Getränke und thun sich gütlich in Whisky, (eine Art von Kornbrandtewein, so stark als Genever,) welchen sie sehr häufig trinken, ohne daß man merken kann, daß sie sich betrünken. Sie sind von der Wiegen an dazu gewöhnt, und finden ihn sehr zuträglich gegen die Winterkälte, welche in diesen Gebirgen äußerst strenge seyn muß. – Man hat mir gesagt, daß man mit Nutzen von diesem Whisky den Kindern zur Herzstärkung giebt, wenn sie die zusammenfließenden Blattern haben, wenn sie nicht hervor kommen oder zurücktreten wollen, oder sich sonst als bösartige ankündigen. – Die Hochländer sind gewohnt, vielmehr Fleischspeisen zu essen, als ihren Nachbarn, den Plattländern, zum Loose fällt – Sie lieben die Jagd, haben Roth- und ander Wildprett in Menge; dabey laufen viele Schaafe, Ziegen und Hornvieh als Wild herum, und sie machen sich auch kein Gewissen daraus, Zahmes für Wild zu schießen, und sind über das Eigenthum recht in keiner Verlegenheit.

Inverary ist ein armes Städtchen, ob es gleich unter dem unmittelbaren Schutze des Herzogs von Argile steht, der in diesem Theile von Schottland ein mächtiger Fürst ist. Die Bauern leben in armseligen Hütten und sehn sehr dürftig aus; die Edelleute hingegen wohnen nicht schlecht, und sind so liebreich gegen Fremde, daß ein Mensch wegen ihrer Gastfreyheit nicht ausser aller Lebensgefahr ist. – Es ist anzumerken, daß die armen Hochländer nicht mehr so gut als sonst in die Augen fallen – Durch eine Parlamentsacte sind ihnen nicht nur die Waffen abgenommen, sondern auch ihre alte Tracht ist ihnen verboten worden, die ihnen gut ließ und bequem war; und was noch härter ist, sie werden gezwungen Beinkleider zu tragen, und dieser Zwang ist ihnen ganz unausstehlich. Die meisten tragen freylich welche, aber nicht am gehörigen Orte, sondern an einem Stocke oder dergleichen, auf der Schulter. Man entzieht ihnen sogar den Gebrauch ihres gestreiften und gewürfelten Zeugs, den sie Tartane nennen, welchen sie selbst machten, und den sie höher schätzten als alle Sammitte, Brokaden und übrige Weben von Europa und Asien. Nun lungern und schlentern sie herum in großen Mantelröcken von groben braunen Tuche, die eben so armselig aussehn, als sie beschwerlich sind, und die Niedergeschlagenheit spricht ihnen aus den Augen. – So viel ist gewiß, die Regierung konnte auf keine sichrere Methode fallen, ihnen durch den Nationalsinn zu fahren.

Wir haben eine königliche Lust an einer Hirschjagd auf diesen Gebirgen gehabt – Dieses sind die einsamen Hügel Morvens, woselbst Fingal und seine Helden sich eben diesen Zeitvertreib machten. Ich fühle mich ganz begeistert, wenn ich die braunen Haiden übersehe, über welche Ossian zu wandeln pflegte; und wenn ich den Wind über die gebognen Grasspitzen hinsäuseln höre. – Wenn ich den Vorplatz im Hause unsers Wirthes betrete, so sehe ich mich um, wohin dieser göttliche Barde seine Harfe gehängt haben mag, und lausche, in der Hoffnung noch einen leisen Laut seines Geistes zu hören. Ossians Gedichte sind hier in jedermanns Munde. – Ein berühmter Antiquar der hiesigen Lande, der Laird of Mackfarlane, in dessem Hause wir vor ein paar Tagen zu Mittag aßen, weis sie alle in der Originalsprache, im alten Gaelick herzusagen, dieses Gaelick oder Galic hat eine große Verwandtschaft mit unserm Wälischen, nicht bloß im allgemeinen Klange, sondern in einer Menge von Stammwörtern; und ich zweifle gar nicht daran, daß sie von einerley Abkunft sind. Ich gerieth in eine nicht geringe Verwunderung, als mir ein Hochländer, den ich fragte, ob er uns nicht etwas Wild noch weisen könnte? zur Antwort gab: » hu niel Sassenagh .« welches bedeutet: ich nichts Englisch. Grade die Antwort hätte mir ein Wälschmann gegeben, und auch fast mit eben den Worten. Die Hochländer haben keinen andern Namen für die Leute auf dem platten Lande als, Sassenagh oder Sachsen; eine starke Vermuthung, daß die Schotten auf dem Plattlande und die Engländer von einerley Volke abstammen – Die Bauern auf diesen Gebirgen haben in ihren Mienen und Geberden, ihren Sitten und Wohnungen ungemein viel Gleichheit mit den Bauern in Wäles; alles, was ich sehe, höre, und fühle scheint mir Wälsch. – Die Berge, Thäler, Flüsse und Bäche; die Luft, das Clima; das Rindfleisch, das Hammelfleisch, das Wild, alles ist Wälsch. – Indessen muß man gestehn, daß die Leute hier mit manchem Artikel besser versorgt sind, als wir. Sie haben einen Ueberfluß an Roth- und Hochwildprett, welches um diese Jahrszeit feist und zart ist – Ihre See wimmelt von den schönsten Fischen von der Welt, und sie haben Gelegenheit, mit wenig Kosten sehr guten Bordauxwein kommen zu lassen.

Unser Wirth ist in dieser Gegend des Landes ein Mann von Bedeutung; ein Cadet von der Familie von Argile, und Erbhauptmann über eines seiner Schlösser. – Sein Name heißt auf gut Englisch, Dougal Campbell; allein da es eine Menge dieses Namens giebt, so unterscheidet man sie (wie bey den Wälschen,) durch die Geschlechtsfolge; und wie ich einen alten Briton gekannt, der Madoc ap-Morgan, ap—Jenkin, ap-Jones , hieß: so nennt sich unser hochländisches Familienhaupt Dou'l-Mac—amisch mac-'oul ich-ian , welches bedeutet: Dougal, der Sohn Jacobs, der Sohn Dougals, der Sohn Johannes. – Er hat gereiset, und ist geneigt in seiner häuslichen Einrichtung gewisse Veränderungen zu treffen; findet es aber unmöglich, die alten Familiengebräuche abzuschaffen; wovon einige schnakisch genug sind. – Sein Sackpfeifer, zum Exempel, welches eine erbliche Bedienung bey der Familie ist, will nicht ein Pünctchen von seinem Privilegio vergeben. – Er hat ein Recht, den Kilt, oder alte hochländische Tracht, mit Beutel und Pistolen zu tragen – ein breites gelben Band, das an die Discantpfeife geknüpft ist, hängt ihm über die Schulter, und schleicht hinter ihm auf der Erde her, während der Zeit, daß er sein musikalisches Amt ausrichtet. Dieß Band, denk ich, kommt noch von dem Panier oder Fähnlein her, welches ehedem in Schlachten vor jedem Ritter hergetragen wurde. – Er spielt alle Sonntage vor dem Laird her, wenn er zur Kirche geht, und um diese geht er dreymal herum, und spielt dabey den Familienmarsch, welches eine Ausfodrung an alle Feinde des Clans bedeutet; und jeden Morgen spielt er eine Glockenstunde lang auf dem großen Vorplatze, wobey er beständig mit einem ernsthaften Schritte aus und nieder geht, und von allen männlich Anverwandten des Lairds begleitet wird, denen die Musik gar sehr zu gefallen scheinet. – Während dieses Spatzierganges unterhält er sie mit allerley Pibrachs oder Melodien, die den Leidenschaften gemäß sind, die er entweder erwecken oder stillen will.

Herr Campell selbst, der sehr gut die Violine spielt, hat eine unüberwindliche Antipathie gegen den Ton der hochländischen Sackpfeife, welche stark durch die Nase singt, und sehr widrig heult, und einem, auch nicht einmal zartgewöhntem Ohre völlig unausstehlich ist, wenn er durch den Wiederhall eines gewölbten Vorplatzes noch verstärkt wird. – Er bat also den Pfeifer, er möchte sich doch sein erbarmen, und ihm diesen Theil des Morgensegens schenken. – Nachdem der Clan über diesen Antrag mit einander zu Rathe gegangen war, fiel der einstimmige Schluß dahin aus, daß des Lairds Verlangen nicht bewilliget werden könnte, ohne einen gefährlichen Eingriff in die wohl hergebrachten Gebräuche der Familie zu gestatten. – Der Pfeifer erklärte sich, er könne sich des Privilegii, das seine Vorfahren auf ihn gebracht, auf keinen Augenblick begeben; und die Anverwandten des Lairds wollten seine Ergötzlichkeit nicht missen, die sie höher schätzten, als alle andre. – Es war keine Hülfe; Herr Campell, der sich die Sache gefallen lassen mußte, wie sie war, ist froh, daß er seine Ohren mit Baumwolle verstopfen, seinen Kopf mit drey oder vier Nachtmützen beschützen, und alle Morgen in das entlegenste Zimmer seiner Wohnung fliehen kann, um dieser täglichen Plage zu entgehen. Wenn die Musik zu Ende ist, zeigt er sich an einem offnen Fenster, das auf den Hofraum geht, welcher gegen diese Zeit mit Vasallen und Dienstleuten angefüllt ist, welche seine erste Erscheinung dadurch begrüßen, daß sie ihre Häupter entblößen und sich aufs demüthigste bis zur Erde bücken. Da alle diese Leute ihm entweder Vorschläge, Klagen oder Bitten vorzutragen haben, so warten sie ganz geduldig, bis der Laird hervorkommt, alsdann folgen sie ihm auf seinen Schritten, und alle nach der Reihe haben ihre kurze Audienz. Vor zwey Tagen fertigte er über hundert solcher Vorträge auf dem Wege nach einem Nachbaren ab, wohin wir zum Mittagsessen gebeten waren. Die Hauswirthschaft unsers Wirthes ist eben so rauh als gastfrey, und verräth noch die Simplicität der alten Zeiten; der große Vorplatz, oder Dielensaal, ist fünf und vierzig Fuß lang und zwey und zwanzig breit, mit breiten Stein bepflastert, und dient nicht allein zum Eßsaale, sondern auch zum Schlafzimmer für die freyen Leute, die zu der Familie gehören. Des Abends werden an jeder Seite, längst der Wand, ein halb Dutzend Lagerstellen von Haide gemacht, die mit der Wurzel ausgerupft, und auf solche Art zurecht gelegt wird, daß es ein angenehmes Lager giebt; worauf sie liegen ohne eine andre Decke zu brauchen, als ihr sogenanntes Plaid. (Der Schurz, den sie gemeiniglich von einer Schulter bis zur andern Hüfte tragen, aber nach Nothdurft oder Gutbefinden gegen Kälte und Regen um die verschiednen Theile des Leibes schlagen.) – Meinem Onkel und mir erzeigte man die Höflichkeit, uns besondre Kammern und Federbetten zu geben, welche wir baten, mit einem Haidelager vertauschen zu dürfen; und in der That hab' ich niemals so ruhig geschlafen. Das Lager war nicht allein sanft und elastisch, sondern das Haidekraut, das eben in der Blühte stund, verbreitete einen sehr lieblichen Geruch, der ungemein erfrischend und stärkend zugleich ist.

Gestern waren wir zum Begräbniß einer alten Dame eingeladen, welche Großmutter eines benachbarten Edelmannes war, und befanden uns mitten unter funfzig Personen, denen man ein prächtiges Gastmahl gab, das mit der Musik eines Dutzends Pfeifer begleitet wurde. Kurz, diese Zusammenkunft hatte völlig die Miene einer großen Festivität, und die Gäste erwiesen dem Mahler solche Ehre, daß viele von ihnen nicht mehr auf den Füßen stehen konnten, als man uns an das Geschäfft erinnerte, weswegen wir versammlet waren. Die Gesellschaft stieg gleichwohl alsobald zu Pferde, und ritt in einem ziemlich unordentlichen Zuge nach dem Begräbnißorte, einer Kirche, die eine gute halbe Meile von dem Schlosse lag. Als wir daselbst angelangt waren, fand sichs, daß wir ein kleines Versehn gemacht, und die Leiche zurück gelassen hatten. Wir mußten also linkum machen, und der alten Dame auf halbem Wege entgegen reiten, die von den nächsten Verwandten ihrer Familie auf der Bahre getragen, und von der Coronach gefolgt ward, welches eine Menge alter Weiber, ist, die sich die Haare raufen, die Brust zerklopfen und ein entsetzliches Geheule treiben. Beym Grabe hielt der Redner, oder Senachie , die Lobrede der Verstorbnen, und jede Periode ward durch ein Klaggeheule der Coronach bestätigt. Die Leiche ward endlich in die Erde gesenkt, und während dieser ganzen Handlung spielten die Pfeifer eine Pibrach, und die Versammlung stund mit entblößten Häuptern. Der Beschluß der Ceremonie ward mit Abfeurung der Pistolen gemacht. Darauf kehrten wir wieder zurück nach dem Schlosse, nahmen die Bouteille vor, und gegen Mitternacht war, die Weiber ausgenommen, kein nüchterner Mensch im ganzen Schlosse. Mit einiger Schwierigkeit erhielten der 'Squire und ich die Erlaubniß, daß wir uns des Abends mit unserm Wirthe hinweg begeben dürften; allein der Trauermann nahm es doch fast ein wenig übel, und schien es nachmals für einen Schimpf für seine Familie zu halten, daß bey einer so feyerlichen Gelegenheit nicht einmal über hundert Stüchen Whisky ausgetrunken wären. Heute Morgen sind wir um vier Uhr aufgestanden, um auf eine Rehjagd zu gehn, und in einer halben Stunde nachher funden wir im Dielensaale das Frühstück ausgesetzt. Die Jäger bestunden aus zwey Fremden, Sir George Colquhoun und mir (mein Onkel hatte nicht Lust mit zu seyn) aus den Laird selbst, des Lairds Bruder, des Lairds Brudernsohn, des Lairds Schwestersohn, des Lairds Vaternbrudersohn und alle ihre Milch Brüder, welche gleichfalls mit zu der Familie gerechnet werden; allein zum Gefolge hatten wir eine ungeheure Menge Gaelliser , oder zerlumpte Hochländer, ohne Schuh oder Strümpfe.

Unser Frühmal bestund aus folgenden Artikeln, ein Eimer voll gekochter Eyer; ein zweyter voll Butter; ein dritter voll Rohm; ein ganzer Käse von Ziegenmilch gemacht; ein großer irdener Topf voll Honig; ein kaum angeschnittner Schinken; eine kalte Wildpastete; ein paar Metzen Habermehl in kleine Kuchen gebacken, mit einem kleinen Weitzenbrodte in der Mitte für die Fremden; ein großer steinerner Krug voll Whisky, ein andrer voll Brandtewein und eine halbe Tonne stark Bier oder Ael. An dem Rohmeimer hieng ein Füllöfelspan einer Kette, womit man die niedlichen hölzernen Becher aus diesem Behälter anfüllen konnte. Der Whisky und Brandtewein ward aus einem silbernen Tümmelchen, und das Ael aus Hörnern getrunken. Die Gäste überhaupt machten dem Frühstück Ehre; einer insbesondre, der über zwey Dutzend hartgekochte Eyer aß, mit einer verhältnißmäßigen Portion Brodt, Butter und Honig dazu; auch blieb von dem Getränke nicht ein Tröpflein über. Zuletzt ward gleichsam zum Nachtische eine große Rolle Toback auf gesetzt, und ein jeder nahm ein hübsches Endchen davon in den Mund, gegen die böse Morgenluft. Wir hatten eine schöne Jagd über die Gebirge auf einen Rehbock, den wir erlegten; und ich kam noch zeitig genug nach Hause, um mit Madame Campell und meinem Onkel Thee zu trinken. Morgen werden wir wieder nach Cameron zurück kehren. Wir denken über den Meerbusen Clyde zu gehen, und die Stadt Greenock und Portglasgow auf dem Wege mitzunehmen. Wenn wir diesen Abstecher zu Ende gebracht haben, werden wir unser Antlitz gegen Mittag kehren und der Sonne mit vermehrter Schnelligkeit folgen, um den Rest des Herbstes in England zu geniessen, woselbst Boreas nicht völlig so beissend ist, wie er schon auf den Spitzen dieser nordischen Gebirge zu werden beginnt. Ich werde aber fortfahren, Ihnen unsre Reise von Ort zu Ort bekannt zu machen, und dadurch, so viel es seyn kann, beweisen, daß ich beständig bin,

Ihr

    Argyleshire,
den 3ten September.

ganz ergebenster Diener
J. Melford.         

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An den Doctor Lukas.

Liebster Dietrich!

Es sind nun schon fast vierzehn Tage verflossen, daß wir die Hauptstadt Schottlands verlassen haben, und unsern Weg nach Stirling genommen haben, woselbst wir still lagen. – Das Casteel dieses Orts ist dem zu Edimburg sehr ähnlich, und sieht man von demselben eine vortreffliche Landschaft, in welcher sich der Forth herum schlängelt. Seine Krümmungen sind so sonderbar, daß man von hier bis Alloa zu Lande nur vier schottische Meilen hat, und zu Wasser vier und zwanzig. Alloa ist eine artige, blühende Stadt, die mehrentheils von den glasgowischen Handel lebet. Die Kaufleute dieser Letzten schicken ihren Taback und andre Artikel hierher, um aus den hiesigen Speichern über den Forth weiter aus dem Lande spedirt zu werden. Auf unserm Wege hierher besahn wir eine gute Eisenhütte, bey welcher man statt Holzes Steinkohlen brennt, welche sie die Kunst besitzen vom Schwefel zu reinigen, welcher sonst das Eisen zu spröde für den Hammer machen würde. Man findet in Schottland fast allenthalben vortreffliche Steinkohlen.

In diesem Districte trägt der Boden fast nichts anders, als Hafer oder Gerste; vielleicht weil er schlecht bestellt wird, und fast nirgend eingefriedigt ist. Die wenigen Einfassungen, welche sie haben, bestehen in kümmerlichen Wällen von lockern Steinen, die von den Aeckern aufgelesen sind; worauf sie freylich so dick liegen, als ob sie mit Fleiß ausgesäet wären. Als ich meine Verwundrung zu erkennen gab, daß die Bauern ihre Aecker nicht von diesen Kieseln reinigten, versicherte mich ein Edelmann, der recht gut mit der theoretischen und practischen Landwirthschaft bekannt ist, daß diese Steine der Saat vielmehr nützlich als nachtheilig wären. Dieser Philosoph hat ein Stück Land von dem seinigen von Steinen säubern, gut düngen und mit Gerste besäen lassen, und es trug weniger als vorher. Er ließ die Steine wieder darauf bringen, und das folgende Jahr stund seine Gerste so schön als jemals. Als er die Steine zum Zweytenmale ablesen ließ, war der Wuchs schlecht, und da sie wieder hinaufgebracht wurden, bekam das Land seine Fruchtbarkeit wieder. Man hat in verschiednen Gegenden von Schottland eben den Versuch angestellt, und allenthalben einerley Glück gehabt. – Voller Erstaunen über diese Bemerkung, bat ich ihn, mir zu sagen, was seine Meynung von dieser sonderbaren Erscheinung sey; und er sagte, die Steine könnten dem Lande auf dreyerley Art dienlich seyn. Vielleicht hielten sie eine zu häufige Ausdünstung der Erde zurück, die Etwas ähnliches mit den Sudortes colliquativos haben, welche den menschlichen Körper zuweilen entkräften und auszehren. Sie möchten auch vielleicht den zarten Keimen und Sprößlingen gegen die schneidende Frühlingswinde zu Schutzwällen dienen; oder auch dadurch, daß sie die Sonnenstrahlen auf vervielfältigte Weise zurück würfen, die Wärme vermehren, und die natürliche Kälte des Bodens und der Luft mildern. – Allein die zu häufigen Ausdünstungen könnte man ohnstreitig durch verschiedene Arten von Dünger viel besser hemmen, als z. E. durch Asche, Schlamm, Kalk, Mergel; denn von dem Letzten scheinen die Gruben nicht zu fehlen: und die Wärme würde viel besser durch eine Einfassung der Aecker und Kämpe erhalten; man gewönne dabey die Hälfte der Fläche, die jetzt bedeckt liegt; die Erde ließe sich leichter bearbeiten, und würde lange nicht so viel Pferde, Pflüge und Eggen kosten, als nun.

Diese nordwestlichen Gegenden sind gar nicht ergiebig an Korn. Der Boden ist von Natur unfruchtbar und Moorigt. Der Bauer wohnt elend, sieht trübselig aus, ist sehr dürftiglich gekleidet und voller Unflath. Und dennoch hat sie die Natur so reichlich mit Seen, Flüssen und Bächen, mit so schönem reinen Wasser versehn, daß sie diesen letzten Vorwurf sehr leicht abwaschen könnten. Die Landwirthschaft kann nicht empor kommen, wo die Pachtungen klein, und die Pachttermine kurz sind, und wobey der Pächter so hohen Zins geben muß, daß er nur darauf zu denken hat, wie er gegenwärtig das Pachtquantum gewinnen, und nicht, wie er Verbeßrungen auf die Zukunft machen kann. Die Kornspeicher für Schottland sind die Länder an den Ufern der Tweed, die Grafschaften von East- und Mid-Lothian, der Kasten von Gowrie, in Perthshire, der so fruchtbar ist, als eine engländische Gegend nur seyn kann, und ferner noch einige Striche in Aberdeenshire und Murray, wo man, wie mir gesagt ist, früher mähet als in Northumberland, ob sie gleich über zwey Grade weiter nach Norden liegen. Ich bin sehr neugierig, verschiedene Plätze jenseits des Forth und dem Tay zu besuchen, nämlich solche als Perth, Dundee, Montrose und Aberdeen, welches wohl gebaute und nahrhafte Städte sind; allein die Jahrszeit ist zu weit fortgerückt, und wird mir diese Ausdehnung meines ersten Planes nicht erlauben.

Ich bin in soweit glücklich, daß ich Glasgow gesehen habe, welches, so viel ich mich besinnen kann und zu urtheilen vermag, eine der schönsten Städte von Europa ist; wenigstens ist sie ohne Widerspruch die blühendste in ganz Großbritannien. Kurz, es ist ein vollkommner Bienenstock an Fleiß und Aemsigkeit. Sie liegt zum Theil an einer sanften Anhöhe; der größte Theil aber ist in einer Ebne, durch welche der Clydestrom fließet. Ihre Gassen sind gerade, offen, lüftig und gut gepflastert. Die Häuser sind geräumig, von Bruchsteinen und gut gebauet. Im Obertheile der Stadt steht die ehrwürdige Dohmkirche, welche sich mit Westmünster und Yorkmünster vergleichen läßt. Wenn man von da herab bis zum Marktkreutz geht, so liegt ungefähr auf halbem Wege das Collegium; ein ansehnliches altes Gebäude, mit allen möglichen Bequemlichkeiten für die Professores und die Studenten, welches dabey eine schöne Bibliothek und ein mit astronomischen Instrumenten reichlich versehenes Observatorium enthält. Die Zahl der Einwohner schätzt man auf dreyßig tausend, und allenthalben entdeckt man Spuren des Wohlhabens und der Gemächlichkeit in dieser Handelsstadt, die bey alledem ihre Fehler und Unvollkommenheiten hat. Die öffentlichen Brunnen haben fast alle ein hartes und fast Brakwasser; Brakwasser wird das Wasser in den Mündungen der Flüsse genennt, wo sich das Seewasser mit dem süßen vermischt. eine Nachläßigkeit, die um desto unverzeihlicher ist, da ihnen in der Niedernstadt der Fluß Clyde vor der Thüre vorbey fließet, und oben über der Cathedralkirche hinauf Quellen und Bachrinnen genug sind, einen großen Behälter mit vortrefflichem Wasser zu versorgen, welches von da aus in alle Gegenden der Stadt geleitet werden könnte. Es wäre wichtiger, in diesem Puncte auf die Gesundheit der Einwohner zu achten, als durch das Bauen von neuen Gassen, Plätzen und Kirchen auf die Verschönerung der Stadt bedacht zu seyn. Ein andrer Fehler, dem nicht so leicht abzuhelfen seyn möchte, ist die Untiefe ihres Flusses, auf welchem kein Schiff von einiger Schwere näher als bis auf zehn oder zwölf schottische Meilen an die Stadt kommen kann, dergestalt, daß die Kaufleute genöthigt sind, ihre Schiffe zu Greenook und Newport-Glasgow zu laden und zu löschen; zwey Oerter, welche näher am Ausflusse der Clyde liegen, woselbst der Fluß schon fast zwey englische Meilen breit ist.

Die Leute zu Glasgow sind lebhaft und zu Unternehmungen aufgelegt. – Herr Moore, ein Chirurgus, dem ich von Edimburg aus Empfehlungsschreiben mitbrachte, hat mich mit allen vornehmsten Kaufleuten bekannt gemacht. Ich bin mit Herrn Cochran bekannt geworden, den man einen von den Weisen des Reichs nennen kann. Zur Zeit der letzten Rebellion war er an der Spitze des Magistrats. Ich saß als Mitglied im Unterhause, als er vor demselben abgehört ward. Bey dieser Gelegenheit bemerkte Herr P**, er habe vor den Schranken des Hauses noch niemals eine so vernünftige Aussage gehört. – Auch bey dem Herrn Doctorn John Gordon bin ich eingeführt worden; er ist ein Patriot mit wahrem römischen Geiste, und der Vater der hiesigen Leinewandmanufacturen, und ist auch ein großer Beförderer des Werkhauses, der Kranken- und andrer nützlichen öffentlichen Anstalten gewesen. In Rom hätte man ihm gewiß auf öffentliche Kosten eine Statue errichtet. Auch habe ich mich mit dem Herrn G--ssf--d, unterredet, welchen ich für einen der größten Handelsherrn in Europa halte. Im letzten Kriege, sagt man, soll er auf einmal fünf und zwanzig Schiffe für seine eigne Rechnung in See gehabt, und jährlich etwa für eine halbe Million Pfund Sterling umgesetzt haben. Der letzte Krieg war für Glasgow eine glückliche Periode; die Kaufleute machten die Ueberlegung, daß ihre nach America geladne Schiffe, die gleich an der Nordseite von Irrland in das atlantische Meer stechen, einen Weg segelten, wohin eben nicht viele Kaper kämen, und beschlossen, sich unter einander selbst zu assecurieren; hierdurch erspareten sie eine ansehnliche Summe, weil von ihren Schiffen wenige aufgebracht wurden. – Sie werden finden, daß ich für diesen Theil von Schottland eine Art von Nationalliebe hege. Die große Kirche, welche dem heiligen Mongah gewidmet ist, der Clydefluß und gewisse andre Sachen, die nach unsrer Wälschen Sprache und unsern Gebräuchen schmecken, tragen dazu bey, meiner Einbildung zu schmeicheln, daß diese Völker Abkömmlinge von den Britten sind, die vordem dieß Land bewohnten. Es war ohn allen Zweifel ein Cumbrisches Königreich; seine Hauptstadt war Dumbarton, (eine verderbte Aussprache von Dumbritton) welche noch als eine königliche Burg, zehn Meilen unter Glasgow, am Zusammenflusse der Clyde und des Leven, vorhanden ist. Eben in dieser Nachbarschaft ward St. Patrick, der Apostel von Irrland geboren, an einem Orte, wo noch ein Dorf und Kirche dieses Namens zu finden sind. Nicht weit hiervon finden sich noch Ueberbleibsel von der berühmten römischen Mauer, welche unter der Regierung des Antonius, von Clyde her bis zum Forth gezogen und mit Thürmen befestigt worden, um das Land vor den Einfällen der Scotten oder Caledonier zu schützen, welches die Westhochländer bewohnten. Die Kaufleute zu Glasgow sind entschlossen, in einer Parallellinie mit dieser Mauer, zwischen den beyden Meerbusen, einen schiffbaren Canal zu ziehen, welches ihrem Handel von unendlichen Nutzen seyn wird, indem sie dadurch ihre Güter von einer Seite der Insel zur andern transportiren können.

Von Glasgow sind wir längst der Clyde gereiset, welches ein angenehmer Fluß ist, der an beyden Seiten mit Landsitzen, Flecken und Dörfern geziert ist. Es fehlt hier nicht an Buschwäldern, die mit Wiesen und Kornfeldern abwechseln; allein diesseits Glasgow findet man wenig andres Getraide als Hafer und Gerste; der erste ist viel besser, die letzte aber viel schlechter, als die Gattung, die in England wächst. Mich wundert, daß man so wenig Roggen findet, da die Korn doch fast auf jedem Boden fortkommt; und noch mehr zu verwundern ists, daß die Potätoes in den Hochlanden so sehr vernachläßigt werden, woselbst die armen Bauern nicht Mehl genug gewinnen, um davon des Winters Brodt genug zu haben.

An der andern Seite des Flusses liegen die Städte Paysley und Renfrew. Die Erste war ein unansehnliches Dorf, und ist durch die Leinewand- Cammertuch- geblümte Nesseltuch- und Seidenmanufacturen zu einem der blühendsten Oerter des Reichs geworden. Ehedem war Paysley wegen eines reichen Mönchsklosters berühmt von Clugnys Stiftung, welcher das berühmte Scoti Chronicon , unter dem Titel: The Black Book of Paisley schrieb. Die alte Abtey steht noch, obgleich ein Wohnhaus daraus gemacht ist, das der Graf von Dundonald inne hat. Renfrew ist ein artiges Städtchen am Ufer der Clyde, und die Hauptstadt der Shire, welche ehedem ein Erbstück der stuartischen Familie war, und wovon der älteste Sohn des Königs den Titel eines Barons hatte, so, wie solche der Prinz von Wäles noch führt.

In Dumbritton ließen wir die Clyde ein wenig zu unsrer Rechten, welche hier eine Art von Firth oder Meerbusen macht, nachdem der Leven hineingefallen ist. Hier findet man auch das Casteel oder feste Schloß, welches ehedem Alcluyd hieß, welches von allen Seiten von diesen beiden Flüssen gewässert wird, ausgenommen eine sehr schmale Erdzunge, die aber auch bey jeder Springfluth überschwemmt wird. Das Ganze ist eine besehenswürdige Seltenheit, sowohl was die Eigenschaft und Gestalt der Felsen anbelangt, als auch wegen der Beschaffenheit seiner Lage. – Hier giengen wir über den Leven, welcher freylich nicht so groß als die Clyde ist, aber klärer, arkadischer und lieblicher. Dieser entzückende Bach fließt aus dem See Lough-Lomond, und rieselt eine starke deutsche Meile durch schlängelnde Krümmungen über ein Bette von Kieseln, bis er bey Dumbritton sich in die Clyde ergießt. Nicht sehr weit über seiner Quelle am See liegt das Landguth Cameron, welches Herrn Smollet gehört, und dergestalt von einem Eichenwalde umgeben ist, daß wir es nicht ehe zu Gesicht bekamen, bis wir nur noch funfzig Schritte von der Pforte waren. Ich habe mehr Seen gesehen, als, Lago di Garda, Albano, de Vico, Bolsena, und den Genfersee, aber, auf meine Ehre, Lough-Lomond zieh' ich allen vor; und zwar hauptsächlich wegen der fruchtbaren Inseln, die darauf zu schwimmen scheinen, und welche dem Auge bey der uneingeschränkten Aussicht die reizendsten Ruhepunkte schaffen. Seinen Ufern fehlts gleichfalls nicht an Schönheiten, welche sogar etwas Erhabnes an sich haben. Diesseits bieten sie eine sehr ergötzende Abwechslung dar, von Gebüschen, Kornfeldern und Weiden, mit verschiedenen angenehmen Landhäusern, welche gleichsam aus dem See empor zu steigen scheinen, und nach und nach endigt sich der Prospect mit hohen Bergen, die mit Haide bewachsen sind, und einem reichen purpurfarbnen Teppiche ähnlich sehn, weil die Haide eben in voller Blüthe steht. Man hat Recht, dieses Land das schottländische Arkadien zu nennen; und ich bin zuversichtlich gewiß, daß es, das Clima ausgenommen, in allen übrigen Dingen völlig so gut ist, und in Holz, Wasser und grünem Laub und Grase noch besser. – Was sagen Sie zu einem natürlichen Bassin von hellem klaren Wasser, das bis zehn deutsche Meilen lang, an manchen Stellen drittehalb breit, und hie und da über hundert Klafter tief ist. Worinn sich vier und zwanzig bewohnte Inseln befinden, wovon einige Hochwild haben, alle aber mit Hölzungen bedeckt sind; das eine große Menge der wohlschmeckendsten Fische hat, als Lachs, Hechte, Forellen, Schleye, Aale und Powans, welche letztern eine sehr delicate Art Süßheering sind, die man nur in diesem See antrifft; und der auch endlich noch den Vortheil hat, daß er durch den ausfließenden Leven mit dem Meere zusammenhängt, vermittelst dessen alle diese Gattungen Fische (den Powan ausgenommen) bey Gelegenheit ab- und zuziehen.

Hiebey schicke ich Ihnen die Abschrift einer kleinen Ode an diesen Bach, von dem Doctor Smollet, der an seinen Ufern, ein paar Meilen von dem Orte, wo ich dieses schreibe, geboren ward. Wenn sie kein anders poetisches Verdienst hat, so mahlt und beschreibt sie doch wenigstens richtig und genau genug. In einer angenehmen Landschaft, nach der Natur gemahlt, herrscht eine Idee der Wahrheit, die mir mehr gefällt, als die lebhafteste Ficktion, welche die wollüstigste Einbildungskraft entwerfen kann.

Ich habe noch andre Anmerkungen zu machen, allein mein Papier ist zu Ende, und ich muß sie also bis zur nächsten Gelegenheit versparen. Itzt will ich nur noch hinzufügen, daß ich entschlossen bin, wenigstens zwölf oder funfzehn Meilen in die Hochlande hinein zu reisen, welche mir itzt als ein hohes Wolkenbild vor den Augen liegen, und mich reizen, es besser in der Nähe zu sehen. Leben Sie wohl! ich bin

Mein liebster Lukas,
Ihr

    Cameron,
den 28ten August.

ergebenster   
M. Bramble.

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An den Fluß Leven.

Hier wohnt die Freyheit und die junge Freude,
Am Ufer meines Stroms, und mein Gedicht
Singt Lieb'; ich tanze hier und neide
Den Schäfer aus Arcadien nicht.

Christallner Strom! in dessen reiner Welle
Ich badete von meiner Jugend auf!
Kein Gießbach trübet deine Quelle,
Kein Fels verstellet deinen Lauf,

Der anmuthvoll mit lieblichem Geriesel
Sein schönes Bett hinab sich gießt,
Gedeckt mit weißem runden Kiesel.
In schneller leichter Wendung schießt.

Das Wasservolk durch die christallne Welle,
und drinn in ungemeßner Zahl
Der wilde Hecht, die scheckichte Forelle,
Der Lachs, der Schmerling und der Aal.

Vom väterlichen See bis zu der Clyde
Macht uns dein Gang ein schönes Labyrinth,
Wo Fichtenwälder, Birkenhain' und Weide
Und blütevolle Hecken sind;

Und Schäfer gehn, und reiche Heerden blöcken
Am Ufer hin, ein grünes schönes Land!
Junge Mägdchen singen durch die Hecken,
Den blanken Eimer in der Hand;

Und dein beglücktes Volk ist unverdrossen
Und treu, und redlich, und durch That,
Fest zu vertheidigen entschlossen,
Den schönen Segen, den es hat.

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An den Doctor Lukas.

Liebster Freund,

Wenn ich der Mann wäre, der gerne was zu tadeln findet: so könnte ich sagen, das Haus hier zu Cameron läge zu nahe an dem See; denn an der einen Seite liegt er nicht über sechs oder sieben Ellen von der Fensterwand. Es hätte wohl mögen auf einem höhern Platze angelegt werden, um eine freyere Aussicht und eine trocknere Atmosphäre zu haben; doch diese Unvollkommenheit kann man dem gegenwärtigen Besitzer nicht zu Schulden legen, denn der kaufte es, als es schon gebauet war, weil er sich nicht die Last aufladen wollte, das Familienhaus zu Bonhill auszubessern, welches eine Stunde weges von hier liegt, und dergestalt mit Anpflanzungen umgeben ist, daß man es gemeiniglich das Krammetsvogelnest zu nennen pflegt. Ueber diesem Hause ist eine sehr romantische Felsenklippe, welche mit hängenden Sträuchern bedeckt ist, und am Fuße ein klares Bächlein hat, das über viele Absätze in den Leven fällt, so daß es ein gar entzückendes Gemälde macht. Ein Capitain von einem Kriegsschiffe, der mit Anson die Reise um die Welt gethan hatte, rief aus, als man ihn nach diesem Felsen führte: »Juan Fernandez, beym Himmel!«

Wirklich, diese Gegend wäre ein vollkommenes Paradies; läge nicht auf ihm, wie auf Wäles, der Fluch eines feuchten Clima, das in beyden aus ein und eben den Ursachen entsteht, nämlich: die Nachbarschaft der hohen Gebirge, und die Lage nach Westen, welche den Dünsten des atlantischen Meeres ausgesetzt ist. Diese Luft ist gleichwohl, ungeachtet ihrer Feuchtigkeit, so gesund, daß die Einwohner hier kaum von einer andern Krankheit heimgesucht werden, als von den Kinderblattern, und einigen Ausschlägen an der Haut, welche von der Unreinlichkeit entstehn, darinn sie leben. Ein Vorwurf, den die gemeinen Leute dieses Königreichs sich fast alle insgesammt zuziehen.

Es giebt hier eine Menge lebender Beyspiele von hohem Alter; und unter andern einen Mann, dem ich als einen ehrwürdigen Druiden mit ausnehmender Hochachtung begegne, der ohne Krankheit oder Schmerzen seine neunzig Jahr zwischen Eichen weggelebt hat, die er selbst pflanzte. Er war ehedem der Eigenthümer dieses Landguthes, allein dabey ein Mann von Anschlägen, und weil einige davon verunglückten, sah er sich genöthigt, dasselbige zu verkaufen. Es hat seitdem schon drey verschiedne Herrn gehabt; allein ein jeder, so wie er auf den Andern gefolgt ist, hat alles mögliche gethan, ihm sein Alter erträglich und angenehm zu machen. Er hat so viel übrig behalten, daß er sich die nothwendigen Bedürfnisse davon verschaffen kann, und er wohnt mit seiner alten Ehefrau in einem kleinen aber artigen Bauerhause, wobey er einen Garten hat, den er mit eigner Hand bestellt. Dieses alte Paar lebt in guter Gesundheit, in Einigkeit und Frieden, und genießt die höchste Glückseligkeit, weil es keinen Mangel kennt. Herr Smollet nennt ihn den Admiral, weil er sich auf dem Lustschiffchen auf dem See das Steuerruder nicht will nehmen lassen; und seine meiste Zeit verwendet er darauf, daß er die Hölzungen abgeht, welches ihm nach seiner Versichrung, eben so viel Vergnügen macht, als ob sie noch sein Eigenthum wären. Ich fragte ihn vor einigen Tagen, ob er niemals krank gewesen, und er antwortete mir, ja; er habe das Jahr vor der Union ein leichtes Fieber gehabt. Wenn er nicht hart hörte, würde ich mich recht an seinem Umgange pflegen; denn er hat viel Verstand und sein Gedächtniß ist bis zum Erstaunen getreu. – Das sind die glücklichen Früchte eines mäßigen, arbeitsamen und gutherzigen Lebens. – Doch bey aller seiner Unschuld war er die Ursach, daß mein Bedienter Humphry einen großen Schrecken hatte. Der Bursche ist von Haus aus schon abergläubig genug, allein die vielen Historien, die er hier zu Lande von Hexen, Fehen, Nixen, Gespenstern und Kobolden hat erzählen gehört, haben ihm völlig den Stoß gegeben. – Den Abend nach unsrer Ankunft geht Humphry in das Holz spatzieren, um seinen beschaulichen Betrachtungen nachzuhängen, und auf einmal steht der Admiral da, unter einer breiten Eiche, vor ihm. Man kann dem Kerl nicht nachsagen, daß er sich fürchtet, wenn es bey Gelegenheiten ist, dabey er nichts übernatürliches voraussetzet; aber dieses Gesicht war ihm zu schrecklich; er rannte nach der Küche mit gesträubten Haaren, aufgerißnen wilden Augen und gebundner Zunge. Als ihn meiner Schwester Dirne in diesem Zustande sah, fieng die laut an zu schreyen: »Ach, Gott sey uns gnädig! Er hat was gesehn! er hat was gesehn!« Tabby hörte das Geschrey und brachte das ganze Haus in Aufruhr. Als er sich nach einem Schluck Genever wieder gefaßt hatte, fragt' ich ihn nach der Ursach dieses Auflaufs, und er gestund mir mit einigem Widerwillen, er habe einen Geist gesehn, in der Gestalt eines alten Mannes mit einem weißen Barte, einer schwarzen Kappe und einem Plaidschlafrock. Er ward durch den Admiral in Person aus dem Traume geholfen, der in diesem Augenblicke ins Haus trat, und keinen Zweifel übrig ließ, daß er wirklich Fleisch und Bein habe.

Wissen Sie, mein lieber Lukas, wie wir in diesem schottländischen Paradiese leben? Wir thun, als ob unsers Herrn Hauswirths Hammel, (die vortrefflich sind,) sein Hünerhof, sein Garten, seine Molkenkammer und sein Keller, welches alles reichlich versehn ist, unser eigen wären. Vortrefflichen Lachs, Hecht, Forellen, Schley, Par, Par, ist ein kleiner Fisch, der dem Eperlan oder Spiering an vortrefflichem Geschmacke gleich kommt. u. s. w. haben wir vor der Thüre, und dürfen nur nehmen. Der Meerbusen Clyde, auf jenseit des Berges, liefert uns Meerbarben, Kabbeljau, Markrelen, Plateisen, Schollen, und eine Menge andrer Seefische, worunter ich die schönsten frischen Heringe rechne, die ich in meinem Leben gegessen habe. Wir bekommen schönes, saftiges Rindfleisch, nicht schlechtes Kalbfleisch, und sehr wohlschmeckendes Brodt aus der kleinen Stadt Dunbritton; und Rebhüner, Schnepfen und dergleichen Geflügelwild wird uns häufig zum Präsent geschickt.

Von allen benachbarten Edelleuten haben wir Besuch gehabt, und sie haben uns in ihren Häusern bewirthet, nicht bloß mit Gastfreyheit, sondern mit solchen Zeichen der herzlichen Zuneigung, welche man nur von nahen Anverwandten nach einer langen Abwesenheit wünschen kann.

Ich sagte Ihnen in meinem letzten Briefe, daß ich das Project gemacht, eine kleine Reise nach den Hochlanden zu thun, und dieses Project habe ich glücklich ausgeführt, und zwar unter der Anleitung des Sir George Colquhoun, eines Obersten in holländischen Diensten, der sich uns bey dieser Gelegenheit zum Führer anbot. Unsere Frauenzimmer ließen wir zu Cameron unter dem Schutze der Lady H** C** und ritten nach Inverary, der Hauptstadt der Grafschaft Argile, und auf diesem Wege aßen wir des Mittags bey dem Laird of Macfarlane, dem größten Genealogisten, den ich jemals gekannt habe, der auch mit allen schottischen Alterthümern sehr gut bekannt ist.

Der Herzog hat ein altes Schloß zu Inverary, woselbst er zu residiren pflegt, wenn er in Schottland ist; und hart daneben stehn die Wände eines prächtigen gothischen Pallastes, den der vorige Herzog hat bauen lassen, und welcher, wenn er erst ganz fertig ist, dieser Gegend der Hochlande eine große Zierde geben wird. Sonst ist Inverary eben keine Stadt von sonderlicher Bedeutung.

Das Land ist hier außerordentlich wild, besonders nach den Gebirgen zu, welche auf einander gethürmt sind, und wo die ungeschlachte Natur, ohne Spuren von menschlicher Bearbeitung, kaum von Wohnungen, in graunvoller Größe, erscheint. Allenthalben herrscht erhabne Stille und Einsamkeit. Die Leute leben in den Klüften und Felsenspalten, wo sie vor den Stürmen und der Kälte des Winters Schutz haben. Allein an der Seeseite liegt ein flacher Strich Landes längst den Gebirgen, welcher sehr gut bewohnt und angebauet ist, und diesen halte ich für die angenehmste Gegend der ganzen Insel. Die See hält solchen nicht allein warm, und versieht ihn mit Fischen, sondern bietet auch den angenehmsten Prospect von der Welt dar; ich meyne die Hebriden; oder Orkneys, da man, so weit das Auge reichen kann, bis auf drey hundert kleine Insel in der angenehmsten Unordnung durch einander geworfen entdeckt. Da so wenig der Boden als die Luft in den Hochlanden dem Kornbau günstig sind: so legen sich die Leute hauptsächlich auf die Viehzucht, die ihnen auch gut zuschlägt. Im Winter laufen alle diese Thiere wild herum, wissen von keinen Ställen und von keiner andern Fütterung, als die sie sich in der Haide selbst suchen. Wenn der Schnee so hoch gefallen, oder so hart geworden ist, daß sie nicht bis an die Wurzeln der Gräser durchdringen können: so gehn sie aus bloßem und sicherm Triebe des Instincts täglich nach der Seeseite, wenns Ebbe ist, und fressen da von der Alga Marina oder andern Pflanzen, die am Strande wachsen.

Vielleicht ist eben dieser Zweig der Landwirthschaft, der so wenig Mühe und Aussicht erfodert, eine von den vornehmsten Ursachen der Trägheit und Liebe zum Müßiggange, welche den Hochländern in ihrer Heymath so natürlich sind. – Sobald sie in die Welt in andre Länder kommen: so werden sie so fleißig und emsig als nur irgend ein ander Volk seyn kann. Sie sind ohne Zweifel eine deutlich unterschiedne Gattung von ihren Mitunterthanen, den Plattländern, gegen welche sie noch immer einen alten Widerwillen tragen. Und dieser Unterschied ist sogar bey Personen von Stande und Erziehung sehr merklich. Die Plattländer sind kaltblütig und behutsam, die Hochländer heftig und wild: allein diese Heiligkeit in ihren Leidenschaften dient bloß dazu, ihre Ergebenheit und Dienstfertigkeit gegen Fremde mit noch mehr Wärme zu beleben, denn die gehn wirklich bis zum Euthusiasmus.

Wir sind noch wohl sieben bis acht Meilen jenseits Inverary gereiset, nach dem Hause eines Edelmannes, der ein Freund von unserm Führer ist; daselbst sind wir ein paar Tage geblieben, und auf eine so festliche Art bewirthet, daß ich anfieng die Folgen für meine Gesundheit zu fürchten.

