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»Tohubohu ist zurückgekommen!« Alle alten und jungen, großen und kleinen Affen schrieen das einander zu, und die Papageien krächzten es unaufhörlich, damit nur auch ja alle Tiere im Walde die Neuigkeit hörten. Tohubohu war zurückgekehrt, und nun hieß er Joli, er hatte von den Menschen einen andern Namen bekommen. Ein Affe heimgekommen aus dem Menschenland! Selbst die Jaguarfamilie, die Trauer trug um ihre beiden großen Räuber, hätte jetzt gern aus lauter Neugierde ein bißchen Freundschaft mit den andern Tieren gehalten. Ja eine alte, sehr böse Jaguarmadame, die in ihrem Leben schon viele, viele Affen aufgefressen hatte, sagte ganz gekränkt: »Da lebt man nun in einem Walde zusammen, aber wenn es eine Neuigkeit gibt, wird uns nie etwas gesagt. Man könnte uns wirklich auch einmal einladen!«
Das fiel nun aber den andern Tieren nicht im Traume ein, die waren froh, wenn sie keinen Jaguarschwanz erblickten. Alles, was Beine hatte, war zur Urgroßmutter Itohu gelaufen, und alles was Flügel hatte, war angeflogen gekommen. Dicht gedrängt saßen die Affen, Papageien und andern Vögel auf den Zweigen der Bäume, die um Itohus Lianenlaube standen; unten lagen und saßen die andern Tiere, auch Tamandu, der sonst nicht gerade Gesellschaften liebte, war gekommen. Selbst das Stachelschwein fehlte nicht. Auch der Paradiesvogel war erschienen. Wenn er auch dachte: »Ich bin zu vornehm für diese Leute!« war er doch viel zu neugierig, um fern zu bleiben. Er saß ganz friedlich neben den drei rosenfarbenen Papageien, mit denen er sich sonst immer stritt. Auf dem Ehrenplatz aber zwischen Itohu und Rosso hockte Joli und erzählte vom Menschenland. Nun war er frei, hatte zurückkehren dürfen, das dankte er laut der Affenurgroßmutter Itohu.
Die sah ihn mit ihren klugen Augen an und sagte nur: »Hoffentlich tut es dir nicht leid, mein Junge. Wenn wir Tiere einmal bei den Menschen gewesen sind, haben wir immer Sehnsucht nach ihnen.«
»Ich bekomme nie Sehnsucht,« rief Joli, »hier ist es am allerschönsten. Ach, bin ich froh, daß ich wieder im Walde bin!«
»Hast du es dort schlecht gehabt?« fragten ein paar Affenmamas mitleidig.
»Manchmal, nicht immer, und zuletzt sehr gut,« murmelte Joli, und dann erzählte er von Anfang an seine Geschichte. Die Tiere schrieen, kreischten, quiekten, krächzten, brummten und brüllten manchmal entrüstet, wenn Joli schilderte, wie er gefangen genommen worden war, und seine Leiden auf der Reise und in der Jahrmarktbude beschrieb. Hunderte von schwarzen Affenaugen blitzten gar böse und zornig drein, und Ko, Ho und Lo kreischten laut über des Hanswursts Schlechtigkeit:
Koko, koko,
Eio, eio,
Zwacken, zwicken,
Schlagen, picken,
Necken und ziehn
Muß man ihn.
Koko, koko,
Eio, eio,
Ohne Hanswurst, oh,
Sind wir alle froh!«
Doch dann erzählte Joli von der Familie Hesse, wie Dietrich und Lieselinchen ihn gekauft und ihn mit heimgenommen hatten. Das Gärtnerhaus beschrieb er, den Garten und den Weihnachtsabend. Da wurden alle die bösen, rachsüchtigen Tieraugen wieder freundlich, die Papageien schalten nicht mehr, Tamandu brummte vergnügt, und alle Zuhörer riefen laut: »Wir wollen gut zu den Menschen sein!«
Sogar der Paradiesvogel schrie: »Wenn mir wieder eine Schwanzfeder ausfällt, die soll bestimmt das Lieselinchen haben!«
»Er ist wirklich zu eitel,« flüsterte Ko seinen Gefährten zu