Ungeachtet der Einsamkeit, die hier zwischen den Gebirgen herrscht, ist doch in den Hochlanden kein Mangel an Leuten. Man hat mich glaubwürdig versichert, daß der Herzog von Argile fünf tausend Mann unter Waffen stellen kann, die zu seinem eignen Clan und Zunamen gehören, welcher Campbell heißt; und überdem ist da noch ein Stamm unter eben der Benennung, von dem der Earl of Breadalbine das Haupt ist. Die Macdonalds sind eben so zahlreich und sehr gute Soldaten; die Camerons, Mac-leods, Frasers, Grants, Mackenzies, Mackays, Macphersons, Mackintoshes, sind mächtige Clans; dergestalt, daß wenn alle Hochländer, die Einwohner der Inseln mit eingeschlossen, zusammengezogen würden, es wohl eine Armee von vierzig tausend streitbarer Männer ins Feld bringen könnte, die zu den allergefährlichsten Unternehmungen geneigt und geschickt sind. Wir habens erlebt, daß vier tausend von ihnen, die noch dazu ohne alle Disciplin waren, das ganze Königreich Großbritannien in Aufruhr brachten. Sie griffen zwey Armeen von regulairen Truppen an, die zum Dienst gewöhnt waren, und schlugen sie. Sie drungen vor bis in das Herz von England, und nachher marschirten sie überlegter Weise im Angesichte zwey andrer Armeen zurück, durch ein feindliches Land, woselbst man alle Vorsicht gebraucht hatte, ihnen den Rückweg abzuschneiden. Ich kenne in ganz Europa keine andre Nation, die ohne Wissenschaft der Uebung in den Waffen mit dem Degen in der Faust den Angriff auf regulaire Truppen thäte, wenn sie von ihrem Befehlshaber ins Treffen geführt wird. Es müßten gar vortreffliche Soldaten seyn, wenn sie disciplinirt wären. Sie gehen nicht wie die übrigen Menschenkinder, sondern traben und springen wie die Rehe, als ob sie Stahlfedern unter den Fersen hätten. Sie übertreffen die Plattländer in allen Verrichtungen des Körpers, welche schnelle Biegsamkeit erfodern; sie sind unglaublich enthaltsam, und sind ganz geduldig unter Hunger und Arbeit; so abgehärtet gegen die Witterung, daß sie auf ihren Reisen, wenn auch die Erde mit Schnee bedeckt ist, sich niemals nach einem Hause oder anderm Dach und Fache umsehen, sie nehmen ihr Plaid, wickeln sich hinein und legen sich unter dem großen Himmelsgezelte zum Schlafen. Dergleichen Soldaten müssen unüberwindlich seyn, wenn es auf schnelle Märsche in gebirgigten Gegenden ankommt, oder darauf, den Feind in den Winterquartieren zu beunruhigen, seine Reuterey zu ermüden, oder auch ohne das Geschleppe von Magazinen, Bagage, Fourage und schwerem Geschütze einen Streich auszuführen. Die Macht eines Oberhauptmanns der Hochlande kann nachtheilig werden, da sie an dem äußersten Ende der Insel wirkt, woselbst das Auge der Regierung nicht allemal ganz genau sehen, noch ihre Hände geschwind und nachdrücklich genug wirken können. Um also die Macht der Clanschaften zu verringern, hat die Administration noch immer der Staatsmaxime befolgt: Divide et impera . Diese Bergschotten sind nicht allein durch eine Parlamentsacte entwaffnet, sondern auch ihrer alten Tracht beraubt worden, welche vieles dazu beytrug, sie bey ihrem alten kriegerischen Muthe zu erhalten, und durch Parlamentsacten ist auch ihre sclavische Unterthanschaft gegen ihre Guthsherrn abgeschafft, dergestalt, daß sie gegenwärtig so frey und unabhängig sind, als sie das Gesetz machen kann. Allein die ursprüngliche Anhänglichkeit sticht noch immer hervor und ist auf Etwas älteres gegründet, als auf das Feudalsystem, von dem die Schriftsteller dieses Jahrhunderts ein solches Aufhebens gemacht haben, als wäre es eine neue Entdeckung, so wichtig, wie das kopernikanische System. Eine jede besondre Erscheinung in der Policey, den Sitten und selbst in den Temperamenten, wird nach diesem Ursprunge hingezerret, gerade, als ob die feudalische Constitution nicht fast über ganz Europa ausgebreitet gewesen wäre. Ich glaube wahrhaftig, man wird noch zuletzt die hohen Absätze der Weiber und die engen Beinkleider der Männer aus dem Feudalsystem herleiten. Das Band zwischen den Clans und ihren Häuptern oder Aeltesten ist ohne allen Zweifel patriarchalisch. Es gründet sich auf eine vom Vater auf den Sohn geerbte Ehrerbietung und Ergebenheit, die durch eine lange Reihe Jahre mit in die Natur verwebt sind. Der Clan betrachtet sein Oberhaupt als seinen Vater, die Glieder desselben führen seinen Namen, halten sich selbst für Abkömmlinge von seiner Familie, und gehorchen ihm, als ihrem Herrn, mit allem Eifer der kindlichen Liebe und Verehrung. Er, seiner Seits, übet indessen seine väterliche Gewalt, befiehlt ihnen, straft, belohnt, beschützt sie, und sorgt für sie, als für seine Kinder. Wenn die gesetzgebende Macht dieses Band völlig zerstören wollte: so müßte sie die Hochländer zwingen, ihre Namen und ihre Wohnorte zu verändern. Doch, sogar auch dieser Versuch ist bereits fruchtlos angestellet worden. – Unter der Regierung von James VI. fiel etliche Meilen weit von diesem Orte, hier, zwischen zwey Clans, den M' Gregors und den Colquhouns ein Treffen vor, in welchem die letzten überwunden wurden. Der Laird von M' Gregor machte einen so barbarischen Gebrauch von seinem Siege, daß er durch eine Parlamentsacte Friedlos erklärt wurde, und das Land meiden mußte. Seine Länder wurden der Familie der Montrose verliehen, und sein Clan ward gezwungen, einen andern Namen zunehmen. Sie gehorchten in sofern, daß sie sich zum Theil Campbell, oder Groham, oder Drummond nannten, welches die Zunamen der Familien von Argyle, Montrose und Perth sind, damit sie des Schutzes dieser Häuser geniessen möchten, sie setzten aber immer noch Mac Gregor zu ihrer neuen Benennung hinzu; und weil ihr Oberhaupt seiner Güter beraubt war, so plünderten und raubten sie, um ihm Unterhalt zu schaffen. – Der Herr Cameron of Lochiel, der Chef dieses Clans, dessen Vater als ein in der letzten Rebellion Mitbefangener landsflüchtig geworden war, kam zu Anfange des letzten Krieges, zufolge eines Gnadenbriefes vom Parlament, aus Frankreich wieder zurück, und besuchte seine Heymath, und miethete ein kleines Landgut in der Nachbarschaft seines Vaters Hause, welches bis auf den Grund abgebrannt war. Der Clan, so zerstreuet und zu Grunde gerichtet er seyn mochte, hörte nicht sobald seine Ankunft, als sie sich haufenweise von allen Seiten bey ihm einfunden, um ihn zu bewillkommen, und in wenig Tagen versorgten sie seine Ställe und Weiden mit sieben hundert Stück Hornvieh, welches sie aus dem allgemeinen Schiffbruche ihrer Sachen gerettet hatten; allein ihr geliebtes Haupt (ein viel versprechender Jüngling,) starb zu früh, um von ihrer Treue und Ergebenheit die Früchte zu genießen.

Die beste Art, die ich kenne, diese Verbindung zu schwächen, und endlich gar aufzuheben, wäre, daß man den gemeinen Mann auf eine solche Art zu beschäfftigen suchte, die ihm einen Geschmack an Freyheit und Eigenthum beybrächte. – Es hilft nicht, daß ihnen die Regierung die verwürkten Güter in wohlfeile Pachtung giebt, solange sie kein Vermögen haben, etwas hineinzustecken und sie zu verbessern. – Die See ist freylich ein unerschöpfliches Capital; allein man kann ohne Fahrzeuge, Tonnen, Salz, Schnüre, Netze und dergleichen Werkzeuge keine Fischerey treiben. Ich habe mit einem sehr verständigen Manne aus der hiesigen Gegend gesprochen, der aus wirklich patriotischem Geiste eine Fischerey auf der Küste und eine Manufactur von grober Leinewand angelegt hatte, um den armen Hochländern Gelegenheit zu geben, etwas zu verdienen. Der Stockfisch ist hier so häufig, daß er, wie er mir erzählte, auf einen Zug und an einer einzigen Linie hat sieben hundert Stück aufziehn gesehn. – Man muß gleichwohl dabey merken, daß die Linie ungeheuer lang war, und zwey tausend Angel hatte, auf welchen Muscheln steckten; dabey war der Fisch um so sehr viel besser, als der, den man auf Terreneuve fängt, daß sein Correspondent zu Lissabon ihn zu hohem Preise verkauft hatte, obgleich eben die Fasten zu Ende waren, als das Schiff anlangte, und man also denken kann, daß die Leute sich bereits müde an diesem Gerichte gegessen hatten. – Seine Leinewandmanufactur war gleichfalls schon ziemlich im Gange, als der letzte Krieg kam, und seine besten Arbeiter zum Dienste ausgehoben wurden.

Man muß nicht erwarten, daß die hiesigen Edelleute Plane für Handel und Fabriken ausführen wollen, wodurch ihre Unterthanen unabhängig gemacht werden könnten; dazu kommt dann freylich auch noch das, daß solche Plane mit ihrer Neigung und gewohnten Lebensart eben nicht zusammenstimmen. Eine Handelsgesellschaft aber könnte, wenn sie es nur recht angriffe, gute Rechnung dabey machen, wenn sie in dieser Gegend von Schottland eine Fischerey anlegte. – Uns ist die sonderbare Grille in den Kopf gekommen, America anzubauen, da wir doch die ungeschlachten Gegenden unserer eigenen Insel mit größerm Vortheil benutzen könnten

Nachdem wir die Berge und Klüfte von Argyle durchgeklettert, besuchten wir die benachbarten Inseln, Ila, Jura, Mull und Icolmkill. Auf der Ersten sahn wir die Rudera eines Schlosses, in einem See gebauet, worinn ehemals Macdonald, Lord oder König der Insel, residirte. Jura ist als der Geburtsort eines gewissen Mackcrains berühmt, welcher hundert und achtzig Jahre in einem Hause wohnte, und unter der Regierung Carls des Zweyten starb. Mull hat verschiedne Bayen mit gutem Ankergrunde; in einer derselben ward ein Schiff von der spanischen Flotte, die Florida, von einem von Herrn Smollets Vorältern in die Luft gesprengt. – Ungefähr vor vierzig Jahren hat der Herzog John of Argyle, wie man sagt, die spanischen Register zu Rathe gezogen, woraus erhellete, daß dieses Schiff die Militaircasse am Bord hatte. – Er bediente sich erfahrner Taucher, um das Wrak zu untersuchen, und sie funden auch den Balg des Schiffes noch ganz, aber so mit Sand bedeckt, daß sie nicht zwischen die Verdecke kommen konnten; indessen holten sie doch einiges Silbergeräth aus dem Wasser, das in der Bucht hin und wieder herumgestreuet war, wie auch ein paar metallne Kanonen.

Icolmkill, oder Iona, ist eine kleine Insel, die St. Columba zu seinem Aufenthalt wählte. – Sie ward hochgehalten, wegen ihrer Heiligkeit und wegen ihres Collegii oder Seminarii von Geistlichen. – Ein Theil der Kirche steht noch, mit den Grabmählern von verschiedenen schottischen, irrländischen und dänischen Souverainen, die da begraben liegen. – Diese Insulaner sind sehr kühne und erfahrne Seemänner, und also sehr geschickt für Fischereyen; in ihren Sitten sind sie nicht so wild und heftig, als ihre Landsleute auf dem festen Lande. Sie sprechen das Ersisch oder Gälicksch in seiner größesten Reinigkeit.

Nachdem wir unsre Pferde zu Lande herum nach Hause geschickt hatten, setzten wir uns in dem District von Cowal in ein Boot und ließen uns übersetzen nach Greenock, welches eine kleine hübsche Stadt jenseits des Meerbusen ist, die einen schönen Hafen hat, den drey steinerne Vorsetzen ausmachen, die eine gute Strecke Wegs in die See gehn. – Newport-Glasgow ist eben ein solcher Ort, eine kleine Meile hinaufwärts – Beyde haben ein Ansehn von Geschäfften und Wohlstand, und beyde leben von der Spedition für Glasgow; für Rechnung dieser Stadt sah ich sechzig große Schiffe in diesen beyden Häfen liegen. Zu Newport nahmen wir abermal ein Boot, und in weniger als einer Stunde waren wir an der andern Seite am Lande, ungefähr eine sehr kleine Meile von unserm Standquartiere, woselbst wir unsre Frauenzimmer gesund und munter vorfanden. Vor zween Tagen waren Herr Smollet und seine Dame bey ihnen angelangt, denen wir solche Verbindlichkeiten zu verdanken haben, die ich selbst Ihnen nicht ohne Erröthen erzählen kann.

Morgen werden wir dem schottischen Arkadien Lebewohl sagen, unsern Weg südwärts antreten, und über Lanerk und Nithsdale nach den westlichen Gränzen von England gehen. Ich hab von dieser Tour so viel Vortheil und Vergnügen gehabt, daß ich glaube, ich werde, wenn meine Gesundheit diesen Winter keinen Stoß bekommt, in die Versuchung gerathen, eine zweyte Reise nach den nördlichen Grenzen von Caithneß zu thun, und zwar ohne den Block, den itzt vor den Schienbeinen hat,

Ihr

 Cameron,
den 6ten Sept.

M. Bramble.


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An Miß Lätitia Willis, zu Gloucester.

Meine liebste Letty,

Niemals hat einen Gefangenen so herzlich nach seiner Erlösung verlangt, als mich nach einer Gelegenheit, meinen Kummer an Ihrer freundschaftlichen Brust zu klagen; und die heutige geht halb mit einem Wunderwerke zu. – Der ehrliche Saunders Macawly, der alle Jahre aus Schottland nach Wäles kommt, ist eben zu Glasgow und kauft ein. Er ist zu uns gekommen, uns hier seinen Besuch zu machen, und da hat er mir versprochen, diesen Brief selbst in Ihre Hände zu liefern.

Wir sind sechs Wochen in Schottland gewesen, haben die besten Städte des Landes besehen, und sind allenthalben außerordentlich höflich begegnet worden – Die Menschen sind hier sehr gefällig und dienstfertig, und das Land hat ungemein viel romantisches, weswegen es mir vorzüglich gefällt – Ich habe in Edimburg, welches eine große und prächtige Stadt ist, die viele feine Gesellschaften hat, ein paar Freundschaften gestiftet, und besonders einen vertrauten Briefwechsel mit einer Miß R--t--n, einem liebenswürdigen Mägdchen von meinem Alter, deren Schönheit das unbiegsame Herz meines Bruders Jeronimus zu erweichen, ja gar zu schmelzen schien; allein er hatte nicht so bald den Ort verlassen, als er wieder in seine alte Unempfindlichkeit versank. – Und ich – o ich fühle, daß Gleichgültigkeit und Unempfindlichkeit keine Familieneigenschaften sind! – Ich habe nur einmal einem einzigen Gedanken von Liebe in meinem Herzen Raum gelassen, und der hat sich darinn so fest gewurzelt, daß ihn weder meine eigne pflichtmäßige Klugheit, noch die eiskalte Vernachläßigung eines gewissen andern Mannes, daraus zu reißen vermögend ist.

Liebste Willis, ich hatte auf dem Balle nach dem Pferderennen zu Edimburg einen fürchterlichen Zufall. – Ich saß mit einer Freundinn in einer Ecke und plauderte, und auf einmal stund Wilsons leibhaftiges Bild vor mir, völlig so gekleidet, als er, da er den Aimwell spielte! Es war ein gewisser Herr Gordon, den ich vorher nicht gesehen hatte. – Ich erschrak so heftig über diese plötzliche Erscheinung, daß ich in Ohnmacht fiel, und in der ganzen Gesellschaft einen Aufstand verursachte. – Indessen blieb doch die Ursache meiner Ohnmacht jedermann ein Geheimniß, nur nicht meinem Bruder, dem die Aehnlichkeit gleichfalls sehr groß schien, und der hernach, als wir zu Hause gekommen waren, schalt. – Ich sehe wohl ein, daß Jerom es gut meynt, sowohl mit mir und meiner Glückseligkeit, als mit der Ehre der Familie; aber mußte er denn meine Wunden, die ohnedem schon genug schmerzen, so unbarmherzig brennen! – Es that mir nicht so weh, daß er mich über meine eigne Unbesonnenheit tadelte, als daß er so bittre Anmerkungen über Wilsons Betragen machte. – Er sagte, wenn er wirklich der Mann von gutem Herkommen wäre, wofür er sich ausgegeben, und keine andre, als rechtschaffne Absichten hätte, so würde er schon seine Anwerbung vor den Augen der Welt gethan haben. Diese Anmerkung machte einen tiefen Eindruck auf mein Gemüth. Ich that mir Gewalt an, meine Gedanken zu verbergen; und diese Gewalt hatte eine schlimme Wirkung auf meine Gesundheit und auf meine Lebensgeister. Man fand es also für nöthig, daß ich nach den Hochlanden gehen müßte, um die Ziegenmolken zu trinken.

Auf diesen Rath reiseten wir nach Lough Lomond, einer der bezauberndsten Landschaften in der ganzen Welt; und durch diese Cur, (die Molken hab' ich alle Morgen frisch aus den Gebirgen,) durch die heitre Luft und muntre Gesellschaft hab' ich wieder Lust zum Essen und eine gesundre Farbe bekommen, obgleich noch immer Etwas auf dem Grunde zurück bleibt, welches weder durch Reisen, Luft, Gesellschaft oder Medicin fortgeschafft werden kann. – Diese geheime Leiden würden mich nicht so hart drücken; wenn ich eine verständige Person um und bey mir hätte, die mit meinem Kummer ein freundschaftliches Mitleiden haben, und mit heilsamen Rathe stärken könnte. – Aber alles das fehlt mir, denn Win Jenkins ist freylich wohl überhaupt ein recht gutes Mägdchen, aber zu einer Vertrauten ganz und gar nicht geschickt. – Das arme Geschöpf hat eben so schwache Nerven, als einen schwachen Verstand, sonst wüßt ich nun schon längst den wahren Namen und Stand des unglücklichen Jünglings. – Allein, warum nenn' ich ihn unglücklich: Vielleicht paßt sich das Beywort besser auf mich, dafür daß ich den falschen Betheurungen eines – – Aber halt! noch hab' ich kein Recht, und ganz gewiß auch keine Neigung, das Geringste zum Nachtheile seiner Ehre zu glauben. – Diese Ueberlegung wird mir noch ferner beystehn, wenn meine Geduld geprüft wird. – Jungfer Jenkins ist selbst ein würdiger Gegenstand des Mitleidens; Eitelkeit, Pietisterey und Liebe haben ihr fast den Kopf verrückt. Unterdessen würd' ich doch mehr von ihr halten, wenn sie in ihrer Liebe beständiger gewesen wäre; aber sie sann nur auf Eroberungen, und that zu gleicher Zeit schön mit meines Onkels Bedienten, Humphry Klinker, der wirklich ein recht guter Mensch ist, und mit meines Bruders Kammerdiener, Dutton, einem liederlichen Kerl, welcher denn auch die arme Winny sitzen ließ, und zu Berwick mit eines andern Mannes Braut davon lief.

O, meine liebste Freundinn, ich schäme mich in der Seele für mein eignes Geschlecht! – Wir klagen, daß sich die Männer unsrer Jugend, unsrer Unerfahrenheit, Empfindlichkeit und dergleichen zu Nutze machen; allein ich habe genug gesehn, um zu glauben, daß, im Ganzen genommen, unser Geschlecht sichs zu einem Geschäffte macht, das andre in seinen Netzen zu bestricken; und zu dem Ende sich solcher Künste bedient, die keinesweges zu rechtfertigen stehen. – Im Puncte der Beständigkeit hat es auch dem männlichen Theile der Schöpfung gewiß nichts vorzuwerfen. – Meine arme Tante ist mit ihren Reitzungen, ohne auf ihre Jahre oder andere Unvollkommenheiten zu denken, an jedem Orte zu Markte gegangen, wo sie nur die geringste Möglichkeit sah, ihre Person an Mann zu bringen, die ihr aber noch immer auf dem Halse liegen blieben ist, wie die Kaufleute zu sagen pflegen. – Ich fürchte sogar, sie hat die Religion zu ihren Absichten gemißbraucht, ob sie gleich ihres Zwecks verfehlt hat. – Sie ist unter die Pietisten gegangen, davon es hier zu Lande eine Menge giebt, und hat gebetet, gepredigt und chatechisirt, und giebt vor, daß sie solche Gesichter und Offenbarungen hat, die selbst Klinker kaum glauben kann, ob gleich der arme Mensch vor Enthusiasmus halb närrisch ist. Jenkins hingegen stellt sich, als ob sie die Träume ihres Fräuleins für Evangelia hält. – Sie hat gleichfalls selbst ihre Erhebungen des Herzens und ihre Treibungen des Geistes; und Gott wird mirs verzeihen, wenn ich aus Irrthum lieblos urtheilen sollte, allein mir aber kommt alles das vor, als klare bare Heucheley und Betrug. Das arme Mägdchen, freylich, kann sich wohl einfältiger Weise selbst betrügen. – Sie ist fast immer ängstlich und sehr den Dünsten unterworfen. – Seitdem wir in Schottland angelangt sind, hat sie Erscheinungen gesehen, und meynt, sie könne prophezeyhen. – Wenn ich an alle diese übernatürliche Wirkungen der Frömmigkeit glauben könnte: so müßte ich denken, daß ich selbst aus aller Gnade verstossen wäre, denn ich habe von allen dergleichen weder Etwas gesehen, gehört oder empfunden, ob ich gleich besorgt bin, die Pflichten der Religion mit aller der Aufrichtigkeit und innigen Andacht zu erfüllen, deren nur immer fähig ist,

Meine liebste Letty,
Ihre

  Glasgow,
den 7ten Sept.

beständig getreue 
Lydia Melford.

N. S. Wir sind auf unsrer Rückreise nach Brambletonhall; ich hoffe, wir werden über Gloucester kommen, und alsdann werde ich das unbeschreiblich süße Vergnügen haben, meine liebste Willis zu umarmen. – Ich bitte Sie, mich meiner würdigen Pflegemama zu empfehlen.

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An Jungfer Maria Jones, zu Brambleton-hall.

Liebe Mieckchen,

Der schottische Mann, Sunders Macully, geht grade auf Wähles zu und hat mich versprochen, er will ihn Ihr selbst in die Hand geben, deswegen hab' ich die Gelegenheit in Acht genommen, damit Sie erfahren kann, daß ich noch in dem Lande der Lebendigen bin; und doch bin ich Ihr auf dem Rande der andern Welt gewesen, nachher als ich Ihr meinen letzten Brief geschrieben hatte. – Wir stiegen in ein Schiff und reiseten übers Meer nach ein anders Königreich, genannt Feife, und als wir da gewesen waren und wieder zurück kamen, da wären wir bald in einem Sturme zu Grunde und zu Boden gegangen. – Ja das muß ich Sie sagen, ich war so krank, und fürchtete mir so abscheulich, daß ich dachte, ich würde nicht ein bischen vom Herzen in meinem Magen behalten; auch so gahr Mosgeh Klinkerg war wohl in zweymal vier und zwanzig Stunden nicht so viel Manns als sonst, als wir wieder auf den lieben Gottes Erdboden waren. – Es ist recht gut, vor gewisse Leute, daß wir nicht vertrunken sind, denn Fröhlen Bramble war so grämlich und schien noch ganz und gar nicht zu ihrem seeligen Todte vorbereitet; aber Gottlob, sie ließ sich bald wieder besser an, als der Ehrwehrte Herr Macrocodile ihr wieder alleine zugesprochen hatte. – Und da giengen wir hernacher nach Starlin und Grascow; welches ein paar allerliebste Städte sind; und darauf reiseten wir nach Loft Loming, das ist eine grosse grosse süsse Wasser See, und hat in der Mitte ein Haufen Inseln. – Sie sagen hier, die See soll gar keinen Boden haben, und ein weiser Magisikus soll sie gemacht haben; und das glaube ich auch ganz gern, denn mit rechten Dingen gehts nicht zu. – Sie hat Ihr Wellen ohne Wind, Fische ohne Schuppen und ein Land, das im Wasser schwimt; und eine von den Inseln, das ist ist ein Kirchhoff, wo die Todten begraben werden; und allemal wenn ein Todter sterben soll, so läutet eine Klocke von sich selbst, daß sich der Todtengräber darnach richten kann.

 

O Marie, Marie! hier ist recht das Land der Sauberey. – Die Glocke hat geläutet, als wir hier gewesen sind. – Ich habe Ihr wirklich was gesehen, und hab' es kläglich winseln hören. – Unser Herr Wirth hat noch ein ander Haus, aber er hat Gott gedankt, daß er daraus gezogen ist, weil Ihr ein gottloser Kobbold darinn war, der die Leute nicht mit Frieden in ihren Betten liegen ließ. – Die unterirrdischen Feyen wohnen in einer Höhle hier nahe bey im Berge, und sie holen den Leuten die Kinder weg, wenn sie nicht Papa's seinen Hut auf die Wiege legen, bis sie getauft sind; ja die Sechswöchnerinnen hohlen sie Ihr selbst weg, aber man darf nur ein Hufeisen auf die Hausschwelle nageln, so müssen sie es wohl bleiben lassen: und mich haben sie eine alte Hexe gezeigt, die Ilsabeh Ringawag heißt, mit einen rothen Frieß Rocke und ganz nasse Augen, und einen dicken grauen Katzenbart um das Kinn. – Ich drückte ihr ein Stück Geld in die Hand worauf ein X stund, und da konnte sie mich nichts anhaben, und da ließ ich ihr mich gut Glück sagen. O das sollte Sie gehört haben, Mieckchen, solche Sachen! Sie beschrieb Ihr Mosgeh Klinkert auf ein Haar. – Aber mir solls kein Mensch nach sagen, daß ich mich habe ein Wort nur davon entfallen lassen. – Und sie rieth mich auch, weil ich Mutter Beschwerungen hätte: so sollte ich mich in die Loff baaden, das wäre heiliges Wasser; und darum ging ich des Morgens hin nach einer ganz aparten Stelle, mit der Jungenmagd, und wir baadeten uns in den Hemde, das wir mit auf die Welt gebracht hatten, Mädchen! denn das ist hier so die Mohde; und was meynt sie, als wir so in das Wasser schäkerten und plaschten, da kam Sir George Kalkahn mit einer Flinte aus dem Busche; aber wir klappten unsre Hände vors Gesicht und liefen vor ihm vorbey, dahin, wo wir uns ausgezogen hatten. – Wenn er hätte recht höflich seyn wollen, so hätt er wohl das Gesicht wo anders hinkehren können. Aber mein Trost ist, er wußte nicht, wers war, von uns beyden; und bey der Nacht, sagt man ja, sind alle Katzen grau. – Als wir noch zu Loft Loming waren, ging er und die beyden Skweires drey oder vier Tagereisen nach den Wilden Männern auf den Gebirgen. Das sind Ihr ganz rauche Leute, die liegen in Löchern zwischen den Bergen, fressen die jungen Kinder, und sprechen Wälsch, aber sie haben ganz andre Worte. Unsre Fröhlens die wollten Mosgeh Klinker nicht missen, weil er so tapfer ist und so fromm, daß er sich für keinem Menschen und selbst vor den Seybeyuns! nicht fürchtet, sie müßten ihn denn unvermuthet überfallen. – Freylich mag er letzt wohl einen großen Schrecken gehabt haben, von einem Spuck, das er bald angeredet hätte. – Er wollte uns weiß machen, es wäre der alte Atmiral gewesen, daß wir uns nicht fürchten sollten, aber ja! vor den Atmirahl würden ihm auch die Haare zu Berge gestanden, und die Zähne im Munde geklappert haben!

Miß Liddy wollte ganz verquienen und vergehn. – Ich fürchte ihr armes Herzchen ist zu liebreich. – Aber die Ziegen Molken die haben sie wieder auf die Beine geholfen. – Sie wissen ja, daß einem Mädchen aus Wählis die Ziegenmilch so gut ist, als Mutterbrust. Ja, und was meine Fröhlen anbelangt, der fehlt Gottlob nichts, sie ißt und trinkt gut, und nimmt zu an Weißheit und Alter; aber ich glaube doch, daß sie auch Fleisch und Blut hat, wie andre ehrliche Leute, und sie wird sich auch wohl nicht todt grämmen, wenn sie gnädige Frau heissen soll, wenn nur Sir Georg erst einmal ein Ernst dazu thun will. – Aber meinthalben, ich mag noch so viel hören oder sehn, aus meinem Munde soll kein Tüttel kommen, denn ich bin allezeit, wie Sie weiß, liebe Mieckchen,

Ihre

Grasco,
  den 7ten

verschwiegene Freundinn
Win Jenkins.       

Grüsse Sie, wie immer, Sallmeh! Wir kommen nun zu Hause, nehmen aber nicht den nächsten Weg. – Murx ist ja wohl schon so groß als ein kleiner Bär, wenn ich wieder komme?

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An Sir Watkin Philipps, im alten Jesuitercollegio zu Oxford.

Mein liebster Freund,

Sie können mir Glück wünschen; einmal hab' ich noch wieder engländischen Grund und Boden betreten, welche mir nach einer sechswöchigen Reise durch die Caledonischen Wälder und Gebirge nicht schlechter gefallen, ohne damit dem Lande der Fladen, wo die Grützkuchen auf dem Halme wachsen, etwas zu nahe sagen zu wollen. Ich habe Onkel noch niemals so gesund und aufgeräumt gesehn, als gegenwärtig. Liddy ist auch völlig hergestellt, und Tante Tabitha hat keine Ursach zu klagen. Unterdessen, glaub ich, war sie doch bis gestern ziemlich geneigt, die ganze schottische Nation, als ein Pack gefühlloser, wilder Menschen, Hiobs Ankläger zu übergeben, weil sie ihnen alle ihre Vollkommenheiten vergebens vorgezeigt hatte. – An jedem Orte, wo wir uns nur ein wenig aufhielten, trat sie auf die Fechterbühne, und schwung ihre verrosteten Waffen, und konnte doch gar keine Eroberung machen. Einen ihrer letzten Versuche that sie auf das Herz des Sir George Colquhoun, mit welchem sie alle Gewehre zweymal durch fochte. – Wechselsweise war sie ernsthaft und munter. – Sie moralisirte und methodisirte. – Sie lachte, und tobte, und tanzte, und sung, und seufzte und liebäugelte, und lispelte, und tändelte und flatterte. – Aber sie hätte eben so gut den Fischen vorpredigen mögen. – Der Baronet hat Lebensart, und also trieb er seine Höflichkeiten so weit, als sie es mit einiger Billigkeit hätte erwarten können, und, wenn die bösen Zungen nicht gar zu böse sind, sogar einige Grade weiter; aber er weis zu gut, wies sowohl in der Galanterie als im Kriege hergeht, um in einen Hinterhalt zu fallen, den sie für seine Freyheit ausstellen konnte. – Unterdessen wir in den Hochlanden waren, übte sie ihre Waffen an den Laird von Ladrishmore, und bestellte ihn sogar nach dem Walde von Drumscailloch; allein der Laird hatte eine so zärtliche Sorgfalt für seinen guten Namen, daß er den Pfarrer des Kirchspiels zum Gesellschafter mitbrachte, und also nichts vorfallen konnte, als geistliche Gespräche. – Nach diesem so öftern Abblitzen erinnerte sich unsre Tante auf einmal, daß sie noch einen Stein im Vorrathe hätte, nämlich den Lieutenant Lismahago, den sie sonst, seitdem sie den ersten Fuß in Edimburg gesetzt hatte, schien gänzlich vergessen zu haben; nun aber äusserte sie ihre Hoffnung, ihn, nach seinem Versprechen, zu Dumfries wieder zu sehen.

Von Glasgow giengen wir nach Lanerk, die vornehmste Stadt in Clydesdale, in deren Nachbarschaft der ganze Clydefluß von einem schroffen Felsen stürzt, und einen prächtigen und bewundernswürdigen Wasserfall macht. Des folgenden Tages waren wir genöthigt, in einem kleinen Flecken still zu halten, bis das Fuhrwerk, an welchem etwas schadhaft geworden, wieder ausgebessert war. Und hier sahen wir eine kleine Geschichte, woran der mildherzige 'Squire Bramble sehr warmen Antheil nahm. Als wir am Fenster im Wirthshause standen, das dem öffentlichen Gefängnisse gerade gegenüber liegt, kam eine Person angeritten, welche zwar nicht reich aber doch nett gekleidet war; der Mann trug einen blauen Reiserock, seine eigne kurz abgestutzten Haare, und einen Hut mit einer goldnen Tresse. – Er stieg ab, gab sein Pferd dem Wirthe und gieng auf einen alten Mann zu, der das eben gelegte Steinpflaster fest stampfte, und sagte zu ihm: »Das ist saure Arbeit für einen alten Mann!« Mit den Worten nahm er ihm die Rammel aus der Hand, und fieng damit an zu stossen; nach einigen Stößen sagt' er: »habt Ihr denn keinen Sohn, der Euch die Arbeit abnehmen könnte?« »O ja, Hochgeehrter Herr, (versetzte der Alte,) ich habe drey wackere Burschen, aber die sind nur nicht bey der Hand.« – »Nennt mich nicht Hochgeehrter Herr,« (rief der Fremde,) »es schickt sich besser für mich, Eure grauen Haare zu ehren. – Wo sind denn die Söhne, von denen Ihr sprecht?« Der alte Steinpflasterer sagte, sein ältester Sohn wäre Officier in Ostindien, und der jüngste hätte sich neulich unter ein Regiment annehmen lassen, in Hoffnung auch was zu werden, wie sein Bruder. Als der fremde Herr zu wissen wünschte, wie es denn mit dem Mittelsten wäre, wischte der Alte die Augen und gestund, der habe seines alten Vaters Schulden über sich genommen, um derenthalben er itzt in dem Gefängnisse da grade neben an sitzen müsse.

Der Reisende that drey schnelle Schritte nach dem Gefangenhause, kehrte aber schnell wieder um und sagte: »hat Euch denn der ausgearte Sohn von Officier gar nichts geschickt, Euch Euer Leben zu erleichtern?« – »O, er ist gar nicht ausgeartet, (versetzte der Andre,) Gott segne den guten Jungen! Er hat mir eine große Menge Gelds geschickt; aber ich bin nicht klug damit umgegangen; ich ward Bürge für einen Herrn, von dem ich gemiethet hatte, und dadurch verlor ich mein Geld, und alles übrige, was ich sonst noch in der Welt hatte, dazu.« In diesem Augenblicke steckte ein junger Mensch seinen Kopf bis an die Schultern durch die eisernen Stangen im Fenster des Gefängnisses, und rufte laut: »Vater, Vater! Wenn er noch lebt, so ist das Bruder Willhelm!« »Ja, ja,« (schrie der Fremde, indem er den alten Mann in seine Arme drückte, wobey ihn die Thränen aus den Augen stürzten.) »ich bin Euer Sohn Willhelm! ich bins.« Noch ehe der Vater, der gar nicht wußte, wie ihm geschah, diese Zärtlichkeit erwiedern konnte, stürzte eine reinliche alte Frau aus der Thüre einer armseligen Wohnung, und rief: »Wo ist mein Sohn? wo ist mein lieber Willm?« – Der Capitain ließ, sobald er sie erblickte, seinen Vater los, und rannte in ihre Arme.

Ich versichre Sie, mein liebster Philipps, daß mein Onkel, der alles, was da vorgieng, mit ansah und anhörte, eben so sehr gerührt war, als irgend eine von den Personen, welche diese pathetische Wiedererkennung eigentlich angieng. – Er seufzte, weinte, schlug in die Hände, rufte laut vor Gefühl, und lief endlich hinunter in die Gasse. Gegen diese Zeit war der Capitain mit seinen Aeltern in ihr Haus gegangen, und alle Einwohner des Orts hatten sich vor der Thüre versammlet. – Onkel aber kehrte sich daran nicht, sondern drängte sich durch ins Haus hinein und sagte: »Herr Capitain, ich ersuche Sie um Ihre Bekanntschaft – Funfzig Meilen hätt' ich reisen wollen, diesen rührenden Auftritt anzusehn; und Sie werden mir eine große Freude machen, wenn Sie und Ihre Aeltern heute Mittag bey mir im Wirthshause essen wollen.« Der Capitain dankte ihm für seine gütige Einladung, die er, wie er sagte, mit Vergnügen annähme; allein, er könnte nicht ehe an Essen und Trinken denken, bis sein armer Bruder erlöset wäre. – Er legte auch alsobald in die Hände des Stadtrichters eine Summe nieder, die so viel betrug als die Foderung, und der wagte es, seinen Bruder ohne fernern Protest in Freyheit zu setzen; und darauf kam die ganze Familie mit meinem Onkel nach dem Wirthshause, wohin sie das versammlete Volk begleitete, wovon einer nach dem andern dem wiedergekommnen Landsmanne die Hand gab und schüttelte; und deren Liebkosungen er, ohne das geringste Zeichen von Hoffart oder Vornehmthun, erwiederte.

Dieser redliche Liebling des Glücks, welcher Brown hieß, erzählte meinem Onkel, daß er die Leinweberprofeßion gelernt hätte, und vor ungefähr achtzehn Jahren hätte er sich, als ein wilder Knabe, untere die Soldaten der ostindischen Kompagnie annehmen lassen. Während seines Dienstes habe es das Glück so gefüget, daß der Lord Clyve ihn bemerkt habe, und mit seiner Aufführung zufrieden gewesen sey; der habe ihn dann von einer Stufe zur andern befördert, bis er endlich Capitain und Regimentsquartiermeister geworden, in welchem Posten er ehrlicher Weise über zwölf tausend Pfund zusammen gespart, und nach dem Frieden seinen Abschied genommen habe. Er hatte seinem Vater verschiednemale Riemessen gemacht, welcher aber nur die erste von hundert Pfund empfangen hatte; die zweyte war in Hände eines Falliten gerathen, und die dritte war an einen Handelsherrn in Schottland übermacht, welcher vor ihrer Ankunft gestorben, so, daß die noch aus der Verlassenschaft zu berechnen war. Itzt schenkte er seinem alten Vater gleich funfzig Pfund zu seinen nöthigsten Ausgaben, ausser den hundert Pfund in Banknoten, die er für seines Bruders Freyheit deponirt hatte. Er brachte auch eine bereits vollzogne Schenkungsacte mit sich, vermöge deren er seinen Aeltern auf beständige Zeit jährlich achtzig Pfund aussetzte, welche nach ihrem Tode auf die andern beyden Söhne fallen sollten. Er versprach, dem jüngsten Bruder eine Officierstelle zu kaufen, und den andern mit sich in Compagnie zu nehmen, denn er war gesonnen eine Manufactur anzulegen, um den Fleißigen Arbeit und Nahrung zu verschaffen; seiner Schwester, die einen Pachter geheyrathet, der sich nicht zum besten stund, wollte er fünf hundert Pfund als einen Brautschatz geben. – Endlich gab er auch noch den Armen des Fleckens, worinn er geboren war, funfzig Pfund, und gab allen Einwohnern ohne Unterschied ein Tractament.

Mein Onkel war in den Charakter des Capitain Brown so verliebt, daß er bey Tische zu drey verschiednen Malen seine Gesundheit trank. – Er sagte, er wäre stolz auf seine Bekanntschaft; er machte seinem Vaterland Ehre, und hätte einigermaßen die menschliche Natur von dem Vorwurfe des Hochmuthes, der Eigenliebe und der Undankbarkeit befreyet. – Mir meiner Seits, gefiel seine Bescheidenheit eben so sehr, als seine kindliche Ergebenheit und Dankbarkeit, denn der ehrliche Soldat machte sich kein Verdienst aus seinem Glücke, und sprach sehr wenig von seinen Thaten, obgleich seine Antworten, die er auf unsre Fragen ertheilte, eben so vernünftig als kurz waren. Fräulein Tabitha war äußerst lind und gnädig gegen ihn, so lange bis sie vernahm, daß er geneigt sey, seine Hand einem Mägdchen von geringem Stande anzubieten, die schon seine Braut gewesen, wie er noch als Webergeselle arbeitete. – Tante hatte diesen Vorsatz nicht so bald vernommen, als sie ihr Betragen mit doppelter Portion Zurückhaltung aufsteifte; und als die Gesellschaft weggegangen war, sagte sie mit einem artigen Nasenwurfe: Brown wäre für einen Menschen von seiner Herkunft noch artig genug, das Glück hätte indessen wohl seine Umstände, aber nicht seine Denkungsart verbessern können, denn die wäre doch noch immer gemein und niederträchtig.

Den Tag nach dieser Begebenheit wichen wir etliche Meilen von unserm ordentlichen Wege ab, um Drumlanrig zu besehen, welches ein Lustschloß des Herzogs von Queensberry ist, und das Ansehen eines prächtigen durch Zauberey errichteten Pallastes hat, der mitten in einer Wildniß steht. – Es ist ein wahres fürstliches Gebäude, mit paßlichen Lust- und Thiergärten, welche um desto reizender in die Augen fallen, weil die ganze Gegend umher nackt und einer der wildesten Striche Landes in ganz Schottland ist. – Indessen ist diese Wildheit von der in den Hochlanden verschieden; denn hier sind die Berge nicht mit Haide, sondern mit feinem grünen Schwadgrase bedeckt, wovon eine Menge Schafheerden ihre Weide haben. Allein die Wolle dieser Landschaft, welche Nithsdale heißt, ist nicht so gut, als die, welche in Galloway fällt; die letztre, sagt man, soll der in der Ebne von Salisbury gleichkommen. Nachdem wir auf ausdrückliche Einladung des Herzogs, (der einer der besten Menschen ist, die jemals Athem geschöpft haben,) die Nacht auf dem Schlosse zu Drumlanrig zugebracht hatten, setzten wir unsern Weg nach Dumfries fort. Dumfries ist eine sehr artige Handelsstadt, noch an der Gränze von England, woselbst wir um sehr billigen Preis einen recht guten Tisch und vortrefflichen Wein, auch überhaupt in allen Stücken die Bewirthung so gut fanden, als nur irgendwo in England selbst. Würde ich auf zeitlebens verurtheilt, in Schottland zu leben, so würde ich mich häuslich in Dumfries niederlassen.

Hier erkundigten wir uns nach dem Capitain Lismahago, und da wir nichts von ihm erfahren konnten, gingen wir längst dem Strande des solmaischen Meerbusens nach Carlisle. Sie müssen wissen, daß der Sand, auf welchem man bey niedrigem Wasser fährt, höchst gefährlich ist, indem er durch das Wasser an einigen Stellen grundlos gemacht wird; und dabey wächst die Fluth oft so plötzlich an, daß die Reisenden der See nicht entfliehen können und umkommen müssen.

Als wir uns durch einen Wegweiser über diese gefährliche Syrten bringen ließen, bemerkten wir ein ersäuftes Pferd, welches Humphry Klinker, nach gehöriger Besichtigung, für das leibhaftige Thier erklärte, das Herr Lismahago geritten, als er zu Felton-bridge, in Northumberland, Abschied von uns genommen hatte. Diese Nachricht, welche zugleich anzudeuten schien, daß unser Freund Lismahago mit seinem Pferde einerley Schicksal gehabt habe, gieng uns allen sehr nahe, besonders aber unsrer Tante Tabby, welche ihre blutige Thränen weinte, und Klinker dahin beorderte, daß er einige Haare aus dem Schweife des todten Pferdes ziehn mußte, die sie in einen Ring fassen lassen, und zum Andenken seines seligen Herrn tragen könnte. Doch ihr und unser Schmerz war nicht von langer Dauer, denn eine der ersten Personen, die wir in Carlisle zu sehn bekamen, war der Herr Lieutenant in propria persona , welcher in dem Hofe des Wirthshauses, wo wir abstiegen, mit einem Roßkamme im Handel über ein anders Thier begriffen war. – Fräulein Bramble ward ihn zuerst gewahr, und erhub ein Geschrey, als hätte sie einen Geist gesehn; und freylich hätte man ihn nach Zeit und Umständen allenfalls wohl für einen Einwohner der andern Welt halten mögen, denn er war noch magerer und hohläugiger geworden als vorher. – Wir bewillkommten ihn desto herzlicher, weil wir ihn für todt gehalten hatten; und er ließ seiner Seits eben so viel Vergnügen über die Begegnung blicken. – Er erzählte uns, daß er zu Dumfries sich nach uns erkundigt hätte, und da habe ihm ein reisender Kaufmann von Glasgow gesagt, wir hätten beschlossen, über Goldstream zurückzugehen. Er habe ohne Wegweiser über den Sand reiten wollen, und da sey sein Pferd stecken geblieben, und er selbst würde nicht davon gekommen seyn, wenn ihm nicht höchst glücklicherweise eine Postchaise zu Hülfe gekommen wäre, die leer zu Hause fuhr. – Er gab uns auch weiter zu verstehen, daß sein Plan, sich in seiner Heimath niederzulassen, vereitelt, und er nun schon bis hieher auf seiner Reise nach London gekommen sey, wohin er in der Absicht gienge, sich nach Nordamerica einzuschiffen, woselbst er mit seinen alten Freunden den Miamis, sein Leben, und seine Zeit damit hinzubringen dächte, daß er seinem Sohne, der ihm von seiner geliebten Squinkina coosta geboren, eine gute Erziehung gäbe.

Dieses Project hatte ganz und gar nicht den Beyfall unsrer Tante; sie sagte ein Langes und Breites von den Beschwerden und Gefahren, die erst bey einer so weiten See- und darauf so langweiligen Landreise vorfielen. – Besonders hielt sie sich lange bey der Gefahr auf, in die seine theure Seele gerathen müßte, wenn er sich unter wilden Menschen aufhielte, die nichts von der christlichen Religion wüßten; dabey gab sie zu verstehen, seine Abreise aus Großbritannien möchte für eine würdige Person sehr traurig seyn, die er im Stande wäre, auf Zeitlebens glücklich zu machen. Onkel, der wirklich ein Don Quichott an Großmuth ist, merkte nicht so bald die wahre Ursache, warum Lismahago Schottland verlassen müßte, nämlich weil es ihm unmöglich sey, von der halben Gage eines Lieutenants mit einiger Anständigkeit zu leben, als er ganz von Mitleiden für ihn eingenommen ward. – Er hielt es für sehr hart, daß ein Edelmann, der seinem Vaterlande mit Ehren gedient hatte, durch die Noth dahin getrieben werden sollte, seine alten Tage in einem so abgelegnen Theile der Welt, unter dem Auswurfe des menschlichen Geschlechts zuzubringen. – Er sprach mit mir über die Sache, und meynte, er wollte dem Lieutenant herzlich gerne einen Aufenthalt zu Brambleton-hall geben, wenn er nicht voraus sähe, daß seine Eigenheiten und Widerspruchsmuken ihn zum unerträglichen Hausgesellen machen würden, so gut auch seine Gespräche zuweilen lehrreich und angenehm seyn möchten. Indessen däuchtete so gut Onkel als mich, daß er wohl Absicht auf Tabby hätte, und wir waren einerley Meynung, daß diese Absicht unterstützt, und wo möglich, zu einer ehelichen Vereinigung getrieben werden müßte; in dem Falle wäre für beyde gesorgt, und könnte man ihnen ein eignes Haus einrichten; dergestalt, daß Onkel nicht nöthig hätte, sie öfter zur Gesellschaft zu haben, als er selbst wollte.

Diesem Plane zufolge hat Lismahago eine Einladung erhalten, den Winter zu Brambleton-hall mit uns zuzubringen weil es auf den Frühling noch immer Zeit seyn würde, sein americanisches Project auszuführen. – Er hat sich Bedenkzeit über den Vorschlag genommen, und will unterdessen solange mit uns reisen, als wir auf dem Wege nach Bristol bleiben, woselbst er hofft, eine Schiffsgelegenheit nach America zu finden. Ich zweifle nicht, er wird diese Seereise aufschieben, und sein Glück bey Tante Tabby zu bauen suchen; es blühet ihm gewiß; wo es ihm aber noch Früchte brächte, so müßten die von ganz besondrer Art seyn.

Das Wetter ist noch immer so gut, daß ich glaube, wir werden den Park von Derbyshire und das warme Bad zu Buxton auf unserm Wege wohl mitnehmen. – Es sey wo es will, von dem ersten Orte, wo wir wieder still liegen, erwarten Sie wieder einen Brief von

Ihrem

  Carlisle,
den 12ten Sept.

beständig ergebnen
J. Melford.   

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An den Doctor Lukas.

Liebster Doctor,

Der Landmann in Schottland steht sich nirgend gut im ganzen Königreiche; und dennoch hat er weit beßre Miene, und ist besser gekleidet, als in Burgundien und in vielen andern Orten Frankreichs und Italiens die Leute von seinem Stande; ja ich will wohl behaupten, auch besser genährt, Trotz der so gerühmten Weine dieser fremden Länder. Der Bauer in Nordbritannien lebt hauptsächlich von Hafermehl und Grütze, dabey Milch, Käse, Butter, einiges Gartengewächs, und zuweilen, zur Festtagskost, einen gesalzenen Hering, Fleisch bekommen sie selten oder fast niemalen zu kosten; eben so wenig starke Getränke, es sey denn bey außerordentlichen Feyerlichkeiten, ihren Zweypfenniger. Ihr Morgenbrodt besteht in einem Brey von Hafer- oder Erbsenmehl, den sie mit Milch essen. Des Mittags essen sie gemeiniglich dicke Kohlsuppen, die sie von Kohl, Lauch, Gerstengraupe mit ein wenig Butter kochen; dazu haben sie noch wohl Brodt und Käse, den sie von abgerohmter Milch machen. Des Abends giebt es Pfannkuchen von Hafermehl – und wenn der Hafer nicht wohl geräth: so gebrauchen sie Gersten- und Erbsenmehl, welches nahrhaft und wohlschmeckend ist. Einige bauen Potätoes, und Pastinakwurzeln findet man in jedem Bauergarten – Sie sind in eine grobe Art wollenen Zeug gekleidet, den sie selbst machen, der sitzt ihnen warm und für Landleute anständig genug. – Sie wohnen in kleinen Hütten, die von losen Feldsteinen und Rasen, oder andern Leimen oder Kalk gebauet sind. In der Mitte derselben haben sie einen Platz zum Feuer, oder Feuerheerd, der gemeiniglich von einem alten Mühlsteine gemacht ist, und darüber im Dache ein Loch, wodurch der Rauch hinauszieht.

Indessen leben diese Leute vergnügt und haben viel Mutterwitz. – Sie lesen alle in der Bibel, und wissen sogar von ihren Glaubensartikeln Rechenschaft zu geben; und ihre Religion ist, in den Theilen, die ich gesehn habe, presbyterisch. Man hat mir gesagt, daß die Einwohner der Shire von Aberdeen noch offenere Köpfe haben sollen. Ich kannte ehedem einen schottischen Edelmann in London, welcher auf diesen Theil von seinen Landsleuten einen Groll hatte, und mir zuschwur: daß die Unverschämtheit und Büberey der Schotten in der Gegend von Aberdeen, der ganzen Nation einen Vorwurf zugezogen hätte.

Der Clydefluß ist an der Oberseite von Glasgow völlig arkadisch, und seine Ufer sind allenthalben mit schönen Landsitzen geziert. Von seinem Ausfluß in die See bis zu seiner Quelle kann man manches Schloß rechnen, das der Hauptsitz der vornehmsten Familien ist, als da sind, der Herzog von Argyle zu Roseneath; der Graf von Bute, in der eben sogenannten Insel; der Graf von Glencairn, zu Finlayston; Lord Blantyre zu Areskine; die Herzoginn von Douglas, zu Bothwell; der Herzog von Hamilton, zu Hamilton; der Herzog von Douglas, zu Douglas, und der Graf von Hyndford zu Carmichael. Hamilton ist ein edler Pallast und prächtig möblirt; ganz nahe dabey liegt der Flecken gleiches Namens, eine der nettesten Städtchens, die ich irgendwo gesehen habe. Nachdem das alte Schloß der Douglas durch einen Zufall bis auf den Grund niedergebrannt war: so entschloß sich der letztverstorbne Herzog, sowohl das größte Haus im Reiche zu haben, als er das Haupt der ersten Familie in Schottland war, und ließ also nach diesem Gedanken einen Plan machen; allein er starb, als nur erst ein Flügel davon gebauet worden. Man muß hoffen, daß sein Neffe, der sein großes Vermögen geerbt hat, den Entwurf seines Erblassers ausführen wird. – Clydesdale ist, im Ganzen genommen, volkreich und wohlhabend, denn es enthält eine große Anzahl Edelleute, die ein ansehnliches Vermögen haben; allein es giebt mehr Vieh als Korn. Das ist auch der Fall mit Tweedale, wodurch wir einen Strich gereiset sind, und mit Nithsdale, welches überhaupt sonst roh, wild und gebirgig ist. Diese Berge sind mit Schafen bedeckt; und das ist das kleine so wohlschmeckende Hammelfleisch, welches demjenigen, was auf den Londoner Markt gebracht wird, soweit vorzuziehen ist. Weil ihre Weide so wenig kostet, so schlachtet man sie nicht früher, als bis sie fünf Jahr alt sind, und ihr Fleisch völligen Saft und Kraft hat. Ihre Schur aber wird sehr durch den Teer beschädiget, womit man sie beschmieret, um sie vor der Räude im Winter zu bewahren, während welchem sie Nacht und Tag wild umher laufen, und bey Tausenden von den aufrollenden Schneeballen fortgeschleudert werden und verloren gehn. – Es ist ein Jammer, daß diese Landwirthschafter kein Mittel ausfindig machen können, dieses nützliche Thier vor dem Einflusse eines strengen Clima zu beschützen, besonders vor dem unabläßigen Regen, welcher ihnen nachtheiliger ist, als die strengste Winterkälte.

 

An dem kleinen Flusse Nid ist das Schloß Drumlanrig gelegen, einer der herrlichsten Fürstenpalläste in Großbritannien, welcher dem Herzoge von Queensberry gehört; einem der wenigen Großen des Landes, deren Güte des Herzens der menschlichen Natur Ehre macht. – Ohne mich auf eine Beschreibung dieses Pallastes einzulassen, will ich nur so viel sagen, daß er wirklich ein Beyspiel vom Erhabnen, sowohl an Pracht als in seiner Lage ist, und daß er einen an das schöne Palmira errinnert, welches gleich einer Zauberey aus der Wildniß hervorstieg. Der Herzog hält offne Tafel und lebt auf einen großen Fuß. – Er erwies uns die Ehre, uns mit vieler Güte aufzunehmen, und uns die Nacht über mit noch zwanzig andern Gästen bey sich zu behalten, deren Bediente und Pferde zu einer ansehnlichen Zahl hinan lief. – Die Herzoginn war eben so gnädig, und nahm unser Frauenzimmer unter ihren unmittelbaren Schutz. Je länger ich lebe, je mehr Ursach find' ich, zu glauben, daß die Vorurtheile der Erziehung niemals ganz ausgerottet werden, auch sogar, wenn man selbst einsehen gelernt hat, daß sie thöricht und läppisch sind. Solche Gewohnheiten in der Denkart, die auf die großen Leidenschaften Einfluß haben, klammern sich fest an das menschliche Herz; eine heftige Anstrengung der Vernunft kann sie freylich auf einen Augenblick davon trennen, allein diese Gewalt hört nicht sobald auf, als sie mit zugenommener Schnellkraft wieder zurückspringen und noch fester hängen, als vorher.

Auf diese Betrachtung bin ich durch dasjenige gebracht worden, was des Abends noch bey dem Essen bey des Herzogs Tafel vorfiel. Das Gespräch war von den herrschenden Meynungen des großen Haufens in Nordbritannien, über Gespenster und Vorbedeutungen oder Ahndungen, und die ganze Gesellschaft war darinn einig, daß sie höchst lächerlich wären. Unterdessen erzählte einer von den Gästen eine Geschichte, die ihm selbst begegnet war, gleichsam nur darüber nachzusinnen. – »Ich war in den nördlichen Gebirgen auf der Jagd, (sagt' er,) als mir auf einmal einfiel, einen alten Freund zu besuchen, den ich in zwanzig Jahren nicht gesehen hatte; denn so lange war es, daß er sich aus der Welt begeben, sich allen seinen Bekanntschaften entzogen, und aus Betrübniß über den Tod seiner Frau, die er ungemein geliebt hatte, ein sehr trauriges niedergeschlagenes Leben führte. Er wohnte an einem Orte, der keine Stadt oder Flecken in der Nähe hatte, und wir waren unser fünf Herrn mit fünf Bedienten; wir hielten es also für rathsam, aus dem nächsten Marktflecken Lebensmittel mitzunehmen, weil er eben mit Nichts versehn seyn möchte, das er uns vorsetzen könnte. Wir kamen erst des Nachmittags um zwey Uhr bey ihm an, weil die Wege so schlecht waren, und wurden sehr angenehm überrascht, eine gute fertige Mahlzeit in der Küche und den Tisch für sechs Personen gedeckt zu finden. Mein Freund selbst stand ganz festlich angekleidet an der Pforte und empfieng uns mit offenen Armen, wobey er mir sagte, er habe schon seit zwo Stunden auf uns gewartet. – Die Versichrung setzte mich sehr in Verwunderung; ich fragte ihn, wer ihn von unsrer Ankunft Nachricht gegeben hätte? und er lächelte, ohne sonst etwas zu erwiedern. – Indessen war ich vor dem vertraut genug mit ihm bekannt gewesen, daß ich beym Essen darauf dringen konnte, es zu erfahren; und er erzählte mir sehr ernsthaft, er habe mich in einer ganz deutlichen, umständlichen Erscheinung gesehen. – Ja er rufte sogar seinen Haushofmeister zum Zeugen, welcher feyerlich bekräftigte, daß ihm sein Herr den vorigen Tag gesagt habe, daß ich kommen, und vier andre Fremde mitbringen würde, damit er darauf anrichten sollte. Auf diese Anzeige habe er auch die Mahlzeit zubereiten lassen, die wir da verzehrten, und für die vorher gesagte Anzahl Personen gedeckt.«

Wir gestunden alle, daß der Vorfall merkwürdig sey, und ich versuchte es, ihn aus natürlichen Ursachen zu erklären. Ich ließ die Gesellschaft bemerken, daß der alte Herr durch seine Lebensart seine Phantasie sehr lebhaft gemacht hatte, und daß die zufällige Idee oder die Wiedererinnerung seines alten Freundes alle diese Umstände bey sich gehabt haben könnte, die der Zufall einmal wirklich gemacht; daß er aber nach aller Wahrscheinlichkeit vorher eine manche Erscheinung von eben der Gattung gehabt, die niemals wahr geworden wäre. Niemand in der Gesellschaft widersprach meiner Meynung grade zu; allein, aus den gleichsam nur obenhin gemachten Einwürfen merkte ich doch deutlich, daß die meisten überzeugt wären, es müsse etwas Uebernatürliches bey der Sache vorgewaltet haben.

Ein andrer Herr von der Gesellschaft wendete sich zu mir und sagte: »Man kann nicht zweifeln, daß eine kranke Phantasie sehr leicht Gesichter und Erscheinungen hervorbringen könne, allein wir müssen gleichwohl auf andre Ursachen sinnen, um eine etwas ähnliche Geschichte zu erklären, die sich vor kurzem in meiner Nachbarschaft zugetragen hat. – Ein Mann, von einer guten Familie, den man auf keine Art und Weise unter die Erscheinungsseher zählen kann, stund des Abends in der Eulenflucht vor seiner Thüre, woselbst er einen Besuch von seinem Großvater bekam, der schon vor funfzehn Jahren gestorben ist. – Das Gespenst saß klar und deutlich auf eben dem Pferde, welches er in seinem Leben gewohnt war zu reiten, hatte ein fürchterlich zorniges Gesicht, und sprach Etwas, das sein Enkel in der Angst nicht verstehen konnte. Allein dieß ist noch nicht alles – das Gespenst hatte eine große Reitpeitsche, mit welcher er ihm die Schultern und den Rücken zerprügelte, so, daß ich die Striemen mit meinen eignen Augen gesehen habe. Hernach hat auch der Küster gesehen, daß das Spuk um das Grab herumgegangen ist, worinn seine Leiche begraben liegt; und dieser Mann hat es zu verschiedenen Leuten im Dorfe gesagt, ehe er wissen konnte, was dem obbesagten Herrn begegnet. – Er kam sogar zu mir, um vor mir, als dem Friedensrichter, eine eidliche Aussage von dem zu thun, was er gesehen hatte, welche ich gleichwohl nicht aufnehmen mochte. Was den Enkel des Verstorbenen anbetrifft, so ist das ein ordentlicher, verständiger, geschäfftliebender Mann, der zu stark auf seinen Nutzen und Betrieb denkt, um seine Phantasie bis zum Geistersehen zu erhitzen. Er hätte die Sache nachher gerne vertuschet; allein es war nicht mehr möglich, weil er in der ersten Anwandlung der Furcht laut geschrien hatte, ins Haus gelaufen war, und seinen Rücken, so wie er gezüchtigt worden, allen Hausgenossen hatte sehen lassen. Nunmehr geht die Sage allenthalben, daß diese Erscheinung, und das Betragen des Geistes des alten Mannes, der Familie ein großes Unglück bedeute, und die gute Frau ist schon vor dieser Furcht krank und bettlägrig geworden.«

Ob ich gleich nicht wußte, wie dieses Geheimniß zu erklären, so sagt' ich doch, es würde eines Tags schon herauskommen, daß ein Betrug darhinter stecke; und nach allem Vermuthen, eine boshaft ausgeübte Rache eines Feindes der Person, die den Anfall ausgehalten hätte. Allein der Erzähler stützte sich auf die Deutlichkeit des Beweises, und die Uebereinstimmung der Zeugnisse von zween glaubwürdigen Männern, die keine Verabredung mit einander gehabt hätten, bestätigte die Erscheinung eines und desselben Mannes, dessen Person allen beyden wohl bekannt gewesen. –

Von Drumlanrig giengen wir an der Nid herunter nach Dumfries, welche noch einige Meilen weiter fließt, ehe sie in die See fällt. Dumfries ist, nächst Glasgow, die hübscheste Stadt, die ich in Schottland gesehen habe. – Die Einwohner scheinen sich auch Glasgow zum Muster genommen zu haben, nicht bloß in Verschönerung ihrer Stadt und in der Polizeyordnung, sondern auch in ihrem Handel und in ihren Fabriken, durch welche sie wohlhabend und reich geworden sind.

Wir sind auf dem Wege über Carlisle wieder in England angekommen. An diesem Orte trafen wir zufälliger Weise unsern Freund Lismahago wieder an, nachdem wir uns zu Dumfries und an andern Orten erkundigt hatten. – Es scheint, es geht dem Lieutenant; wie es vordem den Propheten gieng, er ward wenig geehrt in seinem Vaterlande, dem er auch nun auf Ewig entsagt hat. – Er erzählte mir folgende Umstände von seinem Besuche in seiner Heymath. – Auf dem Wege nach seinem Geburtsorte brachte er in Erfahrung, daß sein Neffe die Tochter eines Bürgerlichen geheyrathet hatte, der eine Leinewandmanufactur hielt, und daß er mit seinem Schwiegervater in Compagnie getreten sey. Voller Verdruß über diese Nachricht, war er in der Dämmerung vor der Pforte angelangt, und hatte das Puffen der Weberstühle und Scharren der Spuhlräder gehört, welches ihm den Kopf so toll machte, daß er fast darüber von Sinnen gekommen wäre; und gerade als er so im höchsten Aerger war, traf sichs, daß sein Neffe heraus kam, da er sich denn nicht länger halten konnte, sondern ihm entgegen schrie: »Du niederträchtiger Schurke, machst deines Großvaters Haus zu einem Diebsloche!« und zugleich züchtigte er ihn mit seiner Reitpeitsche. Hierauf war er um das dabey gelegne Dorf geritten, und hatte bey Mondscheine den Begräbnißplatz seiner Vorältern besucht; und, nachdem er ihren Ueberbleibseln diese Ehrerbietung bezeiget, ritt' er die ganze Nacht durch, nach einer andern Gegend des Landes – Da er also das Haupt seiner Familie in so schimpflichen Umständen gefunden, und alle seine Freunde entweder todt, oder nach andern Orten gezogen waren, dabey auch noch einmal so viel Ausgaben erfodert wurden, um zu leben, als damals, da er seinen Geburtsort verließ; so hat er ihm ein ewigs Lebewohl gesagt, und den Entschluß gefaßt, eine ruhige Wohnung in den americanischen Wäldern zu suchen.

Nun war ich auf einmal wegen des Spuks, welches zu Drumlanrig beschrieben worden, aus dem Traume; und als ich den Lieutenant die Geschichte erzählte, gefiel es ihm sehr zu wissen, daß sein Eifer so viel mehr Wirkung gehabt, als er einmal gedacht hätte; leugnete auch nicht, daß man ihn, zu einer solchen Stunde und in einem solchen Aufzuge, recht gut für den Geist seines Vaters hätte halten können, weil man sagte, daß er ihm sehr ähnlich sähe. –

Ihnen will ichs wohl im Vertrauen sagen, mein lieber Lukas; ich glaube, der Lieutenant Lismahago wird nicht nöthig haben, nach den Wigwams der Miamis zu reisen, um einen ruhigen Aufenthalt zu finden. Meine Schwester Tabby läßt es ihm stündlich und deutlich genug merken, daß sie seine Neigung gewinnen möchte; und wenn ich dem Scheine trauen darf: so ist der Officier gesonnen, die Gelegenheit bey der Stirnlocke zu fassen. Ich, meiner Seits bin gesonnen, ihre Absichten zu befördern, und es soll mir lieb seyn, sie vereinigt zu sehn. – Kommts dazu, so finden sich Mittel, sie in unsrer Nachbarschaft anständig einzurichten. Ich und meine Leute werden eine herrschsüchtige und zänkische Haushälterinn los, und ich habe dabey noch den Vortheil, daß ich Lismahagos Umgang so oft haben kann, und nicht öfter haben muß, als ich selbst will; denn obgleich ein Olla pudrida ein sehr wohlschmeckendes Gericht ist: so würd' ichs doch bald müde werden, wenn ichs täglich essen sollte.

Manchester gefällt mir ungemein; es ist eine der angenehmsten und blühendsten Städte in Großbritannien; und ich habe bemerkt, daß dieses eben der Ort ist, der zu den vornehmsten Manufacturen in Glasgow Anlaß und Muth gemacht hat. Wir sind willens Chathworth, den Peak und Buxton zu besuchen, und von dem letzten Orte werden wir grades Weges, obgleich mit kleinen Tagereisen, nach Hause gehn.

Wenn die Witterung in Wäles eben so günstig gewesen ist, als in Schottland, so muß Ihre Erndte glücklich zu Ende gebracht seyn, und wir hätten auf nichts weiter mehr zu denken, als auf unser Octoberbier; seyn Sie so gütig, Barus daran zu erinnern. Sie werden mich viel besser bey Fleische finden, als ichs bey meiner Abreise war; und diese kurze Trennung hat die Empfindungen der Freundschaft aufs neue geschärft, womit ich stets gewesen bin und beständig seyn werde,

Ihr

Manchester,
den 15ten Sept.

ergebenster   
M. Bramble.

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An Frau Gwillim, Haushälterinn zu Brambleton-hall.

Frau Gwillims,

Es hat dem Himmel gefallen, uns wieder gesund und wohl nach Engelland zu bringen; seine Hand hat uns in vielen Gefahren zu Wasser und zu Lande beschützet; vor allen Dingen aber auf dem großen Riesen Berge, Peak, und in der Elvs-Höhle, die ganz und gar keinen Grund hat; und alldieweilen wir nun auf der Heimreise sind, so wird es heilsam seyn, daß ich Ihr davon benachrichtige, damit Brambleton-hall hübsch im Stande sey, wenn wir wieder kommen, nach einer so langen Reise in die schottländischen Inseln.

Mit dem ersten Tage in dem zukommenden Monate kann sie nur anfangen, ein beständiges Feuer in meines Herrn Bruders Kammer und meine machen zu lassen: und laß sie auch alle Tage einen Arm voll Holz in der gelben Damastkammer ausbrennen: laß Sie auch die Gardienen und Stuhlkissen hübsch ausstäuben, und die Federbetten und Matrassen braf auslüchten, denn wer weis? wenns Gottes Wille ist, können sie wohl bald gebraucht werden müssen. Laß Sie auch die alten Biertonnen recht aus scheuren und spülen, daß man Bier darauf füllen kann, denn Ihr Herr will seinen Keller von Unten bis Oben voll brauen.

Wenn das Haus meine gehörte, so wollte ich eine ganz neue Haushaltung einführen – Ich kann nicht einsehn, warum das Gesinde in Wäles nicht eben so gut klar Wasser trinken und Gerstenbrey und Habergrütz-Pfannkuchen essen sollte, als das Gesinde in Schottland thut, müssen Sie denn ebenso gut Fleisch essen, als wie die Herrschaften! – Ich hoffe, Sie hält mir richtige Rechnung über Rogers seinen Handel mit der Buttermilch. Es muß mir kein Pfennig an dem Gelde fehlen, das mir davon zukommt, das sag' ich Ihr. Von den gelegten Eyern muß Sie eine ganze Menge übrig haben, die nicht gegessen sind, die werden ja, hoff' ich, ausgebracht seyn! und ich werde ja wohl eine rechte große Brut Küchlein von Hünern, Endten, Gänsen und Kalkuten ums Haus laufen finden; und der Käse Stapel muß nicht klein seyn, den ich denn gleich zu Markte schicken will. Die Wolle, die das Volk im Hause nicht gesponnen hat, die hat Sie doch nach Crickhowell geschickt, hat Sie?

Vergesse Sie nicht, Frau Gwillims, daß Sie das Haus von Oben bis Unten einmal recht rein scheuren läßt, daß wir Ehre davon haben; und laß Roger der Mägdchens ihre heimliche Schlupflöcher einmal recht durchstänkern, wo es mit den faulen Flirtgen nicht recht richtig ist; denn, ich weiß es, sie machen nicht weiter rein, als was vor die Augen kömmt. Ich hoffe auch, daß Sie ein frömmer Leben im Hause eingeführt hat, wie ich Sie in meinem letzten Briefe vermahnt habe, und daß sie auf was beßres denken, als auf das ewige Essen und Trinken und Löffeln.

Meine Jenkins ist eine ganz neue Creatur geworden und ist zum Durchbruche gekommen, und da hat ihr unser neuer Bedienter, Humphry Klinker, zu geholfen. Das ist ein recht frommer Mensch, der hat recht an ihr gearbeitet, daß sie Früchte tragen soll, der Busse und Bekehrung. Ich zweifle nicht, er wird sichs nicht verdriessen lassen, und wird sich auch eben dieselbige Mühe geben mit der naseweisen Dirne Marie Jones; und mit allen zusammen; und bete Sie auch fleißig, daß ihm Kräfte genug verliehen werden mögen, das grosse Werk an Euch allen zu vollbringen, denn es ist Noth; und damit bin ich beständig, wie Sie weiß,

Ihre

den 18ten

geneigte Freundinn
T. Bramble.   

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An den Doctor Lukas.

Liebster Doctor,

Sie glauben wohl nicht, daß Lismahago noch paradoxer werden können; und doch scheint es, daß die Lunge voll Luft, die er nun aus seinem Geburtsorte geholt hat, alle seine polemischen Kräfte von neuem beseelt hat. Vor einigen Tagen sagte ich zu ihm, daß ich ihm über den blühenden Zustand seiner Landesleute Glück wünschte, und merkte dabey an, die Schottländer wären nunmehr auf recht gutem Wege, den Nationalvorwurf der Armuth von sich abzuwälzen, ließ ihm auch mein Vergnügen über die glückliche Wirkung der Union merken, welche aus der Verbesserung ihrer Landwirthschaft, des Handels, der Fabriken und selbst den Sitten, so sichtbar hervorleuchtete. – Der Lieutenant zog seine Gesichtsmuskeln in eine Miene von Mißfallen und weisen Zweifel, und machte ungefähr folgende Noten zu meinem Texte: – »Diejenigen, welche einer Nation ihre Armuth als schimpflich anrechnen, wenn solche keine Folge der Ausschweifungen und Laster des Volks ist, verdienen keine Antwort. Die Lacedämonier waren ärmer als die Schottländer, zu der Zeit, da sie an der Spitze aller freyen Griechen stunden, und wegen ihrer Tapferkeit und Tugend höher geschätzet wurden, als alle übrigen. Die würdigsten Helden des alten Roms, Fabricius, Cincinnatus und Regulus, waren ärmer, als der ärmste Freysaß in Schottland; und es lassen sich in Nordbritannien Leute finden, die für sich allein mehr Gold und Silber besitzen, als die ganze römische Republick zu den Zeiten aufbringen konnte, da ihre Macht und Tugend nicht ihres Gleichen in der Welt hatte; und so wenig war die Armuth ein schimpflicher Vorwurf, daß sie vielmehr ihren Ruhm vermehrte, weil solche eine so edle Verachtung des Reichthums anzeigte, die gegen alle Verblendungen und Bestechungen probefest war. – Sobald Armuth ein Schimpf wird: so folgt, daß der Reichthum ein Gegenstand der Hochachtung und Verehrung seyn muß – und ist das, so giebt es in London, Amsterdam und an andern Orten, Juden, die durch Wucher und allerley unedle Wege so reich geworden sind, daß sie mehr Ehrerbietung fodern können, als die tugendhaftesten und verdienstvollesten Männer im Reiche. Das ist aber ein solcher Satz, den kein Mann unternehmen wird zu behaupten, so lange er seine fünf Sinne hat. – Der Reichthum ist warlich kein Beweis von Verdiensten; ja oft, wo nicht gar die meiste Zeit, wird er von Leuten erworben, die sehr eingeschränkte Herzen und Köpfe haben: er giebt auch seinem Besitzer keinen innerlichen Werth; wohl aber kann er dazu beytragen, seinen Verstand zu verderben und seine Sitten zu verschlimmern. Aber, laß uns auch annehmen, daß Armuth ein wirklicher Vorwurf sey, so kann man auch solchen Schottland mit keiner Billigkeit machen. Kein Land ist arm, das seinen Einwohnern die nothwendigen Bedürfnisse des Lebens schaffen kann, und sogar noch Artikel zur Ausfuhr hat. Schottland ist reich an Naturproducten. Es bringt mit Ueberfluß hervor, was zur Nahrung und Kleidung gehört: große Triften von Hornvieh und Heerden von Schafen, dabey eine große Anzahl Pferde; eine ungeheure Menge Wolle und Flachs; reichlich Brennholz, und in einigen Gegenden große Wälder von Bauholz. Die Erde ist noch reicher in ihren Eingeweiden, als auf ihrer Oberfläche. Sie giebt unerschöpflichen Vorrath an Steinkohlen, Bruchsteinen, Marmor, Bley, Eisen, Kupfer und Silber mit einigem Golde. In der See wimmelts von vortrefflichen Fischen, und giebt sie auch das Salz, womit man solche zum Verfahren einpäkelt; und um das ganze Königreich herum findet man Häfen und Buchten zur Bequemlichkeit und Sicherheit der Schifffahrt. Das Land enthält eine erstaunende Menge Städte, Flecken und Dörfer und Landsitze vollgepfropft mit Menschen; auch spürt man keinen Mangel an Künsten, Fleiß, bürgerlicher Ordnung und Policey. Ein solches Reich kann man auf keinerley Art und Weise arm nennen, obgleich manche andre viel mächtiger und reicher seyn mögen. Allein, die richtige Anwendung dieser Vortheile, und den gegenwärtigen Wohlstand der Schottländer, scheinen sie von der Vereinigung der beyden Königreiche herzuleiten!«

Ich sagte ihm, ich dächte, er würde nicht in Abrede seyn, daß das Land eine viel beßre Gestalt gewonnen hätte; daß die Menschen besser lebten, mehr handelten, und daß seit der Union mehr Geld im Umlauf wäre, als vorher. »Das alles kann ich Ihnen eingestehn,« (antwortete der Lieutenant;) »ohne Ihre Folgerung zugeben zu müssen. Den Unterschied, dessen Sie erwähnen, würde ich für die natürliche Fortschreitung der Künste halten – Seit diesem Zeitpuncte haben andre Nationen, wie zum Exempel die Schweden, die Dänen, und besonders die Franzosen, ohne irgend eine dergleichen Ursache, stark im Handel zugenommen; – Vor der Union herrschte schon ein starker Handlungsgeist unter den Schottländern, wie aus der Errichtung ihrer Dorieschen Compagnie, (in welche sie nicht weniger, als viermal hundert tausend Pfund Sterling steckten,) aus dem blühenden Zustande ihrer Seestädte in Fife und an den östlichen Küsten, erhellet, welche durch den Handel mit Frankreich ansehnlich verdient haben, welcher Handel aber durch die Union abgeschnitten ist. Der einzige wahre Handlungsvortheil, den Schottland durch die Union erhalten hat, bestund in der Freyheit, nach den engländischen Colonien zu handeln; allein, außer Glasgow und Dumfries kenne ich sonst keine schottische Stadt, die an diesem Handel Theil nähme. Daß aber die Schottländer in andern Betrachtungen durch die Union verloren haben, das weis ich auch. – Sie verloren die Unabhängigkeit ihres Staats, die größeste Stütze des Nationalgeistes; sie verloren ihr Parlament, und ihre Gerichtshöfe wurden einem engländischen Tribunale untergeordnet.«

»Gemach, Herr Capitain, (rief ich,) Sie können ja nicht sagen, daß die Schottländer ihr Parlament verloren haben, da sie ihre Representanten in das englische schicken.« – »Ey, warlich,« (sagte er mit einem spitzfindigen Gesicht,) »in solchen Debatten, wo es auf entgegenstehende Vortheile der beyden Nationen ankommt, müssen die sechzehn Peers im Ober- und die fünf und vierzig übrigen schottischen Parlamentsglieder im Unterhause, ein mächtiges Gewicht gegen die ganze große Anzahl der Engländer in die Schaalen legen.« – »Sagen Sie das nicht;« (erwiederte ich,) »als ich die Ehre hatte, im Unterhause meine Stimme zu führen, waren die meisten Stimmen allemal für die Meynung der schottischen Mitglieder.« – »Ich verstehe Sie, mein Herr,« (sagt' er,) »sie sind gemeiniglich für die meisten Stimmen; und das ist desto schlimmer für ihre Wahlmänner. Doch auch dieses Uebel ist noch nicht das Aergste, was ihnen die Union zugezogen hat. Ihren Handel hat man mit schweren Auflagen belastet, und jedes Bedürfniß des Lebens muß harte Taxen tragen, um die Interessen von ungeheuren Schulden zu bezahlen, in die sich die Engländer wegen solcher Unternehmungen und Verbindungen gesteckt haben, welche die Schottländer gar nichts angiengen.« Ich bat ihn, er würde doch wenigstens eingestehn, daß die Schottländer durch die Union aller Privilegien und Freyheiten der engländischen Unterthanen theilhaftig geworden, wodurch denn eine Menge von ihnen bey der Armee und bey der Flotte versorgt wären, oder in verschiedenen Gegenden von England oder seinen Colonien ihr Glück gemacht hätten. – »Alle diese Leute (sagte er,) werden in allem Verstande engländische Unterthanen, und gehn großtentheils für ihr wahres Vaterland verloren. Die gebornen Schottländer sind schon lange wegen ihrer Neigung zum Reisen und Glücksuchen bekannt. Hätten sie in England keine vortheilhafte Gelegenheit gefunden, so hätten sies noch immer so gemacht, wie bis dahin, und hätten gesucht, in Rußland, Schweden, Dännemark, Pohlen, Deutschland, Frankreich, Piemont und Italien in Dienste zu kommen, und sich nieder zu lassen, denn bey allen diesen Nationen finden wir bis auf den heutigen Tag noch Abkömmlinge von ursprünglich schottischen Familien.«

Hier fieng mir nach gerade die Geduld an, auszureißen, und ich rief aus: »Aber um Gotteswillen! was hat denn England bey dieser Union gewonnen, die, nach Ihrer Meynung, so nachtheilig für die Schottländer ist?« – »Die Union hat den Engländern große und mannichfaltige Vortheile zuwege gebracht;« (sagte Lismahago in einem sehr feyerlichen Tone) »Erstlich und vor Allen andern die protestantische Thronfolge, welches für die Engländer ein Grosses war, und worinn die Schottländer nur durch starke Ueberredung willigen konnten. Sie gewannen dadurch einen wichtigen Zuwachs an Lande, wodurch sie ihr Gebiet nach allen Seiten der Insel bis an die See erstreckten, und ihren Feinden alle Nebenzugänge abschnitten. Sie gewannen das durch eine Vermehrung von mehr als einer Million nützlicher Unterthanen, welche zugleich eine beständig wohlversorgte Pflanzschule von Seeleuten, Soldaten, Landleuten und Handwerkern ist; ein beträchtlicher Gewinn für einen handelnden Staat, der auswärtige Kriege zu führen hat, und genöthigt ist, in allen vier Welttheilen eine Menge Colonien zu versorgen. In einer Zeit von sieben Jahren, während des letzten Krieges, hat Schottland der engländischen Armee und Flotte siebenzig tausend Mann geliefert, ungerechnet der Leute, die nach ihren Colonien gewandert sind, oder sich daheime mit in ihre bürgerlichen Geschäffte gemischt haben. Dieses mußte eine wichtige und gelegne Hülfe für eine Nation seyn, die schon seit etlichen Jahren in ihrer Anzahl geschmolzen war, und deren Ländereyen und Fabriken schon wirklich aus Mangel an Händen litten. Ich brauche Sie nicht an die abgedroschne Maxime zu erinnern, daß bey solchen Umständen Zuwachs an arbeitsamen Leuten, Zuwachs an Reichthum für eine Nation ist; oder auch die Anmerkung zu wiederholen, die gegenwärtig allenthalben, auch sogar von den Engländern selbst, als eine ewige Wahrheit angenommen wird, daß die Schotten, die sich in Südbritannien nieder lassen, sehr nüchterne, ordentliche und fleißige Leute sind.«

Ich räumte ihm ein, daß diese Anmerkung wahr sey, und fügte hinzu, daß Fleiß, Vorsicht und Sparsamkeit manchem unter ihnen, sowohl in England als in den Colonien, zu einem großen Vermögen verhelfe, mit welchem er wieder nach seinem Vaterlande zurück kehrte; und das wäre doch allemal reiner Verlust für Südbritannien. – »Ich versichre Sie, (sagt' er,) mit Ihrer Erlaubniß, mein Herr, daß sie in Ansehung der Thatsache unrecht berichtet sind, und daß die Folgerung, die sie daraus ziehn, falsch ist. – Kaum wird einer von zwey Hunderten, die Schottland verlassen haben, jemals wieder in sein Vaterland zurück kehren, daselbst zu wohnen; und die wenigen, die es thun, bringen nichts mit dahin, das die Geldmasse der Engländer vermindern könnte; denn ihr Reichthum stockt nicht in Schottland. – Das Geld ist in beständigem Umlaufe, wie das Blut im menschlichen Körper, und England ist das Herz, nach welchem alle die Ströme, die es absendete, wieder zurück fließen. Ja noch mehr, durch den Luxus, welchen unsre Verbindungen mit England, wo nicht eingeführt, doch sehr vermehrt hat, fließen alle Einkünfte unsrer Ländereyen, und der ganze Profit unsers Handels den engländischen Unterthanen zu; denn sie werden finden, daß der Wechselcours zwischen den beyden Reichen beständig gegen Schottland ist, und daß es zu seiner eignen Circulation, weder Gold noch Silber genug behält. – Die Schottländer begnügen sich nicht mit ihren eignen Producten und Manufacturen, welche doch für alle ihre wahren Bedürfnisse hinlänglich sind, sondern scheinen recht mit einander in die Wette zu eifern, wer das meiste Ueberflüßige von England kaufen will; als z. E. breite feine Tücher, Sammitte und Plüsse, Stroffen, Spitzen, Pelzwerk, Juwelen, allerley Hausgeräthe, Zucker, Rum, Thee, Chocolade und Caffee; kurz, nicht nur alles, was zu den üppigsten Moden gehört, sondern sogar mancherley Artikel in der ordentlichen Haushaltung, die sie daheim eben so gut und wohlfeiler haben könnten. Aus diesem Handel mag England jährlich ungefähr eine Million ziehen – Ich begehre es nicht ganz genau zu bestimmen; vielleicht ist es etwas weniger, und vielleicht viel mehr. – Die jährlichen Einkünfte der Krone von den schottischen Landgütern kann nicht geringer als eine Million Pfund Sterling seyn; und ich sollte denken, der schottische Handel müßte eben so viel einbringen, denn ich weis, daß bloß die Leinewandmanufactur an eine halbe Million bringt, ungerechnet, was davon im Lande abgesetzt wird. – Wenn also Nordbritannien an England jährlich eine Byllance von einer Million bezahlt, so darf ich behaupten, daß es demselben, allein in Ansehung des Handels, aller andern hier angeführten Vortheile zu verschweigen, mehr werth ist, als irgend eine von seinen Colonien: also sind diejenigen keine Freunde, weder von England noch von der Wahrheit, welche sich bestreben, den Werth des nordischen Theiles der vereinigten Reiche herunter zu setzen.«

Ich muß es Ihnen gestehn, mein lieber Doctor, anfangs verdroß michs fast, daß ich mich über so vielerley zurecht weisen lassen mußte. – Ich nahm freylich alle sein Vorgeben nicht für Evangelien an, aber ich war nicht darauf vorbereitet, sie zu widerlegen; und ich mags machen wie ich will, ich sehe mich genöthigt, ihm darinn recht zu geben, daß die Verachtung gegen Schottland, die diesseits der Tweed zu gewöhnlich herrscht, bloß auf Vorurtheil und Irrthum gegründet ist. – Nach einigem Nachdenken sagt' ich zu ihm: »Wohl, Herr Capitain, Sie haben den Werth Ihres Vaterlandes tapfer vertheidigt! Ich, meines Theils, habe eine solche Hochachtung für unsre Mitbürger in Nordbritannien, daß ich den Tag zu erleben wünsche, da ihre Bauern dahin gekommen wären, allen ihren Hafer für das Vieh zu verfüttern, und sich für ihren eignen Mund gutes feines Weitzenbrodt, statt des armseligen, geschmackslosen, ungesunden und hitzigen Gebäckes, zu zähmen.« Aber damit hatte ich den caledonischen Haberecht von neuem am Halse. Er sagte, er hoffe es niemals zu erleben, daß das gemeine Volk aus einer Sphäre gehoben würde, für die es die Natur und der Lauf der Dinge bestimmt hätten; der gemeine Mann möchte noch einige Ursach zu klagen haben, wenn sein Brodt, wie in Norwegen, mit Baumrinde oder Fischgräten vermischt wäre; aller Hafermehl wäre, das wüßte er, eben so nahrhaft und gesund, als das von Weitzen, und die Schottländer überhaupt hielten es wenigstens für eben so wohlschmeckend. Er behauptete, daß eine Maus, welche man als ein Thier betrachten könne, das im Puncte der Selbsterhaltung, nach unfehlbaren Naturtrieben handle, allemal den Hafer dem Weitzen vorzöge, wie die Erfahrung bezeuge; denn auf einem Boden, woselbst beyderley läge, hätte dieses Thier niemals angefangen, von dem Letztern zu fressen, bis der Hafer erst verzehrt gewesen. Daß es nahrhaft sey, das bewiese die feste und dauerhafte Gesundheit der Leute, deren gewöhnlichste Speisen von Hafermehl zubereitet würden; und hitzig wäre es so wenig, daß es vielmehr kühlend wäre, eine Mittelsäure, etwas balsamisches und einen feuchten Schleim enthielte; dieß wäre so wahr, daß man in allen Entzündungskrankheiten dem Patienten Welgen und Brey von Hafergrütze verordnete.

»Zum wenigsten, (sagt' ich,) erlauben Sie mir, daß ich ihnen einen so ergiebigen Handel wünsche, dadurch sie in den Stand kommen mögen, ihren eignen Neigungen zu folgen!« – – »Das verhüte der Himmel! (rief dieser Philosoph) Wehe dem Volke, worunter der große Haufen die Freyheit hat, seinen eignen Neigungen zu folgen! Der Handel ist allerdings ein Segen, so lange er in seinen gehörigen Gränzen bleibt; allein Ueberfluß an Reichthum bringt auch Ueberfluß an Uebeln mit: er bringt falschen Geschmack, falsche Bedürfnisse, falschen Mangel, Verschwendung, Verachtung der Gesetze; er macht alles, bis auf die Gewissen, käuflich, und erzeugt einen Hang zur Zügellosigkeit, Unbändigkeit und zum Aufruhr, wodurch das Gemeinewesen in beständiger Gährung gehalten, und zuletzt aller Unterschied der Stände in der bürgerlichen Gesellschaft übern Haufen gestoßen wird; woraus dann eine allgemeine Anarchie entstehen muß.« – »Wird wohl ein vernünftiger Mensch sagen, daß eine Nation die Vortheile des Reichthums um diesen Preis suchen solle?« – »Nein das nicht; allein ich bin einer von denen, welche glauben, daß bey gehöriger Fürsorge der Handel alle mögliche Glückseligkeit für eine Nation hervorbringen könne, ohne daß solche Uebel nothwendig damit verknüpft seyn müssen.«

So viel dießmal von den Grundsätzen meines neuen Freundes, Lismahago, den ich Ihnen deswegen desto umständlicher beschreibe, weil ich festiglich glaube, er wird sein Leben in Mommouthshire mit uns zubringen. Gestern als ich allein mit ihm war, fragte er mich mit einiger Verwirrung, ob ich dem Glücke eines ehrlichen Mannes und Soldaten entgegen seyn würde, falls solches so günstig wäre, ihm das Herz meiner Schwester geneigt zu machen? Ich antwortete, ohne mich zu bedenken, daß meine Schwester alt genug sey, für sich selbst zu wählen; ich würde weit entfernt seyn, es zu mißbilligen, wenn sie sich entschlösse, in alles zu willigen, was er wünschte. – Seine Augen funkelten bey dieser Erklärung. Er betheurete, er würde sich für den glücklichsten Mann auf der Welt halten, wenn er in meine Familie aufgenommen werden sollte; und daß er niemals ermüden würde, mir von seiner Dankbarkeit und Ergebenheit Beweise zu geben. Ich denke, daß Tabby und er bereits einig sind; auf den Fall haben wir eine Hochzeit zu Brambleton-hall, und Sie müssen die Braut zum Altare führen. Das ist das Wenigste, was Sie thun können, Ihre Grausamkeit gegen das liebekranke Mägdchen einigermaßen wieder gut zu machen, das so lange als ein Dorn in meinem Fuße gesteckt hat, den nun Lismahago herausziehn will. Ich bin

Ihr

den 20ten Sept.

ergebenster   
M. Bramble.

Wir sind zu Buxton gewesen; mir gefiel aber weder die Gesellschaft noch die Bewirthung, und das Wasser brauchte ich auch nicht; also blieben wir nur zwo Nächte da.

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An Sir Watkin Philipps, im alten Jesuitercollegio zu Oxford.

Mein liebster Philipps,

Die Begebenheiten häufen sich, so wie wir weiter nach Süden kommen. – Lismahago hat sich nun öffentlich für den demüthigen Verehrer unsrer Tante erkläret, und die Begünstigung ihres Bruders berechtiget ihn, seine Bewerbungen fortzusetzen; so, daß wir gegen Weyhnachten gewiß eine Hochzeit in der Familie haben. Ich gäbe etwas darum, daß Sie bey dieser Vermählungsfeyer gegenwärtig seyn und mir helfen könnten, die Strumpfbänder zu lösen, und andre dergleichen Gelegenheitsceremonien zu verrichten. – Im Ernst, es soll dabey nicht traurig hergehn, und es wäre schon der Mühe werth, daß Sie einmal das Land durchzögen, um ein paar solcher Originalbilder zusammen im Bette zu sehen, wie ihnen ihre gestickte Nachtmützen kleiden werden; er, das Sinnbild des Wohllebens, und sie, das wahre Gemälde des Wohlwollens.

Vor diese angenehme Aussicht aber zog sich ein Gewölk, und wäre uns fast völlig entrückt, durch ein Mißverständniß der künftigen Schwäger, das sich unterdessen glücklich wieder aufgeklärt hat.

Vor einigen Tagen, als Onkel und ich einen Anverwandten besuchten, trafen wir in dessem Hause den Lord Oxmington, der uns auf den folgenden Mittag zum Essen bat, welche Einladung wir dann auch annahmen. – Wir ließen also unsre Damen unter Lismahagos Schutz in dem Gasthofe in einem Flecken, wo wir die Nacht vorher geschlafen hatten, und der eine gute halbe Stunde von Mylords Hause liegt. Wir giengen um Essenszeit hin, und fanden ein stattliches Gastmahl, das mit vielem Prunk einer Gesellschaft von etwa zwölf Personen aufgetischt wurde, von denen wir niemand kannten, oder vorher gesehn hatten – Seine Herrlichkeit ist vielmehr wegen seines Eigensinns und Hochmuths bekannt, als wegen seines Verstandes und wegen seiner Gastfreyheit; und, wahrhaftig, es war wohl zu merken, daß er seine Gäste bloß als solche Gegenstände betrachtete, die den Glanz seiner Pracht auffangen und zurückwerfen sollten. – Staat und Prunk war genug da, aber keine Höflichkeit; eine Menge von Complimenten, aber keine gesellige Unterredung. – Ehe der Nachtisch abgenommen worden, setzte unser hochadeliche Herr Wirth drey allgemeine Gesundheiten ein; darauf ließ er sich ein Glas Wein geben, bückte sich gegen alle seines Gäste auf der Reihe und wünschte uns einen guten Abend. Dieses war das Losungszeichen für die Gesellschaft, aufzubrechen, und sie gehorchten ihm auf der Stelle. Sie stunden alle auf, ausgenommen mein Onkel, den diese Art von Verabschiedung äußerst verdroß. – Er ward blaß und roth, biß sich stillschweigend die Lippen, blieb aber auf seinem Stuhle sitzen, daß sich also Se. Herrlichkeit genöthigt sah, uns von neuem einen Wink zu geben, und zu sagen: es würde ihm lieb seyn, uns auf eine andre Zeit länger bey sich zu sehen. »Keine Zeit ist so gut, als die Gegenwärtige; (sagte 'Squire Bramble,) Sie haben noch nicht einmal einen Bumper ausgebracht, auf uns Wohl und niemand Uebel.« – »Ich will heute auch keine Bumper mehr trinken,« (versetzte unser Wirth,) »und es thut mir leid zu sehn, daß Sie schon zu viele getrunken haben. – Laßt des Herrn seinen Wagen vor fahren.« – Mit diesen Worten stund er auf und gieng plötzlich hinaus; Onkel war zugleich mit aufgestanden, hatte seine Hand an den Degen gelegt, und ihn mit einem heftig drohenden Blicke angesehen. Als der Herr auf diese Art verschwunden war, befahl Onkel einem der Bedienten, er sollte die Zeche fodern, und als der Kerl antwortete, »hier ist kein Gasthof,« rief mein Onkel: »Nehm Ers nicht übel, Freund; ich sehe, Er hat Recht; der Wirth würde sonst höflicher seyn. Da hat Er indessen eine Guinee; nehm Er nur, und sag' Er seinem Herrn, daß ich seine Nachbarschaft nicht verlassen werde, bis ich Gelegenheit gehabt habe, ihm persönlich für seine Höflichkeit und Gastfreyheit zu danken.«

Hierauf giengen wir durch eine doppelte Reihe von Laqueyen die Treppen hinunter, setzten uns in den Wagen und fuhren nach Hause. Als ich den 'Squire so aus seiner Fassung sahe, wagte ichs, seinen Zorn zu mißbilligen, indem ich anmerkte, daß Lord Oxmington ganz bekannt sey, als ein Mann, mit dems unterm Hute nicht gar zu wohl bestellt sey; ein vernünftiger Mann sollte also über seine lächerliche Grobheit eher lachen, als sich ärgern. – Der 'Squire ward wrensch über meine Kühnheit, daß ich bey dieser Gelegenheit weiser thun wollte, als er, und sagte, bis hierher hab' er noch bey allen Vorfällen des Lebens für sich selbst gedacht, und wenn ichs erlauben wollte, möchte er sich noch wohl ferner diese Freyheit vorbehalten.

Als wir in unserm Gasthofe angelangt waren, schloß er sich mit Lismahago ein; und nachdem er ihm seine Beschwerden geklagt, ersuchte er ihn, er möchte zum Lord Oxmington gehn und in seinem Namen Satisfaction von ihm fodern. – Der Lieutenant nahm den Auftrag an, setzte sich augenblicklich zu Pferde und ritt nach Mylords Hause, wohin ihm, auf sein Verlangen, mein Kerl, Archy Macalpine, begleitete, weil er Kriegsdienste gethan hatte; und wahrhaftig, hätte Macalpine einen Esel geritten, so hätte man dieses Paar gar füglich für den Ritter de la Manch und seinen Stallmeister Sancho Panssa halten können. Es daurete einige Zeit, ehe Lismahago eine Privataudienz erlangen konnte, in welcher er Se. Herrlichkeit, im Namen des Herrn Bramble, förmlich zum Zweikampfe herausfoderte, und von ihm verlangte, er möchte Zeit und Ort bestimmen. Lord Oxmington war über diese Bothschaft so verwirrt, daß er in langer Zeit keine Sylbe antworten konnte, sondern stund und den Lieutenant mit sichtbaren Zeichen der Angst angafte. Endlich zog er heftig an einer Glocke und rief aus: »Wie, ein gemeiner Edelmann fodert einen Peer des Reichs zum Zweykampf! das brauch' ich nicht! – er ist nicht meines Gleichen! – Da, hier! da ist jemand, der bringt mir eine Ausfodrung von dem Wälschmanne, der an meinem Tische gespeiset hat. – Ein unverschämter Gast! – Mein Wein ist ihm noch nicht wieder aus dem Kopfe!«

Das ganze Hausgesinde kam alsobald in Bewegung – Macalpine zog sich mit seinen beyden Pferden als ein guter Soldat zurück; allein der Lieutenant ward plötzlich von den Laqueyen, die bey dieser Affaire von einem französischen Kammerdiener angeführt wurden, umringt und entwaffnet; sein Degen ward durch einen Nachtstuhl und er durch eine Pferdeschwemme gezogen. – In dieser Brühe kam er nach dem Wirthshause zurück, und war über den Schimpf fast ganz von Sinnen. Sein Aerger gieng so weit, daß es ihm gleichviel war, an wem er ihn ausließ. – Er fieng mit Onkel an zu zanken; er sagte, seinetwegen hätte er den Schimpf davon getragen, und also müßte er auch wegen des Ersatzes auf ihn sehn. – Onkel war den Augenblick parat, und bat ihn, er möchte nur sagen, was er verlangte. – »Sie müssen Lord Oxmington dahin bringen, daß er mir Satisfaction giebt; (sagt' er,) oder Sie müssen es selbst thun.« – »Das letzte ist das geschwindeste und leichteste:« (versetzte der 'Squire und sprang dabey auf,) »wenn Ihnen ein Gang gefällig ist, so kann ich Sie diesen Augenblick begleiten.«

Hier wurden sie von Tante Tabitha unterbrochen, welche alles gehört hatte, was vorgieng. Nun stürzte sie ins Zimmer, lief zwischen beyde, und sagte mit Angst und Schrecken: »Ist das die Liebe, die Sie für mich haben, daß Sie meinem Bruder nach dem Leben trachten?« Lismahago, der in eben dem Maaße kalt zu werden schien, wie mein Onkel warm ward, versicherte sie, er habe sehr viel Respect für ihren Herrn Bruder, aber doch noch mehr für seine eigne Ehre, welche wäre befleckt worden; wenn aber dieser Fleck einmal abgewaschen wäre, so würde er weiter keine Ursache zum Mißvergnügen haben. – Der 'Squire sagte, er würde es für seine Pflicht gehalten haben, des Lieutenants Ehre zu rächen; allein, da er sichs nun selbst eingebrockt hätte, so möchte er auch nun sehn, wie ers aussäße – Kurz von der Sache, diese beyden wunderlichen Köpfe wurden, durch die Vermittlung der Tabby, die Besinnung des Lieutenants, welcher merkte, daß ers zu weit getrieben hätte, und durch die Vorstellungen ihres gehorsamsten Dieners, welcher auch dazu gekommen war, völlig wieder ausgesöhnt; und darauf hielten wir Rath, auf was Art und Weise die Beleidigungen des trotzigen und verzagten Peers zu rächen wären; denn Onkel that einen nachdrücklichen Eid, daß er nicht ehe die Herberge, worinn wir waren, verlassen wollte, bis diese Scharte ausgewetzt wäre, und sollte er auch seine Weynachten darinn feyern.

Zufolge unsrer Berathschlagung ritten wir alle miteinander des nächsten Tages in einem Trupp nach des Lords Hause, selbst den Kutscher hatten wir beritten gemacht, und führten unsre geladne und gezogne Pistolen. Auf diese Art zum Treffen bereit, ritten wir langsam und in Parade dreymal vor der Pforte des Lords vorbey, daß er uns gewiß sehn, und die Ursache unsrer Erscheinung errathen mußte. Des Nachmittags, und auch des folgenden Morgens, wiederholten wir den nämlichen Ritt; allein weiter brauchten wir diese Uebung nicht fortzusetzen. – Um Mittag besuchte uns der Herr, in dessem Hause wir den Lord Oxmington zuerst gesehen hatten. Er kam, im Namen des Lords Entschuldigungen zu machen, welcher versicherte, er habe nicht die Absicht gehabt, meinen Onkel durch dasjenige zu beleidigen, was allemal in seinem Hause so die Gewohnheit gewesen wäre; und was die schimpfliche Begegnung anbeträfe, die dem Officier angethan worden, so wäre solches ganz ohne des Lords Wissen und Willen, und auf das bloße Anstiften seines Kammerdieners geschehen. – »Wenn sich die Sache so verhält,« (sagte mein Onkel in einem entscheidenden Tone,) »so will ich mich begnügen, wenn Lord Oxmington sich persönlich entschuldigt; und mein Freund, hoffe ich, wird damit zufrieden seyn, wenn der Lord den unverschämten Schurken aus seinen Diensten jagt.« – »Sir,« (rief Lismahago,) »ich muß auf persönliche Rache bestehen, denn ich bin persönlich beleidigt worden.«

Nach einigem Hin- und Wiederreden ward die Sache endlich folgender Gestalt beygelegt: Der Lord Oxmington traf uns in unsers Freundes Hause an, und bezeugte, daß ihm das Vorgefallene leid sey, und daß er nicht die Absicht gehabt habe, jemand zu beleidigen. Der Kammerdiener bat den Lieutenant knieend um Vergebung, als Lismahago, zu aller Gegenwärtigen Erstaunen, ihm mit dem Fuße ins Gesicht stieß, daß er davon auf den Rücken fiel, und dabey in einem wüthenden Tone sagte: » Oui, je te pardonne, Gueux! «

Ein so glückliches Ende nahm dieses gefährliche Abentheuer, welches unsrer Familie mit vielem und großem Verdrusse bedrohte; denn Onkel ist einer von den Leuten, die lieber Leib und Leben dran setzen, als wissentlich einen Fleck oder Makel auf ihrer Ehre und gutem Namen sitzen lassen. Se. Herrlichkeit hatte seine Entschuldigung nicht sobald aufgesagt, welches er mit schlechtem Anstande verrichtete, als er mit ziemlicher Verwirrung weggieng, und ich will wohl drauf wetten, daß er so leicht keinen Wälschmann wieder zum Essen bitten wird.

Wir verließen auch bald darauf diesen Kampfplatz, um unsre Reise fortzusetzen; allein so gradeaus mögen wir auch nicht gehn. – Wir besehn gerne die Städte, Landgüter und was sonst bey den Seiten unsers Weges sehenswerth ist; und also nähern wir uns nur mit kleinen Schritten den Gränzen von Monmouthsc hire. Aber laß unsern Weg noch so schief gehn, ich kenne nichts geraders, als die Richtung der Freundschaft, mit welcher ich bin

Ihr

den 28ten Sept.

ergebenster   
J. Melford. 

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An den Doctor Lukas.

Mein lieber Lukas,

Wie alt muß wohl ein Mann geworden seyn, wenn er sich von der Nothwendigkeit befreyet halten darf, seine Ruhe dem Punktilios einer nichtsbedeutenden Welt aufzuopfern? Ich bin in einer lächerlichen Ritterfahrt verwickelt gewesen, die ich Ihnen erzählen werde, wenn wir uns sprechen, und das, hoff' ich, soll nicht lange mehr aufgeschoben seyn, da wir nunmehr fast alle unsre Besuche abgelegt, und alles besehen haben, was uns nach meiner Meynung in unsrer Rückreise aufhalten konnte.

 

Als ich vor einigen Tagen von ungefähr in Erfahrung brachte, daß mein alter Freund Baynard auf seinem Landguthe wäre, so wollte ich doch nicht so nahe bey seiner Wohnung vorbey reisen, ohne ihn zu besuchen, ob gleich unser Briefwechsel seit verschiednen Jahren unterbrochen gewesen ist.

Das Andenken an unsre vorige innige Vertraulichkeit trat mir sehr nahe ans Herz, als wir uns dem Orte näherten, woselbst wir einen so manchen vergnügten Tag zusammen hingebracht hatten; allein, als wir bey dem Hause anlangten, konnte ich keinen von allen den Gegenständen wieder erkennen, die sich meinem Gedächtnisse so tief eingeprägt hatten. Die hohen Eichen, welche den Zugang beschatteten, waren niedergehauen, die eisernen Pforten am Ende desselben waren weggenommen, und der hohe Wall, welcher um den ganzen Hofplatz gieng, war abgetragen worden. Das Haus selbst, welches ehedem ein Cistercienser-Mönchskloster gewesen war, hatte ein ehrwürdiges Ansehen, und längst der Fronte, welche auf den Garten stieß, war eine steinerne Gallerie, auf welcher ich manchen Spaziergang gethan hatte, wenn ich zum Denken aufgelegt war. – Itzt ist diese alte Fronte mit einer Schaale von neumodischer Bauart überzogen, und alles Aeußere ist griechisch, und alles Innere gothisch. Der Garten lieferte ehedem die besten Früchte, die sich in England ziehen lassen; aber itzt findet man darinn nicht die geringste Spur mehr von Bäumen, Hecken oder Spalliers – Es ist nichts weiter zu sehn, als ein großer nackter Platz voll Mahlsand, mit einem trocknen Wasserbehälter, in dessen Mitte ein bleyerner Triton steht.

Sie belieben zu bemerken, daß Baynard bey seines Vaters Ableben ein schuldenfreyes Gut von funfzehn hundert Pfund Sterling jährlicher Einkünfte erbte, und dabey übrigens ein Mann war, der Fähigkeiten und Eigenschaften gnug besaß, um eine ehrwürdige Figur in der Welt vorzustellen. Einige jugendliche Ausschweifungen aber, und der Aufwand bey einer Parlamentswahl, die ihm streitig gemacht wurde, brachten ihm in einigen Jahren eine Schuldenlast von zehn tausend Pfund auf den Hals, welche er beschloß, durch eine kluge Heyrath zu tilgen. Er heyrathete also eine Miß Thomson, deren Brautschatz sich doppelt so hoch belief, als er schuldig war. – Sie war die Tochter eines Kaufmannes, der nach dem neuen Ausdrucke aufgehört hatte zu bezahlen; ihr Vermögen aber erbte sie von einem Onkel, der in Westindien gestorben war. – Ihre Aeltern waren beyde todt, und sie hielt sich bey einer Tante auf, welche über ihre Erziehung die Aufsicht gehabt hatte; und nach aller Wahrscheinlichkeit war sie zu den gewöhnlichen Zwecken des Ehestandes geschickt genug. Indessen waren ihre Tugenden mehr von der negativen als positiven Art. – Sie war nicht hoffärtig, nicht auffahrend, nicht eigensinnig, nicht der Verläumdung, dem Spielen oder der Gallanterie ergeben – Sie konnte Lesen und Schreiben, und Tanzen, und Singen, und an dem Clavier spielen, und Französisch plaudern, und ihre Parthie beym Whist oder Lomber mit machen; aber auch diese Vollkommenheiten besaß sie nur halb. In keinem Stücke war sie vortrefflich. Ihr Umgang war schläfrig, ihr Styl gemein, und ihr Ausdruck verworren. – Kurz, ihr Charakter war im eigentlichsten Verstande schaal. Ihre Person war nicht unangenehm; allein sie hatte nichts Einnehmendes in ihrem Wesen, und nichts Anziehendes im Umgange, und war so wenig geschickt, ihrem Manne bey seinen Freunden oder Gästen Ehre zu machen, daß man immer nach der Frau vom Hause anderwärts suchte; wenn sie gleich vor aller Augen öffentlich an ihrem Platze beym Tische saß.

Baynard hatte sich geschmeichelt, es sollte ihm ein leichtes seyn, eine solche Person nach seinem Sinne zu ziehn, und daß sie sich williglich nach seinen Absichten bequemen würde, welche gänzlich auf die häusliche Glückseligkeit gericht waren. Er hatte sich den Plan gemacht, beständig auf dem Lande zu leben, weil er solches bis zum Enthusiasmus liebte; auf seinem Landguthe die Wirthschaft zu führen, welche vieler Verbesserungen fähig war; der ländlichen Freuden und Bewegungen zu genießen; mit einigen Freunden, die in seiner Nachbarschaft wohnten, einen vertrauten Umgang zu halten; auf einen nicht geitzigen Fuß zu leben, ohne eben mehr als seine ordentlichen Einkünfte auszugeben; und seiner Gattin ein angenehmes Geschäfft aus der Regierung und Besorgung ihres Hauswesens zu machen. – Allein er mußte es bey dem Vorsatze bewenden lassen, den er niemals zur Ausführung bringen konnte. In allen Dingen, die die Führung eines Hauswesens betrafen, war seine Frau so unwissend, als ein neugebornes Kind; vom Landleben hatte sie keinen Begriff; ihr Verstand reichte nicht so weit, die ersten Gründe einer vernünftigen Haushaltungskunst zu begreifen; und wäre auch wirklich ihre Einsicht heller gewesen, so hätte ihr doch ihre natürliche Sorglosigkeit nicht erlaubt, einen gewissen Schlendrian zu verlassen, an den sie einmal gewöhnt worden. Sie hatte nicht Geschmack genug, an vernünftigen Ergötzungen Gefallen zu finden; ihre herrschende Leidenschaft war Eitelkeit; nicht diese, welche aus eingebildeten vorzüglichen Vollkommenheiten entsteht, sondern jene dumme Bastart Gattung, gezeugt von Flitterstaat und Prunk, wozu das Bewußtseyn von einigem persönlichen Verdienste nicht das Geringste beyträgt.

Als alle Geigen durchgespielt waren, die im Hochzeits-Himmel zu hängen pflegen, hielt es Herr Baynard für hohe Zeit, sie mit dem Inhalte seines entworfenen Plans bekannt zu machen. – Er sagt ihr, sein Vermögen sey freylich hinlänglich, um davon bequem und anständig zu leben, aber dazu reichte es nicht hin, alle den lächerlichen und unsinnigen Aufwand des üppigen und prahlenden Pomps zu bestreiten. – Er hoffe also, sie würde nichts dawider haben, daß sie künftigen Frühling London verließen, und daß er alsdann die Gelegenheit wahrnähme, einige überflüßige Bediente abzuschaffen, die er zu den Feyerlichkeiten ihrer Hochzeit angenommen hätte. – Sie hörte ihn stillschweigend an, welches noch einige Zeit dauerte, da er ausgeredet hatte; und dann sagte sie: »So soll ich also aufs Land begraben werden!« Er ward über diese Antwort so verwirret, daß er in einigen Minuten kein Wort vorbringen konnte; endlich sagt' er ihr, es thäte ihm sehr leid, zu finden, daß er Etwas vorgeschlagen habe, daß ihrem Sinne so sehr zuwider wäre. – »Glauben Sie mir aber,« (fuhr er fort,) »ich hatte keine andre Absicht dabey, als einen Plan zu machen, wie wir vergnügt leben könnten, ohne die Gränzen unsers Einkommens zu überschreiten, welches nicht unerschwinglich ist.« – »Sir,« (sagte sie,) »Sie müssen am besten wissen, was Sie zu thun haben; – mein bisgen Eingebrachtes, das weis ich, sind nur zwanzig tausend Pfund. – Aber, so wenig es ist, hätt' ich doch wohl damit an einen Mann kommen können, der mir ein Haus in London gegönnt hätte.« – »Um des Himmels Willen! Ich bitte Sie, mein Engel,« (rief Baynard voller Angst und Unruh, ) »halten Sie mich nicht für so karg. – Ich sagte nur, was ich meynte. – Allein ich verlange Ihnen nichts zu verhehlen.« – »O, Ja, Sir,« (fiel ihm die Frau ins Wort,) »Sie haben die Macht zu befehlen; ich weis, daß es meine Pflicht ist, zu gehorchen.« – Bey diesen Worten brach sie in Thränen aus, und gieng nach ihrem Zimmer, wo ihre Tante ihr zur Gesellschaft kam. – Er suchte sich zu fassen, und bey dieser Gelegenheit eine standhafte Seele zu zeigen; allein seine natürliche Zärtlichkeit des Gemüths, welche der größeste Fehler seiner Constitution ist, ward an ihm zum Verräther. Er fand die Tante in Thränen schwimmend, und die Nichte in einer Ohnmacht, die sehr lange daurete; am Ende begann sie ohne Zusammenhang von Tod, und ihrem geliebtesten Manne zu schwatzen, welcher die ganze Zeit bey ihr gesessen hatte, und nun ihre Hände an ihre Lippen drückte, und vor Reue und Betrübniß, daß er sie beleidigt hätte, nicht wußte wo er hin sollte! Von dieser Zeit an nahm er sich sorgfältig in Acht, das Land nur zu erwähnen; und sie wurden dadurch, daß sie in der Stadt, wie mans nennt, auf einen honetten und reputirlichen Fuß lebten, immer tiefer in den Strudel der Thorheit und Verschwendung hinein gezogen. – Gegen das Ende des Julii Monats wollte Madame Baynard doch ihrem Eheherrn einen Beweis ihres ehelichen Gehorsams geben, und verlangte aus eignem Antriebe, daß sie sein Landguth einmal besuchen möchten, weil in London keine Gesellschaft mehr übrig geblieben war. Er hätte diese Lustreise gerne abgelehnt, denn sie gehörte nicht in den ökonomischen Plan, den er entworfen hatte; allein sie beharrte darauf, daß sie seinem Geschmacke und seinen Vorurtheilen dieses Opfer bringen wollte, und sie reiseten fort mit einem Gefolge, worüber sich alle seine Landnachbarn wunderten. – Was noch vom Sommer übrig war, ward hingebracht, von der Nachbarschaft Besuche anzunehmen und solche wieder zu geben; und während dieser Zeit ward die Entdeckung gemacht, daß Sir John Chickwell einen Haushofmeister und einen Livereybedienten mehr hielte, als Herr Baynard. Diese Anmerkung machte die Tante über Tische, und der Hausvater bekräftigte solche mit dem Beyfügen, daß Sir John Chickwell ganz bequem mehr Bediente halten könnte, als ein Mann, der nicht halb seine Einkünfte hatte. Den Abend konnte Madame Baynard gar nicht essen, sondern ward herzlich krank, welches dann ihren Sieg über das Herz ihres Mannes vollkommen machte. Die beyden noch fehlenden Bedienten wurden angenommen. – Das Erbsilbergeräth ward für alt verkauft und ein neues angeschafft; Die Zimmer wurden modern möblirt, und im ganzen Hause das Unterste zu Oeberst gekehrt.

Als sie zu Anfange des Winters wieder nach London kamen, erzählt' er mir im Vertrauen alle diese Dinge mit sehr schwerem Herzen. Vor seiner Verheyrathung hatte er mich mit seiner Braut, als seinen genauen Freund bekannt gemacht; und als ein solcher war ich itzt erböthig, ihr die Nothwendigkeit vorzustellen, ihren Hausstand kleiner einzurichten, wofern ihr das Beste ihrer eignen Familie zu Herzen gienge, oder sie auch nur einige Gefälligkeit gegen die Neigungen ihres Ehemannes hatte. – Allein Baynard lehnte mein Anerbieten ab, unter der Voraussetzung, daß die Nerven seiner Frau zu schwach wären, Widerspruch zu ertragen; und daß es zu nichts dienen würde, als bloß ihr so viel Betrübniß zuzuziehen, daß er selbst dadurch elend werden müßte.

Baynard ist ein Mann, dem es nicht an Herzhaftigkeit fehlt; und hätte seine Frau gegen ihn die Amazone gespielt, so würde er gewußt haben, wie ers mit ihr anfangen sollen; zufälliger Weise aber, oder aus Instinkt, traf sie die weiche Seite seiner Seele, und hielt solche so fest, daß sie ihn seitdem beständig in ihrer Macht behalten hat. – Ich rieth ihm nachher, er sollte sie nach Frankreich oder Italien führen, woselbst er ihre Eitelkeit mit der Hälfte Aufwand befriedigen könnte, als es ihm in England kostete; und diesen Rath setzte er denn auch ins Werk. – Der Gedanke that ihr sehr sanft, daß sie fremde Länder und fremde Moden sehen, Königen und Königinnen vorgestellt werden, und mit Prinzen Umgang haben sollte. Sie faßte ganz begierig den Wink auf, den ich mir mit Fleiß hatte entfallen lassen, und drang sogar in ihren Mann, daß er die Abreise beschleunigen mußte. In wenigen Wochen darauf setzten sie über die See nach Frankreich, mit einem mäßigen Gefolge, worinn auch die Tante mit begriffen war, welche ihr Busemrather war, und ihr in allen Widersprüchen gegen den Willen ihres Mannes zum Rückenhalter diente. –

Seit dieser Periode habe ich wenig oder gar keine Gelegenheit gehabt, unsre vorige Bekanntschaft fortzusetzen. – Alles was ich von seinem Thun und Lassen wußte, bestund bloß darinn, daß sie nach einer Abwesenheit von zwey Jahren wieder zu Hause gekehrt waren, und so wenig von der Oekonomie gelernt hatten, daß sie sich in neue Seen von thörichtem Aufwande stürzten, welches dann endlich so weit gieng, daß Baynard einen Post Geld nach dem andern in sein Guth nehmen mußte. – Um diese Zeit hatte sie ihm drey Kinder geboren, wovon nur das Letzte am Leben geblieben; ein dummer Laffe von zwölf bis dreyzehn Jahren, aus dem nichts gutes werden kann, weil ihn die Mutter verzärtelt.

Was Baynard betrifft, so hat weder seine gute gesunde Vernunft noch die Furcht vor Armuth, oder die Fürsorge für seine Kinder, ihn so weit bringen können, daß er den Entschluß gefaßt hätte, das schändliche Joch abzuschütteln, das sie so sichtbar auf seine Schultern gelegt hat. – Mit einem Geschmacke an den feinsten Freuden der Seele, mit einem Herzen, das von wohlthätiger und menschenfreundlicher Wärme glühet, und mit Neigungen, die gänzlich nach dem vernünftigen Vergnügen eines ruhigen Landlebens hängen, läßt er sich in einem unaufhörlichen Getümmel herum jagen, zwischen einem Haufen von Geschöpfen, die sich an Schellen, Klappern und Spielpuppen ergötzen und deren Köpfe so leer von Gedanken und Begriffen sind, daß selbst die tiefste Philosophie schwerlich herausbringen wird, zu was weisen Zwecken der Fürsehung sie auf die Welt gesetzt sind. – In dem ewigen Kreise von Unsinn, in den er auf Zeitlebens gebannt ist, findet keine Freundschaft oder der Genuß solcher Freuden, wornach er seufzet, Statt. Er hat schon längst den Gedanken aufgegeben, durch Sparsamkeit und Aufsicht über Landwirthschaft, in welcher er so viel Vergnügen fand, seine Umstände zu verbessern; und von häuslicher Glückseligkeit bleibt ihm nicht der geringste Funken von Hoffnung, um seiner Einbildung zu schmeicheln. Da ihm auf diese Weise alle seine Aussichten vermauret sind, so konnt' es nicht fehlen, Verdruß und Melancholey mußten sich seiner bemeistern, und sie haben auch dergestalt an seinem Gemüthe und seiner Gesundheit genaget, daß er nun von einem auszehrenden Fieber bedrohet wird.

Hier haben Sie also die Skitze des Mannes, den ich vor einigen Tagen besuchte. – An der Pforte fanden wir eine Menge gepuderter Laqueyen, aber keine Höflichkeit. – Nachdem wir eine ziemlich lange Zeit in der Kutsche gehalten hatten, brachte man uns die Nachricht, daß Herr Baynard ausgeritten, und Madame beym Ankleiden begriffen wäre; unterdessen führte man uns in ein Besuchzimmer, das so fein und aufgeputzt war, daß es nach aller Wahrscheinlichkeit zum besehen, und nicht zum bewohnen seyn mußte. Die Sofah's und Lehnstühle waren mit vergoldetem Schnitzwerke gezieret und mit schwerem Damast überzogen, dabey so sanft und geglättet, daß es aussah, als ob noch nie ein Mensch darauf gesessen hätte. Ein Fußteppich war nicht da, aber der getäfelte Boden war so gebohnt und gewächset, daß wir nicht darauf gehen konnten, sondern darauf fortglitschen mußten, und der Ofen war viel zu blank polirt, daß er hätte sollen mit Steinkohlen oder anderm Dampfe von grobem Feuer in Gefahr gesetzt werden, anzulaufen oder verunreinigt zu werden – Als wir schon über eine halbe Stunde zugebracht hatten, den ungeselligen Gottheiten dieses Tempels der kalten Aufnahme zu opfern, kam mein Freund Baynard zu Hause, und als er hörte, daß wir da waren, kam er gleich zu uns; ich fand ihn so mager, gelb, und verfallen, daß ich ihn wirklich an einem dritten Orte nicht gekannt hätte. – Er lief mit großer Begierde auf mich zu und drückte mich in seine Arme, wobey sein Herz so voll war, daß er in einigen Minuten nicht sprechen konnte. – Nachdem er uns alle bewillkommt hatte, ward er die unlustige Lage gewahr, worinn wir uns befanden, und führte uns in ein anders Zimmer, wo Feuer im Camine brannte, und foderte Chokolat. – Als er darauf sich einen Augenblick entfernt hatte und wieder kam, bracht' er uns ein Compliment von seiner Frau und präsentirte uns zugleich seinen Sohn Heinrich, einen tölpelischen, triefäugigen Knaben, in Husarenhabit. Er war ungesittet, dummdreist und unverschämt. – Sein Vater hätte ihn gern in eine Schule in die Kost gethan; allein seine Mama und ihre Tante wollten nichts davon hören, daß er bey fremden Leuten im Hause schlafen sollte; also ward ein Candidat angenommen, der ihn im Hause unterrichten sollte. Da es eben erst zwölf Uhr, und das ganze Haus in Bewegung gesetzt war, um ein feyerliches Gastmal zuzubereiten: so sah' ich voraus, daß es spät werden dürfte, ehe wir äßen, und schlug also Herrn Baynard einen Spatziergang vor, damit wir desto freyer mit einander reden könnten. Auf dieser Promenade sagte ich ihm unter andern, daß es mich wunder genommen, warum er so bald von Italien zurückgekommen wäre? worauf er mir zu verstehen gab: daß seine Reise keinesweges dem Zwecke entsprochen, den er sich dabey vorgesetzt hätte; daß man zwar freylich in Italien wohlfeiler leben könnte, als in England, wenn man in beyden Ländern einerley Rang beobachtete; für ihn aber habe man es nöthig gefunden, sich etliche Stufen höher zu heben, um sich mit den Grafen, Marquis und Vornehmen von Adel, mit denen er Gesellschaft hielt, auf einen Fuß zu setzen – Er war genöthigt, eine große Anzahl Bediente zu miethen, eine reiche Garderobbe anzuschaffen, und für die feinen Schmarutzer des Landes eine leckere Tafel zu führen; denn durch dergleichen Einladungen werden die Herrn bewogen, einem unbetitelten Fremden, sein Vermögen und sein Geschlecht möchte übrigens noch so ansehnlich seyn, mit einiger Achtung zu begegnen. – Ueberdem war Madame Baynard beständig mit einem Troß von geldspielenden Pflastertretern umgeben, unter den Namen von Sprachmeistern, Musikmeistern, Zeichenmeistern und Ciceronis; und dabey war ihr wirklich die Krankheit überkommen, daß sie Gemälde und Antiken nach ihrem eignen Urtheile kaufte, welches denn freylich nichts weniger als unfehlbar war. – Endlich wiederfuhr ihr eine Kränkung, welche ihr Italien zuwider machte, und sie, beynahe mit Uebereilung, wieder nach England trieb.

Die Herzoginn von B** war zu gleicher Zeit zu Rom und gab Conversazione, bey welchen sich Madame Baynard als eine Landsmänninn fleißig einfand; hierdurch ward sie mit allen Vornehmen der Stadt bekannt, und ohne alle Bedenklichkeiten zu ihren Assembleen zu gelassen. – Diese Ehre gab ihr einen zu hohen Begriff von ihrer eignen Wichtigkeit, und als die Herzoginn Rom verließ, beschloß sie, eine Conversazione zu geben, die den Römern keine Ursach lassen sollte, die Abreise der Herzoginn zu bedauren. Sie bestellte die Virtuosen und Musikanten zum Concerte, und sandte an alle vornehme Personen Einladungskarten; allein bey ihrer Assemblee erschien auch nicht eine einzige Römerinn. – Noch denselben Abend ward sie heftig krank und blieb drey Tage bettlägrig, nach deren Verlauf sie erklärte: die Luft in Italien würde ihre Gesundheit zu Grunde richten. Um dieses Unglück zu verhüten führte man sie eilig nach Genf, und von da giengen sie über Lyon und Paris nach England zurück. Um die Zeit, daß sie zu Calais anlangten, hatte sie so viel Seidenzeuge, Stoffen und Spitzen zusammen gekauft, daß es nöthig war, ein Fahrzeug zu miethen, um diese Contrebande heimlich einzuschleppen; und dieses Fahrzeug ward durch ein Zollschiff weggenommen; auf diese Art gieng die ganze Ladung verloren, die ihnen über acht hundert Pfund kostete.

Nun zeigte sichs auch, daß das Reisen keine andre Wirkung auf sie gethan hatte, als daß sie noch verschwendrischer und fantastischer wie vorher geworden war. – Sie wollte nun mit aller Gewalt den Ton in der Mode angeben; nicht bloß im weiblichen Auge alleine, sondern auch in jedem andern Artikel des Geschmacks oder der Liebhaberey. Sie entwarf eine Zeichnung von der neuen Fazade ihres Landhauses; ließ die Bäume ausgraben, und die Wallmauren des Gartens niederreißen, damit daß der Ostwind freyen Weg hätte, den Baynards Vorältern mit so vieler Mühe abgewehrt hatten. Um ihren Geschmack in der Anlage eines Gartens zu zeigen, bemächtigte sie sich eines vorher verpachteten Grundstücks, von zweyhundert Morgen Landes, ungefähr eine halbe Meile vom Hause gelegen, welches sie in Alleen und Haage austheilte; mit einem großen Wasserbehälter in der Mitte, in den sie einen ganzen Bach leitete, der vorher zwey Mühlen trieb, und die besten Forellen in der Grafschaft hatte. Indessen war der Grund des Behälters so undicht, daß er das Wasser nicht halten wollte, welches sich durch die Erde sog, und aus dem ganzen Lustgarten einen Erlensumpf machte. Kurz, das Land, welches ihm jährlich hundert und funfzig Pfund Sterling Pacht eingetragen hatte, kostete ihm nunmehro jährlich zwey tausend des Jahres, um es in erträglicher Ordnung zu erhalten, nicht mitgerechnet die erste Auslage für Bäume, Buschwerk, Blumen, Rasen und Griessand. Um das ganze Haus war nicht ein Zoll breit Erde zum Gartenbau gelassen, eben so wenig ein einziger Fruchtbaum; er gewann eben so wenig ein Bund Heu oder eine Metze Hafer fürs seine Pferde, hielt auch nicht eine einzige Kuh, die ihm die Milch zum Thee gegeben hätte; auf Meilen weit konnte er nicht darauf denken, für seinen eignen Tisch Schafe, Schweine und Federvieh zu füttern. Alles, bis zum geringsten Artikel in der Haushaltung, ward von einem drey bis vier Stunden weit gelegenen Marktflecken geholt, und dahin ward alle Morgen ein Bothe zu Pferde geschickt, der die heißen Wecken zum Frühstück brachte. Mit einem Worte, Baynard gestand gerade heraus, daß er zweymal so viel verzehrte, als er einzukommen hätte, und daß er in wenigen Jahren genöthigt seyn würde, sein Landguth zu verkaufen, um seine Gläubiger zu bezahlen. Er sagte, seine Frau habe so empfindliche Nerven, und sey so schwachmüthig, daß sie weder Vorstellungen ertragen, wenn sie auch noch so sanft wüten, noch Projecte der Einschränkung ins Werk richten könnte, ob ihr gleich die Nothwendigkeit solcher Maaßregeln ganz deutlich einleuchteten. Er habe also aufgehört, gegen den Strom zu schwimmen, und sich bestrebt, mit Gelassenheit dem Untergange entgegen zu sehen, da er dabey wenigstens den Trost hätte, daß sein Kind seiner Mutter Vermögen erben würde, welches ihm durch den Ehezärter versichert worden. Seine Erzählung aller dieser Umstände erfüllte mich mit Betrübniß und Zorn zugleich: Ich zog mit Bitterkeit auf die Unbesonnenheit seiner Frau los, und ihm selbst warf ich die unmännliche Folgsamkeit gegen ihre unvernünftige Tyranney vor, die sie über ihn ausübte. Ich vermahnte ihn, ein Herz zu fassen, und durch einen überlegten muthigen Streich sich aus dieser schändlichen Sclaverey zu befreyen. Ich erbot mich, ihm aus allen Kräften beyzustehen. Ich nahm es über mich, seine Sachen aufs Reine zu bringen, und sogar eine andre Ordnung in seiner Haushaltung einzuführen, wenn er mir nur Macht ertheilen wollte, einen Plan, den ich zu seinem Besten entwerfen würde, durchzusetzen. Die Sache gieng mir so sehr zu Herzen, daß ich bey meinen Vorstellungen wider meinen Willen Thränen fallen ließ und Baynard ward über diese Zeichen meiner Zuneigung so gerührt, daß er kein Wort hervorbringen konnte. Er drückte mich mit großer Bewegung an seine Brust und weinte stillschweigend. Endlich rief er aus: »Freundschaft ist gewiß der köstlichste Balsam des Lebens! Ihre Worte, liebster Bramble, haben mich gewissermaßen aus einem Abgrunde der Verzweiflung gerissen, in welchem ich lange betäubt gelegen habe. Auf meine Ehre! ich will Ihnen einen genauen Zustand meiner Affairen vorlegen, und so weit es in meinen Kräften steht, will ich den Maaßregeln folgen, die Sie mir vorschreiben werden. Allein es giebt gewisse Ziele, die meine Natur – Glauben Sie mir, es giebt zärtliche Banden, wovon ein niemals verheyratheter Mann keinen Begriff hat. Soll ich meine Schwachheit gestehn? Ich kann den Gedanken nicht ausstehn, meiner Frau Kummer zu machen.« – »Und dennoch,« (sagt' ich,) »hat sie Ihr Unglück seit einer Reihe von Jahren angesehen. Sie sah Sie unglücklich durch ihre schlechte Wirthschaft, und zeigte doch niemals die geringste Neigung, Ihnen Ihre Last zu erleichtern.« »Dem ohngeachtet, (sagt' er,) bin ich überzeugt, sie liebt mich mit der wärmsten Zuneigung; allein, das sind Widersprüche in dem Wesen der menschlichen Seele, welche ich für unerklärbar halte.«

Ich ärgerte mich über seinen bethörten Eigensinn, und lenkte das Gespräch auf Etwas anders, nachdem wir einig geworden waren, hinführo einander fleißig zu schreiben. – Er gab mir darauf zu verstehn, daß er zwey Nachbarn hätte, welche, eben wie er, von ihren Weibern auf der Heerstraße zum Verderben und Bankrott in vollem Galoppe getrieben würden. Die Ehemänner wären alle drey von ganz verschiedener Gemüthsart, und gerade nach dieser Verschiedenheit wären ihre Gehülfinnen recht wie für einen jeden ausgesucht, um sie nicht vom Gängelbande loszulassen. Die Wünsche der Damen sind genau dieselben. Sie ampeln nach der Größe, das ist, nach dem Großthun der Frau des Sir Charles Chickwell, welcher viermal so reich ist, als ihre Männer; und diese spornt sich an, eine gleiche Figur mit einer benachbarten Gräfinn zu machen, deren Reichthum den ihrigen dreymal in sich fasset. Hier ward also die Fabel vom Ochsen und Frosche in vier Exempeln im Ernste gespielt, und zwar in einer kleinen Grafschaft. Ein großes und drey mäßige Vermögen waren auf dem rechten Wege durch den Zünder der weiblichen Eitelkeit in die Luft gesprengt zu werden; und bey dreyen von diesen Exempeln wurden drey verschiedne Arten von weiblicher Tyranney angewendet. Herr Baynard ward dadurch unters Joch gebracht, daß man auf die Zärtlichkeit seiner Natur wirkte. Herr Milksan, ein Mann von furchtsamen Gemüthe, schmiegte sich unter der pazzigen Herrschaft eines Höllenbesems. Herr Sowerby, der von einem solchen Temperamente ist, daß er sich weder durch Anfälle von Ohnmachten bewegen, noch durch Drohungen von der Stelle bringen läßt, dem hat das Glück eine Ehefreundinn beschieden, welche ihn mit Waffen der Ironie und Satyre angreift. Zuweilen sagt sie ihm beissende Complimente; zuweilen macht sie bittre Vergleichungen, wodurch sie ihm seinen Mangel an Geschmack, an Herz und Großmuth fühlen läßt, und durch diese Mittel reizt sie seine Leidenschaften von einer ausschweifenden Thorheit zur andern, gerade als es die Umstände ihrer Eitelkeit erfodern.

Alle diese drey Damen haben gegenwärtig gleichviel Pferde, Wagen und Bediente, in und außer Liverey; gleichviel Abwechslung in Kleidungen; gleichviel Silbergeräth und Porcellain. Einerley Pracht und Zierrath in ihren Zimmern; und bey ihren Gastereyen trachten sie beständig, es einer der andern in der Menge und der Köstlichkeit ihrer Gerichte zuvorzuthun. Ich glaube, wenn mans recht untersuchte, so würde man finden, daß neunzehn von zwanzigen unter denen, die sich durch eine thörichte Verschwendung zu Grunde richten, von der lächerlichen Eitelkeit und Hoffart einfältiger Weiber hingeopfert werden, deren Verstand und Einsicht selbst von denen Männern verächtlich geschätzt werden, welche sie ausplündern und am Seilchen führen.

Dem Himmel sey Dank, mein lieber Lukas, daß ich, bey allen andern Thorheiten und Schwachheiten der menschlichen Natur, gleichwohl noch nicht in die verfallen bin, mich zu verheyrathen.

Nachdem Baynard und ich über diese Dinge lange genug hin und her gesprochen hatten, giengen wir wieder nach dem Hause zu, und begegneten Jerom mit unsern beyden Frauenzimmern, die sich gleichfalls auf einen Spatziergang gemacht hatten, weil die Dame vom Hause bis dahin noch nicht zum Vorscheine gekommen war. Ueberhaupt ließ uns Madame Baynard ihr Antlitz nicht eher sehen, als eine Viertelstunde vorher, ehe das Essen aufgesetzt wurde. Alsdann führte ihr Mann sie, ihre Tante und ihren Sohn ins Besuchzimmer, und sie bewillkommte uns mit einer solchen Kälte und Zurückhaltung, daß die Gastfreyheit in Person davon hätte erstarren mögen. Ob sie gleich wußte, daß ich ihres Mannes vertrauter Freund gewesen, und sie mich auch in London oft bey ihm gesehn hatte, so that sie doch nicht, als ob sie mich kennte, oder ich ihr im geringsten Etwas angienge, als ich sie aufs höflichste und freundschaftlichste begrüßte. Sie sagte nicht einmal die gewöhnlichsten Complimente: Es ist mir angenehm, Sie zu sehen; oder, ich hoffe, Sie haben sich beständig wohl befunden, seitdem wir das Vergnügen gehabt haben, Sie zu sehen; oder dergleichen Redensarten: eben so wenig that sie den Mund auf, um meine Schwester und Nichte willkommen zu heißen, sondern saß da stumm wie eine Bildsäule, und schien auch eben so wenig zu empfinden. Ihre Tante, das Modell, nach dem sie gebildet worden, war auch wirklich der wahre Inhalt des langweiligen Sittengepränges: der große Junge war dafür desto naseweiser und unverschämter; dem stund das Maul nicht einen Augenblick stille.

Bey Tische setzte Madame eben die unhöfliche Gleichgültigkeit fort; sie sagte kein Wort, als was sie ihrer Tante ins Ohr raunte. Was die Mahlzeit anbetrifft, so bestand solche aus einem Braß von Gerichten, die ein französischer Koch zusammengerührt hatte, ohne eine einzige herzhafte Schüssel, davon ein Engländer sich satt essen können. Die Suppe war nicht viel besser, als Brodt in Küchenspühlig geweicht, lauwarm. Die Ragouts sahen aus, als ob sie schon einmal gegessen und halb verdauet wären: die Fricassées wurden in einem schmierigen gelben Muse aufgesetzt, und die Rotîs waren versengt und stunken, pour avoir le fumet delicat . Der Nachtisch bestund in welken Früchten und gefrornem Schneemus, ein schönes Sinnbild von dem Charakter unsrer Wirthinn; das Tafelbier war sauer, das Wasser unrein, und der Wein schaal. Dahingegen paradirte viel Silberzeug und chinesisch Porzellain, und hinter jedem Stuhle stund ein gepuderter Laquey, ausgenommen hinter Wirth und Wirthinn, die wurden von zween Valets bedient, welche wie feine Herrn gekleidet waren. – Es ward in einem grossen altem gothischen Saale gespeiset, welcher ehemals die Gesindediehle war. Er war itzt mit einem Fußboden von Marmor versehen, welcher, obgleich schon vor einer Stunde Feuer im Camine angemacht worden, mich mit einer solchen Empfindung von Frost überströmte, das mir die Zähne im Munde klapperten, als ich den Fuß darauf setzte – Mit einem Worte, alles war hier kalt, widrig und abschreckend, ausgenommen die Blicke meines Freundes Baynard, aus welchen die Wärme seiner Freundschaft und Menschlichkeit hervorstrahlte.

Nach Tische begaben wir uns in ein ander Zimmer, wo der Knabe anfieng, meiner Nichte Liddy ganz unverschämter Weise lästig zu fallen. Er meynte, sie könnte doch wohl sein Spielkamerad seyn, und er würde gerne mit ihr herumgetobt haben, wenn sie es hätte leiden wollen – Er war sogar dummdreist genug, sie unversehens zu küssen, worüber sie roth wurde, und unruhig schien; und ob ihm gleich sein Vater seine Grobheit verwies, so trieb er solche doch noch so weit, daß er ihr mit der Hand in die Schnürbrust fuhr. Allein diese Beleidigung konnte sie nicht so hingehn lassen, ob sie gleich sonst eins der sanftmüthigsten Geschöpfe auf der Welt ist. Ihre Augen funkelten vor Zorn; sie flog vom Stuhle auf und gab ihm eine solche Ohrfeige, daß er davon nach der andern Seite des Zimmers taumelte.

»Miß Melford, (rief sein Vater,) Sie haben ihm gegeben, was ihm nöthig war. – Es thut mir nur leid, daß mein Kind so unartig seyn, und Ihnen Gelegenheit geben muß, Ihre Entschlossenheit zu zeigen, die ich billigen und bewundern muß.« Seine Frau war weit entfernt, seiner Entschuldigung beyzutreten; sie stund vielmehr auf, nahm ihr Söhnchen bey der Hand und sagte: »Komm, Kind; Dein Papa kann Dich nicht leiden!« und so gieng sie mit dem hoffnungsvollen Knaben davon, und ihre Tante folgte ihr auf dem Fuße nach: keine von beyden aber that, als ob noch mehr Leute im Zimmer vorhanden gewesen wären.

Baynard war hierüber in außerordentlicher Verlegenheit; ich merkte aber, daß seine Unruhe mit Aerger vermischt war, und zog aus dieser Entdeckung eine gute Vorbedeutung. Ich bestellte, daß man anspannen sollte, und ob er sich gleich Mühe gab, uns die Nacht über zu behalten: so beharrte ich doch dabey, daß wir das Haus gleich verlassen müßten. Vorher nahm ich aber noch Gelegenheit, mit ihm allein zu sprechen. Ich sagte ihm alles, worauf ich mich nur besinnen konnte, um ihn zu bewegen, daß er einen Ernst dazu thun möchte, sich aus den schändlichen Stricken zu befreyen. Ich machte mir kein Gewissen, ihm rund heraus zu sagen, daß seine Frau der zärtlichen Gefälligkeit nicht würdig sey, die er für ihre Schwachheiten gezeigt hatte, daß sie allem wahren Gefühle der ehrlichen Liebe abgestorben; keine Empfindung von ihrer eignen Ehre und Vortheil habe, und ohne allen Menschenverstand und Ueberlegung handle. Ich beschwur ihn, er möchte daran denken, was er seinem väterlichen Hause, seinem eignen guten Namen, seiner Familie schuldig wäre, selbst nicht ausgenommen seiner unvernünftigen Frau, die so blindlings in ihr eignes Verderben rennte. Ich rieth ihm, auf einen Plan zu denken, wie er die überflüßigen Ausgaben einschränken könnte, und zu versuchen, die Tante von der Nothwendigkeit einer solchen Reformation zu überzeugen, damit solche ihre Nichte nach und nach zu der Ausführung vorbereiten möchte; und dabey vermahnte ich ihn, dieß häßliche Erbstück aus dem Hause zu schaffen, wenn er fände, daß sie seinen Vorschlägen zuwider wäre.

Hier unterbrach er mich mit einem Seufzer, und meynte, ein solcher Schritt würde seiner Frau gewiß das Leben kosten. – »Ich werde noch alle Geduld verlieren« (rief ich,) »wenn ich solche Schwachheiten von Ihnen höre. – Madame ihre Ohnmachten werden ihrer Gesundheit keinen Schaden thun. Ich glaube auf mein Gewissen, sie sind alle nachgemacht. Ich bin gewiß, daß sie kein Gefühl für Ihre Noth hat; und sind Sie erst zu Grunde gerichtet, so wird sichs auch zeigen, daß sie für ihre eigne kein Gefühl hat.« Endlich ließ ich mir sein Ehrenwort geben, daß er sich bestreben wolle, meinen Rath auszuführen; daß er einen neuen Entwurf für seine Wirthschaft machen wollte, und falls er solchen ohne meinen Beystand nicht zu Stande bringen könnte, wollte er diesen Winter nach Bath kommen, woselbst ich ihn anzutreffen versprach, und alles zu thun, was in meinem Vermögen stünde, um seine Umstände aus der Verwirrung zu reißen. Mit diesen gegenseitigen Versprechen giengen wir auseinander, und ich werde mich sehr glücklich schätzen, wenn durch meine Vermittelung ein würdiger Mann, den ich liebe und hochschätze, aus Elend, Jammer und Verzweiflung gerissen werden kann.

Ich habe nur noch einen Freund in hiesiger Gegend zu besuchen, der aber mit Baynard in der Gemüthsart ganz und gar verschieden ist. Sie haben mich wohl ehedem Sir Thomas Bullford nennen gehört, mit dem ich in Italien bekannt wurde. Er ist ein Landjunker geworden; allein da ihn das Podagra hindert, sich Zeitvertreib außer dem Hause zu schaffen: so sucht er sich damit im Hause zu belustigen, daß ihm jedermann willkommen ist, der ihn besucht, und daß er sich aus den Seltsamkeiten und Eigenheiten seiner Gesellschaft ein Clavier macht, auf dem er spielt; unterdessen ist er gewöhnlicher Weise selbst das größte Original an seinem Tische. Er ist sehr fröhlichen Herzens, spricht viel und lacht noch mehr. Wie man mir gesagt hat, macht er itzt keinen andern Gebrauch von seinem Verstande, als, daß er seine Gäste in solche poßirliche Stellungen zu bringen versucht, daß man darüber lachen muß. Ich weis nicht, wieviel Zeitvertreib von dieser Art wir ihm werden geben können, allein ich bin entschlossen, ihm einen unvermutheten Besuch zu geben, theils, um mit dem Knight selbst Eins zu lachen, und theils der Dame meine Aufwartung zu machen, welche ein verständiges, gutherziges Frauenzimmer ist, mit der er auch sehr vergnügt lebt, ob sie gleich nicht das Glück gehabt hat, ihm einen Erben zu seinen Gütern zu bringen.

Und nun, mein liebster Doctor, muß ich Ihnen zu Ihrem Troste sagen, daß Sie der einzige sterbliche Mensch sind, an den ichs wagen möchte, eine so lang ausgehaspelte Epistel zu schreiben, allein ich konnte es nicht übers Herz bringen, sie abzukürzen, weil die Sache, wovon ich geschrieben, die wärmsten Leidenschaften meiner Seele in Bewegung gesetzt hat. Und warum, am Ende, entschuldige ich mich auch gegen einen Correspondenten, der schon längst gewohnt ist, meine Art zu ertragen? Sie kennen ja

Ihren

den 30sten Sept.

M. Bramble.

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An Sir Watkin Philipps, im alten Jesuitercollegio zu Oxford.

Mein liebster Baronet,

Ich glaube, ich muß von Natur ein wenig boshaft seyn, weil es mich so herzlich ergötzen kann, wenn ich sehe, daß gewisse Leute von unnützer Furcht geplagt werden. – Vergangene Nacht haben wir in dem Hause des Sir Thomas Bullford zugebracht; es ist ein alter Bekannter meines Onkels; ein drolliger Kumpe von mäßigem Verstande, welcher, Trotz dem Podagra, das ihn gelähmt hat, entschlossen ist, bis an sein seliges Ende zu lachen, und er hat einen eignen Handgriff, aus seinen Gästen Stoff zum Lachen zu pressen, sollten sie auch noch so trockner oder grißgrämmiger Natur seyn. – Außer der Gesellschaft, die wir hinbrachten, fanden wir einen fettköpfigen Friedensrichter, mit Namen Frogmore, und einen Bauernwundarzt, der unsers Wirthes vornehmster Gesellschafter und Vertrauter zu seyn schien. – Wir fanden den Knight auf einem Ruhbette sitzend, die Krücken zu seiner Seite und seine Füße auf Kissen liegend; nicht desto weniger empfieng er uns mit einem herzlichen Willkommen, und schien sich dabey über unsre Ankunft wirklich zu freuen. – Nach dem Theetrinken spielte uns Lady Bullford eine Sonate auf dem Clavecimbel vor. Sie sang und spielte sehr schön; allein Sir Thomas schien wohl eben nicht mit dem feinsten Gehöre begabt zu seyn, ob er sich gleich stellte, als ob ihn die Musik entzückte, und er seine Frau bat, uns eine Arietta von ihrer eignen Composition hören zu lassen. Denn Sie hatte diese Arietta nicht so bald angefangen, als er und der Richter einschliefen; sobald sie aber aufhörte zu spielen, wachte Sir Thomas mit Schnarchen auf, rief aus: » O cara ! Nun, was sagen Sie, meine Herrn? Wollen Sie nun noch viel von Ihrem Pergolesi, Ihrem Corelli sprechen?« Zu gleicher Zeit legt' er seine Zunge in eine Backe, und schielte mit seinem verzerrten Auge nach der linken Seite, wo der Doctor und ich saßen; diese Pantomine endigte er mit einem lauten Gelächter, welches ihm so oft zu Gebote steht, als er will. Er ließ sich des Abends bey Tische von seinem Podagra keine Fasten auflegen, und ließ sich auch kein Glas vorbey gehn, wenn eine Gesundheit Rund ging; vielmehr beförderte er ihren schnellen Lauf durch Beyspiele sowohl als Vermahnungen.

Ich ward bald gewahr, daß der Wundarzt sich bey dem Baronet sehr nothwendig gemacht hatte. – Er war der Wetzstein seines Witzes, die Scheibe, wornach er seine Pfeile abschoß, und sein Bolzenverschießer, wenn er gelegentlich an einem Fremden einen sinnigen Streich versuchen wollte. Der Richter Frogmore war ein vortreffliches Subject für dergleichen Experimente. Er war rund und fett, feyerlich und einfältig; er hatte seinen Burn mit ungemeinem Fleiße studirt, aber auf nichts studirte er mehr, als auf die Kunst, wohl zu leben, das heißt: gut zu essen und zu trinken. – Dieses fette Stück Gewild hatte unserm Wirthe schon mehr als eine Jagdlust gemacht; und diesen Abend durch ward er verschiedenemal vorgetrieben, wobey er lustige Sprünge machte. Allein des Baronets Begierde nach Lächerlichkeiten schien am meisten durch Lismahagos Person, durch seine Reden und Mienen gereitzt zu seyn, denn er ließ kein Mittel unversucht, ihn vor den Schirm zu bringen; mir fiel aber dabey ein Kampf ein, dem ich einst zwischen einem jungen Hunde und einem alten Stachelschweine zusah: der Hund wälzte seinen Feind hin und her, und kratzte, und sprang dagegen an und bellte; so oft er aber beissen wollte, prickelte es ihm im Maule, und er prallte schimpflich ab. – Wenn man den Lieutenant stille und zufrieden läßt, so unterläßt er nicht, seine lächerliche Seite auswärts zu kehren, wenn er aber merkt, daß ihn jemand dazu nöthigen will: so wird er hartmäulig, wie ein Packpferd, und unlenkbar, wie ein wilder Elephant.

Der Richter mußte zu verschiedenen ziemlich lustigen Einfällen herhalten; er aß des Abends übermäßig stark, und unter andern einen großen Teller voller Schwämme, die er nicht sobald weggeputzt hatte, als der Doctor sehr ernsthaftig anmerkte, sie wären von der Gattung, die man Champignons nennte, und wären für viele Naturen so gut, als Gift. – Bey dieser Anmerkung stutzte Herr Frogmore, und fragte mit ängstlichem Gesicht: warum er nicht die Güte gehabt hätte, das vorher zu sagen? Er antwortete, weil er ihn so herzlich davon habe essen gesehen, so hab' er gedacht, er kenne das Gerichte; allein da es schiene, als ob er ein wenig besorgt wäre: so wollte er ihm ein gut Glas Pestwasser verordnen. Der Richter trank solches alsobald und begab sich darauf zur Ruhe, nicht ohne Zeichen von Angst und Besorgniß.

Um zwölf Uhr des Nachts zeigte man uns unsre Schlafkammern, und vor halb Ein lag ich schon schlafend im Bette. Um drey Uhr aber des Morgens ward ich durch ein jämmerliches Geschrey, Feuer, Feuer! aufgeweckt, so, daß ich aufsprang und im bloßen Hemde ans Fenster lief. – Die Nacht war dunkel und stürmisch, und eine Menge halb angekleideter Leute lief mit Fackeln und Leuchten in großer Unordnung und Schrecken hin und her. – Ich warf plötzlich meine Kleider über, und lief die Treppe hinunter, da ich denn beym Nachfragen erfuhr, daß das Feuer in einer Hintertreppe wäre, die zu des Lieutenants Zimmer im zweyten Stockwerke, in einem allein gelegenen Hause, gienge. – Der Lieutenant war auch schon durch das Geschrey vor seinem Fenster geweckt; konnte aber im Finstern seine Kleider nicht finden, und seine Kammerthüre war auswendig verriegelt. – Die Bedienten riefen ihm zu, das Haus wäre bestohlen; die Diebe müßten seine Kleider mitgenommen, die Thüre verriegelt und Feuer angelegt haben, denn die Treppen wären in vollem Brande. In dieser Noth lief der arme Lieutenant im Zimmer herum, so nackt wie ein Eichhörnchen im Bauer, und steckte zuweilen den Kopf aus dem Fenster und rufte um Hülfe. – Endlich ward der Baronet selbst in einem Lehnstuhle herausgebracht, und bey ihm war mein Onkel nebst der ganzen Familie, nicht ausgenommen unsre Tante Tabby, welche schrie und heulete und sich die Haare ausriß, als ob sie von innen gewesen wäre. Sir Thomas hatte schon seinen Leuten befohlen, eine lange Leiter zu bringen, welche an des Lieutenants Fenster gesetzt wurde; und nun ermahnte er ihn sehr ernsthaft, er sollte machen, daß er herunter käme. – Es war hier keine Beredsamkeit nöthig, den Herrn Lismahago zu bewegen; er stieg augenblicklich durchs Fenster, und schrie den Leuten unten aus vollem Halse zu, sie sollten nur ja die Leiter fest halten.

So ernsthaft die Veranlassung war, so unmöglich wars doch, diesen Auftritt anzusehn, ohne große Lust zum Lachen zu bekommen. Der jämmerliche Anblick des Lieutenants im bloßen Hemde; mit einer wollenen unterm Halse zugebundnen Nachtmütze, und seinen welken, schlaffen Beinen und Lenden, um welche der Wind sich lustig machte, stellten ein sehr malerisches Bild vor, welches durch die Lanternen und Windlichter der Bedienten, die ihm beym Herabsteigen leuchteten, illuminiert wurd. – Die ganze Gesellschaft stund um die Leiter herum, ausgenommen der Knight, der in seinem Stuhle saß, und von Zeit zu Zeit ausrief: »Ach das Gott erbarmt! – rettet doch dem Herrn das Leben! – Sehn Sie sich vor, liebster Capitain, wo Sie hintreten! – Sacht, sacht! – Setzen Sie den Fuß fest! – Fassen Sie die Leiter mit beyden Händen an! – So, so! – Das war schön, mein lieber Schatz! – Bravo! – Das war wies einem alten Soldaten geziemt! – Bringt eine Matratze her! Eine warme Matratze, darinn sein armer Leichnam wieder aufthauen kann – Wärmt ein Bette in der grünen Kammer! Geben Sie mir Ihre Hand, mein liebster Herr Lieutenant – Ich freue mich von Herzen, daß ich Sie gesund und wohl auf, außer aller Gefahr sehe.«

Lismahago ward unten an der Leiter von seiner Inamorata empfangen, welche einer von den Mägden eine Matratze wegriß und ihm solche um den Leib wickelte; zwey Bediente faßten ihm unter die Arme, und eine Magd leuchte ihnen nach der grünen Kammer, wohin Fräulein Bramble in aller Ehrbarkeit mitgieng, und ihn sicher zu Bette bringen sah. – Während daß alles dieses geschah, sagte der Lieutenant kein Wort, sondern sah mit einem grimmigen Gesichte bald den Einen, bald den Andern von den Zuschauern an, welche nunmehro in voller Versammlung nach dem Saale giengen, worinn wir gegessen hatten; und einer sah den andern an, mit Zeichen der Verwunderung und Neugierde im Blicke.

Als unser Wirth wieder in seinem Lehnstuhle saß, faßte er meinen Onkel bey der Hand, und schlug dabey ein helles und langes Gelächter an. »Bramble,« (rief er,) »kröne mich mit Eichenzweigen, oder Epheu, oder Lorbeer, oder Petersil, oder was sonst beliebt, und gesteh' es: dieß war ein Coup de Maitre von allen Possen, die jemals gespielt sind! – ha, ha, ha! – Solch ein Camisicata, scagliata, bessata! – O che roba! Was für ein schönes Nachtstück! welche Caricatur! O wäre doch ein Rosa, ein Rembrandt, ein Schalken dabey gewesen! Wahrhaftig, ich muß es gemalt haben, und sollte michs hundert Guineen kosten! – Was für eine schöne Galgenfahrt auf der Leiter! – Was für Licht und Schatten! – und die Gruppe Unten! – Was für Ausdruck Oben! – Welche Leidenschaft! – Haben Sie die Leidenschaft im Gesicht bemerkt? ha, ha, ha! – Und die Gebeine, und die Muskel! – Jede Zehe drückte Angst und Schrecken aus! ha, ha, ha! – Und dann die Matratze! – O che Costume! – ein Sanct Andreas, St. Lazarus! St. Barabas! – ha, ha, ha!« – »Beym Lichte besehen,« (rief Onkel ganz ernsthaft;) »war dieses also wohl bloß ein abgeredeter falscher Lärmen.– Wir sind aus dem Bette aufgeschreckt und in wirkliche Angst gesetzt worden, so bloß des Spaßes wegen!« »Ja, aber es war auch ein Spaß darnach!« (rief unser Herr Wirth,) »solche eine Farsse! Solche eine Denouement ! Solche eine Catastrophe

»Haben Sie nur ein wenig Geduld,« (versetzte unser 'Squire,) »an der Catastrophe sind wir vielleicht noch nicht! der Himmel gebe nur, daß sich das Possenspiel in keine Tragödie verwandle! – Der Lieutenant ist einer von den Leuten, mit denen es nicht gut zu scherzen ist. – Er lacht niemals in der ersten Person der Grammatik; und kann es noch weniger ausstehen, daß andre Leute über ihn lachen sollten. – Und bey alledem war auch der Spaß wirklich derb, wenn Sie auch gleich Ihren rechten Mann gewählt hätten.« – » Cospetto !« (rief der Knight,) »Ich hätt' es keinen Scherf wohlfeiler thun können, und wär' er mein eigner Vater gewesen; und der rechte Mann wars just auch. So einer kommt oft in funfzig Jahren nicht wieder vor.« – Hier setzte Fräulein Tabitha ihren Kamm auf und fiel ihm mit den Worten in die Rede: Sie sähe doch nicht, daß Herr von Lismahago der Mann wäre, über den man mehr zu lachen hätte, als über den Herrn Baronet selbst; und daß sie nur sehr bange wäre, er würde bald finden, daß er sich an den Unrechten gemacht. – Sir Thomas ward durch diesen Wink so ziemlich aus seiner Fassung gebracht, und meynte, der Lieutenant müßte ein rechter Gote und Wende seyn, wenn ihm ein so glücklich spaßhafter Einfall nicht gefiele. – Indessen bat er doch, Herr Bramble und seine Schwester möchten ihn zur Raison bringen, und diese Bitte ward von Lady Bullford bekräftigt, welche bey der Gelegenheit nicht unterließ, dem Baronet eine kleine Epistelpredigt über seinen Muthwillen zu halten, welche Predigt er denn mit einem Gesichte anhörte, das an der einen Seite reuige Folgsamkeiten zeigte, und auf der andern, das Lächeln eines Schalkes.

Wir giengen endlich zum zweytenmale zu Bette; und noch ehe ich aufgestanden war, hatte mein Onkel schon den Lieutenant in der grünen Kammer besucht, und sich solcher Ueberlegungsgründe gegen ihn bedient, daß er völlig befriedigt zu seyn schien, als wir im gemeinschaftlichen Zimmer zusammen kamen. – Er nahm die Entschuldigung des Baronets mit ganz guter Miene auf, und bezeugte sogar, daß es ihm lieb sey, daß er Etwas zum Vergnügen der Gesellschaft beygetragen habe. – Sir Thomas schüttelte ihm die Hand, lachte dabey recht herzlich und bat ihn dann, er möchte ihm eine Priese Toback geben, zum Zeichen, daß sie rechte gute Freunde wären. – Der Lieutenant griff in seine Westentasche, und zog statt der seinigen, einer blechern laquirten, eine sehr hübsche goldne Dose hervor, die er nicht sobald gewahr ward, als er sagte: »Hier geht ein kleiner Irrthum vor.« – »Gar kein Irrthum,« (schrie der Baronet,) »ein ehrlicher Tausch ist kein Schelmstück. – Thun Sie mir den Gefallen, Herr Capitain, und lassen Sie mich Ihre schottische Dose zum Andenken behalten.« – »Sir,« (sagte Lismahago,) »meine schottische Dose steht gerne zu Dienste; aber diese Maschiene hier kann ich unmöglich behalten. – Das würde aussehen, als eine Bestechung, die man dem Richter über die Ehre in die Hand drückte. – Und dazu, wer weis? könnte noch wieder so ein Spaß darhinter stecken; und ich bin eben nicht aufgelegt, das Theater noch einmal zu betreten.« – »Ich wollte eben nicht gerne in Ihre Taschen langen, aber ich bitte, stecken Sie die Dose mit Ihren eignen Händen wieder bey sich.« – Bey diesen Worten reichte er dem Baronet die Dose wieder hin, wobey er ein strenges ernsthaftes Gesicht machte, welcher solche mit einiger Beschämung wieder nahm, und des Lieutenants seine zurück gab, die er auch nicht anders, als tauschweise behalten wollte.

Diese Unterhandlung war im Begriff, dem Gespräche einen ernsthaften Ton zu geben, als mein Onkel anmerkte, daß der Richter Frogmore nicht zum Vorschein gekommen wäre, weder diese Nacht bey dem Lärmen, noch heute Morgen. Als der Baronet Frogmores Namen nennen hörte, rief er: »Der Geyer! bald hätt' ich den Richter vergessen! – O, Doctor, gehn Sie doch hin, und holen ihn aus seiner Koye hervor.« Hierauf lachte er, daß ihm der Bauch schütterte, und sagte, der Capitain sollte nun sehen, daß er nicht die einzige Person im Drama gewesen, die der Gesellschaft eine Lust gemacht hätte. An dem Auftritte in der Nacht hätte der Richter keinen Theil nehmen können, weil er mit gutem Fleiß in den abgelegnen Theil des Hauses, weit von dem Lärmen, wäre einquartirt und mit einer Portion Opium in den Schlaf gewiegt worden.

Nach ein paar Minuten ward der Richter ins Zimmer gebracht, in seiner Nachtmütze und einem weiten Schlafrocke, indem er den Kopf von einer Seite zur andern schlenkerte, und dabey seufzete und stöhnte. – »Ach lieber Himmel, Herr Nachbar Frogmore, (schrie der Baronet,) was fehlt Ihnen? Sie sehn ja aus, als ob Ihr Stündlein vorhanden wäre. – Sanft! setzt ihn sanft auf den Sofa! – Der arme Mann! der Himmel sey uns gnädig, warum mag er so blaß, so gelb, so aufgedunset aussehn?« – »O Sir Thomas,« (stöhnte der Richter,) »ich seh wohl, mit mir ists vorbey. – Die Schwämme, die Schwämme, die Sie mir zu essen gegeben, die helfen mir vom Brodte. – Ach! oh! hoh!« – »Ey, das wollen wir nicht hoffen! (sagte der Andre,) – Kommen Sie, kommen Sie, nur guten Muth gefaßt. – Wie stehts um Ihren Magen? hah!« –

Auf diese Frage gab er keine Antwort, sondern schlug den Schlafrock auf und zeigte der Gesellschaft, daß ihm seine Weste wenigstens fünf gute Zoll zu eng geworden wäre. »Ach, nun sey uns der Himmel gnädig! (rief Sir Thomas,) welch ein jämmerlicher Specktakel ist das!« – In meinem Leben habe ich keinen Menschen anders so plötzlich aufschwellen gesehen, als wenn sie eben gestorben waren, oder eben sterben wollten. – Doctor, wissen Sie denn gar keine Hülfe für den armen Mann? »Ohne Hoffnung soll die Krankheit noch nicht seyn, denk' ich;« (sagte der Chirurgus,) »indessen würde Herr Frogmore doch nicht übel thun, wenn er je eher je lieber sein Haus bestellte, und seine Sachen aufs Reine brächte. Den Pastor kann man derweile rufen, daß er mit ihm bete, unterdessen daß ich ein Clystir und ein Brechmittel zurecht mache.« Der Richter verdrehete die matten Augen im Kopfe, und sagte mit inbrünstigen Seufzern den Anfang der Litaney her; und dann bat er den Arzt um Gottes Willen, er sollte doch eiligst fortmachen – »Meine weltlichen Sachen,« (sagt' er,) »sind alle berichtigt, bis auf eine Obligation auf mein Haus, die müssen meine Erben abstoßen. Aber, aber, meine arme Seele, meine arme Seele! wie wird meine arme Seele fahren? – Ich armer, elender Sünder!« – »Nun, nun! lieber Herr Nachbar,« (fiel der Baronet ein,) »fassen Sie sich! verzweifeln Sie nicht, der Himmel ist unendlich barmherzig; rechte schwarze und schwere Sünden können Sie doch nicht auf Ihrem Herzen und Gewissen haben, oder der Teufel müßte darhinter stecken.« – »Ach lassen Sie den Teufel weg,« (rufte der erschrockne Frogmore,) »ich habe mehr Sünden zu verantworten, als die Leute wohl glauben – Ach, liebster Freund! listig, arglistig – recht arglistig bin ich gewesen. – Laß doch ja den Pastor geschwind kommen, und mich zu Bette bringen, denn ich reite Courier nach der Ewigkeit.« – Man nahm ihn also vom Sofa auf, und zwey Laqueyen faßten ihm unter die Arme und brachten ihn wieder nach seiner Kammer; ehe er aber das Zimmer verließ, bat er die gute Gesellschaft, ihm mit ihrem Gebete beyzustehn. – Er fügte hinzu: »Spiegeln Sie sich an mir, der ich so im Frühling meines Lebens wie eine Grasblume abgemähet werde; und Ihnen, Sir Thomas, mag es der liebe Gott vergeben, daß Sie Ihren Gästen solch giftig Zeug zu essen vorsetzen.«

Kaum war er so weit weg, daß er uns nicht mehr hören konnte, als der Baronet in ein heftiges Gelächter ausbrach, worinn ihm die meisten von den Anwesenden Gesellschaft leisteten. Es kostete ihn aber viele Mühe, seine gutherzige Lady zurück zu halten, die mit aller Gewalt hingehen, den Patienten aus dem Irrthume reißen, und ihm sagen wollte, daß ihm der Wundarzt einen Streich gespielt, ihm die Weste weggenommen, indessen daß er geschlafen, und solche habe einnähen lassen; und daß die Unordnung in seinem Magen und Eingeweide von einem Brechwein käme, den man ihm gestern Abend statt Pestwassers eingegeben hätte. – Sie schien zu besorgen, seine Angst könnte ihm wirklich den Tod verursachen: der Baronet schwur aber, daß er kein so zartes Täubchen wäre, sondern ein zäher alter Kater, der noch lange genug leben würde, alle seine Nachbaren zu plagen. – Nach genauerer Erkundigung fanden wir, daß sein Charakter ihn eben nicht zu großem Mitleiden oder Respect berechtigte, und also ließen wir der Kurzweil unsers Wirthes ihren freyen Lauf. – Ihm ward von einer alten Frau im Hause, die ehedem Sir Thomas Amme gewesen war, ein Clystir gesetzt, und der Patient nahm zugleich einen mit Meerzwiebelsaft zubereiteten Trank ein, um die Wirkung des Brechweins zu befördern, welche durch die Opiate des vorigen Abends verhindert worden. Er bekam einen Besuch von dem Prediger, welcher ihm Gebete vorlas, und anfieng, sich genau nach seinem Seelenzustande zu erkundigen, als diese Arzneyen ihre Wirkungen hervorbrachten. Der Geistliche ward dadurch genöthigt, sich die Nase zuzuhalten, unterdessen daß sein Mund dem Kranken zuredete. Wir mußten dasselbe thun, der Baronet und ich, als wir mit dem Chirurgus eben um diese Zeit in die Kammer traten. Wir fanden Frogmore auf einem Erleichterungsstuhle, unter dem Drucke einer zwiefachen Ausleerung. Die kurze Ruhezeit zwischen jeder Uebelkeit wendete er an, um Barmherzigkeit zu flehen, seine Sünden zu beichten, oder den Prediger um seine Meynung von seinem Seelenzustande zu fragen; und dann antwortete der Vikarius mit einem feyerlichen durch die Nase schnaubenden Tone, welcher das Lächerliche des Auftritts ungemein erhöhete. Nachdem das Emeticum seine Wirkung verrichtet, legte sich der Doctor ins Mittel, und ließ den Kranken wieder ins Bette bringen. Nachdem er die Egista untersucht und ihm an den Puls gefühlt hatte, erklärte er, daß schon Vieles von der giftigen Materie fortgeschafft worden; gab ihm eine lindernde Mixtur, und versicherte ihn, er habe gute Hoffnung zu seiner Genesung. – Diese willkommne Nachricht empfieng er mit Freudenthränen in den Augen, und betheuerte dabey, wenn er besser werden sollte, würde er niemals vergessen, daß er sein Leben der großen Geschicklichkeit und zärtlichen Fürsorge des Doctors zu verdanken hätte, dessen Hand er mit großer Inbrunst drückte; und hiemit ward er seiner Ruhe überlassen.

Wir wurden sehr genöthigt zum Mittagsessen zu bleiben, damit wir Zeugen von seiner Auferweckung seyn möchten, allein Onkel bestund darauf, daß wir noch Vormittags abreisen müßten, um noch bey Tage diese Stadt zu erreichen. – Unterdessen führte uns Lady Bullford nach dem Garten, um einen Fischteich zu besehen, der eben fertig geworden war. Herr Bramble hatte daran auszusetzen, daß er zu nahe an dem Wohnzimmer läge, in welchem eben der Baronet ganz allein in einem Armstuhle saß, und nach seiner Morgenarbeit eingeschlafen war. – Er hatte sich hinten übergelehnt, und seine Füße auf einem Stuhle vor sich ausgestreckt und in Flanelle gewunden, als auf einmal die Thüre von einem gewaltigen Stoße aufflog, der Lieutenant Lismahago mit einem Gesichte, auf welchem Angst und Schrecken gemalt waren, herein rannte und schrie: »Ein toller Hund! ein toller Hund!« und bey diesen Worten ein Fenster aufriß und in den Garten sprang. – Sir Thomas erwachte von dem fürchterlichen Geschrey, sprang auf, vergaß sein Podagra und folgte aus einem blinden Triebe des Instincts dem Beyspiele des Lieutenants. – Und nicht nur, daß er wie ein abgedruckter Pfeil durch das Fenster flog, sondern er lief auch bis an den Gürtel ins Wasser im Teiche, eh' er das geringste Zeichen der Besinnung blicken ließ. Und nun begann Lismahago zu rufen: »Ach! das Gott erbarm, – rettet doch dem Herrn das Leben! Ums Himmels Willen, sehen Sie zu, wo Sie hintreten, mein lieber Schatz! – Macht warme Matratzen! – pflegt seinen armen Leichnam – wärmt ein Bett in der grünen Kammer!«

Lady Bullford war bey dieser Begebenheit wie vom Blitze gerührt, und die übrige Gesellschaft machte stillschweigend große Augen, indessen daß die Bedienten herbey liefen, ihrem Herrn beyzustehn, der sich wieder nach seinem Wohnzimmer tragen ließ, ohne ein Wort zu sprechen. – Hier versah man ihn in der Geschwindigkeit mit trocknen Kleidern und Flanellen, gab ihm eine Herzstärkung, und brachte ihn wieder in Statum quo; darauf mußte ihm eine Magd die Füße reiben, wodurch denn seine Sinne sich wieder zu sammlen schienen, und auch seine Munterkeit wieder auflebte. – Wir waren ihm alle ins Zimmer nachgefolget, und eine jede Person sah' er nach der Reihe an, mit einem gewissen poßirlichen Blicke; besonders aber heftete er seine Augen auf Lismahago, der ihm eine Priese Taback anbot, und als der Baronet solche stillschweigend nahm, dabey sagte: »Sir Thomas Bullford, ich bin Ihnen für alle mir erwiesene Gewogenheiten ungemein verbunden, und einige davon hab' ich gesucht, Ihnen in Ihrer eignen Münze zu bezahlen.« – »Geben Sie mir ihre Hand; (rief der Baronet,) Sie haben mir freylich Münz und Letter wieder gegeben; und behalten einen guten Saldo bey mir zu Buche. Ich nehme die ganze Gesellschaft darüber zu Zeugen, daß ich zu bezahlen verspreche.« – Bey diesen Worten lachte er recht herzlich, und schien sich sogar über die Wiedervergeltung zu freuen, ob sie gleich auf seine eigne Kosten erzwungen war. Lady Bullford hingegen war sehr ernsthaft, und nach aller Wahrscheinlichkeit hielt sie dafür, daß der Lieutenant seine Rache zu weit getrieben hätte, in Betrachtung, daß ihr Eheherr kränklich wäre. – Allein das Sprüchwort sagt: Wer keinen Schlag vertragen kann, muß sich mit dem Klopffechten nicht abgeben.

Ich habe einen zahmen Bären gesehn, der sehr kurzweilig Zeug machte, so lang es sein Führer gehörig darnach anfieng, der aber zu einem gefährlichen wilden Thiere wurde, als er den Zuschauern zu gefallen zu viel geschoren wurde. Es schien, als ob Lismahago glaubte, der Schrecken und das kalte Bad würden auf die Gesundheit seines Patienten eine gute Wirkung thun; der Wundarzt aber äußerte einige Besorgniß, das Podagra möchte durch eine so plötzliche Erschütterung aus den Füßen zurücktreten, und auf die edlern Theile fallen, und dadurch sehr gefährlich werden. – Es sollte mir herzlich leid thun, diese Prophezeyhung an unserm kurzweiligen Wirthe erfüllet zu sehn, welcher beym Abschied zu Tante Tabby sagte: er hoffte, sie würde an ihn denken, wenn sie die Brautbänder austheilte, da er sich so viele Mühe gegeben hätte, ihren Bräutigam auf eine Witz- und Kitzelprobe zu setzen. –

Am Ende besorg' ich, wird unser Onkel am meisten von des Baronets witzigen Einfällen zu leiden haben, denn seine Constitution ist gar nicht mehr für das Nachtschwärmen gemacht. Er hat den ganzen Tag über gegähnt, ein Frösteln gehabt, und ist zu Bette gegangen, ohne zu essen oder zu trinken. Also werden wir wohl morgen Rasttag halten, um desto mehr, da das Quartier ganz gut ist. Trifft meine Vermuthung ein: so haben Sie doch wenigstens einen Tag Ruhe vor den Verfolgungen des allezeit fertigen Briefstellers,

den 3ten Octob.

J. Melford.

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An Jungfer Maria Jones, zu Brambleton-hall.

Meine liebe Mieckchen,

Miß Liddy will so gut seyn, und meinen Brief in ihr Kohfert, bis nach Gloucester packen, und von da soll ihn der Bothe mitnehmen. – Gott bring' uns doch einmal wieder nach Monmouthshire, denn ich habe Ihr des Reisens so satt, als ob ichs mit Löffeln gegessen hätte. Der Mensch wird so alt, als ein' Kuh, und lernt noch all' Tag zu, pflog meine selige Mutter zu sagen, und hatte groß Recht. – O Mägdchen! Mägdchen! was sieht man nicht, was hört man nicht! – Aber gut und nicht allzugut, in der Welt ist nichts gewisses, als die Ungewißheit. – Wer hätte das wohl gedacht, daß mein Fröhlen, da sie sichs um ihre arme theure Seele so sauer hatte werden lassen, nun ihren Leib so wegwerfen und Preis geben wollte? daß sie ein verliebtes Auge auf so einen Erbsenkönig, als Laschmihägo, werfen würde, der so alt ist, als Medusalem, so dürre, als ein Strohbückling und so arm als eine Kirchenratze. – O Mieckchen, hättest Du ihn von der Leiter heruntersteigen sehen, in einem Hemde so kurz, so kurz, daß es ihm lange nicht bis an die Knieh reichte! – Der junge Skweir nannte ihn Donnkischott; aber mir kam er ganz leibhaftig vor, als der alte Kesselflicker, Cradocap-Morgan, den sie zu Aberghanny aufhingen, daß er gestohlen hatte. – Und denn so ist es ein so ruchloser Heidenmensch, und, wie Moßgeh Klinkery sagt, wohl gar ein Athegist, der über das neue Licht und über den Durchbruch spottet. – Ich glaube auch, er hat eben sowenig gute Lebensart, als Geld in der Tasche; denn, daß er einem einmal ein gut Wort geben sollte, meint Sie, oder einen ein Present zum paar Handschuhen machte, das wäre doch noch Etwas, daß man wieder gutes von ihm sprechen könnte; aber neh, gar nicht; da hat er kein Arges aus! Vornehm kann er thun, und so, als ob er viel besser wäre, als unser einer. – O, daß doch eine Fröhlen, die so alt und so verständig geworden ist, sich um so einem solchen Schabehals sich die Haare ausreißen, und weinen kann und kläglich thun: aber wie das Sprüchwort ist: » Die muß gerne einen Vogel haben wollen, die so viel Geld für eine Eule bietet.« Aber, es kann nicht mit rechten Dingen zugehn; er muß mit einem schottischen Magisikus zu thun haben, der sie in dieses Netz hineingeführt hat. – Ich aber, ich 'swalte mich alle Tage, Morgens und Abends, und habe mir Salz und Kümmel in meinen Unterrock genäht, und Moßgeh Klinkery hat mich versichert, wenn ich so in dem neuen Gnadenlichte bleibe, sollen mir alle bösen Menschen, und der Gottseybeyuns selbst nicht ankommen können. – Ich weiß aber wohl, was ich weiß! – Nimmt Fröhlen den Laschmyhägo: so ist mein Dienen bey ihr zu Ende. – Gottlob! es fehlt ja nicht an hübschen Herrschaften; und wenn ichs nicht warum thäte, so – aber daran ist nichts gelegen – Madame Baynar's ihre Kammermamselle hat schöne zwanzig Pfund alle Jahr, ohne Weynachtsgeschenke, und so andre Akzidenzien; und dabey geht sie her, wie eine adeliche Dame – Ich habe mit ihr und dem Walleh te Schamberer des Mittags gespeiset, der trug auch einen Haarbeutel in den Haaren und hatte Gold auf der Weste; aber große Traktemente hatten wir gar nicht, denn die Herrschaft giebt Kostgeld, und so hatten wir nur ein bischen von einer übergebliebnen Kalten Pastetenrinde und was vom Haschis, aber alles kalt; und da kriegte ich eine schlimme Kolihke; und es war noch ein grosses Glück, daß Fröhlen ihr Tropfenglas in der Kutsche hatte.

Aber, was wollte ich doch sagen? ja, ich glaube doch wohl, daß ganz gewiß ein Paar daraus werden wird; denn es geht mit allen beyden ein bischen was weit, und ich habe Ihr mit meinen eignen Augen eine solche Schönthunerey gesehen – Aber, es ist meine Sache nicht, daß ich Geheimnisse meiner Herrschaften ausplaudern mag; und wenn das Heyrathen einmal anfängt, wer weiß? so könnte der Tanz wohl rund gehn. – Mich dünkt, Miß Liddy würde sich die Ankeschanten nicht abreissen lassen, wenn ihr Schatz nur erst einmal erscheinen wollte; und was meint Sie wohl, meine liebe Mieckchen, würde Sie sich nicht verwundern, wenn ich Sie bäte, meine eigne Kranzjungfer zu werden? Aber das ist nur noch alles so wenn! mein liebes Kind! Und ich habe Moßgeh Klinkery ganz sicherlich versprochen, daß ich keinen Menschen, er sey Herre, Frau, Knecht, Magd oder Kind, anders mein treues Jawort geben will. – Ich hoffe noch eine gute kalte Schaale von unsern schönen Octoberbier mit Ihr zu essen, ehe noch der Mond zu Ende gegangen ist! –

Sey Sie doch so gütig, und laß Sie meine Betten alle Tage einmal umwenden, und die Fenster aufmachen, wenn es nicht regnet; und laß sie auch in die Bedienten Kammer ein bischen Feuer zuweilen machen, und zusehn, daß ihre Mattratzen knochen trocken sind; denn sie haben alle beyde Schnupfen und Husten, den haben sie davon gekriegt, daß sie in Sir Thoms Bullfards Hause haben in feuchtigen Bettlaken schlafen müssen.

Vor Heute will ich nichts weiter schreiben, als daß ich Sie bitten will, Salmeh und die andern alle zusammen einen schönen Gruß, und verbleibe

Mein liebste Mieckchen Jones,
Ihre

den 4ten.

vielgeliebte Freundinn und Dienerinn
Win. Jenkins.             

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An Miß Lätitia Willis, in Gloucester.

Meine liebste Freundinn,

Ob ich gleich keine Hoffnung habe, von Ihnen eine Antwort auf meine Briefe zu erhalten: so finde ich doch, Ihnen aufrichtig zugestehn, bey meiner Betrübniß und Traurigkeit eine große Erleichterung darinn, daß ich Ihnen von Zeit zu Zeit schreibe, denn es ist mir besser, wenn ich mein Herz gegen Sie ausgeschüttet habe. Es ist immer freylich nur ein sehr unvollkommner Genuß der Freundschaft, weil die Vertraulichkeit nicht gegenseitig seyn, und ich Ihren guten Rath nicht haben kann. O ich weis nicht, was ich alles darum geben möchte, daß ich nur auf eine einzige Stunde Ihre Gesellschaft haben könnte. – Ich bin des unstäten Lebens und Herumreisens herzlich überdrüßig. Die Gegenstände fahren einem so geschwinde vor den Augen vorüber, daß man fast schwindlicht davon wird. Dabey ist es unmöglich, einen so weiten Weg zurückzulegen, ohne sich allerley Unbequemlichkeiten, Gefahren und Zufällen auszusetzen, welche einem armen, schwachnervigten Mägdchen, wie ich bin, sehr beschwerlich fallen, und mich für die Befriedigung meiner Neubegierde sehr theuer bezahlen lassen.

Die Natur hat mich für eine geschäfftige Welt nicht bestimmt. – Ich schmachte nach Ruhe und Einsamkeit, worinn ich die wahre uneigennützige Freundschaft schmecken kann, die man in dem Gewühle nicht findet, und worinn ich den süßen Gedanken nachhängen kann, die einem in dem Getöse und Lärmen der Gesellschaften nach der Mode wohl entfliehen müssen. – Ich habe zwar noch keine Erfahrung von dem Umgange mit der großen Welt, aber ich habe doch schon genug gesehen, um an dem meisten Theile derselben, die solchen ausmachen, einen Ekel zu finden. Man sieht selbst unter nahen Freunden und genauen Bekannten so viel Bosheit, List und Verstellung, daß einem tugendhaften Gemüthe dabey ein Schauder überfallen muß; und tritt einmal das Laster auf einen Augenblick vom Schauplatze, so nimmt gleich die Thorheit seine Stelle ein, welche oft zu ernsthaft ist, um Etwas anders zu erregen, als Mitleiden und Bedauren. Vielleicht schickt sichs nicht, daß ich ein Wort von den Schwachheiten meiner armen Tante sage; aber vor Ihnen, meine liebste Willis, darf ich laut denken; und dann gehn sie auch bey ihr wirklich so weit, daß sie sich nicht verbergen lassen: Seit dem ersten Augenblicke, da wir zu Bath angelangt waren, ist sie auf nichts anders beflissen gewesen, als Netze für das andre Geschlecht aufzustellen, und endlich hat sie einen bejahrten Lieutenant gefangen, der auf gutem Wege ist, ihr ihren Namen mit dem seinigen verwechseln zu lassen. – Mein Onkel und mein Bruder schienen gegen diese sonderbare Verbindung nichts einzuwenden zu haben, welche, wo ich nicht sehr irre, zu vielen Reden und Scherzen Anlaß geben wird. Ich meines Theils bin mir zu gut meiner eignen Schwachheit bewußt, um mich über andrer Leute ihre lustig zu machen. – Gegenwärtig hab' ich Etwas auf dem Herzen, welches alle meine Gedanken beschäfftigt, und mein Gemüth mit der ängstlichsten Erwartung anfüllet.

 

Gestern Vormittag, als ich mit meinem Bruder in einem Gasthofe, wo wir abgetreten waren, am Fenster stund, ritt jemand vorbey, den ich, (gütiger Himmel!) den Augenblick für Wilson erkannte, Er hatte einen weißen Reitrock an, und hatte die Kappe bis an das Kinn aufgeschlagen, war sehr blaß, ritt in vollem Trabe vorbey, und es schien, daß er unser nicht gewahr wurde. Er konnte uns auch freylich nicht sehen, weil uns die Fensterblenden verbargen. Bilden Sie sich ein, wie mir bey der Erscheinung zu Muthe gewesen seyn müsse. – Mir ward ganz finster vor den Augen, und mich überfiel ein solches Zittern und Beben, daß ich nicht auf den Füßen stehen konnte. Ich setzte mich auf einen Stuhl, und suchte mich zu fassen, damit mein Bruder meine Unruhe nicht gewahr werden möchte; allein es war unmöglich, seinem durchdringenden Blicke zu entgehen. – Er hatte die Person bemerkt, die mich beunruhigte, und hatte ihn ohne Zweifel auf den ersten Blick erkannt. – Er betrachtete mich itzt mit einem sehr strengen Blicke; darauf rannt' er auf die Gasse, um zu sehn, welchen Weg der unglückliche Reiter genommen hätte. – Nachher sendete er seinen Bedienten aus, daß er genauere Nachricht einziehen sollte, und schien auf gewaltsame Anschläge zu sinnen. Weil sich unser Onkel nicht recht wohl befand, so blieben wir noch eine Nacht in ebendiesem Gasthofe, und den ganzen Tag über betrug sich mein Bruder gegen mich, als ein unermüdeter Kundschafter. – Er beobachtete meine Blicke mit solch einer scharfen Aufmerksamkeit, als ob er die geheimsten Winkel meines Herzens hätte ausspähen wollen. – Er mag das wohl aus zärtlicher Achtung für meine Ehre thun, wenn es nicht die Wirkung seines eignen Stolzes ist; allein er ist dabey so aufgebracht, so heftig und ungestüm, daß ich schon vor seinem bloßen Anblicke schüchtern werde. Und gewiß, er wird es mir unmöglich machen, ihm mit schwesterlicher Liebe zugethan zu bleiben, wenn er ferner darinn verharret, mich solchergestalt zu quälen. Mir ist angst, daß er rachsüchtige Plane schmiedet, die mich völlig elend machen werden! Ich besorge, er argwöhnt, daß ich um diese Erscheinung des Wilson mit wisse. – Gütiger Himmel! war es denn wirklich Wilson, der mir erschien? oder war es Täuschung, ein blosses Gespenst, das Nachricht von seinem Tode bringen wollte?

 

Was soll ich anfangen, meine liebste Letty? – An wem soll ich mich wenden um Trost und Rath? – Soll ich meinen Onkel um Schutz anflehen, weil er beständig gütig und mitleidig gegen mich gewesen ist? – Das muß meine letzte Zuflucht seyn. Ich fürchte mich vor dem Gedanken, ihm Unruhe zu machen, und wollte lieber tausendmal den Tod leiden, als leben, und Ursach an einem Familienzwiste seyn. – Ich kann nicht ausfindig machen, aus was Ursachen Wilson hierhergekommen seyn kann. – Vielleicht suchte er uns auf, uns seinen wahren Namen und Stand zu entdecken. – Aber warum ritte er denn so gerade durch, ohne die geringste Erkundigung einzuziehen? – Meine liebste Willis, ich verliere mich ganz in allerley Muthmaßungen. Seitdem ich ihn gesehn, habe ich kein Auge zugethan. – Ich bin die ganze Nacht von meinen Gedanken hin und her geworfen – Ich kann keinen Augenblick zur ruhigen Ueberlegung finden. Ich habe gebetet, geseufzt und recht herzlich geweinet. – Wenn dieser fürchterliche Zustand der Ungewißheit noch lange fortdauret, so werde ich einen neuen Anfall von Krankheit bekommen, und ich werde die ganze Familie in Sorgen und Kummer setzen. – Wenn es mit den weisen Zwecken der Fürsehung bestehen könnte, so wollte ich, ich läge in meinem Grabe! – Doch es ist meine Pflicht, mich in Geduld zu unterwerfen. – O meine liebste Freundinn, haben Sie Mitleiden mit meiner Schwachheit. – Verzeihen Sie diese Flecken! – Meine Zähren fließen so häufig, daß sie wider meinen Willen auf das Papier träuflen. – Und dennoch sollt' ich bedenken, daß ich bis itzt noch keine Ursache habe, zu verzweifeln. – Aber ich bin ein so schwachherziges, ängstliches Geschöpf!

 

Gottlob! mein Onkel befindet sich Heute viel besser, als Gestern. – Er ist willens, den nächsten Weg nach Wäles zu nehmen. – Ich hoffe, wir werden über Gloucester kommen. Diese Hoffnung giebt meinem armen Herzen einige Heiterkeit. Ich werde noch einmal meine beste, geliebteste Willis in meine Arme schließen, und alle meine Klagen an Ihren freundschaftlichen Busen ausweinen. – Gütiger Gott! ist es möglich, daß diese Glückseligkeit noch aufgehoben ist, für

Die verlassene und niedergeschlagene

den 4ten Octob.

Lydia Melford.



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An Sir Watkin Philipps, im alten Jesuitercollegio zu Oxford.

Gestern, mein liebster Philipps, ist mir ein Streich begegnet, von dem Sie gestehen werden, daß er wunderbar genug ist. – Als ich mit meiner Schwester in dem Gasthofe, worinn wir abgestiegen waren, vorm Fenster stund, ritt Jemand vorbey, und dieser Jemand war kein Mensch anders, als Wilson! – Ich konnte mich nicht irren, denn ich sah ihm grad' ins Gesicht, als er angeritten kam; aus meiner Schwester Verwirrung merkte ich, daß sie ihn gleichfalls erkannt hatte. Ich wunderte und ärgerte mich über seine Erscheinung, die ich, wo nicht für was Aergeres, wenigstens für Trotz halten mußte. Ich lief nach der Pforte des Hofes, und da ich sah, daß er um eine Ecke in der Gasse ritt, schickte ich meinen Kerl nach, um zu sehn, wo er bliebe; aber der kam zu späte, um mir diese Nachricht zu schaffen. Indessen sagte er mir, daß am Ende des Fleckens noch ein Wirthshaus wäre, mit einem Schilde, zum rothen Löwen, in welchem, nach seiner Meynung, der Reiter abgestiegen seyn müßte, er hätte aber ohne weitern Befehl nicht nachfragen mögen. Ich schickte ihn den Augenblick zurück, zu fragen, was für Fremde sie eben logirten, und er brachte mir die Antwort, daß heute ein gewisser Wilson angelangt sey. Auf diesen eingezognen Bericht gab ich ihm ein Billet an diesen Herrn, worinn ich ihn ersuchte, mich auf einem gewissen Felde, am Ende des Fleckens, mit einem Paar Pistolen zu erwarten, um die Sache auszumachen, die wir das Letztemal, da wir uns gesprochen, unentschieden lassen müssen. Ich hielt es indessen nicht für rathsam, meinen Namen unter das Billet zu setzen. Mein Kerl versicherte mich, er hätte es ihm selbst in die Hände gegeben, und nachdem ers gelesen, hätt' er ihm zugesagt, er wollte dem Herrn an dem bestimmten Orte und zu der bestimmten Stunde seine Aufwartung machen.

M'Alpin ist ein alter Soldat, und da er glücklicher Weise eben nicht betrunken war: so vertraute ich ihm mein Geheimniß. Ich befahl ihm, so nahe bey der Hand zu bleiben, daß ich ihn abrufen konnte; gab ihm einen Brief, den er meinem Onkel zustellen sollte, im Fall mir ein Unfall überkäme, und begab mich darauf nach dem Kampfplatze, welches ein mit Hecken umgebner Kamp war, nicht weit von der Heerstraße gelegen. Ich fand, daß mein Gegner schon seinen Posten eingenommen hatte. Er hatte einen braunen Reitmantel um sich geschlagen, und einen niedergelassenen Huth mit einer Tresse in die Augen gedrückt. Allein wie groß war mein Erstaunen, als er den Mantel abwarf und mir einen Mann zeigte, den ich vorher niemals gesehen hatte! Eine Pistole hatte er in einem ledernen Gürtel stecken, und eine andre hatte er schußfertig in der Hand; er kam einige Schritte auf mich zu, und fragte mich, »ob ich fertig wäre?« – Ich antworte »Nein,« und ersuchte ihn um eine kurze Unterredung; worauf er die Mündung seiner Pistole zur Erde kehrte, sie dann in den Gürtel steckte und mir auf halbem Wege entgegen kam. – Als ich ihn versicherte, er sey nicht der Mann, den ich hier gesucht hätte, sagte er, das könnte wohl seyn: Er hätte ein klein Billet empfangen, das an Herrn Wilson gelautet, mit der Einladung, hier zu erscheinen; und weil in dem ganzen Orte keiner sonst so hieße, so hätte er natürlicher Weise geschlossen, das Billet sey an ihn, und an sonst niemand gerichtet. – Ich gab ihm also zu verstehen, daß ich von einer Person beleidigt worden, welche sich diesen Namen angemaßt, welche Person ich wirklich vor einer Stunde hätte durch die Gassen reiten gesehen; daß, als ich darauf erfahren, daß ein Herr Wilson im rothen Löwen abgestiegen, so hätte ich nicht gezweifelt, das müßte mein Mann seyn, und in diesem Glauben hätte ich das Billet geschrieben. Ich gab ihm auch meine Verwunderung zu erkennen, daß er, der von meiner Person oder meinen Beschwerden nicht ein Wort gewußt, sich auf ein solches Geschäfft mit mir eingelassen, ohne sich einmal die Mühe zu nehmen, vorher eine Erklärung zu verlangen. – Er versetzte, es wäre kein Mensch in der ganzen Grafschaft, der so hieße wie er; im rothen Löwen wäre seit neun Uhr, da er selbst angelangt, kein solcher Reiter abgestiegen – Er habe die Ehre gehabt dem Könige zu dienen, er habe also gedacht, er könne keine Einladung von dieser Art mit gutem Anstande von sich ablehnen, sie möchte kommen von wem sie wollte; und wäre eine Erklärung nothwendig, so wäre es nicht seine Sache, solche zu verlangen, sondern die Sache des Mannes, der ihn herausgefodert hätte. – So verdrießlich ich auch über dieses Abentheuer war, so mußte ich doch die Kaltblütigkeit dieses Officiers bewundern, dessen offene Miene mich gänzlich für ihn einnahm. – Er schien ein Mann über vierzig zu seyn; trug seine eigne kurzen Haare, die ihm in natürlichen Locken um die Ohren hiengen, und war ganz simpel gekleidet – Als ich ihn wegen der Mühe um Verzeihung bat, die ich ihm verursacht hätte, nahm er meine Entschuldigung mit vieler Freundlichkeit an. – Er sagte mir, er wohnte ein paar Meilen von hier auf einem kleinen Landguthe, woselbst er mir ein ziemlich bequemes Logis anbieten könnte, wenn ich einige Wochen mit ihm dahin kommen und der Jagdlust genießen wollte; wir könnten alsdann vielleicht auch den Mann ausfindig machen, der mich beleidigt hätte. Ich dankte ihm sehr aufrichtig für dieses höfliche Anerbieten, und sagte ihm, daß ich solches deswegen nicht annehmen könnte, weil ich mit meinen Anverwandten auf einer kleinen Reise begriffen wäre; und solchergestalt trennten wir uns mit gegenseitigen Versicherungen von Hochachtung und Wohlwollen.

Nun sagen Sie mir, mein liebster Watkin, was soll ich aus dieser sonderbaren Begebenheit machen? – Soll ich glauben, daß der Reiter, den ich sah, wirklich ein Mensch mit Fleisch und Bein, oder ein Schattenbild gewesen ist, das in der Luft verflogen? – Oder muß ich glauben, daß Liddy mehr von der Geschichte weis, als sie gestehn will? – O, wo ich sie für fähig hielte, mit einem solchen Kerl ein heimliches Verständniß zu unterhalten, auf einmal wollte ich ihr alle Bruderliebe aufkündigen, und es vergessen, daß sie meine nächste Blutsverwandtinn ist. – Aber, wie ist es möglich, daß ein Mägdchen von ihrer Aufrichtigkeit und wenigen Erfahrung ein solches Verständniß durchführen könnte, da sie noch dazu mit so vielen Augen umgeben, aller Gelegenheit beraubt ist, und ihren Aufenthalt fast täglich verändern muß! Ueberdem hat sie auch so heilig versprochen – Nein – für so niederträchtig listig kann ich das Mägdchen nicht halten! – Sie hat gewiß mehr Achtung für die Ehre ihrer Familie. – Was mich am meisten beunruhigt, ist der Eindruck, den dieser Vorfall auf ihr Gemüth und Gesundheit zu machen scheint. – Aus diesen Anzeigen schließe ich, daß ihr der Schurke noch immer am Herzen liegt. – Daß ich ihn einen Schurken heiße, dazu hab' ich ein Recht, wie auch dazu, daß ich seine Absichten für schändlich halte. – Aber geben Sie mir die Schuld, wenn nicht der Tag kommt, an welchem er seine Verwegenheit bereuet. – Ich gestehe, ich kann an diese Sache nicht denken, noch weniger davon schreiben, ohne daß mir alles Blut in den Adern kocht; ich will also nur diesen Brief schließen, und Ihnen nur sagen, daß wir mit Ausgang des Octobers in Wäles zu seyn gedenken; doch werden Sie wahrscheinlicher Weise noch vorher Etwas zu lesen bekommen von

Ihrem

den 4ten Oct.

ganz ergebensten Diener
J. Melford.       

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An Sir Watkin Philipps, im alten Jesuitercollegio zu Oxford.

Mein liebster Freund,

Als ich Ihnen mit der vorigen Post schrieb, dachte ich nicht, daß ich sobald wieder gereitzt werden würde, Ihnen mit einem Briefe zur Last zu fallen: allein mein Herz ist so voll, daß es überfließen muß, und ich ergreife die Feder, obgleich mit einem so beunruhigten Gemüthe, daß Sie in meinem Briefe weder Ordnung noch Zusammenhang erwarten müssen. – Es fehlte nur ein Haarbreit, so hätten wir heute das Unglück gehabt, unsern rechtschaffnen Onkel zu verlieren, durch einen verwünschten Zufall, den ich Ihnen zu beschreiben suchen will. – Als wir durch einige Feldmarken fuhren, um wieder in die rechte Poststraße zu gelangen, mußten wir durch einen kleinen Mühlenbach, und wir Männer zu Pferde ritten ohne Gefahr oder Mühe hindurch; allein da es die Nacht vorher und den Morgen stark geregnet hatte, so war das Wasser im Mühlteiche so stark angelaufen, daß es eine Schütte sprengte, eben als die Kutsche davor war; und der Fluß schoß mit solcher Heftigkeit heraus, daß der Wagen erst an zu schwimmen fieng und dann mitten im Bache völlig umgeworfen wurde – Wir, Lismahago, ich und die beyden Diener, stiegen schnell von den Pferden, und rannten ins Wasser, um zu helfen, was wir konnten; – Tante Tabitha, welche zu ihrem Glücke oben im Wagen lag, war schon halb aus dem Kutschfenster heraus, als ihr Bräutigam herbey eilte, und ihr vollends heraus half; allein, ich weis nicht wie es kam? ob er ausglitschte, oder ob ihm die Last zu schwer war: sie fielen über Kopf in eines des andern Armen zu Boden. Er bestrebte sich mehr wie einmal wieder in die Höhe zu kommen, ja selbst, sich von ihr loszumachen, aber sie hieng an seinem Halse, wie ein Mühlstein, (kein übel Sinnbild des Ehestandes!) und wäre mein M'Alpine nicht mit seinen frischen Kräften zu Hülfe geeilt: so würden die beyden Verliebten nach aller Wahrscheinlichkeit, wohl Hand in Hand zum Reiche der Schatten gewandert seyn. – Ich war derweile mit etwas Andern zu sehr beschäfftigt, um auf ihre Gefahr zu merken. – Ich zog meine Schwester bey ihren Haarlocken heraus, und als ich sie ans Ufer geschleppt hatte, ward ich erst gewahr, daß Onkel noch fehlte. So wie ich von neuem in den Bach sprang, begegnete mir Klinker, der die Jenkins ans Ufer zog, welche mit ihren aufgelöseten, nassen Haaren um ihren Ohren aussah, wie ein Meerweiblein. Allein, sobald ich ihn fragte, ob sein Herr außer Gefahr wäre? schleuderte er sie von sich, und sie wäre gewiß ohne Urtheil und Recht gesäckt, wenn ihr nicht noch zu rechter Zeit ein Mühlknapp zu Hülfe gekommen wäre. – Was den Klinker betrifft, der flog wie ein Blitz nach der Kutsche, die nun schon ganz voller Wasser war, tauchte da hinein, und brachte den armen 'Squire in die Höhe, an dem kein Leben mehr zu spüren war. – Ich kann Ihnen nicht beschreiben, was ich bey diesem traurigen Anblick empfand. – Ein so jammervoller Schmerz läßt sich nicht aussprechen. Der treue Klinker nahm ihn auf seine Arme, als ob es ein Kind von einem halben Jahre gewesen wäre, trug ihn ans Land und weinte dabey recht bitterlich; ich folgte ihm nach und war vor Betrübniß ganz betäubt. – Als man ihn aufs Gras gelegt, und auf dem Bauche gewälzt hatte, rann ihm ein ziemlicher Theil Wasser aus dem Munde, darauf öffnete er die Augen, und holte einen tiefen Seufzer. Als Klinker diese Lebenszeichen merkte, band er ihm augenblicklich mit einem Strumpfbande den Arm auf, nahm eine Pferdeflitte und ließ ihm auf gut churschmidisch zur Ader. – Anfänglich kamen nur ein paar Tropfen Blut aus der Oeffnung hervorgeronnen; als aber der Arm gerieben wurde, fieng es bald darauf an, einen Strahl zu schießen, und Onkel fieng an, einige unzusammenhängende Worte zu sprechen, und das waren die lieblichsten Töne, die jemals mein Ohr begrüßet haben. Nicht weit hiervon lag der Krug, aus dem der Wirth mit seinen Leuten herbeyeilte, uns beyzustehen. – Nach diesem Kruge brachten wir meinen Onkel, zogen ihn aus, und legten ihn in warmen Tüchern gewickelt ins Bette. Allein er mochte wohl zu stark bewegt und angegriffen seyn; er fiel wieder in Ohnmacht und lag ohne Sinnen und Bewegung, was auch Klinker und der Wirth anfangen möchten, welche seine Schläfe mit ungarischem Wasser rieben und ihm Salmiakgeist unter die Nase hielten. Ich hatte wohl davon gehört, daß in solchen Fällen Salz sehr gut thun soll, und ließ also so viel herbeyschaffen als im Hause war, und ließ es unter seinen Leib und Kopf legen; und ob es die Wirkung dieses Mittels, oder die Natur selbst war, die sich half, in weniger als einer Viertelstunde schöpfte er wieder ordentlich Athem, und gelangte bald darauf wieder zur völligen Besinnung, zur unaussprechlichen Freude aller Umstehenden. Klinkern schien wirklich das Gehirn zu leiden. – Er lachte, und weinte, und tanzte herum, auf eine so ausgelaßne Art, daß ihn der Wirth sehr weislich aus dem Zimmer brachte. Als mein Onkel gewahr ward, daß mir die Kleider träufelten, merkte er, was alles vorgefallen war, und fragte: ob sie auch alle gerettet wären? – Und als er eine bejahende Antwort erhalten, bestund er darauf, daß ich trockne Kleidung anziehen sollte; hierauf nahm er ein wenig heißgemachten Wein, und verlangte, man sollte ihn ein wenig in Ruhe lassen. Eh' ich mich umkleidete, erkundigte ich mich erst, wie es den übrigen ergienge? – Tante Tabby fand ich noch faselnd vom Schrecken, und daß sie das verschluckte Wasser noch reichlich von sich gab. Der Lieutenant hielt ihr den Kopf mit beyden Händen, wobey ihm die Tropfen von der schlichten Perucke rieselten, er war dabey so schlank und blank, daß er aussah, als der alte Vater Thämse außer seinem Schilfe, wenn er die Isis umarmt, unterdessen daß sie in seine Urne plunscht. Jungfer Jenkins war auch gegenwärtig, in ganz kurzem Nachtzeuge, ohne Haube und Halstuch; schien aber auch eben so wenig über ihre Sinne zu herrschen, als ihre Gebieterinn, und machte bey ihren Handreichungen so viele Querstreiche, daß Lismahago zwischen diesen beyden aller seiner Philosophie bedurfte. Für meine Schwester Liddy fürchtete ich im Ernste, sie würd' ihren Verstand verlieren. Unsre gute Hauswirthinn hatte ihr zu trockner Wäsche verholfen, und sie zu Bette gebracht. Allein, sie hatte sich den Gedanken in den Kopf gesetzt, ihr Onkel sey ertrunken; und in dieser Ueberzeugung erhub sie ein erbärmliches Geschrey; ich mochte sie noch so feyerlich versichern, daß er glücklich gerettet wäre, sie wollte mir nichts glauben. Als Onkel das Geschrey hörte, und ihre Besorgniß erfuhr, verlangte er, daß man sie zu ihm in seine Kammer bringen möchte; und sie vernahm dieses Verlangen nicht so bald, als sie schon halb nackend, und mit wilder Heftigkeit im Blicke, dahin lief. – Als sie den 'Squire im Bette aufgerichtet sitzen sahe, sprang sie auf ihn zu, warf ihre Arme um seinen Hals und rief mit einer Stimme, die die tiefste Rührung anzeigte: »Seyn Sie's – sind Sie's gewiß, mein Onkel; mein liebster Onkel! – Mein bester Freund! Mein Vater! – Leben Sie auch recht gewiß? Oder täuscht mich mein armer verrückter Kopf!« Unser rechtschaffner Matthias Bramble ward so gerührt, daß er sich der Thränen nicht enthalten konnte, als er ihr die Stirne küßte, und dabey sagte: »Meine liebste Liddy, ich hoffe, ich werde noch so lange leben, daß ich Dir beweisen kann, wie sehr mir Deine Liebe angenehm ist – Aber, mein liebstes Kind, Deine Lebensgeister sind in Empörung – Du hast Ruhe nöthig – Geh zu Bette und beruhige Dich – Thu mir den Gefallen!« – »Ich will, den Augenblick!« (sagte sie,) »aber ich fürchte noch immer, daß ich träume. – Die Kutsch war ganz voll Wasser, – Mein Onkel lag ganz unten – Ach liebster Gott! – Sie waren tief im Wasser, – Wie sind Sie herausgekommen? O sagen Sie mir das, oder ich glaube, daß alles nur ein Betrug ist.« – »Wie ich herausgebracht bin, das weis ich eben so wenig, als Du, meine Liddy;« (sagte Onkel,) »und die Wahrheit zu sagen, so wünschte ich das selbst zu wissen.« Ich wollte ihm alles umständlich erzählen, er wollte mich aber nicht eher anhören, bis ich meine Kleider umgewechselt hätte; ich hatte also nur so viel Zeit, ihm zu sagen, daß er sein Leben der Treue und dem Muthe Klinkers zu danken hättet und nachdem ich ihm diesen Wink gegeben hatte, brachte ich meine Schwester wieder nach ihrer Kammer.

Dieser Zufall begegnete uns ungefähr um drey Uhr des Nachmittags, und in etwas mehr als einer Stunde Zeit war das Ungewitter vorüber; allein, da der Wagen so sehr beschädigt befunden ward, daß man ohne merkliche Ausbesserungen nicht weiter damit fortkommen könnte: so ward alsobald nach dem nächsten Flecken geschickt, um einen Schmidt und Rademacher zu holen, und wir waren froh, daß wir eine Herberge gefunden hatten, worinn wir recht gut waren, ob solche gleich von der Poststraße entfernt lag.

Nachdem die Frauenzimmer wieder so ziemlich ruhig geworden, und die Männer alle auf den Beinen waren, ließ mein Onkel seinen Bedienten rufen, und redete ihn in Lismahagos Gegenwart folgendermaßen an: »So, Klinker, ich sehe, Er hat es darauf gesetzt, daß ich nicht ersaufen soll. – Weil Er mich mit seiner eignen Gefahr von Grunde aufgefischt hat: so hat Er wenigstens ein Recht auf alles Geld, was ich in der Tasche hatte, und hier ist es.« – Mit diesen Worten reichte er ihm einen Beutel hin, worinn dreyßig Guineen waren, und ein Ring von ungefähr eben dem Werthe. – »Um Gottes Willen nicht! (rief Klinker,) Ew. Gnaden müssen mirs nicht übel nehmen. – Ich bin ein armer Kerl – Aber ich habe doch ein Herz; – O, wenn Ew. Gnaden nur wüßten was es mir für eine Freude ist, zu sehen – Gott im Himmel sey Dank, daß er mich zum schwachen Werkzeuge gemacht. – Aber Lohn und Bezahlung mag ich dafür nicht – Ich habe nichts weiter gethan, als was ich für den Geringsten unter meinen Nebenmenschen gethan hätte; – Nichts weiter, als was ich für den Herrn Lieutenant Lismahago, oder Archy Macalpine, oder jeden andern Sünder auf Gottes Erdboden gethan hätte. – Aber für Ew. Gnaden wollt' ich eben so gut ins Feuer gehn, als ins Wasser.« – »Ich glaub' Ihm, Klinker; (sagte der 'Squire,) allein so gut wie Ers für seine Pflicht hält, mir mein Leben mit Gefahr des seinigen zu retten, so halte ichs auch für meine Pflicht, ihm zu beweisen, daß ich seine außerordentliche Treue und Ergebenheit erkenne. Er muß dieses kleine Zeichen meiner Dankbarkeit annehmen; indessen muß Er nicht glauben, daß ich das so angesehn haben will als eine angemeßne Bezahlung für den Dienst, den Er mir geleistet hat. Ich will Ihm auf Seine Lebenszeit jährlich dreyßig Pfund Sterling aussetzen, und bitte die Herrn hier, daß sie dieses Versprechen bezeugen mögen, welches ich schon in mein Taschenbuch angeschrieben habe.« – »Gott gebe, daß ich für so viel Gnaden dankbar seyn mag!« (schrie Klinker mit weinender Stimme) »Von Kindesbeinen an, bin ich arm und dürftig gewesen! – Ew. Gnaden barmherziges Herz fand mich als ich nackt war – als ich krank – als ich hülflos war – Ich seh, was Ew. Gnaden mir mit den Augen sagen wollen – Werden Ew. Gnaden doch nicht unwillig auf mich – Mein Herz ist voll – Wenn Ew. Gnaden mir verbieten zu sprechen: so muß ich mein Herz erleichtern und es gegen den Himmel ausschütten, in Gebeten für meinen Wohlthäter.« Als er aus dem Zimmer gegangen war, sagte Lismahago, er würde mehr auf seine Ehrlichkeit bauen, wenn er nicht so entsetzlich fromm und andächtig schwatzte; er hätte aber immer befunden, daß diese Kerle, die immer weinten und beteten, im Grunde nicht anders wären, als Heuchler. – Mein Onkel sagte kein Wort zu dieser hämischen Anmerkung, die er gewiß aus Rache dafür machte, daß ihn Klinker, in der Einfalt seines Herzens, mit Macalpine und allen andern Sündern auf Gottes Erdboden in eine Classe gesetzt hatte.

Als der Wirth herein gerufen worden, um einige Einrichtungen auf die Nacht bey ihm zu bestellen, sagte er dem 'Squire, daß sein ganzes Haus freylich gerne zu seinem Dienste stünde, allein er wüßte gewiß, daß er nicht die Ehre haben würde, ihn und seine Gesellschaft zu beherbergen. Er gab uns zu verstehn, sein Herr, der hier nicht weit von wohnte, würd' es nicht zugeben, daß wir in einer Herberge blieben, da er in seinem eigenen Hause Raum für uns hätte; und daß er, wenn er nicht heute Mittag bey einem Nachbar gegessen hätte, schon längst, bey unsrer Ankunft hier gewesen seyn würde, uns seine Dienste anzubieten. Hierauf ergoß er sich in Lobsprüche auf diesen Herrn, bey dem er als Tafeldecker gedient, und malte uns ihn ab, als ein vollkommnes Wunder von Güte und Großmuth. Er sagte, er wäre sehr gelehrt, und wäre überall als der klügste Landwirth bekannt. – Er habe eine Gemahlinn, die eben so sehr geliebt und geehrt würde, als er selbst, und einen einzigen Sohn, einen sehr hoffnungsvollen jungen Herrn, der eben von einem Fieber wieder besser geworden wäre, das leicht für die ganze Familie hätte gefährlich werden können; denn wenn der Sohn gestorben wäre, so wüßte er gewiß, daß es die Aeltern nicht hätten überleben können. – Er war mit dem Lobe des Herrn Dennison noch nicht zu Ende, als dieser Herr in einer Postchaise anlangte, und sein Anblick schien alles zu bestätigen, was zu seinem Preise gesagt worden war. Er ist schon ziemlich bey Jahren, dabey aber munter, frisch und blühend, mit einem offnen freyen Gesicht, aus welchem Verstand und Leutseligkeit spricht. Nachdem er uns sein Beyleid über unsern Unfall bezeigt hatte, sagte er, daß er gekommen wäre, uns nach seiner Wohnung zu führen, woselbst wir nicht so ungemächlich seyn würden, als in einem so schlechten Kruge, und äußerte dabey, daß er hoffe, die Damen würden es aushalten können, in seiner Chaise dahin zu fahren, weils kaum tausend Schritte weit entfernt wäre. Nachdem ihm mein Onkel auf dieses höfliche Anerbieten gehörig geantwortet hatte, betrachtete er ihn genau, und fragte ihn darauf, ob er nicht zu Oxford studirt hätte, und zwar im Queenscollegio? Als Herr Dennison mit einigen Zeichen der Verwirrung diese Frage bejahet hatte, fuhr unser 'Squire fort: »So betrachten Sie mich denn einmal recht, und lassen Sie uns einmal sehen, ob Sie sich des Gesichts eines alten Freundes erinnern, den Sie in vierzig Jahren nicht gesehen haben.« Der Herr faßte ihm die Hand und sagte, indem er ihn steif und ernstlich ansah: »Im Ernst! ich glaube, ich erinnere mich der Züge des Matthias Loyd aus Glamorganschire, welcher im alten Jesuitercollegio studierte.« – »Richtig behalten, mein liebster Freund Dennison,« (rufte mein Onkel, und drückte ihn an seine Brust.) »Ich bin der wahre leibhaftige Matthias Loyd von Glamorgan.« Klinker, der eben ins Zimmer trat und Kohlen zum Feuer brachte, hörte nicht so bald diese Worte, als er die Kohlenmulde aus der Hand und auf Lismahagos Zehe fallen ließ, und anfieng solche Bockssprünge zu machen, als ob er von Sinnen kommen wollte, wobey er rief: »Matthias Loyd von Glamorgan! – O gnädige Vorsehung! – Matthias Loyd von Glamorgan!« Hierauf umfaßte er meines Onkels Kniee und fuhr folgendergestalt fort: »Ew. Gnaden werden mir verzeihen! – Matthias Loyd von Glamorgan! – O Gott, Sir! – Ich kann mich nicht fassen! – Ich werde meinen Verstand verlieren.« »Nun, nun, ich glaub', Er hat ihn schon verloren;« (sagte der 'Squire etwas spöttisch.) – »Sey Er ruhig, hör' Er, Klinker! – Was fehlt Ihm?« – Humphry fühlte und suchte in seinem Busen und langte eine alte hölzerne Schnupftabacksdose hervor, welche er zitternd und bebend seinem Herrn hinreichte, der solche augenblicklich aufmachte und ein kleines Pettschaft von Carneol nebst zwey Zettelchen Papier darinn fand. – Beym Anblick dieser Dinge stutzte er, und veränderte die Gesichtsfarbe, und als er die Augen auf die Schrift der Zettel warf, rief er: »Ha! – wie! – was! wo ist die Person, die hier genannt wird?« Klinker, der sich auf die Brust schlug, konnte kaum diese Worte hervorbringen: »Hier – hier ist Matthias Loyd, wie der Schein beweiset; Humphry hieß der Schmidt, der mich in die Lehre nahm.« – »Und wer gab Ihm diese Zeichen?« (sagte mein Onkel ganz hastig,) »Meine arme Mutter auf ihrem Sterbebette,« (versetzte der Andre,) »Und wie hieß Seine Mutter? « – »Dorothea Twyford, Ew. Gnaden, hieß sie, und diente ehmals als Schließjungfer im Engel zu Chippenham.« – »Und warum hast Du diese Zeichen nicht eher gezeiget?« – »Meine Mutter sagte mir, sie hätte, da sie mich geboren, nach Glamorganshire geschrieben, aber keine Antwort gekriegt, und hernachmals, als sie nachgefragt, hätte man ihr gesagt, daß kein Mensch in der Grafschaft wäre, der so hieße.« – »So! also mußten Deine arme Mutter und Du, dadurch, daß ich meinen Namen veränderte und eben zu der Zeit auf Reisen gieng, in Elend und Kummer gerathen. – Ich erschrecke wirklich vor den Folgen meiner Thorheit!« Hierauf legte er seine Hand auf Klinkers Kopf, und sagte: »Ich erkenne Dich für Matthias Loyd! – Sie sehen, meine Herrn, wie die Sünden meiner Jugend zum Zeugniß wider mich aufstehn. – Hier ist meine Addresse von meiner eignen Hand geschrieben, und ein Pettschaft, welches ich dem Mägdchen auf ihr Verlangen in den Händen ließ; und hier ist der Taufschein, den der Pfarrer des Kirchspiels unterschrieben hat.«

Die Gesellschaft wunderte sich nicht wenig über diese Entdeckung, worüber Herr Dennison, ganz scherzhafter Weise, sowohl dem Vater als Sohne Glück wünschte. Ich meines Theils schüttelte meinem neugefundenen Vetter herzlich die Hand, und Lismahago complimentirte ihn mit Thränen in den Augen, denn er hatte im Zimmer herum gehinkt, und auf sein gut Schottisch geflucht, und über den Schmerz geächzet, den ihm der Fall der Kohlenmulde auf seinen Zehen verursachet hatte. Er hatte sich sogar verheissen, er wollte dem unsinnigen Buben die Seele aus dem Leibe treten; als er aber die unerwartete Wendung merkte, welche die Sachen nahmen, wünschte er ihm zu der Entdeckung Glück, und sagte, daß es ihm sehr von Herzen gienge. Ich glaube es gewissermaßen, denn er konnte wohl voraus sehen, daß ihm dadurch kein kleines Loch in seine Erwartungen gemacht würde. –

Nunmehro war Herr Dennison begierig zu wissen, aus was Ursachen mein Onkel den Namen verändert hatte, bey dem er ihn zu Oxford gekannt hätte, und Onkel befriedigte ihn folgendermaßen: »Da ich meiner Mutter Güter in Glamorganschire erben sollte, so nahm ich ihren Namen Loyd an; Nachdem ich aber mündig geworden, verkaufte ich dieses Erbstück, um meines Vaters Güter von Schulden rein zu machen, und nahm meinen rechten Namen wieder; so, daß ich mich itzt Matthias Bramble von Brambleton-hall zu Monmouthshire, nenne. Ihnen ergebenst zu dienen; und dieß ist mein Neffe, Jeronimus Melford von Belfield, in der Grafschaft Glamorgan.«

Als in diesem Augenblicke die Damen herein traten, stellte er ihm Tabitha, als seine Schwester, und Liddy als seine Nichte vor. Der alte Herr küßte sie beyde recht herzlich und schien von der Gestalt meiner Schwester gerührt zu seyn, denn er konnte sich nicht entbrechen, sie mit einer Vermischung von Verwundrung und Wohlgefallen zu betrachten. – »Schwester, (sagte Onkel,) hier ist ein armer Anverwandter, der sich Deiner Wohlgewogenheit empfiehlt – Ein gewisser Humphrey Klinker hat sich in Matthias Loyd verwandelt, und bittet sich die Ehre aus, Dein Blutsfreund zu seyn. – Kurz, es ist so viel heraus gekommen, daß der Junge eine Staude ist, die ich in den Tagen meines heißen Blutes und ungezähmter Freyheit selbst gepflanzt habe.« Klinker war unterdessen an Tabbys Seite auf ein Knie niedergesunken, welche ihn anfangs von der Seite ansah, und voller Unruhe ihren Fächer auf und zu rutschte; endlich aber nach einem kleinen innerlichen Kampfe für gut fand, ihn die Hand zum Küssen zu reichen, wobey sie mit einem altjungfräulich strengen Gesicht sagte: »Bruder, Du bist sehr ausschweifend gewesen, aber ich hoffe, Du wirst noch so lange leben, bis Du die Thorheit Deiner sündlichen Wege erkennst. – Es thut mir leid, daß ich es sagen muß, aber der junge Mensch, den Du heute legitimirt hast, hat mehr Frömmigkeit und Religion, durch Gottes Gnade, als Du mit aller Deiner irrdischen Weisheit und allen häufigen Gelegenheiten, die Du gehabt hast. – Mich däucht, er hat Etwas von unserm Familienauge, und der Nasentüpfel ist nach meinen Onkel Loyd of Flluydwellyn, und das lange Kinn ist das leibhaftige Kinn des Gouverneurs. – Aber Bruder, da Du seinen Namen verändert hast, so ersuch' ich auch, seine Kleidung zu ändern; die Liberey steht keiner Person an, die von unserm Geblüte entsprossen ist.« – Liddy schien sich sehr über diesen Zuwachs der Familien zu freuen. – Sie nahm ihn bey der Hand und sagte, sie würde allemal stolz darauf seyn, mit einem tugendhaften jungen Manne verwandt zu seyn, der so viele Proben von seiner Dankbarkeit und Ergebenheit gegen ihren Onkel abgelegt hätte. Winifred Jenkins schwankte entsetzlich zwischen dem Erstaunen über diese Entdeckung, und der Besorgniß ihren geliebten Schatz zu verlieren; und sagte mit einem erpreßten Lachen: »Ich wünsche Ihnen viel Glück, Herr Klinker – Herr Loyd wollt' ich sagen, hi, hi, hi! – Sie werden nun wohl so vornehm werden, daß Sie Ihre arme Mitbediente nicht mehr ansehn werden, oh! oh! oh!« – Der redliche Klinker bekannte, daß er sich herzlich über sein Glück freute, das viel größer sey, als er verdiente. – Aber, (sagt' er,) warum sollt' ich hochmüthig werden. Ein armer Staub, in Sünden empfangen und im Jammer geboren, in einem Waisenhause erzogen, und der Lehrjunge eines Grobschmidts. »Nein, Jungfer Jenkins, wenn Sie jemals glauben, daß ich vornehm scheinen wollte, so bitte ich Sie, erinnern Sie mich an die Umstände, worin ich war, als ich Sie zuerst zwischen Chippenham und Marlborough kennen lernte.«

Als dieser kurze Vorfall zu aller Theilnehmenden Vergnügen so weit ins Reine gebracht war, und man das Wetter trocken fand, lehnte unser Frauenzimmer den Wagen ab, und wir giengen alle zu Fuße nach Herr Dennisons Hause, woselbst die Dame des Hauses schon mit bereitetem Thee auf uns wartete. – Es ist eine liebenswürdige Matrone, und sie empfieng uns mit der liebreichsten Güte der Gastfreyheit. – Das Haus ist altfränkisch und irregulair, dabey aber sehr bewohnbar und bequem. Gegen Süden fließt an hundert Schritt fern der Bach vorbey, und gegen Norden liegt eine Anhöhe, die sehr angenehm mit Bäumen bepflanzt ist. Die grünen Grasplätze und die Spatziergänge sind in der saubersten Ordnung unterhalten, und alles ist ländlich und romantisch. Den jungen Herrn Dennison hab' ich noch nicht gesehn, weil er bey einem Nachbar zum Besuch ist, von welchem man ihn erst Morgen zu Hause erwartet.

Weil indessen eben jemand mit Briefen für die Post aufs nächste Flecken geht, so will ich diese Gelegenheit mitnehmen, Ihnen die Geschichte des heutigen Tages zu überschicken, welche ganz artig voller Abentheure ist; und Sie müssen gestehn, daß ich sie Ihnen nicht lange vorenthalte, sondern Ihnen damit aufwarte, so frisch und warm, wie sie, nach der Sprache der Pastetenbecker, aus dem Ofen kommen. Wünsche guten Appetit und verbleibe,

Ihr

ganz ergebner Diener
J. Melford.     

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An den Doctor Lukas.

Mein liebster Lukas,

Nachdem ich Sie das Letztemal mit meinem Briefe beschweret habe, sind mir allerley Dinge begegnet, wovon einige sonderbar genug sind, die ich auch deswegen als einen guten Vorrath für unsre künftigen Gespräche aufbewahre; einige darunter aber sind so interessant, daß ich sie nicht so lange in Petto behalten kann, bis wir uns sehen.

Was meynen Sie wohl? Tausend Thaler hätte man gegen einen Groschen wetten sollen, daß Sie itzt beschäfftigt seyn würden, mein Testament zu besorgen, anstatt meinen Brief zu lesen! Vor zwey Tagen ward unsre Kutsche mitten in einem reißenden Gießbache umgeworfen, bey welcher Gelegenheit mein Leben mit der größten Mühe, durch meines Bedienten, Humphry Klinkers, Muth, Thätigkeit und Gegenwart des Geistes gerettet wurde. – Allein das ist noch nicht der wunderbareste Knoten der Geschichte. – Es ist herausgekommen, daß der besagte Humphry Klinker, nicht Humphry Klinker, sondern Matthias Loyd heißt, und der natürliche Sohn eines gewissen Matthias Loyd von Glamorgan ist, wenn Ihnen etwan ein solcher Mann bekannt seyn sollte. – Da sehen Sie, mein liebster Doctor, daß es nicht ohne Grund ist, was auch Ihre Philosophie dagegen einwenden mag, wenn wir Wälschmänner dem Geblüte eine so große Sympathie zuschreiben. – Doch, diesen Punct wollen wir bey Gelegenheit näher beleuchten.

Dieses ist nicht die einzige Entdeckung, auf welche ich durch unsern Unfall gerathen bin. – Wir waren glücklicher Weise an Freundsküste gestrandet; der Herr des Guthes ist niemand anders, als Carl Dennison unser Universitätsbruder von Oxford her. – Wir sind itzt glücklich und vergnügt in dem Hause dieses Mannes, welcher wirklich bis zu dem Puncte der kindlichen Glückseligkeit gelangt ist, nach der ich seit zwanzig Jahren vergebens gestrebt habe. Er ist mit einer Gattinn gesegnet, die sich auf alle Weise für sein Gemüth schickt, und zärtlich, großmüthig und wohlthäthig ist. – Ueberdem besitzt sie ungemein viel Verstand, Stärke des Geistes und Klugheit, und ist außerordentlich geschickt, seine Gesellschafterinn, Vertraute, Rathgeberinn und Gehülfinn zu seyn. Dieses vortreffliche Paar hat einen einzigen Sohn, der ungefähr neunzehn Jahr alt ist, einen Jüngling, grade so, wie sie sich solchen vom Himmel hätten wünschen können, um das Maaß ihrer Glückseligkeit völlig anzufüllen. – Mit einem Worte, ihr Freudenbecher ist mit keiner andern Bitterkeit vermischt, als mit der Sorge und Bekümmerniß für das Leben und Wohlseyn dieses geliebten Gegenstandes.

Unser alter Freund, der das Unglück hatte, ein jüngrer Bruder zu seyn, ward bestimmt, ein Jurist zu werden, und war auch schon als Advocat imatriculirt; allein er fand in sich keinen Trieb, in diesem Fache groß zu werden, und hatte sehr wenig Neigung zu seinem Berufe. – Er zog sich dadurch seines Vaters Unwillen zu, daß er aus bloßer Liebe heyrathete, ohne dabey im geringsten auf Geld zu sehen; dergestalt daß er wenig oder gar kein ander Einkommen hatte, als seine Praxin, womit er einen bloß dürftigen Unterhalt verdiente; dabey fieng die Aussicht auf eine anwachsende Familie an, ihm Unruhe und Sorgen zu machen. Während dieser Zeit starb sein Vater, und dessen Güter erbte der ältere Bruder; ein Fuchsjäger und einfältiger Geck, welcher seine Sachen vernachläßigte, seine Leute drückte und quälte, und in wenig Jahren sein Landguth sehr tief herunter gebracht hatte, als er zum Glück an einem Fieber, der unmittelbaren Folge einer Schwelgerey, starb. Carl machte alsobald, mit Beystimmung seiner Frau, den Entwurf, seine Lebensart zu verlassen und aufs Land zu ziehen, obgleich jedermann, den er über die Sache zu Rathe zog, ihm ernstlich und dringend von diesem Entschlusse abrieth. Diejenigen, welche dergleichen Erfahrung angestellet hatten, versicherten ihn, er könnte auf dem Lande unmöglich mit wenigerm leben, als mit zweymal so vielem, wie sein Guth einbrächte; daß er, um sich wie ein Edelmann aufzuführen, genöthigt wäre, Kutsche und Pferde und Jagdhunde und eine paßliche Anzahl Bediente zu halten; und daß er, des Umgangs wegen mit seinen Nachbarn, einen guten Tisch führen müßte; daß die Landwirthschaft ein Geheimniß wäre, daß nur denjenigen bekannt, welche von der Wiegen an dabey hergekommen; daß mehr dazu gehöre, ein Landwirth zu seyn, als Verstand und Fleiß; daß eine so große Aufmerksamkeit und Sparsamkeit dazu gehöre, die man von einem Edelmanne nicht erwarten und verlangen könnte; daher käme es denn auch, daß es niemals gut gegangen, wenn ein Edelmann den Versuch gemacht hätte, und daß nicht wenige davon durch den Eigensinn, die Wirthschaft selbst zu führen, zu Grunde gerichtet wären. – Ja, sie behaupteten, er würde es wohlfeiler finden, das Heu und den Hafer für seine Pferde zu kaufen, und sein Geflügel, Eyer, Gemüse, und fast jeden beträchtlichen Artikel der Haushaltung, vom Markte holen zu lassen, als diese Artikel auf seinem eignen Boden zu erzielen.

Diese Einwürfe schreckten Herrn Dennison nicht ab, weil sie hauptsächlich auf die Voraussetzung gegründet waren, daß er genöthigt seyn würde, ein wildes ausschweifendes Leben zu führen, welches sowohl er, als seine Ehegattinn verachteten und verabscheueten, und zu vermeiden entschlossen waren. – Die Dinge, wornach er strebte, waren, Gesundheit des Körpers, Ruhe des Gemüths, und die besondre Zufriedenheit eines stillen häuslichen Lebens, welches weder durch wirklichen Mangel, noch Furcht vor Armuth bekümmert wird. – Er war sehr mäßig in seinem Verlangen, in Ansehung der Bedürfnisse, und selbst in Ansehung der Annehmlichkeiten des Lebens. – Er verlangte weiter nichts, als gesunde Luft, klares Wasser, nicht zu saure Arbeit, ungekünstelte Speisen, erforderliche Wohnung und anständige Kleidung. Er machte den Schluß, daß, wenn ein Pächter, der sonst nichts gelernt, oder übrigens einen sehr erfindsamen Verstand hat, eine zahlreiche Familie auf einem Guthe ernähren, und selbst alle Jahre etwas zurücklegen kann, wenn er auch gleich einen jährlichen Pacht von zwey bis drey hundert Pfund an den Guthsherrn abgeben muß: so könnte er um desto eher hoffen, daß er mit seinem aufmerksamen Fleiße Etwas ausrichten würde, da er keinen Pachtschilling zu tragen, sondern vielmehr noch jährlich drey bis vier hundert Pfund einzunehmen hätte. Er wußte, die Erde sey eine gütige Mutter, die ihre Früchte allen ihren Kindern ohne Unterschied lieferte. Er hatte die Theorie der Landwirthschaft mit einer Art von Begierde und Wohlgefallen studirt, und er konnte sichs nicht einbilden, daß in dem Practischen derselben solche Geheimnisse stecken sollten, die er durch sorgfältige Aufmerksamkeit herauszubringen nicht im Stande wäre. Was die Ausgaben in der Haushaltung betrifft: so untersuchte und berechnete er solche ganz genau, und bemerkte dadurch, daß das Vorgehen seiner Freunde ganz irrig sey. Er fand, daß er schon jährlich sechzig Pfund Sterling bloß an Hausmiethe ersparte, und eben so viel an Trinkgeldern und andern kleinen Taschenausgaben; daß sogar das Fleisch zwanzig aufs hundert wohlfeiler auf dem Lande ist, wie in London; daß aber Federvieh und fast alle andre kleinen Artikel der Haushaltung für weniger als den halben Preis zu haben sind, als in der Hauptstadt; dazu noch das wichtige Ersparniß in Kleidungen, wenn man von der Tyranney der lächerlichen Moden befreyet ist, welche die Unwissenheit erfindet, und die Thorheit annimmt.

Was die Gefahr anbelangt, in die er gerathen könnte, wenn ers den Reichen an Pracht und Gefolge gleichthun wollte: so gab ihm die den geringsten Kummer. Er war schon über die Vierzig hinaus, hatte seine halbe Lebenszeit in Geschäfften hingebracht, und hatte die Menschen so ziemlich kennen gelernt. In der ganzen Schöpfung kann es keine verächtlichere Figur geben, als der Mann ist, der mit fünf hundert Pfund jährlichen Einkommens eben den Aufwand machen will, als sein Nachbar, der fünfmal so viel einnimmt. – Seine Großthuerey wird seine Dürftigkeit, anstatt sie zu verbergen, vielmehr aufdecken, und seine Eitelkeit noch erbärmlicher darstellen; denn sie zieht das Auge der Tadler auf sich und erregt die neugierige Frage, womit bestreitet der Mann das? In der ganzen Nachbarschaft ist keine Familie, in seinem eignen Hause kein Bedienter, oder ein Pächter im Kirchspiele, der nicht auf einen Heller nach wüßte, was seine Güter eintragen, und alle diese sehn ihn mit Verachtung und Mitleid an. Es nimmt mich sehr Wunder, daß diese Betrachtung keiner einzigen von den Personen einfällt, welche sich in dieser unglücklichen Lage befinden, und eine gute Wirkung bey ihnen hervorbringt. Aber woran liegts? von allen Leidenschaften, denen die menschliche Natur unterworfen ist, richtet keine solche Unordnung in den Kräften des Verstandes an, als die Eitelkeit. Das geht so weit, daß mans kaum glauben sollte, wenn mans nicht sähe, wie solche Leute ordentlich nach Schande ringen, und wie sie mit Vergnügen das Brandmark der allgemeinen Verachtung tragen.

Bisher habe ich Ihnen eine Skitze von dem Charakter des Herrn Dennison, und von der Lage gegeben, worinn er sich befand, als er herreisete, um sein Landguth in Besitz zu nehmen. Allein, da der Bothe, der die Briefe nach der nächsten Stadt auf die Post bringt, eben abgehen muß; so will ich das, was ich noch weiter über diese Sache zu sagen habe, bis auf den nächsten Posttag versparen, an welchem Sie abermal mit einem Briefe heimgesucht werden sollen von

Ihrem

den 8ten Octob.

beständigen Freunde
M. Bramble.     

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An den Doctor Lukas.

Noch einmal, mein liebster Doctor, fasse ich die Feder auf zu Ihrem Zeitvertreibe. –

Es war des Morgens nach unsrer Ankunft, daß ich auf einem Spatziergange mit meinem Freunde Dennison mich nicht enthalten konnte, mit den wärmsten Ausdrücken der Schönheit der Scene mein Lob zu ertheilen, denn sie ist wirklich bezaubernd; besonders ließ ich ihm merken, wie sehr mir die Anlage einiger hin und wieder zerstreuten Buschwäldchen gefiel, welche seinem Landsitze beydes, zum Schutze vor den Winden, und zum Zierrathe dienen.

»Als ich vor ungefähr zwey und zwanzig Jahren von diesem Guthe Besitz nahm,« (sagt' er,) »war eine gute Viertelmeile um das Haus herum kein Baum zu sehen, einen alten verwilderten Baumgarten ausgenommen, der nichts trug, als Blätter und Moos. – Es war in dem dunkeln Monate November, als ich ankam, und das Haus in einem solchen Zustande vorfand, daß man es mit Recht hätte, einen Greuel der Verwüstung nennen können. Der Hofplatz war mit Nesseln und Huflattich bewachsen, und der Garten strotzte von einer solchen Menge Unkraut, als ich noch in meinem Leben nicht beysammen gesehen hatte. – Die Fensterladen zerfielen in Stücken – die Fenster waren zerbrochen, – und Eulen und Uhu's hatten in die Schornsteine genistelt. – Inwendig war der Anblick noch gräßlicher. – Alles war finster, feucht, dumpfig und unbeschreiblich voller Schmutz; – an verschiedenen Orten drang der Regen durchs Dach; in verschiednen Zimmern war sogar der Fußboden losgeweicht; die Tapeten waren von den Wänden gegangen, und flatterten in vermoderten Palten umher; die Spiegel wollten aus den Rahmen fallen, die Familiengemälde waren voller Schimmel und Staub, und alle Stühle und Tische waren wackelig und von Würmern zerfressen. – Im ganzen Hause war kein brauchbares Bette, ausgenommen eine altmodische Maschine mit einem vergüldeten Himmel und Gardienen von gelbem Mohr mit Franzen, welche, nach meinem besten Denken, ein paar hundert Jahre in der Familie gedient hatte. – Kurz, man fand kein andres als Küchengeräthe im ganzen Hause; und im Keller fand man nichts als ein paar leere Fässer und Kufen, welche so häßlich stunken, daß ich niemand hineingehen lassen durfte, bis ich vorher nicht wenig Schießpulver darinn angezündet hatte, um die böse Luft zu verbessern.«

»Ein alter Tagelöhner, der mit seiner Frau gemiethet war, um in dem Hause zu schlafen, hatte es plötzlich verlassen, und führte unter andern Ursachen an, daß sie vor fürchterlichem Getöse nicht darinn schlafen könnten, und daß ganz gewiß mein armer Bruder darinn umgienge. – Mit einem Worte, das Haus schien unbewohnbar; die Scheuren, Ställe und andre Nebengebäude waren ganz baufällig; alle Planken niedergefallen, und die Felder lagen brach.«

»Der eine Pachtbauer, der den Schlüssel hatte, ließ sichs nicht träumen, daß ich darauf fallen würde, das Guth zu beziehe. – Er hatte eine Pachtung inne von sechzig Pfund jährlich, und die Pachtjahre liefen eben zu Ende. – Er hatte sich den Plan ausgedacht, daß er Verwalter vom Guthe werden wollte, und also das Haus und das anliegende Land zu seinem eignen Nutzen brauchen könnte. Eine kleine Nachricht von dieser Absicht erhielt ich bey meiner ersten Ankunft von dem Pfarrer; also achtete ich eben nicht sehr auf das, was er mir sagte, um mir mein Vorhaben zu verleiden. Allein ich ward doch ein wenig stutzig, als er mir ankündigte, er würde mit zu Ende gelaufener Pachtzeit abziehen, wenn ich nicht merklich an der Pacht schwinden lassen wollt.«

»Um diese Zeit ward ich zufälliger Weise mit einer Person bekannt, deren Freundschaft den Grund zu allem meinen Wohlstande gelegt hat. In dem nächsten Marktflecken aß ich eines Mittags in einem Wirthshause mit einem gewissen Herrn Wilson, der sich vor kurzem in der Nachbarschaft niedergelassen hatte. Er war Lieutenant auf einem Kriegsschiffe gewesen, war aber den Dienst überdrüßig geworden, hatte die See verlassen und die einzige Tochter des Pensionairs Bland geheyrathet, der hier im Kirchspiele seine Pachtungen hat, und durch die Landwirthschaft zu einem ansehnlichen Vermögen gelangt ist. – Wilson ist einer der rechtschaffensten Männer die ich kenne. Er ist braf, offenherzig, dienstfertig und verständig. – Er fand Gefallen an meinem Umgange, und ich war entzückt über seine freymüthige Sitte. Wir machten auf der Stelle eine Bekanntschaft, welche bald in eine sehr genaue Freundschaft ausschlug. – Es giebt Charaktere, welche sich, gleich den ähnlichen Theilchen der Materie, einander stark anziehen. Er machte mich aufs fordersamste mit seinem Schwiegervater, dem Pachter Bland, bekannt, dem jeder Morgen Landes bey meinem Guthe recht gut bekannt, und der also im Stande war, uns bey dieser Gelegenheit den besten Rath zu geben. Da er mich geneigt fand, das Landleben zu wählen, und mich sogar selbst mit der Wirthschaft zu befassen, so bestärkte er mich in meinem Vorhaben. Er gab mir zu verstehen, daß alle meine Meyerhöfe unter Preis ausgethan wären; daß das Guth um ein großes verbessert werden könnte; daß in der Nachbarschaft Kalk genug vorhanden, und daß ich auf meinem eignen Grunde und Boden vortrefflichen Mergel zum Düngen hätte.– Was den Hof anbeträfe, dessen Pachtung mir aufgekündigt worden, den erbot er sich selbst für die bisherige Pacht zu übernehmen, gestund dabey aber zugleich, daß er das doppelte Quantum werth wäre, wenn ich zwey hundert Pfund zu Befriedigungen anwenden wollte.«

»Auf diese Weise aufgemuntert, begann ich ohne weitern Anstand, meinen Plan in Ausführung zu bringen, und stürzte mich in ein Meer von Ausgaben, ob ich gleich kein Capital hinter der Hand hatte, und alle Einkünfte des Guths jährlich nicht über drey hundert Pfund betrugen. – In einer Woche war mein Haus regendicht, und von Oben bis Unten aus rein gemacht; darauf ward es tüchtig ausgelüftet, indem ich alle Fenster und Thüren offen stehen, und in alle Camine, von der Küche bis in den Dachkammern, Reißholz brennen ließ. Die Fußböden wurden ausgebessert, in die Fenster neue Glasscheiben gesetzt, und aus dem alten Hausgeräthe stoppelte ich soviel zusammen, daß ich ein Wohnzimmer und drey Kammern noch ziemlich erträglich damit ausmöblirte. – Den Hofplatz ließ ich von Schutt und Unkraut säubern, und mein Freund Wilson nahm es selbst über sich, den Garten in Stand zu bringen; Maurer und Ziegeldecker mußten bey die Scheuren und Ställe gehn, und andre Arbeitsleute wurden angenommen, welche unter Blands Anweisung anfiengen, Graben zu ziehen und Hecken zu setzen; er schlug mir auch einen treuen Tagelöhner vor, der nach dem Hause sehn und in allen Zimmern Feuer unterhalten mußte.«

»Nachdem ich diese Maaßregeln genommen, kehrte ich wieder nach London zurück, woselbst ich sogleich Anstalt machte, meinen Hausrath zu verkaufen, und in dreyen Wochen brachte ich meine Frau hierher, um hier die Weyhnachten zu feyren. – Die dunkle unangenehme Jahrszeit, die schlechte Verfassung und der traurige Anblick des Hauses, ließen mich besorgen, ihr Entschluß möchte ihr gereuen, weil der Uebergang vom Stadtleben zu einem so melancholischen Landleben ein wenig plötzlich war; allein ich ward sehr angenehmer Weise hintergangen. – Sie fand alles in der That noch besser, als ichs ihr vorgemalt hatte. – Und wirklich hatten auch gegen diese Zeit die Dinge schon ein besseres Ansehn gewonnen. – Die Nebengebäude drohten nicht mehr einzustürzen; das Taubenhaus war wieder aufgebauet, und vom Herrn Wilson bevölkert, welcher auch den Garten in solche Ordnung brachte, daß er sich sehen lassen durfte; der auch für so viel Federvieh sorgte, daß der Hünerhof kein schlechtes Ansehn machte; und im Ganzen genommen, sah nunmehro das Haus einer Wohnung für menschliche Geschöpfe ähnlich. – Pensionair Bland ließ mir eine Milchkuh über, und ein ordentliches Sattelpferd, womit mein Knecht nach der nächsten Stadt zu Markte reiten konnte. – Ich miethete einen Bauerburschen zum Aufwärter; die Tochter des Tagelöhners nahm ich zur Hausmagd, und eine Köchinn hatte meine Frau mit aus London gebracht.«

»Mit diesen Personen, und mit drey hundert Pfund, die ich aus dem Verkauf meines überflüßigen Hausrathes gelöset hatte, fieng ich hier meine Haushaltung an. – Ich wußte, wir würden des Tages über genug zu thun finden, daß uns die Zeit nicht lang werden würde, aber die langen Winterabende fürchtete ich; doch ward auch dazu Rath. – Der Pfarrer, welcher noch unverheyrathet, war bald unser täglicher Hausfreund; die meisten Nächte schlief er bey uns im Hause, und sein Umgang war eben so angenehm als lehrreich. – Er war ein bescheidener Mann, der gute Studia hatte, und vom Landswesen hatte er Einsicht genug, um mir in solchen Stücken, die ich noch nicht wußte, Unterricht zu geben. – Herr Wilson brachte seine Frau mit zu uns, und die verliebte sich dergestalt in die meinige, daß sie sagte, sie wäre nirgend lieber als in ihrer Gesellschaft. – Sie war damals ein feines fröhliches Landmägdchen, außerordentlich gelehrig und eben so gutherzig, als ihr Ehmann, Jacob Wilson. Auf diese Weise entstund zwischen unsern Frauen eine Freundschaft, welche bis auf den heutigen Tag noch fortdauret.«

»Jacob selbst ist mein beständiger Gefährt, Rathgeber und Commissarius gewesen. – Um hundert Pfund wollt' ich nicht, daß Sie mein Haus verließen, ohn' ihn zu kennen. Jacob ist ein allgemeines Genie; – seine Talente gehn wirklich erstaunlich weit. – Er ist ein vortrefflicher Zimmermann, Schreiner, Drechsler, und ein Tausendkünstler in Eisen- und Messingarbeit. – Er hatte nicht nur die Obernaufsicht über meine Oekonomie, sondern er sorgte auch für meinen Zeitvertreib. Er lehrte mich Bier brauen, Aepfel- und Birnmost, Meth, Usquebah Für ein nur halb freundliches Gesicht, gnädiges Fräulein, (denn Sie sind schön,) oder von Ihnen, gnädige Frau Erb- und Gerichtsherrinn, für einen Knixs (denn Sie scheinen mir nicht zu herablassend zu seyn) will ich Ihnen das Recept, wie man schönen Usquebah macht, mittheilen, und dadurch die allgemeine Sage durch und durch bohren, als ob in einem Romane nichts gutes stehen könne. Also, aus Liebe zur Gemeinnützigkeit, zu einem freundlichen Gesichte, oder zu einem Knixe ist hier das

Recept von engländischem oder irrländischem Usquebah:

Belieben Sie zu nehmen, 4 Loth Nelken; Mußkatnuß, Ingber, Kümmel und Sternannies, von jeden 1 Loth; und lassen Sie Ihre Magd, oder auch Ihren Eheherrn alles gröblich zerstoßen, und gießen Sie alsdann 2 &frac13; Quartier recht guten Franzbrandtewein in eine gläßerne Flasche, die über 3 Quartier fassen kann, damit etwa drey bis vier Finger hoch leerer Platz unter dem Halse der Flasche bleibe. Ich denke, Madame, Sie haben mich verstanden, daß die vorhin genannten Specereyen zuvor in die Flasche geschüttet seyn müssen? Gut! also bitte ich, sich noch ferner zu bemühen, und etwa aus 6 Loth Rosienen mit ihren schönen Fingern die Steine heraus zu machen; diese und noch 10 Loth Candieszucker hinzu zu schütten! Besehlen Sie es von etwas blaßgelber Farbe, so braucht es nur ein Quentchen orientalischen Saffran in ein zartes reines Tüchlein (die Reinlichkeit ist auch beym Usquebahmachen nicht so ganz aus der Acht zu lassen) gebunden, hinein zu hängen. Soll die Farbe höher seyn, so lasse man sich gefallen: statt des Saffrans 1 Quentlein Cochenille zu nehmen. Diese so angefüllte Flasche an einem warmen Orte etwa 14 Tage, oder länger, stehen lassen und täglich umgeschüttelt. Endlich, Madame, lassen Sie solche ein paar Tage ausruhen, und wenn der Satz sich hübsch gesetzt hat: so lassen Sie es abklären; das wird ein Usquebah! – Allein der Satz kann noch 2 ½ Quartier Franzbrandtewein in Usquebah verwandeln, wenn Sie nach einander jedesmal 1 Quartier und 1 Nößel darauf gießen, täglich umschütten und überhaupt damit verfahren lassen, wie mit dem Ersten.
Gewiß Madame, Sie können mir glauben, dies ist das wahre Geheimnis! und ich bin

Ihr gehorsamster Diener

Der Uebers.
und Pestwasser machen; er wies mir, wie man verschiedene ausländische leckere Gerichte zubereitet, als nämlich: Ollas, Pepper-Pots, Pillaws, Corys, Chabobs und Stufatas Da sieht man es an einem Beyspiel mehr, daß alle Kenntnisse nur sehr unvollkommen aus Büchern erlernt werden können. Ich habe bey dieser Stelle sehr fleißig selbst geblättert, und durch verschiedene Freunde, die noch viel dickere Bücher haben, nachschlagen lassen, aber vergebens. Eine sehr wißbegierige Dame, drey Meilen weit von hier, deren Mann ein artiges Landguth an der Elbe besitzt, und welche verschiedene Aecker und Wiesen verkocht hat, um keinen Artikel in Marcus Loofft, Stadtkochs in Itzehoe, Kochbuche ungemacht zu lassen, hat mich, da ich sie vor einigen Wochen ausdrücklich deswegen besucht habe, versichert, alle diese Gerichte oder eingelegte Sachen müßten schon im Loofft, obgleich unter andern Namen, stehen; denn der Mann sagte ja ausdrücklich auf dem Titel, daß nach seinen Anweisungs-Regeln, alle und jede, sowohl kostbare als ordinaire Speisen präparirt werden könnten. Denn Ihre Olla, (sagte sie,) ist gewiß unsers Looffts Ullie, Regula 199. – Eben trat der Mann herein, und als ich nach dem ersten Compliment gegen ihn den Namen Pepper-Pott nennte, um ihre Meynung auch von den übrigen zu vernehmen, gab sie mir durch einen Wink verstehn, daß ich nichts davon erwähnen möchte. Wars freundliche Gastfreyheit oder Tücke, der Mann ließ mich nicht weiter mit Madame alleine, und ich habe zum Dienste meiner Leserinnen gereiset, aber nichts weiter gelernt. Das erfuhr ich aber des Tags darauf, in dieser Nachbarschaft, daß vor einigen Tagen ein harter Strauß zwischen Mann und Frau vorgefallen war, weil sie einmal wieder eine Austerpastete hatte machen wollen, und er ihr im Monate Julii auf keine Weise hatte Austern schaffen können. – Sollte ich durch unermüdeten Fleiß zu Entdeckungen gelangen: so werde ich nicht ermangeln solche mitzutheilen; wäre es auch erst in der zehnten Auflage des beliebten Looffts.

A. d. Uebers.
– Er versteht alle Spiele, vom Schach an bis zum Stripp, Strapp, Strull; singt sein gutes Jagd- und Schäferlied; spielt auf der Violine, und tanzt noch seine Hornpipe Hornpipe ist eine geschwinde englische Tanzmelodie, dergleichen die französischen Giquen im 6/ 8 Tackt sind; und werden besonders in den Graffschaften Nottingham und Derby geliebt. mit erstaunlicher Behendigkeit. Er und ich giengen und ritten spatzieren, und jagten und fischten miteinander, ohne uns um die Witterung zu bekümmern; und ich bin überzeugt, daß in einem rauhen, feuchten Clima, wie wir hier haben, eine beständige Leibesbewegung dem Menschen zur Gesundheit eben so nöthig ist, als Essen und Trinken. In allen den zwey und zwanzig Jahren, ist die Freundschaft zwischen Wilsons Hause und dem meinigen noch keine Stunde unterbrochen oder kälter gewesen; und, was ein seltnes Beyspiel von Glückseligkeit ist, diese Freundschaft ist auf unsre Kinder geerbt. – Sein Sohn und der meinige sind ungefähr von einem Alter, und von einerley Gemüthsart; sie sind zusammen in einer Schule und in einem Collegio erzogen, und lieben sich einander aufs zärtlichste.«

»Durch Wilsons Vermittelung machte ich auch Bekanntschaft mit einem vernünftigen Arzte, der in dem nächsten Marktflecken wohnt, dessen Schwester, eine bejährte Jungfer, die Weyhnachtsfeyertage bey uns zubrachte. – Unterdessen trat ich meine Landwirthschaft mit vielem Eifer an, und noch denselben Winter pflanzte ich diese Buschwäldchen, die Ihnen so sehr gefallen. – Was den benachbarten Landadel anbelangt, so ließ mich der während meiner ersten Campagne in Ruhe. Er war bereits in die Stadt gezogen eh' ich herauszog; und gegen den Sommer hatte ich schon gehörige Maaßregeln genommen, mich gegen seine Angriffe zu vertheidigen. – Wenn mir eine glänzende Equipage vor die Pforte kam, war ich allemal nicht zu Hause; diejenigen, welche mich in einem bescheidenen Aufzuge besuchten, nahm ich an, und nachdem ich ihren Charakter und Umgang befand, wich ich ihrer fernern Bekanntschaft aus, oder erwiederte ihnen ihre Höflichkeit. – Ueberhaupt genommen, ward ich von der sogenannten vornehmen Gesellschaft verachtet, als ein geringer Mensch, sowohl von Erziehung als Vermögen. Bey dem allem fand ich einige wenige Leute von mäßigen Glücksumständen, welche mir in meiner Lebensart mit Freuden nachfolgten, und es würden gewiß unserer Gesellschaft noch mehr beygetreten seyn, wenn sie nicht durch den Neid, Hochmuth und Hoffart ihrer Weiber und Töchter daran behindert worden wären; denn das sind ja in diesen üppigen und verschwenderischen Zeiten allemal die Klippen, an welchen die weniger bemittelten Landsassen scheitern.«

»Einige Stück Feldes, die nahe bey meinem Hause lagen, behielt ich für mich, um nach den Anweisungen eines Lyl, Tull, Columella, Hart, Dühamel und andrer, die über die Materie geschrieben haben, Versuche anzustellen; und zu ihren Theorien nahm ich die practischen Erfahrungen des Pensionairs Bland zu Hülfe, der in der Feldwirthschaftskunst mein großer Lehrer war. Kurz, ich bekam eine ordentliche Liebe zum Landleben, und es glückte mir in meinem Unternehmen über alle meine Erwartungen. – Ich trocknete Sümpfe und Moräste aus, brannte Haiden ab, reutete Stubben, Ginst und Pfarrenkräuter aus; wo sonst nichts anders wachsen wollte, dahin pflanzte ich Weiden oder andres niedriges Koppelholz. Nach und nach umpflanzte ich alle meine Aecker und Wiesen mit lebendigen Hecken, und machte solche Verbesserungen, daß mir das Guth itzt jährlich seine reinen zwölf hundert Pfund abwirft. – Die ganze Zeit über sind meine Frau und ich beständig gesund und vergnügt gewesen; ein paar Zufälle ausgenommen, welche von dem menschlichen Leben unzertrennlich sind, wodurch unsre Heiterkeit unterbrochen ward. – Ich verlor ein paar Kinder in den Blattern, als sie noch sehr jung waren, so, daß ich gegenwärtig nur noch einen einzigen Sohn habe, auf welchem alle unsre Hoffnung beruht. – Er ist gestern ausgegangen, einen Freund zu besuchen, bey dem er die Nacht geblieben ist, gegen das Mittagsessen aber wird er zu Hause kommen. – Ich werde heute das Vergnügen haben, diesen Sohn Ihnen und Ihrer Familie vorzustellen, und ich schmeichle mir, Sie werden ihn Ihrer Gewogenheit nicht ganz unwerth finden.«

»Die Wahrheit zu gestehen, müßte ich entweder von der väterlichen Liebe geblendet seyn, oder es ist ein Jüngling von einem sehr liebenswürdigen Charakter; und gleichwohl hat uns seine Aufführung in eine unbeschreibliche Unruhe versetzt. – Ich muß Ihnen sagen, daß wir ihm unter den Nachbarstöchtern eine Frau ausersehen hatten, auf die einmal ein ansehnliches Vermögen fallen muß; allein es scheint, er hatte eine persönliche Abneigung gegen diese Verbindung. Er war damals zu Cambridge, und machte allerley Ausflüchte, um Zeit zu gewinnen; als aber seine Mutter und ich durch Briefe in ihn drangen, uns eine deutliche Antwort zu geben, gieng er seinem Hofmeister durch, und verschwand; es sind ungefähr acht Monate her. – Eh' er diesen unüberlegten Schritt that, schrieb er mir einen Brief, worinn er mir seine Ursachen gegen die Hehyrath erklärte, und versicherte, er würde sich so lange verborgen halten, bis er erführe, daß seine Aeltern nicht länger darauf bestünden, daß er eine Verbindung treffen sollte, die ihn auf Zeitlebens elend machen müßte; dabey schrieb er die Art und Weise vor, wie wir es in eine gewisse Zeitung setzen lassen könnten, wodurch er erfahren würde, wie wir über diese Sache dächten.«

»Sie können sich leicht einbilden, wie sehr wir über sein Entlaufen beunruhigt und betrübt wurden; denn er hatte auch nicht einmal seinem Schulfreunde, Wilson, der mit ihm in eben dem Collegio studirte, das Geringste von seinem Vornehmen merken lassen. – Wir nahmen uns vor, ihn dadurch zu bestrafen, daß wir thäten, als ob wir ihn nicht um ihn bekümmerten, und hofften, er würde so schon von selbst wieder zum Vorschein kommen; er aber blieb auf seinem Sinne, bis sich das Mägdchen einen andern Bräutigam gewählt hatte; darauf meldete er sich wieder und bewirkte durch Wilson seine Aussöhnung. – Was dächten Sie, wenn wir unsere Familien verschwägerten, und ihn mit Ihrer Nichte verheyratheten, die eine der liebenswürdigsten Personen ist, die ich jemals gesehen habe? Meine Frau hat sie schon so lieb gewonnen, als ob sie ihr eignes Kind wäre, und ich habe die Ahndung, daß sich mein Sohn auf den ersten Anblick in sie verlieben wird.« – »Nichts könnte wohl allen Personen in unsrer ganzen Familie angenehmer seyn, (sagte ich,) als eine solche Verbindung; allein, mein liebster Freund, die Redlichkeit verbindet mich, Ihnen zu sagen, daß ich besorge, Liddy's Herz ist nicht mehr völlig frey – Ein verwünschter Umstand« – »Sie meynen den jungen Comödianten zu Gloucester,« (sagt' er,) »nicht wahr? – Sie wundern sich, daß ich den Umstand weis; Sie werden sich aber noch mehr wundern, wenn ich Ihnen sage, daß dieser Acteur niemand anders ist, als Georg Dennison, mein Sohn – Er gieng unter die Gesellschaft, als er entwischte, um desto verborgner zu seyn.« – »Ja wahrhaftig bin ich voller Verwundrung und Freude, (rief ich,) und werde ichs für ein außerordentliches Glück halten, wenn Ihr Vorschlag zur Wirklichkeit gebracht werden kann.«

Nunmehro sagte er mir, daß sein Sohn, als er wieder ans Licht gekommen, ihm seine Liebe zu Miß Melford, der Nichte eines Herrn Bramble von Monmouthshire, entdeckt habe. Obgleich Herrn Dennison nicht davon träumte, daß dieß sein alter Freund, Matthias Loyd wäre: so hatte er dennoch seinem Sohne die erforderlichen Creditbriefe gegeben, und er war zu Bath, zu London und an manchem Orte mehr gewesen, um uns aufzusuchen, und uns seine Person und sein Gesuch bekannt zu machen. – Die vergebliche Mühe bey seinem Nachforschen hatte eine solche Wirkung auf seine Lebensgeister, daß er kurz nach seiner Zurückkunft von einem gefährlichen Fieber befallen wurde, welches seine Aeltern mit Angst und Schrecken erfüllte; indessen war er nunmehr glücklich wieder hergestellt, obgleich noch schwach und schwermüthig.

Da mein Neffe auf unserm Spatziergange zu uns kam, gab ich ihm von diesen Umständen Nachricht, worüber er herzlich vergnügt war. Er erklärte sich, daß er diese Verbindung aus allen Kräften befördern wollte, und daß ihm Zeit und Weile lang würde, eh' er den jungen Herrn Dennison als seinen Freund und Bruder umarmen könnte. – Unterdessen gieng der Vater hin, seine Frau zu ersuchen, daß sie Liddy mit dieser Entdeckung nach und nach bekannt machen möchte, weil ihre zarten Nerven von einer plötzlichen Ueberraschung zu viel leiden könnten; und ich gab meiner Schwester Tabby von dem Vorfalle Nachricht, welche darüber einige Verwundrung bezeigte, die, wie ich glaube, nicht ohn' alle Beymischung von neidischen Empfindungen war; denn, ob sie gleich gegen eine mit so vielen Vortheilen und Ehre verbundne Heyrath keine Einwendungen haben konnte: so wollte sie doch unter dem Vorwande, als ob die Personen beyde noch zu jung und zu unerfahren wären, Schwierigkeiten machen; zuletzt aber willigte sie dann doch darein, nachdem sie sich bey Lieutenant Lismahago Raths erholet hatte.

Herr Dennison trug Sorge, daß er seinen Sohn zuerst sprach, als er ins Haus trat; und ohne ihm Zeit oder Gelegenheit zu lassen, sich zu erkundigen, was für Fremde im Hause wären? führte er ihn die Stiegen herauf, um ihn mit Herrn Loyd und seiner Familie bekannt zu machen. – Die erste Person, die ihm in die Augen fiel, wie er ins Zimmer trat, war Liddy, welche, ohngeachtet aller Vorbereitung, in der heftigsten Verwirrung zitternd da stund. – Beym Anblick dieses Gegenstandes war er wie an den Boden geheftet, ohne alle Bewegung, betrachtete sie mit dem höchsten Grade von Erstaunen und Heftigkeit im Blicke, und rief aus: »Gütiger Gott! was ist dieß! – Ha! warum« – Hier fehlten ihm die Worte, aber die Bewegung seiner Augen machten das Stillschweigen zu einer sehr rührenden Rede. – »Georg, (sagte sein Vater,) dieß ist mein Freund, Herr Loyd.« Durch diese Anrede aufgeweckt, wendete er sich gegen mich, und empfieng meine Umarmung, wobey ich ihm sagte: »Mein lieber junger Herr, hätten Sie mir Ihr Geheimniß anvertraut, als wir uns das Letztemal sahen, so wären wir gewiß als beßre Freunde von einander geschieden.« Eh' er zu einer Antwort kommen konnte, kam Jerom herum, und stund vor ihm mit offenen Armen. Anfänglich stutzte er und veränderte die Gesichtsfarbe, allein nach einem kurzen Besinnen eilte er ihm in die Arme, und sie drückten sich so herzlich, als ob sie von Kindesbeinen an genaue Freunde gewesen wären. Darauf machte er meiner Schwester sein Compliment, und indem er zu Liddy gieng, sagt' er: »Ist es möglich, daß mich meine Sinne nicht täuschen! – Daß ich Miß Melford unter meines Vaters Dache sehe? – daß mirs erlaubt ist, mit ihr zu sprechen, ohne jemand zu beleidigen – und daß ihre Anverwandten mich mit ihrem Fürworte und Schutze beehren!« Liddy erröthete, zitterte und stammelte: »Wirklich, Sir, es ist ein wunderbarer Zufall, – ein großer – ein vom Himmel geschickter – ich weis wirklich nicht, was ich sage, – aber, ich bitte, denken Sie, daß ich habe sagen wollen, was schicklich ist.«

Madame Dennison fiel ihr damit in die Rede, daß sie sagte: »Fasset Euch, meine geliebten Kinder. – Unsere vornehmste Sorge soll seyn, Euch beyde glücklich zu machen.« Der Sohn gieng zu seiner Mutter, ihr die eine Hand zu küssen, indessen daß meine Nichte die andre mit ihren Thränen badete; und die gute alte Dame drückte eins ums andre an ihre Brust. Die Verliebten waren zu tiefgerührt, um mit einem Tage von ihrer Verwirrung befreyet zu werden; indessen ward die Scene durch die Dazukunft des Herrn Wilson viel lebhafter, welcher wie gewöhnlich, einiges Wild brachte, das er geschossen hatte. – Sein offenes, redliches Gesicht war ein kräftiges Empfehlungsschreiben. – Ich empfieng ihn, wie einen lieben Freund nach einer langen Trennung und ich konnte mich der Verwunderung nicht erwehren, als ich sah, daß er meinem Neffen, als einem alten Bekannten, die Hand schüttelte. – Aber sie waren auch wirklich schon vor einigen Tagen durch einen lustigen Zufall, den ich Ihnen einmal gelegentlich erzählen will, mit einander bekannt geworden.

Denselben Abend noch ward über die Angelegenheiten des jungen Paares Rath gepflogen, wobey die Heyrath förmlich ausgemacht, und der Ehecontract ohne die geringste Einwendung abgeredet wurde. Mein Neffe und ich haben versprochen, daß Liddy fünf tausend Pfund Sterling Brautschatz mitbringen soll. Herr Dennison erklärte sich, daß er seinem Sohne von Stund an die eine Hälfte seines Vermögens übertragen wollte, und seiner Schwiegertochter sollte ein Witwengehalt von vierhundert versichert werden. – Tabby brachte in Vorschlag, daß sie in Betracht ihrer Jugend, wenigstens noch ein Probejahr warten sollten, ehe der unauflösliche Knoten geknüpfet würde. Allein, da der Bräutigam so ungeduldig und dringend war, und dem Plan zufolge, die jungen Leute unter der Aufsicht der Aeltern in einem Hause beisammen leben sollten: so beschlossen wir vielmehr, sie ohne weitern Aufschub ganz glücklich zu machen.

Das Gesetz fodert, daß das Brautpaar einige Wochen in dem Kirchspiele wohnhaft gewesen seyn muß; wir werden uns also so lange hier aufhalten, bis die Ceremonie vorbey ist. – Herr Lismahago hat sein Gesuch angebracht, daß er sich eben derselben Gelegenheit bedienen dürfe; und also werden künftigen Sonntag alle Viere von der Kanzel abgekündigt werden. – Ich glaube wohl nicht, daß ich dazu kommen werde, meine Weyhnachten zu Brambleton-hall zu feyren. – Und in der That befinde ich mich hier auch so wohl, daß ich nicht einmal Lust habe, mein Standquartier zu verändern; und ich sehe es schon im Geiste, daß der Tag des Abschiedes für alle mit einander betrübt genug seyn wird. Unterdessen laß uns die Freuden mit Dank genießen, die uns der Himmel bescheert. – Sie, mein lieber Lukas, sind zu sehr durch Ihre Geschäffte gebunden, das weis ich, als daß ich hoffen könnte, Sie so weit von Hause zu sehen; indessen kann man den Weg in einem Sommertage zurücklegen, und Carl Dennison, der sich Ihnen empfehlen läßt, freuet sich darauf, seinen alten Universitätsfreund wieder zu sehen.

Merken Sie doch aber auch, daß ich nunmehro meinen festen Aufenthalt habe, und Ihnen eine große Entschuldigung wegfällt, wenn Sie nicht ordentlich antworten

Ihrem

den 11ten Oct.

unveränderlichen
M. Bramble. 

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An Sir Watkin Philipps, Baronet, im alten Jesuitercollegio zu Oxford.

Liebster Watt,

Nunmehr ist jeder Tag mit Begebenheiten und Entdeckungen schwanger! – Was meynen Sie, wen ich im jungen Herrn Dennison habe kennen gelernt? Niemand anders, als eben denselben Menschen, den ich so lange und so oft unter dem Namen Wilson verwünschet habe. – Er hatte das Collegium zu Cambridge heimlich verlassen und war ausgetreten, um eine Heyrath zu vermeiden, die er verabscheuete, und stellte an verschiedenen Orten im Lande einen Comödianten vor, so lange bis das besagte Frauenzimmer von selbst einen andern Mann geheyrathet hatte; alsdann kehrte er wieder zu seinem Vater und entdeckte ihm seine Neigung zu meiner Schwester Liddy, worein seine Aeltern auch willigten, ob der Vater gleich nicht die geringste Vermuthung hatte, daß Herrn Bramble eben sein alter Schulkamerad, Matthias Loyd, wäre. Als der junge Dennison die Erlaubniß erhalten hatte, bey meinem Onkel und mir auf die gehörige Art um Liddy anzusprechen, suchte er uns über ganz England allenthalben vergebens auf; und er war es auch gewesen, den ich vorbeyreiten sah, als ich mit meiner Schwester in einem Wirthshause vorm Fenster stund; ihm fiel es nicht einmal im Traume ein, daß wir in dem Hause seyn könnten. – Der eigentliche Herr Wilson, den ich aus Irrthum zum Zweykampf herausfoderte, ist der Nachbar und Busenfreund des alten Herrn Dennison, und eben diese Bekanntschaft hatte den Sohn auf den Einfall gebracht, sich diesen Namen zu geben, so lang er im Verborgnen lebte.

Sie können sich leicht einbilden, was ich für ein Vergnügen empfunden haben müsse, als ich die Entdeckung machte, daß die Ehre der Familie nicht wegen der Aufführung einer Schwester in Gefahr war, die ich mit so ungemeiner Zärtlichkeit lieb habe; daß sie, anstatt niederträchtiger Weise ihr Herz an einen herumreisenden, liederlichen Comödianten zu hängen, sie wirklich das Herz eines Mannes von gutem Stande erobert hatte, der ihr an Geburt gleich ist, und sie am Vermögen übertrifft, und daß ich, weil seine Aeltern seine Neigung billigten, im Begriff stund, einen Schwager zu erhalten, der meiner Freundschaft und Hochachtung so würdig ist. Georg Dennison ist, ohne alle Ausnahme, einer der vollkommensten jungen Männer in England. Seine Person ist zugleich zierlich und männlich gebauet, und sein Verstand in einem hohen Grade gebildet. Er mag Etwas hohen Geistes seyn, aber sein Herz ist mild, und seine Sitten so einnehmend, daß er sich Hochachtung und Liebe erwirbt, selbst von der Bosheit und Gleichgültigkeit. Wenn ich meinen eignen Charakter gegen den seinigen auf die Waagschale lege: so schäme ich mich, daß die meinige so hoch steigt, doch erregt die Vergleichung keinen Neid bey mir. – Ich werde ihn mir zum Muster der Nachahmung nehmen. – Ich habe mich bemühet, seine Freundschaft zu gewinnen, und hoffe, ich habe schon einen Platz in seinem Herzen gewonnen. Bey dem allen aber schlägt michs doch nieder, wenn ich bedenke, was wir täglich für offenbare Ungerechtigkeiten begehen, und was für abgeschmackte Urtheile wir fällen, wenn wir die Gegenstände durch das betrügliche Glas des Vorurtheils und der Leidenschaften betrachten. Hätten Sie vor ein paar Tagen eine Schilderung von dem Comödianten Wilson von mir gefodert, ich würde ein Portrait von ihm entworfen haben, das dem wahren Charakter und der Person Georg Dennisons sehr unähnlich gewesen seyn würde. – Ohne Zweifel ist der größeste Nutzen, den man davon hat, wenn man reiset und die Menschen im Originale studirt, daß man diese Wolken vertreibt, welche die Verstandeskräfte umnebeln und das Gemüth verhindern, mit unpartheiischer Einsicht zu urtheilen.

Der wahre Wilson ist einer von den guten Sonderlingen, und der gutherzigste umgänglichste Mann, den ich kenne. – Ich glaube nicht, daß er jemals in seinem Leben niedergeschlagen gewesen ist, oder sich geärgert hat. Auf Wissenschaften macht er keinen Anspruch, aber in allen andern Dingen, welche entweder nützlich oder angenehm seyn können, ist er ein rechter Tausendkünstler. Unter andern ist er auch ein Waidgerechter Jäger, und wird für den besten Schützen im Lande gehalten. Er und Dennison und Lismahago, und ich, begleitet von Klinker, wir giengen gestern mit unsern Flinten aus, und richteten unter den Rebhünern eine große Niederlage an. Morgen werden wir einen Feldzug gegen die Birkhüner und Schnepfen thun. Des Abends tanzen wir und singen, spielen Commerce, Loo und Quadrille.

Herr Dennison ist ein zierlicher Dichter und hat einige kleine Gedichte über seine Liebe zur Liddy gemacht, welche der Eitelkeit eines jungen Mägdchens sehr schmeicheln müssen. Vielleicht ist er eins der größesten dramatischen Genies, die jemals erschienen sind. Er macht uns zuweilen das Vergnügen, und sagt uns die vorzüglichsten Stellen aus unsern besten dramatischen Dichtern her. Wir sind willens, die große Gesindediehle in ein Theater zu verwandeln, und in der Geschwindigkeit the Beaux Stratagem zusammen zu studiren und aufzuführen. Mich däucht, ich will die Rolle des Scrab schon ganz gut herausbringen; und Lismahago muß im Charakter des Capitain Gibbet ein großer Acteur seyn. – Wilson hat es unternommen, den Landmann aus der Grafschaft die Comödie zu geben: Harlequin als Skelet, wozu er schon mit seiner eignen Hand eine Jacke gemalt hat.

Unsre Gesellschaft ist wirklich reizend. Selbst der strenge Frost des Lismahago hat nachgegeben, und Tante Tabbys Säure ist ungemein viel abgesüßet, seitdem es ausgemacht ist, daß sie noch vor ihrer Nichte in den lieben Ehestand treten soll; denn Sie müssen wissen, daß der Hochzeitstag schon festgesetzt ist, und daß beyde Paare schon zum Erstenmale in der Pfarrkirche aufgeboten sind. Der Lieutenant bat sehr ernsthaft, daß die Unruh mit Einemmal abgethan werden möchte, und Tante willigte endlich mit gezierter Weigerung darein. Ihr Inamorato der mit sehr geringer Aussteuer hier anlangte, hat bereits um seine Bagage nach London gesandt, welche aber nach aller Wahrscheinlichkeit wohl erst nach der Hochzeit anlangen wird. Aber es kommt auch eben nicht darauf an, da alles in der größesten Stille abgethan werden soll. – Unterdessen sind schon die Puncte zu den Ehezärtern aufgegeben, welche für beyde Bräute sehr vortheilhaft sind. Meiner Schwester wird ein gutes Nadelgeld und Witwengehalt versichert, und Tante bleibt Besitzerinn von ihrem Gelde, ausgenommen die Hälfte von den jährlichen Renten, mit welchen ihr Herr Gemahl nach eignem Belieben schalten und walten kann. Ich denke das ist so wenig als man für einen Mann thun kann, der sich mit einer solchen Lea auf Zeitlebens ins Ehestandsjoch spannen läßt.

Diese Ehestandscandidaten scheinen so glücklich zu seyn, daß ich nicht wüßte, wenn Herr Dennison eine hübsche Tochter hätte, ob ich nicht mit ihr das dritte Paar in diesem Tanze abgeben möchte. Das Heyrathen scheint hier ansteckend zu seyn; denn Klinker, oder nunmehro Loyd, hat verhenkert große Lust, eben dieselbe Thorheit mit der ehr- und tugendsamen Jungfer Winifred Jenkins zu begehen. Er hat mich eben über diese Sache so ein wenig ausholen wollen; ich hab' ihm aber gar nicht angerathen, auf diesem Vorhaben zu bestehen – Ich sagte ihm, ich dächte, er könnte eine beßre Parthie treffen, weil er doch noch nicht wirklich mit ihr verlobt wäre; daß ich aber der Meynung wäre, er müßte es nicht wagen, ihn durch einen voreiligen Antrag von dieser Art böse zu machen. – Der ehrliche Humphry betheurete, er wollte lieber den Tod leiden, als Etwas sagen oder thun, das der 'Squire übel nehmen könnte: er sagte aber, daß er dem Mägdchen herzlich gut wäre, und daß er Ursache hätte, zu glauben, sie betrachtete ihn gleichfalls mit günstigen Augen; daß er diese gegenseitige Erklärung von Gewogenheit als eine stillschweigende Verbindung von beyden Seiten ansähe, welche in dem Gewissen eines redlichen Mannes verbindlich seyn müßte; und daß er hoffte, der 'Squire und ich würden von eben der Meynung seyn als er, wenn er erst Zeit haben würde, einen Gedanken auf diese Sache zu verwenden. – Ich glaube wirklich er hat Recht; und wir werden schon Zeit finden, diesen Fall in Ueberlegung zu ziehen. –

Sie sehen, wir werden wenigstens einige Wochen lang hier bleiben müssen, und da Sie bis itzt Respiettage genug gehabt haben: so hoffe ich, Sie werden nunmehro ungesäumt den Anfang machen, und einen Theil der Schulden abtragen, welche bey Ihnen zu gute hat,

Ihr

den 14ten Octob.

ganz ergebenster Diener
J. Melford.       

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An Miß Lätitia Willis, zu Gloucester.

Liebste, liebste Lätitia!

Mit solcher heftigen Gemüthsbewegung, als heute, hab' ich mich noch niemals zum Schreiben niedergesetzt. – Seit einigen wenigen Tagen haben sich so viele Begebenheiten ereignet, und so wundervolle, und die mich so nahe angehen, daß sich die Gedanken in meinem Kopfe in grosser Unordnung herumjagen. – Zusammenhang oder Ordnung müssen Sie ja nicht erwarten, wenn ich Ihnen, meine liebste Willis, erzählen soll, was ich erlebt habe. – Seit meinem letzten Briefe haben die Sachen eine ganz andre Gestalt bekommen. Eine so liebliche Gestalt! – Aber ich möchte es Ihnen doch gerne sagen, wie alles nach einander gekommen ist. – Vor ungefähr acht Tagen, als wir durch einen Strom fuhren, ward unser Wagen umgeworfen, und einige von uns kamen nur noch eben mit dem Leben davon. – Mein Onkel war in großer Lebensgefahr! – Gütiger Gott! ich kann ohne Schauder und Entsetzen nicht daran denken! Ich hätte meinen besten Freund, meinen Vater, und Beschützer verloren, wenn nicht sein Bedienter Humphry Klinker so entschlossen und so hurtig gewesen wäre. Diesen Menschen scheint wirklich die Vorsehung in meines Onkels Dienste gebracht zu haben, damit er ihn bey dieser Gelegenheit errettete. Ich möchte nicht gerne, daß Sie mich für abergläubisch hielten; aber es ist doch gewiß, daß ihn Etwas antrieb, das noch stärker wirkte, als die gewöhnliche Treue. – War es nicht die Stimme der Natur, die ihn so laut auffoderte, das Leben seines leiblichen Vaters zu retten? denn es hat sich gefunden, meine liebste Letty, daß Humphry Klinker meines Onkels natürlicher Sohn ist.

Fast in eben der Stunde begab sichs, daß ein Herr zu uns kam und uns seinen Beystand anbot, der zufälliger Weise ein alter Freund meines Onkels seyn mußte. – Dieser alte Herr ist einer der würdigsten Männer, die Gott geschaffen hat, und heisset Dennison; und seine Gemahlinn ist eine wirkliche Heilige auf Erden. Sie haben einen einigen Sohn – Sollten Sie wohl denken können, wer dieser einige Sohn ist? – O meine Letty! – Ach gütigster Gott! wie mein Herz pocht, daß ich Ihnen sagen kann, dieser einige Sohn des Herrn Dennison ist gerade derselbe junge Mensch, welcher unter dem Namen Wilson solch eine Verwüstung in meinem Herzen angerichtet hat. – Ja, meine geliebteste Freundinn! Wilson und ich wohnen itzt in einem Hause, und können ohne Zwang mit einander sprechen. Sein Vater billigte die Neigung seines Sohnes zu mir; seine Mutter liebt mich so zärtlich, als ob ich ihre eigne leibliche Tochter wäre. Mein Onkel, meine Tante und mein Bruder widersetzen sich meinem Herzen nicht mehr, sondern haben alle beschlossen, uns bald glücklich zu machen; und in drey Wochen oder einem Monate, wenn nicht ein unvermuthetes Unglück dazwischen kommt, wird ihre Freundinn, Lydia Melford, ihren Namen und Stand verändert haben. – Ich sage, wenn kein Unglück dazwischen kommt, weil ich bey einem solchen Strome von Glückseligkeit erzittre! – Ich wünsche, ich wünsche, daß nur keine Schlange unter den Rosen verborgen liege! – Ich habe kein Verdienst – Ich habe keine Ansprüche auf so viel Glückseligkeit – Weit gefehlt, daß ich mich über die schöne Aussicht freuen sollte, die ich vor mir habe, ist mein Gemüth in einem beständigen Tumulte von Hoffnung und Wünschen; von Furcht und Zweifeln. – Ich kann nicht essen, nicht schlafen, und mein Blut ist in beständiger Wallung! Ich fühle mehr als jemals das Leere in meinem Herzen, welches nur Ihre Gegenwart ausfüllen kann. Das Gemüth sucht allezeit, wenn es unruhig ist, sein bestes Kissen am Busen eines Freundes; und ich bin itzt in einer solchen sonderbaren Verwirrung, daß ich wirklich nicht weis, wie ich mich ohne Ihre Gesellschaft und Ihren Rath hindurch finden soll. – Ich muß also, meine theureste Letty, Ihre Freundschaft auf die Probe stellen – ich muß Sie bitten, daß Sie kommen und Ihrer Gespielinn, Lydia Melford, wollen die letzten jungfräulichen Dienste leisten.

Dieser Brief kommt in einem Einschlusse eines Andern von Madame Dennison an unsre würdige Pflegemama, worinn sie gebeten wird, es bey Ihrer Frau Mutter auszuwirken, daß solche Ihnen die Erlaubniß ertheile, uns bey dieser Gelegenheit mit Ihrer Gegenwart zu beehren; und ich schmeichle mir, daß unsrer Bitte nichts erhebliches entgegenstehen wird. – Die Wege sind gut, und Sie können in zwey Tagen von Gloucester hier seyn. – Mein neuer Vetter Humphry Loyd, soll überkommen und Sie auf der Reise begleiten. – Wenn Sie des Morgens um sieben Uhr mit ihrer Betty in die Postchaise steigen: so kommen Sie schon um viere des Nachmittags bey einem Hause an, das auf dem halben Wege liegt, worinn Sie alle Bequemlichkeit, und auch meinen Bruder und mich vorfinden sollen; und den andern Tag gehen wir zusammen hierher, woselbst Sie ganz gerne seyn werden, das versichre ich Sie, denn Sie kommen in sehr angenehme Gesellschaft. – Sie müssen mir es nicht abschlagen, meine liebste Letty! – Wenn Sie noch einige Freundschaft – noch einige Menschlichkeit besitzen, so kommen Sie gewiß. Ich bitte, suchen Sie doch ja bald die Einwilligung Ihrer Frau Mutter zu erhalten, und so bald Sie solch haben, erfreuen Sie mit der Nachricht

Ihre

den 14ten Oct.

ewig getreue Freundinn
Lydia Melford.   

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An Madame Jermyn, zu Gloucester.

Hochgeehrte Frau Pflegemama,

Ob ich gleich nicht so glücklich gewesen bin, auf den Brief, womit ich Ihnen im vorigen Frühling beschwerlich fiel, mit einer Antwort beehrt zu werden, so schmeichle ich mir dennoch, daß Ihnen mein Glück und meine Angelegenheiten noch nicht ganz gleichgültig geworden sind. Mein Herz empfindet es, daß die Sorgfalt und Zärtlichkeit, mit welchen ich in Ihrem Hause und unter Ihrer Aufsicht begegnet worden, meine wärmste Dankbarkeit und Ergebenheit verdient; und diese Empfindungen, hoffe ich, sollen nicht vor meinem Tode in meinem Herzen erlöschen. – Gegenwärtig halte ich es für meine Pflicht, Ihnen von dem glücklichen Ausgange Nachricht zu geben, den die Uebereilung gehabt hat, wodurch ich mir Ihren Unwillen zuzog. – Ach, theureste Madame! der verachtete Wilson ist verwandelt in Georg Dennison, den einigen Sohn und Erben eines begüterten Mannes, dessen Charakter keinem in ganz England etwas nachgiebt, wie Sie erfahren können, wenn Sie sich darnach erkundigen wollen. Meine Vormünder, mein Bruder und ich sind itzt in seinem Hause; und mit nächstem wird eine Vereinigung beyder Familien, in der Person des jungen Herrn Dennison und Ihrer armen Lydia Melford, statt finden. – Sie werden sehr leicht einsehen, wie verlegen ein junges, unerfahrnes Geschöpf wie ich, die so schwach von Nerven und so furchtsam ist, bey einer solchen Situation seyn muß; und wie sehr mir die Gegenwart einer vertrauten Freundinn Muth machen, und zu statten kommen würde. Sie wissen, daß von allen meinen Schulfreundinnen Miß Willis immer den größesten Theil an meinem Herzen und Vertrauen gehabt hat; und dieserhalben wünsche ich recht herzlich, daß ich bey dieser angelegensten Begebenheit meines Lebens das Glück ihrer Gesellschaft genießen möchte.

Madame Dennison, welche aller Menschen Hochachtung und Liebe besitzt, die Sie kennen, hat auf mein Bitten, Ihnen über dieses mein Verlangen geschrieben, und ich hoffe, ihr Ersuchen wird mein Bitten kräftig unterstützen.

Theureste Madame Jermyn! meine ewig geehrte Frau Pflegemama! lassen Sie mich Sie bey aller Zärtlichkeit beschwören, die Sie ehedem für Ihren Liebling Liddy hatten! Bey dem wohlthätigen Herzen, welches Sie so geneigt macht, aller Ihrer Nebengeschöpfe Glückseligkeit zu befördern! daß ich Sie nicht hart gegen mein Anliegen finden möge, und daß Sie bey meiner Willis ihrer Frau Mutter Ihr vielgeliebtes Fürwort anwenden wollen, damit mir mein so inniger Wunsch gewähret werde. Sollte man mir in diesem Stücke willfahren: so verbinde ich mich, Sie wieder mit der äussersten Sorgfalt nach Gloucester zurück zu begleiten, woselbst ich alsdann, wenn Sie mir dazu die Erlaubniß ertheilen wollen, die Ehre haben werde, Ihnen unter einem andern Namen vorzustellen,

Theureste Madame,

Ihre

den 14ten Oct.

ergebenste und dienstschuldigste
Dienerinn                   
Lydia Melford.             

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An Jungfer Maria Jones, zu Brambleton-hall.

O Mieckchen, Mieckchen!

Was für Abentheuer, Erstaunen und Schrecklichkeiten habe ich Ihr nicht erlebet! So viel, so viel, daß ich fast ganz ausser mich bin, und daß ich noch nicht weis, ob ich mein Lebstage wieder zu mich selbst kommen werde.

Die vorige Woche haben sie mich aus den Wasser gezogen, in einem tiefen Flusse, ich war so naß geworden, als eine versoffene Katze, und ich habe Ihr dabey eine spannagelneue Nachthaube verloren, und einen sülbernen Schnürleibshaacken, die mich meine schöne halbe Krone kostete, und einen Schuh von grün und gelben Kalmank noch dazu. Aber das ists noch nicht einmal alle; alle mein Zeug ward mir auf dem Leibe naß, und habe ein groß Loch in mein Hempt gerissen, und eine häßliche Schmarre hinten auf meine Dicke Lende gekriegt, von den Stubben von einen Baum im Wasser. 's ist wohl wahr, daß Moßgeh Klinkery mich aus der Kutschen holte; aber er schmiß mich mitten ins Wasser nieder, und hohlte den Skweir; und ich hätte Ihr bald mein Grab bey den Fröschen und Schlangen, und nicht bey frommen Christen gefunden, wenn nicht noch ein Müller mich ans trockne Land gebracht hätte. – – Aber, aber, Mieckchen, wie das nicht zuweilen in der Welt hergeht! der Komöhdiantenakteur, der Miß Liddy nachgereiset war, und mich zu Bristol mit seinen Barthe einen solchen Schreck abjagte, ist nun, was meynt Sie wohl? in einen hübschen feinen jungen Herrn Mithamurficirt, und ist der Sohn und Erbe des Herrn Dellison. – Wir wohnen alle zusammen in einem Hause, und alle haben die Heyrath beschlossen, und in ein vierzehn Tagen soll die Zeremonige in Stande kommen.

Aber bey der einzigen Hochzeit solls nicht einmal bewenden bleiben. – Meine Fröhlen will sich das Heyrathen auch nicht vorbeygehen lassen. Nun in Gottes Herren Namen! Vorigen Sonntag hab ich in der Pfarrenkirche mit meinen beiden eignen Ohren angehört, daß der Küster ein Aufgebot ablas, Herrn Oponiah Lashmyhego und der Ehr- und Tugendbegabten Jungfer Tabitha Bramble. Ich weis nicht, was die Leute von Küsters für Zeug machen? Meine Herrschaft ist keine Jungfer, sondern sie ist wohl eine Fröhlen, sonst wollt' ich ihr nicht aufwarten. Aber mit Miß Liddy macht' ers nicht besser, die er mit jungen Skweir Dollison aufbot. – Ja, was wollt ich sagen? er hätte wohl das dritte Paar von den Pulte werfen können, wenn sich die Umstände mit Moßgeh Klinkerg nicht gewaltig verwandelt hätten. – O, Mieckchen, was meynt Sie wohl? Sie habens ausgefunden, daß er ein Liebeskind von unserm eignen Skweir ist, und daß sein rechter Name Mitthias Loid heißt. (aber der liebe Gott weis, ob das mit rechten Dingen zugeht!) Und nun trägt er keine Lieberey mehr, sondern Manschetten. – Aber ich hab' ihn noch gekannt, als ihn die Elbogen aus dem Aermel sahen, und er kein Hempt auf seinen Gesitze hatte; drum braucht er nur nicht die Nase so hoch zu tragen – Die rechte Wahrheit zu sagen, so ist er wohl ein ganz bescheidener Mensch und dienstfertig genug, und betheuret hoch und theuer, daß er mich noch eben so gut ist, als vorher; aber daß er nun nicht mehr thun darf, was er will, und kann nicht heyrathen, ohne Skweirs Einwilligung. Er sagt, wir müßten mit Geduld warten, und uns auf die Fürsicht verlassen, und solch wischi waschi mehr! – Was ist da zu lauren, wenn er mich noch eben so gut ist? frische Fische gute Fische! – Warum will er nicht schmieden weils Eisen heiß ist, und es den Schweire gleich sagen, weil er einmal beym Einwilligen ist? – Was kann der Skweir zugegen haben, daß wir nicht zusammen kommen? Wenn schons mein Vater kein Edelmann war, so ist doch meine Mutter eine ehrliche Ehfrau gewesen! – Ich bin fürwahr auch nicht am Zaune gefunden. – Mein Vater und Mutter sind öffentlich aufgeboten und getrauet, wie es nach allen Konsistorien recht ist, und vor den Angesicht von Menschen und Engeln, versteht Sie mich wohl, Mieckchen!

Herr Klinkerg (Loyd wollt' ich sagen,) mag meinethalben nach seiner eignen Thür sehn. – Es giebt mehr Krämer auf der Messe, wie man zu sagen pflegt. – Was würd er dazu sagen, wenn ich den Freywerbereyen des jungen Skweirs seinen Bedienten Gehör gäbe? Herr Machalpine hat lange Degen und Stock getragen, und ist mit im Felde im Kriege gewesen – Er hat Ihr in einer Menge von Büchern gelesen, und spricht sein Französisch, und Holländisch und Schottisch, und alle andern ausländischen Sprachen. Wohl wahr, daß er schon ein bischen was abgenützt, und dem Trunk ergeben ist; aber er hat darentgegen auch keinen bösen Trunk, und eine kluge Frau könnte ihn um ihren kleinen Finger winden. – Aber ich denke Ihr doch mit keinen Gedanken an ihn – Ich meins gar nicht böse, und es sollte mich leid thun, daß ich Herr Loyd das geringste zu widern thäte in Worten oder Werken, wenn er mir keine Gelegenheit dazu giebt. – Aber liebe Mieckchen, ich bin Ihr so schwermüthig – Da sitz' ich allein und weine und nehme As of etida ein, und riech an gebrannte Federn und Lichtputzschnuppen; und bitte Tag und Nacht um Gnade, daß ich ein Funken von den neuen Lichte erhalten möge, daß mich leite in diesen trüben Jammerthal! Und doch fehlt es mich an nichts, bey diesen liebreichen Leuten; eine jede Seele ist hier so gut und so from, daß einer denken sollte, es wären lauter Heilige aus dem Himmel. Bete Sie vor mir, liebste Mieckchen und grüsse Sie Salameh, und ich bin

bis in den Todt,
Ihre

den 13ten Oct.

bedrückte und bedrängte
Freundinn             
Win. Jenkins.       

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An den Doctor Lukas.

Sie können sichs nicht einbilden, was es mir für ein Vergnügen macht, einmal nach einem so langen Stillschweigen von Ihrer Seite wieder Etwas von Ihnen Geschriebenes zu lesen. – Und doch, weis' es der Himmel! hab' ich Ihre Hand oft mit Widerwillen gesehen – Auf den länglichten Zetteln nämlich, in Abbreviaturen und Apotheker Latein.

Mir gefällt Ihr Gedanke, unserm Herrn Lismahago eine Einnehmerstelle zu verschaffen; auch er selbst hat seine Freude über den Plan; und läßt Ihnen sein Compliment machen, und schönstens für die Fürsorge danken, die Sie für ihn und für sein Bestes haben. – Der Mann scheint sich bey genauerer Bekanntschaft zu bessern. Die stachlichte Zurückhaltung, welche eine unangenehme Hülfe um seinen Charakter machte, fängt an, zu platzen und abzuspringen, so wie wir mehr mit einander umgehen. – Ich habe alle Hoffnung, daß er und Tabby eben so glücklich gepaaret seyn werden, als irgend ein zweyspänniger Zug im Königreiche; und ich zweifle nicht daran, daß wir zu unsern Wintergesprächen am Camine unsre kleine Gesellschaft mit einem sehr würdigen Mitgliede vermehrt haben.

Ihre Unzufriedenheit darüber, daß ich diese Jahreszeit so ferne von meiner Heymath zubringe, würde mehr Eindruck bey mir machen, wenn ich mich da, wo ich bin, nicht vollkommen nach meinem Sinne befinde, und meine Gesundheit nicht so viel gewonnen hätte, daß ich keck genug bin, mich um Podagra und Schnupfen nicht zu bekümmern. Ich fange an, zu denken, daß ich mich zu voreilig in die Liste der Alten habe einschreiben lassen, und daß ich gar nicht weise gehandelt habe, meine Gesundheit in Einsamkeit unthätiger Muße zu suchen. Ich bin überzeugt, daß alle kränklichen Leute zu viel sitzen, zu ordentlich und zu ängstlich vorsichtig leben. Wir sollten zuweilen einmal die Maschiene ein wenig schneller gehen lassen, und die Hemmkette von den Rädern des Lebens nehmen; dann und wann einmal in die Wellen der Uebermäßigkeit tauchen, und dadurch der Leibesbeschaffenheit eine gute Härtung geben. Ich habe sogar gefunden, daß es zum derben Umlaufe der Lebensgeister, welches doch das wahre Wesentliche einer guten Gesundheit ausmacht, eben so nöthig ist, zuweilen andre Gesichter zu sehen, als eine andre Luft zu athmen.

Seit meinem letzten Briefe habe ich einige Freundschaftspflichten erfüllet, welche viel körperliche Bewegungen erfoderten, die mir hoffentlich recht gut bekommen sollen. Als ich höchst zufälliger Weise erfuhr, daß die Ehefrau des Herr Baynards an einem hitzigen Fieber gefährlich krank läge, borgte ich Herrn Dennisons Postchaise und fuhr damit nach seinem Guthe zu, wobey ich niemand mitnahm, als meinen Loyd, (ehmaliger Klinker,) der mich zu Pferde begleitete. Da es nur eine kleine Tagereise von hier liegt, so langten wir schon um vier Uhr des Nachmittags an, und da erfuhr ich von dem Doctor, den ich an der Thüre antraf, daß seine Patientinn eben abgeschieden wäre. – Mich überfiel eine heftige Gemüthsbewegung, es war aber keine Betrübniß. – Weil alles im Hause verstört war, so gieng ich eilend die Stiegen hinauf in das Sterbezimmer, wo ich alle Menschen aus dem Hause versammlet antraf. Die Tante stund und rang in einer Art von Betäubung die Hände, mein Freund aber überließ sich allen Ausschweifungen des Schmerzens. – Er hielt den Leichnam in den Armen, und stieß solche Klagen aus, daß man hätte denken sollen, er hätte das liebenswürdigste Weib und die hülfreichste Gefährtinn auf der ganzen Welt verloren.

Die Liebe muß doch gewiß ohne Hochachtung bestehen können; ja, eine und eben dieselbe Person mag in gewissem Betracht liebenswerth, und in einem andern hassenswürdig seyn. – Die Seele hat ein wunderbares Vermögen, durch eine lange Gewohnheit, solche Dinge, die in ihrer eignen Natur widrig oder gar schädlich sind, nicht nur ertragen zu lernen, sondern sich sogar dergestalt daran zu gewöhnen, daß sie sich nicht davon trennen lassen kann, ohne Widerwillen und Schmerz zu empfinden. Baynard war so vertieft in seine Betrübniß, daß er mich nicht gewahr ward, als ich herein trat, und zu einer von den Frauen sagte, sie sollte die Tante nach ihrem eignen Zimmer führen. Zugleich bat ich den Informator, er möchte seinen Untergebnen wegbringen, welcher in einer Ecke stund und gafte, und sich den betrübten Auftritt wenig zu Herzen gehen ließ. – Nachdem ich diese vorläufige Anstalten gemacht, wartete ich, bis sich die erste Heftigkeit des Sturmes bey meinem Freunde gelegt hatte, alsdann trennte ich ihn mit Gelindigkeit von dem melancholischen Gegenstande; und führte ihn bey der Hand in ein ander Zimmer; ob er sich gleich so heftig sträubte, daß ich genöthigt war, seinen Kammerdiener zu Hülfe zu rufen. – In wenigen Minuten faßte er sich gleichwohl, nahm mich in seine Arme und sagte: »Das ist ein wahrer Freundschaftsdienst, wahrhaftig! – Ich weis nicht, wo Sie hergekommen sind; aber ich glaube, der Himmel hat Sie zu mir gesendet, mich bey Verstande zu erhalten. – O Matthias, ich habe meine theureste Henriette verloren; mein armes, sanftes, zärtliches Weib! die mich so treu, so unwandelbar liebte! – Meine beständige Gefährtinn seit zwanzig Jahren! – Sie ist hin! – Sie ist auf ewig dahin! – Himmel und Erde! wo ist sie? – Der Tod soll uns nicht trennen!«

Bey diesen Worten sprang er auf, und es kostete Mühe, ihn zurückzuhalten, daß er nicht wieder nach dem Sterbezimmer liefe. – Sie sehen wohl ein, daß ich thöricht gethan hätte, wenn ich mich mit einem Manne hätte einlassen wollen, der solch Zeug schwatzte. – Bey allen solchen Gelegenheiten muß man dem ersten Strome der Leidenschaft Zeit lassen, nach und nach abzufließen. – Ich versuchte es, seine Aufmerksamkeit dadurch zu körnen, daß ich nach und nach mir einen Wink entfallen ließ; und ungezwungner Weise das Gespräch auf gleichgültigere Materien lenkte; und da mir im Innersten meines Herzens der Vorfall sehr behagte; so konnte ich so viel Witz anwenden, daß ich meinen Zweck erreichte. In einigen Stunden war er ruhig genug, der Vernunft Gehör zu geben, und sogar zu gestehen, daß der Himmel nicht besser hätte ins Mittel treten können, um ihn von Schande und Untergange zu retten. – Damit er aber nicht aus Mangel an Gesellschaft wieder in seine vorige Schwachheit zurück fallen möchte, brachte ich die Nacht in seiner Kammer, auf einem kleinen Bette zu, das ich zu dem Ende hinein setzen ließ; und es war ein Glück, daß ich diese Vorsicht gebraucht hatte; denn er sprang verschiedene Mal im Bette auf, und würde närrisches Zeug angefangen haben, wenn ich nicht gegenwärtig gewesen wäre.

 

Den folgenden Tag war er im Stande, von Geschäfftssachen zu sprechen, und ertheilte mir völlige Gewalt über seine Haushaltung, welche ich dann ohne Zeitverlust in Ausübung brachte, obgleich nicht eher, bis er den Plan wußte und billigte, den ich zu seinem Besten entworfen hatte.

 

Er hätte gerne von Stund an das Haus verlassen; diesem Vorsatze aber widersetzte ich mich. – Ich fand, daß er einen vorübergehenden Widerwillen gegen den Ort hatte, der leicht in einen Gewohnheitshaß hätte ausarten können; das war aber ganz gegen meine Absicht, denn ich war willens, ihm, wo möglich, eine größre Neigung als er jemals gegen sein väterliches Erbtheil gehabt hatte, beyzubringen. – Ich machte die Einrichtung, daß die Beerdigung so still vor sich gehen sollte, als es mit dem Wohlstande bestehen konnte. Ich schrieb nach London, daß man in seinem Hause in der Stadt allen Hausrath aufschreiben und taxiren lasse möchte, und kündigte in Baynards Namen seinem Hauswirthe die Miethe auf den nächsten Termin auf. Ich nahm jemand an, der auf dem Landguthe alles, bis auf Kutschen, Pferde und Geschirre ordentlich aufschreiben mußte; den Sohn schickte ich bey einem Geistlichen in der Nachbarschaft in die Kost, und dahin gieng er sehr willig, sobald er hörte, daß er seinen Informator los werden sollte, welchem wir den Abschied gaben. Die Tante war immer sehr finster, und kam niemals zu Tische, obgleich Herr Baynard sie alle Tage in ihrem Zimmer besuchte; hier hielt sie ihr Wesen mit dem weiblichen Gesinde, und pflog Unterredungen mit ihnen: den Augenblick aber, da ihre Nichte beerdigt war, fuhr sie in einer Postchaise, die sie zu dem Ende bestellt hatte, von dannen. Indessen verließ sie das Haus nicht, ohne Herrn Baynard einzuknüpfen, daß die Garderobe ihrer Nichte nach allen Rechten und Gebräuchen ihrem Aufwartmägdchen zukäme; dem zufolge bekam dieses nichtsnützige Mensch alle Kleider, Spitzen und Leinengeräth ihrer verstorbenen Frauen, welches sich zusammen, nach einer mäßigen Schätzung, auf fünf hundert Pfund belief.

Der nächste Schritt, den ich vornahm, war, die Legion von überflüßigen Bedienten zu entlassen, welche so lange an den Eingeweiden meines Freundes genagt hatten; ein Schwarm mäßiger Drohnen, welche so unerträglich pazzig waren, daß sie sogar ihren eignen Herrn mit verächtlicher Nachläßigkeit begegneten. Sie waren fast alle von seiner Frau auf die Empfehlung ihres Kammermensches gemiethet, und diese beyden waren die einzigen im Hause, auf deren Befehle sie einigermaßen hörten. Ich hatte aus dieser Ursache eine herzliche Freude, als ich das Haus von diesem Ungeziefer gereinigt hatte. Das Weibstück vom Kammermensch, einen andern Treppenfeger, einen französischen Koch, einen Obergärtner, zwey Diener und einen Kutscher lohnte ich ab, und schaffte sie sogleich aus dem Hause, wobey ich jedem, weil ihnen nicht aufgesagt worden, einen Monatlohn in den Kauf gab. Die, welche ich beybehielt, bestunden in einer Köchinn, die dem Koche bisher geholfen hatte, einer Hausmagd, einem alten Livereybedienten, einem Postillion, und einem Untergärtner. Auf diese Art befreyete ich auf einmal die Schultern meines Freundes von einem ungeheuren Berge von Ausgaben; und er konnte kaum seinen eignen Sinnen trauen, als er sich so schnell und so wesentlich erleichtert fühlte. Sein Herz war gleichwohl immer noch gewissen Schwingungen von Zärtlichkeit unterworfen, welche sich zu gewissen Zeiten wieder einstellten, und ihm Seufzer, Thränen, Betrübniß, Klagen und Ungeduld auspreßten: allein diese Anwandlungen verminderten sich von Tage zu Tage, bis endlich und zuletzt seine Vernunft über die Schwachheiten seiner Natur einen völligen Sieg erhielt.

Nach einer genauen Untersuchung seiner Umstände find' ich, daß sich seine Schulden an zwanzig tausend Pfund belaufen, wovon achtzehn tausend in seinem Landguthe versichert stehen; und da er fünf Procent Interessen gegeben hat, und einige von seinen Meyereyen unverpachtet liegen, so bringen ihm seine Ländereyen an jährlichem Pacht nicht über zwey hundert Pfund reines Geld ein, wobey er die Renten von dem Eingebrachten seiner Frauen hat, welche das Jahr acht hundert auswerfen. Um ihm diese schwere Schuldenlast zu erleichtern, fiel ich auf folgendes Mittel: Aus seiner Frauen Juwelen, seinem überflüßigen Silbergeräthe und andern Möblen in beyden Häusern, seinen Pferden und Wagen, wovon bereits die öffentliche Auction bekannt gemacht ist, werden nach der Taxation ungefähr zwey tausend fünf hundert Pfund baares Geld gelöset werden, womit sobald zwey tausend Pfund von seinen Schulden abgestossen werden sollen. – Ich habe mich anheischig gemacht, ihm zehn tausend zu vier Procent zu verschaffen; hierdurch spart er jährlich hundert Pfund an Interessen, und vielleicht gelingt es uns, die übrigen acht tausend Pfund, auf eben die Bedingungen zu finden. Nach seinem eignen Plane, den er sich vom Landleben gemacht hat, sagt er, kann er mit drey hundert Pfund ordentlich auskommen; doch, da er auch etwas an die Erziehung seines Sohnes wenden muß: so wollen wir ihm fünf hundert aussetzen; alsdann kommt ein zuwachsendes Capital von sieben hundert Pfund heraus, womit er die Interessen, und nach und nach Etwas von dem Hauptstuhl abtragen kann; dabey denke ich es nicht zu hoch anzuschlagen, wenn ich annehme, daß er noch drey hundert mehr einzunehmen bekommen wird, wenn er die pachtlosen Meyereyen von neuem in Stand setzt und wieder austhut. Diesergestalt muß, nach meiner Ausrechnung, in ein paar Jahren jährlich ein tausend Pfund einlaufen, womit er eine Schuld von sechszehn tausend Pfund zu liquidiren hat.

Wir begannen alsobald die zum Verkaufe bestimmten Artikel bey Seite zu setzen, und in ein Verzeichniß zu bringen, wobey wir uns eines Möblenhändlers aus London bedienten; und damit niemand im Hause müßig gehen dürfte, fiengen wir die Reformation außer dem Hause eben sowohl an, als in demselben. Mit Baynards Beyfall befahl ich dem Gärtner, den Bach wieder in sein altes Bett zu leiten, um die durstenden Najaden zu erquicken, welche so lange unter vermoderten Baumwurzeln, verwelkten Blättern und trocknen Bachsteinen geschmachtet hatten. Die angelegten Haagebüsche sind zum Ausreuten verdammt; und der neue Lustgarten soll wieder zu seinem ursprünglichen Nutzen, zu Kornfeldern und Wiesen verwandt werden. Es ist schon Befehl gegeben, hinter dem Hause die Wällerwände wieder herzustellen, und gegen die Ostseite Tannenwäldchen mit Birken- und Kastanienbäumen vermischt, zu pflanzen; welche Seite itzt den stürmischen Winden von dieser Gegend des Compasses her völlig bloß liegt.

Nachdem mit allen diesen Einrichtungen wirklich angefangen, und das Haus und die Auction der Sorge eines ehrlichen Advocaten übergeben worden, nahm ich Baynard in meiner Postchaise mit hierher, und machte ihn mit Herrn Dennison bekannt, dessen gutes Herz ihm nothwendiger Weise sehr bald seine Hochachtung und Liebe gewinnen mußte. – Er ist auch wirklich über unsre Gesellschaft, im Ganzen genommen, entzückt, und bezeuget, daß er die Theorie des wahren Vergnügens vorher niemals so in Ausübung gebracht gesehn habe. – Ich glaube auch in ganzem Ernste, es soll nicht leicht seyn, eine gleiche Anzahl Personen unter einem Dache zu versammlen, die glücklicher wären, als wir gegenwärtig sind.

Indessen muß ich Ihnen doch ins Ohr sagen, daß ich glaube, Tabby ist geneigt, Queifen zu machen. – Ich bin mit der sonderbaren Jungfer so lange bekannt, daß ich alle die Schlupfwinkel ihres Herzens auswendig weis, und oft ihre Plänchens von weitem merke, wenn sie noch nicht einmal die Schale gebickt haben. – Sie hat aus keiner andern Ursache ihre Neigung auf Lismahago geworfen, als weil sie verzweifelte, eine beßre Eroberung zu machen. Itzt aber, oder ich müßte mich sehr irren, möchte sie wohl sehr gerne Baynards Witwerschaft zu ihrem Vortheile anwenden. – So lange er hier ist, hat sie dem Lieutenant sehr frostig begegnet, und sucht durch die übertriebenste Höflichkeit ihre Angel in dem Herzen des Andern zu befestigen. – Dieses müssen mehr dunkle Naturtriebe seyn, die aus ihrer Constitution entstehen, als Wirkungen einer deutlich bewußten Absicht; denn die Sache ist mit dem Lieutenant zu einem solchen Puncte gediehen, daß sie weder mit gutem Gewissen, noch mit gutem Namen zurückziehen kann. Ueberdem hat sie von Baynard nichts anders, als Gleichgültigkeit oder Abneigung zu erwarten, weil er zuviel Verstand besitzt, um, es sey zu welcher Zeit es wolle, auf eine solche Person zu denken, und viel zu zärtlich denkt, um zu der itzigen sich an eine solche Verbindung den Gedanken nur einfallen zu lassen. – Unterdessen habe ich sie dahin vermocht, ihm vier tausend Pfund auf Hypothek zu geben, zu vier Procent, damit er eine gleiche Summe zu fünf Procent damit tilgen kann. Der junge Dennison ist damit zufrieden, daß Liddys Brautschatz auf eben die Art und in eben derselben Absicht belegt werde. – Sein Vater will drey tausend Pfund ostindische Actien zu eben dem Zwecke verkaufen. Der Pensionair Bland hat sich, auf Wilsons Anliegen, zu zwey tausend anheischig gemacht, und ich muß denn auch wohl ein Ding thun, und das, was noch fehlt, herbey schaffen, damit ich meinen Freund aus den Händen der Philister befreye. Er hat eine solche Freude an den Verbesserungen, die bey dem hiesigen Landwesen angebracht sind, welches alles angebauet ist, wie ein Garten, daß er sich bey Herrn Dennison in die Lehre begeben hat, und entschlossen ist, sich mit allem seinen Dichten und Trachten auf die Landwirthschaft zu legen.

Zu unsrer zwiefachen Heyrath sind alle Anstalten fertig. Die beyden Ehezärter sind ausgesetzt und unterschrieben; und die Trauung ist nur so lange aufgeschoben, bis die Verlobten sich die von den Gesetzen vorgeschriebene Zeit im Kirchspiele aufgehalten haben. Der junge Dennison verräth sich zuweilen, daß ihm die Zeit lang währt; Lismahago hingegen erträgt diesen nothwendigen Aufschub mit dem gesetzten Gemüthe eines Philosophen. – Sie müssen wissen, daß der Lieutenant nicht bloß sein persönliches Verdienst in die Ehestandscasse liefert. Außer seinem halben Solde, der jährlich zwey und vierzig Pfund beträgt, hat dieser Lug auf den Pfennig ein Capital von acht hundert Pfund zusammen gespart, welches er in der Bank belegt hat. Diese Summe ist theils daraus erwachsen, daß sein Gehalt fortlief, so lang' er unter den Indianern blieb; theils aus dem, was er wegen des Unterschieds des vollen und halben Soldes, worauf er itzt gesetzt ist, als ein Gratial ausbezahlt erhalten; und theils auch aus dem Gewinne von einem kleinen Handel, den er mit Pelzwerk trieb, so lang er Sachem unter den Miamis war.

Liddys jungfräuliche Furcht und Aengstlichkeit haben sich durch die Gesellschaft einer gewissen Miß Willis, welche in der Pensionsschule ihre vertrauteste Freundinn war, um ein großes gelegt. Man hatte ihre Anverwandten angelegentlich gebeten, ihr bey einer so außerordentlichen Gelegenheit diesen freundschaftlichen Besuch zu erlauben; und vor zween Tagen langte sie mit ihrer Mutter hier an, welche sie nicht ohne eine gute Aufseherinn alleine reisen lassen wollte. Das junge Frauenzimmer ist sehr lebhaft, hübsch und angenehm, und ihre Mutter ist eine sehr gute Art von Frau; so, daß also durch ihre Ankunft unser Vergnügen um ein merkliches vermehrt ist. Allein wir werden noch ein drittes Paar in die Kette des Ehestandes schmieden. Mein Klinker Loyd hat durch meinen Neffen sein deh- und wehmüthiges Gesuch anbringen lassen, wasmaaßen zwischen ihm und der Jungfer Winifred Jenkins, eine gegenseitige tugendhafte Liebe und aufrichtige Gemüthsneigung obwalte, nebst angehängter Bitte, doch meine Einwilligung dahin zu ertheilen, daß sie hinführo zeitlebens ehrlich, ehrbar und ehelich bey einander wohnen möchten. Nun hatte ich freylich gewünscht, daß der gute Klinker den Kopf noch nicht in diese Schlinge stecken mögen; allein da hier die Glückseligkeit der Nymphe auf dem Spiele steht, und sie schon aus Zweifel und Schwermuth einige Anwandlungen von ihrer Plage gehabt: so hab' ich, um einer tragischen Catastrophe vorzubeugen, ihm die Erlaubniß gegeben, in Nachahmung der andern eine Thorheit zu begehen; und ich glaube, wir werden mit der Zeit zu Brambleton-hall von ihm ein vollgebrütetes Nest bekommen. Der Bursche ist gedrungen voll von gesunden Säften, sehr enthaltsam und gewissenhaft, und das Mägdchen scheint mir eben so enthusiastisch in der Liebe zu seyn, als in der Religion.

Ich wünschte, Sie dächten darauf, ihn auf eine andre Art unterzubringen, damit das Kirchspiel nicht zu viel zu ernähren bekomme. – Sie wissen, er ist bey einem Curschmidt in der Lehre gewesen, folglich gehört er schon mit zu der medicinischen Facultät; dabey ist er so gelehrig, daß ich nicht zweifle, Sie würden ihn durch Ihren guten Unterricht in kurzer Zeit so weit bringen, daß er mit gutem Gewissen an unsern wälischen Bauern curiren könnte. Tabby, die noch niemals mit guter Art einem Menschen eine Gefälligkeit erwiesen, hat nach vielen Einwendungen in diese Heyrath gewilliget. Vielleicht beleidigte es ihre Eitelkeit, weil sie itzt Klinker als einen Anverwandten betrachtet; allein ich glaube fast, ihr Widerwille entspringt aus einer eigennützigern Quelle. Sie versichert, sie könne sichs nicht einkommen lassen, Matthias Loyds Frau als eine Aufwärterinn im Dienste zu haben; und sie sieht wohl voraus, daß das Mägdchen bey einer solchen Gelegenheit ein Geschenk für ihre vergangenen Dienste erwarten wird. Was Klinker anbetrifft, so ist er, alle andre Betrachtungen bey Seite gesetzt, so treu, so braf, so dienstfertig und so voller Ergebenheit, und ich habe ihm so viele persönliche Verbindlichkeiten, daß er weit mehr verdient, als alle Nachsicht und Gefälligkeiten, die ihm möglicher Weise erzeigen kann

Ihr

den 26ten Octob.

M. Bramble.

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An Sir Watkin Philipps, im alten Jesuitercollegio zu Oxford.

Nunmehr, mein liebster Freund, mögen die sechs zusammen getrauten Leute ein Weilchen warten, bis sie sagen können: Strick ist zwey und ich bin frey! Die Comödie neigt sich zum Ende, und bald wird der Vorhang niederfallen. Ich will Ihnen nur noch die letzten Auftritte in diesem Aufzuge nach der Ordnung erzählen. –

Vor ungefähr vierzehn Tagen machte mein Onkel einen kleinen Abstecher ins Land hinein, und brachte einen sehr guten Freund mit sich hierher zurück, der eben seine Frau verloren hatte, und der einige Zeitlang sich über diesen Verlust gar nicht zufrieden geben konnte, ob er gleich in aller Betrachtung mehr Ursache hatte, über den Todesfall fröhlich, als betrübt zu seyn. – Unterdessen wird doch auch sein Gesicht fast zusehends heiterer, und er scheint ein Mann von vortrefflichen Eigenschaften zu seyn. – Aber unsre Gesellschaft hat noch eine andre und angenehmere Verstärkung erhalten, in der Person der Miß Willis von Gloucester. Sie war mit Liddy in einem Hause in der Kost, und ihr Busemliebling; und nachdem sie dringend gebeten worden, ihr an ihrem Hochzeitstage Beystand zu leisten: so war ihre Mutter so gefällig, meiner Schwester ihre Bitte zu gewähren, und sogar selbst mit überzukommen. Liddy, in Georg Dennisons und meiner Begleitung, gieng ihr bis auf den halben Weg entgegen, und den folgenden Tag brachten wir sie hier glücklich zur Stelle.

Miß Willis ist ein reizendes Mägdchen, und in Ansehung der Gemüthsart, ein angenehmer Contrast mit meiner Schwester, welche für meine Denkungsart fast zu ernsthaft und eine zu weich geschaffne Seele ist. – Die Andre ist aufgeweckt, offen und frey, ein wenig schwindlicht, aber immer munter und aufgeräumt. Sie hat über das Alles ein artiges Vermögen, ist von guter Familie, und ist vorzüglich schon von Gestalt. – Ach! Philipps! Wenn doch diese Eigenschaften nicht vergänglich wären. – Wenn ihre Gemüthsart unveränderlich wäre, oder ihre Schönheit nicht abnehmen könnte, was für Mühe würd' ich mir nicht geben! – Aber was das für eitle Betrachtungen sind! – Meinem Schicksale kann ich doch zuletzt nicht entgehen.

Gegenwärtig bringen wir unsre Zeit so angenehm hin, als wir können. – Wir haben verschiedene Possenspiele auswendig gelernt, welche uns durch die Wirkung, die sie auf die Landleute thun, die zu allen unsern Vorstellungen zugelassen werden, ein unbeschreibliches Vergnügen machen. – Vor zwo Nächten erwarb sich Jacob Wilson einen großen Beyfall in der Rolle Harlequin als Skelet, und Lismahago setzte uns alle, als Pierot in Erstaunen. Seine lange, hagere Figur, und seine stark gezeichneten Liniamente, paßten sich ganz außerordentlich zu der Rolle. – Er trat mit einem drolligen gaffenden Gesichte auf, auf dem nicht der geringste Gedanke zu sehen war: er malte darauf die Eindrücke der Furcht und des dummen Erstaunens so natürlich, daß viele unter den Zuschauern von seinen Blicken angesteckt wurden; als aber das Skelet hinter ihm anjagte, ward sein Grausen so ungemein pittoresk, und schien ihm eine so übernatürliche Schnelligkeit in alle Glieder zu bringen, daß alle Zuschauer außer sich selbst geriethen. Es war eine sehr lebhafte Vorstellung des Todes, der die Schwindsucht haschen will, und sie hatte eine solche Wirkung auf die ganze Dorfschaft, daß einige laut anzuschreyen fingen, und andre in der größesten Bestürzung aus dem Hause liefen.

Dies ist nicht die einzige Geiegenheit, bey welcher der Lieutenant unsre Bewundrung erregt hat. Seine Gemüthsart, welche durch allerley Widerwärtigkeiten und Verdruß sauer geworden und wie zusammengeschrumpft war, hat sich nun wieder ausgedehnt und ist süß geworden wie eine Rosine in einem Reispudding. Aus einem zurückhaltenden und leicht zu beleidigenden, ist er itzt ein umgänglicher gefälliger Mann geworden. Er hat witzige Einfälle, lacht und schäkert mit der drolligsten Art von der Welt; und mischt sich, mit einem Worte, in alle unsre Anschläge zu Lustbarkeiten und Zeitvertreibe. – Vor einigen Tagen langte sein Gepäcke mit dem Frachtwagen von London an; es waren zwey große Koffers und eine lange Passagierkiste, die einem Sarge nicht ungleich sah. Die Koffers waren angefüllt mit seinen Kleidern, welche er zur Belustigung der Gesellschaft auskramte, und wovon er ganz frey gestund, sie bestünden meistentheils aus der Optima Spolia , die er in Schlachten dem Feinde abgenommen. Was er zu seinem Bräutigamskleide wählte, war eine schon etwas getragene Uniform, weiß mit blauen Sammet und gestickt mit Silber; am meisten aber that er sich auf eine Dreyknotenperucke zu gute, in welcher er vor länger als dreyßig Jahren zum erstenmale als Jurist erschienen war. Diese Wolke hat seitdem beständig in aufgewickelten Locken fortgelegen, und nun wurden so viel Bediente, als im Hause waren, in Gang gesetzt, um sie zur Hochzeit zu accomodiren, welche gestern gefeyert wurde. Georg Dennison und seine Braut hatten nichts Merkwürdiges in ihren Kleidern und Putze. Seine Augen blitzten vor Verlangen und Freude, und sie zitterte vor züchtiger Verwirrung. Mein Onkel führte sie vor den Altar, und ihre Freundinn Willis stand ihr bey als Brautjungfer.

Meine Tante mit ihrem Seladon ließ sich aber den Vorrang nicht nehmen, und diese Beyden machten in der That ein solches Paar von Originalen, wie ganz England, so viel ich glaube, nicht noch einmal aufweisen kann. Sie war nach der Mode von 1739 gekleidet, und weils ein kalter Tag war, hatte sie ein Schultermäntelchen von grünem Sammt mit goldnen Spitzen besetzt, umgethan: Allein dieses ward ihr von ihrem Bräutigam abgenommen, der ihr dafür einen langen Pelz von americanischem Zobel umhieng, der seine achtzig Guineen kosten konnte; ein Geschenk, das eben so angenehm, als unerwartet war. Auf diese Art herausstaffirt, ward sie vom Herrn Dennison, der Vaters Stelle vertrat, zum Altare geführt. Lismahago avancirte mit marschmäßigem Schritte, in seiner erbeuteten französischen Uniform, die auf eine halbe Spanne lang nicht bis an die Kniee reichte, in seiner gelehrten Perucke, welche keine Beschreibung erreichen kann, und mit einem gewissen Schmachten in der Miene, in welchem Etwas schalkhaftes und ironisches zu seyn schien. Den Ring, den er ihr an den Finger steckte, hatte er bis an den Augenblick, da er gebraucht wurde, verborgen gehalten. Er brachte ihn auch nun dafür mit inniger Selbstzufriedenheit ans Tageslicht. Es war eine schöne Antike mit Rosetten eingefaßt. Er hat uns nachher erzählt, daß er schon zwey hundert Jahr in seiner Familie wäre, und daß er ihn von seiner Großmutter geschenkt bekommen.

Diese Umstände waren der Eitelkeit unserer Tante Tabby sehr schmeichelhaft, welche bereits in der Freygebigkeit des Lieutenants ungemein viel Nahrung gefunden hatte; denn des Morgens beschenkte er meinen Onkel mit einem feinen Bärenpelze, und einer spanischen Vogelflinte, und mich mit ein paar Pistolen, die sehr fleißig gearbeitet und mit Silber ausgelegt sind. Zu gleicher Zeit gab er der Jungfer Jenkins einen indianischen Geldbeutel von Seidengrase gestrickt, der zwanzig Kronenstücke enthielt. Ich muß Ihnen sagen, daß dieses Dämchen und Matthias Loyd das dritte Paar ausmachten, die gestern ihr Opfer auf Hymens Altar gelegt haben. Ich schrieb Ihnen in meinem Letzten, daß er mich um meine Vermittelung bat, welche ich dann auch glücklich für ihn bey meinem Onkel anwendete. Tante Tabby aber hielt sich hart, bis die Liebesieche Jenkins zweymal Anfälle von ihrer Mutterbeschwerung gehabt hatte, da gab sie nach, und diese zwey girrende Täubchens wurden eingekefigt. – Tante ließ auch das Licht ihrer Freygebigkeit leuchten, und steurete die Braut aus mit ihrem Ueberflusse an Kleidern und Leinengeräth, welchem Beyspiele meine Schwester folgte; mein Onkel und ich waren ihrer bey dieser Gelegenheit gleichfalls eingedenk. Es war wirklich ein Tag des Friedens, und der Freude. – Herr Dennison drang meiner Schwester ein paar Bankzettel auf, jeden von hundert Pfund, zu kleinen Ausgaben; und seine Gemahlinn schenkte ihr eine demantne Halsschleife von doppelt dem Werthe. Ueberhaupt wurden unter den Personen beyder Familien, die so glücklich vereinigt wurden, freundschaftliche Geschenke zum Andenken gewechselt.

Da Georg Dennison und seine Braut für ein Paar gehalten wurde, bey denen ein Spaß unrecht angebracht wäre: so hatte Jacob Wilson sichs vorgenommen, dem Lismahago einen Possen zu reißen, und begann nach Tische, da das Frauenzimmer aufgestanden war, ihn tapfer mit Gesundheiten zuzusetzen. Allein der Lieutenant merkte seine Schliche und bat um Quartier; er gab ihm zu beherzigen, daß das Abentheuer, in welchem er befangen, eine sehr ernsthafte Sache wäre, und daß jede gute Christenseele ihm vielmehr Kräfte wünschen, als Hindernisse in den Weg legen sollte, dasselbe bis zu Ende glücklich zu bestehen. – Also ward er verschont, und bekam die Erlaubniß mit so viel Sinnen zu Bette zu gehen, als ihm der Himmel bescheret hatte. – Hier saß er mit seiner Costa im Prunke, wie Saturn und Cybele, bis die segenswünschende Braut-Kalteschaale getrunken ward; und nachdem man einen Kuchen über dem Haupte der Jungfer Tabitha Lismahago zerbrochen hatte, wurden die Brocken unter die Anwesenden vertheilt, nach Gewohnheit der alten Britten, welche glaubten, daß ein jeder, der von diesem geweihten Kuchen äße, die folgende Nacht eine Erscheinung von der Braut oder dem Bräutigam haben müßte, die ihm oder ihr beschert werden sollte.

Das ganze Gewicht von Wilsons lustigem Muthwillen fiel nun auf den ehrlichen Humphry und seine Betschwester, welche nach vollendeter gewöhnlichen Ceremonie des Strumpfwerfens in eine Kammer oben im Hause gebettet wurden. – Nachdem dieses geschehen, und die Gesellschaft fortgegangen, erfolgte ein Geheule von Katzen, während welchem Wilson Mittel fand, eine wirkliche Katze in die Kammer zu schaffen. Er hatte ihr Wallnußschaalen unter die Füße gepichet, welche, so wie sie über den breternen Boden lief, ein so fürchterliches Getöse machte, daß unser junges Ehepaar darüber in nicht geringes Schrecken gerieth. – Winifred erhub ein lautes Geschrey und fuhr mit dem Kopfe unter die Bettdecke. Bräutigam Loyd, welcher meynte, der böse Feind wäre in eigner leibhaftigen Person gekommen, ihn mit Fäusten zu schlagen, setzte alle sinnliche Gedanken beyseite, und bediente sich ganz laut der, nach seiner frommen Meynung, gehörigen Waffen. – Endlich sprang das arme Thier, dem bänger war, als den andern, aufs Bette und miauete ganz jämmerlich. – Als hierdurch Loyd die wahre Natur des Freudenstörers kennen lernte, stund er auf und öffnete die Thüre, wodurch dieser unangenehme Gast in höchster Eile seinen Abschied nahm. Darauf deckte er sich, durch einen doppelten Riegel vor einem zweyten Ueberfalle, und er ward an seinem Thun und Lassen nicht weiter gehindert.

Wenn man aus den Blicken der Leute schließen darf, so sind alle mit ihrem Schicksale ganz wohl zufrieden. – Georg Dennison und seine Frau sind zu delicat, um der Welt ihr gegenseitiges Vergnügen zu stark merken zu lassen, ihre Augen sagen indessen genug. – Madame Tabitha Lismahago ist bis zum Ekel beschäfftigt, ihr Vergnügen über die Liebe ihres süßen Mannes an den Tag zu legen; und sein Betragen ist das wahre Muster von Galanterie. – Er seufzet, äugelt, und wirft diesem liebenswürdigen Gegenstande schmachtende Blicke zu; er küßt ihr die Hand, wispert ihr entzückte Worte zu, und singt verliebte Lieder; und, ich wollte wohl darauf schwören, lacht ins Fäustchen über ihre Narrheit, daß sie ihn für aufrichtig hält.

 

Um zu zeigen, wie wenig die vorige Nacht seine Kräfte angegriffen waren, tanzte er diesen Morgen eine hochländische Sarabande über ein bloßes Schwerdt, und sprang so hoch, daß er, nach meiner Meynung, sein Brodt als Luftspringer verdienen könnte. – Frägt man Matthias Loyd, wie er mit seinem Kaufe zufrieden ist; so hebt er seine Augen in die Höhe und spricht: »Laß uns mit Dank genießen, Amen.« – Seine Gehülfinn kichelt und hält die Hand vor die Augen, als ob sie sich schämen wollte, daß sie mit einem Manne im Bette geschlafen. – Sehen Sie, wie den guten Hänflingen ihr neuer Kefig behaget; aber sie werden vielleicht einmal aus einem andern Tone singen, wenn sie erst recht einsehn, wohin sie verlockt worden sind.

Da sich Madame Willis nicht bereden lassen will, länger zu bleiben, und Liddy durch ihr Versprechen verbunden ist, ihre Tochter nach Gloucester zurück zu begleiten; so stelle ich mir eine allgemeine Auswanderung von hier als nahe bevorstehend vor; und die meisten von uns werden wohl zu Bath Weyhnachtsfeyer halten. Ist das, so will ich gewiß eine Gelegenheit finden, Sie in ihrem Quartiere zu überfallen. – Gegen die Zeit, dächt' ich, hätten Sie des Studierlebens ja auch wohl einmal satt, und machten sich fertig, den Reiseplan auszuführen, welcher voriges Jahr verabredet wurde zwischen Ihnen und

Ihrem

den 8ten Nov.

herzlich ergebnen Diener
J. Melford.       

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An den Doctor Lukas.

Mein liebster Lukas,

Meine Nichte Liddy ist nun auf ihre Lebenszeit glücklich gemacht, und Lieutenant Lismahago hat mir meine Schwester Tabby abgenommen; mir bleibt also nichts weiter zu thun übrig, als meinen Freund Baynard zu trösten, und meinen Sohn Loyd zu versorgen, welcher gleichfalls sanft und wohl mit Jungfer Jenkins verbunden ist. – Sie sind ein gar vortrefflicher Mann in Erfindung von Entwürfen für Ihre Freunde! Ihr Gedanke von der Kirchspielsschreiber-Stelle verdient Dank und Ueberlegung. – Ich zweifle nicht, daß Matthias Loyd zu dem Dienste Geschicklichkeit genug besitzt; vors Erste aber müssen Sie im Hause Raum für ihn finden. Seine unverbrüchliche Treue und sein unermüdeter Fleiß wird mir bey der Aufsicht über meine Haus- und Landwirthschaft sehr zu statten kommen; damit meyne ich aber nicht, daß er Barns Abbruch thun soll, über den ich keine Ursache zu klagen habe.

Ich bin eben mit Baynard von einer zwoten kleinen Reise nach seinem Guthe zurückgekommen, woselbst alles nach seinem Sinne geht. – Es war ihm indessen noch nicht möglich, ohne Thränen und Klagen die Zimmer wieder zu sehen, und deswegen ist er noch nicht im Stande, daß man ihn füglich allein lassen könnte; vor dem Frühlinge bin ich also nicht willens, ihn von mir zu lassen; alsdann ist er gesonnen, sich mitten in die Geschäffte eines Hausvaters zu stürzen, und das wird ihm zugleich was zu thun geben, und seine Aufmerksamkeit zerstreuen. – Carl Dennison hat ihm versprochen, ein paar Wochen bey ihm zu bleiben, um ihn mit seinen Verbesserungen in Gang bringen zu helfen; und Jacob Wilson will ihn fleißig besuchen; überdem hat er noch einige Freunde in seiner Nachbarschaft, die sein neuer Lebensplan nicht von seinem Umgange ausschließen wird. – Ehe ein Jahr verstrichen ist, denk' ich, wird er sich an Leib und Seele recht herzlich wohl befinden, denn die Eine hat den Andern heftig angegriffen, und ich werde das innige Vergnügen empfinden, einen Freund vor Elend und Schande bewahrt zu haben!

Madame Willis beharret auf ihrem Entschlusse, mit ihrer Tochter in ein paar Tagen nach Gloucester zurückzugehen; wir haben also einige Aenderungen in unserm Plane machen müssen. – Jerom hat seinen Schwager beredet, seine Frau nach Bath zu führen; und ich glaube, seine Aeltern werden ihn dahin begleiten. – Ich meines Theils, bin nicht gesonnen, diesen Weg zu nehmen. – Es müßte sehr was Außerordentliches seyn, das mich bereden sollte, jemals wieder nach Bath oder London zu gehn. Meine Schwester und ihr Mann, Baynard und ich wollen Ihnen zu Gloucester adieu sagen, und den gradesten Weg nach Brambleton-hall nehmen, und da bitte ich Sie, uns einen guten Rehrücken und einen Truthan bereit zu halten, daß wir aufs Fest Etwas zu Essen haben. – Sie müssen auch Ihre medicinische Wissenschaft für mich aufbieten, und mich vor den Anfällen des Podagra schützen, damit ich hübsch auf den Beinen seyn und die übrige Gesellschaft empfangen kann, welche versprochen hat, uns auf dem Rückwege von Bath zu besuchen. Da ich einen recht artigen Vorrath Gesundheit eingesammlet habe; so ist zu hoffen, daß Sie als Doctor nicht viel mit mir zu schaffen haben sollen; aber als Jäger und Spatziergänger denke ich Sie desto mehr im Gange zu halten. – Ich habe eine vortreffliche Vogelflinte von Lismahago geschenkt bekommen, der ein gieriger Jäger ist, und wir wollen die Haide bejagen, und niemals vorher fragen: »Was ists für Wetter?« Und damit dieser Plan für unsre künftige Lebensart desto gewisser ausgeführt werde, bin ich gesonnen, allem sitzenden Zeitvertreibe zu entsagen; besonders will ich niemals mehr lange Briefe schreiben; Sie fragen, däucht mich, warum ich nicht eher so klug gewesen bin! freylich hätte Ihnen das in diesem letzten Jahre eine manche Mühe erspart, und Sie hätten nicht so viele langweilige Episteln lesen müssen von

den 20ten Nov.

M. Bramble.

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An Frau Gwillim, Haushälterinn zu Brambleton-hall.

Gute Frau Gwillims,

Der Himmel hat es aus weisen Absichten so gefüget, daß ich meinen Namen und meinen Demosellenstand habe verändern müssen, und ich bin also nicht eigentlich mehr als Ihre Herrschaft in meines Herrn Bruders Hause anzusehen. Sintemahlen ich aber meinem Herrn Bruder das Wirthschaftswesen nicht eher in seine Hände liefern kann, ehe und bevor ich mit Ihr und Williams in richtiger Rechnung stehe: so sey Sie so gut und halte Sie Ihre Rechnung fertig, daß ich sie einsehen kann, denn wir kommen nun ehistens zu Hause. – Mein Herr Ehegemahl, der Herr Kapitain, sind ein wenig den Flüssen ergeben, derohalben wird Sie so gut seyn, und grosse Sorge tragen, daß die blauen Zimmer, zwey Treppen hoch, hübsch geheitzet und gelüftet sind, wenn wir kommen. Lasse Sie die Fensterrahmen dicht machen, die Ritzen verkleiben, die Fußdecke auslegen, und die Betten tüchtig ausklopfen. Meine vormahlige Jenkins, heißt nun Madame Loyd, denn sie hat einen Mann geheyrathet, der mit der Familie verwandt ist, und darum kann sie nicht länger als eine Bedientinn bey mir bleiben; dessenthalben wollte ich wohl, daß Sie sich einmal nach einer hübschen Person umthäte, die an ihren Platz zu mir ziehen könnte. – Wenn sie spinnen kann und weisse Wäsche nähen, so ist mirs desto lieber. – Aber sie muß nicht gleich so gräulich viel Lohn verlangen. – Ich habe itzt meine eigne Familie, und muß noch ökumenischer seyn, als sonst. Bald mündlich ein mehreres, bin aber und verbleibe

Dero

den 20ten Nov.

geneigte Freundinn       
Tabitha Lismahago.   
ehedem geborne Bramble.

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An Jungfer Maria Jones, zu Brambleton-hall.

Meine viel ehr- und tugensame Jungfer Jones,

Die allgewaltige Vorsehung hat eine mächtige Veränderung in unsern Stand und Welthändeln gemacht. Wir sind Ihr Gestern, von Gottes Gnaden, unser drey Paar in den heiligsten Stand der Ehe getreten, und ich heisse nun nicht mehr Jenkins, sondern Ihre ergebne Dienerinn Loyd. – Das ganze Kirchspiel mußte es gestehen, daß der junge Skweir, der Herr Vetter Dollison und seine Braut, wohl so ein schönes Paar war, als man seyn kann. Madame Lasmihägo, das weiß Sie, die hat immer sowas apartes – Ihre Haare waren gar nicht hippisch aufgesetzet; und ihr Bräutigam hatte ihr einen langen Mantel umgehanget, von marockischen rauchen Belzwerke, das er von den wilden Menschenfressern hergehohlet hat, und sie sagen, es soll Ihr erschröcklich viel kosten. – Der Kaptain, ihr Herr Bräutigam, hatte einen dicken, dicken Wulst von Haaren auf den Kopfe, woran drey kleine Schwanze hängeten, und ein kurzes Röckschen mit Silber gesticket. – Der eine sagte, es wäre ein Zehnedoktor; und der alte Tafeldecker schwur und fluchte, wo er ins Haus käme, da liefen alle Ratzen weg. Das sagten sie aber nicht, daß ichs hören sollte; denn ich leid' es nicht, daß man von jemand von meiner Familie was Böses sagt; Sieht Sie! und gegen mich hat er sich ganz vetterfreundlich aufgeführt, das muß ich sagen. – Herr Loyd, mein Bräutigam, hatte ein hübsches braunes Kleid an, mit goldnen Litzen brodirt; und wenn er schon nicht so reich ist, als die grossen vornehmen Leute und Grafen, so ist er doch von so guter Familie, als der beste Skweir in Engelland, und hat auch wohl was in die Milch zu brocken, das versichere ich Ihr. Ihre ergebenste Dienerinn hatte einen seladongrünen gesprenkelten Andrien an, und eine Rennelagskappe und dreyfache Ankaschanten, ein Toppeh und mit Locken in den Haaren aufgesetzt. Sie sagten, das konnte ich wohl hören, ich wäre das rechte Munster von Mylady Rickmanstone, nur nicht so blaß – Das glaube ich wohl, denn Mylady ist ihre gute sieben Jahr älter, als ich.

Nunmehr, meine gute Jungfer Jones, wirds bald mit unser Gesellschaft hier heissen, so mancher Knecht so manchen Weg. Herr Vetter Millfert geht mit Dollisons nach Bad, und wir andern machen uns auf die Reise, nach Wäles, daß wir das heilige Christfest in Brampleton-Hall feyern mögen. Wir sollen die Zimmer bewohnen, die drey Treppen hoch mit den gelben Papiere austapeziret sind: ich bitte Ihr also, sey Sie so gut, und laß Sie meine Sachen hinaufbringen. An Frau Gwillims bitte um einen freundlichen Gruß, und ich hoffe, daß wir ins Zukünftige auf einen hüpsch höflichen Fuß leben werden. – Da ich, durch des lieben Gottes Hülfe ein bischen was mehr zu Ehren gekommen bin: so kann Sie mirs nicht verdenken, daß ich gegen das gemeine Gesinde im Hause auf meinen Rehspeckt halte. Sie aber, Jungfer Jones, weiß ich, hält sich immer gern in ihrem Schranke, und also kann Sie sich darauf verlassen, daß ich Ihr allzeit gewogen seyn werde, und verbleibe

Ihre

geneigtige gute Freundinn
W. Loyd.             

 

 

Ende des dritten Bandes.

 


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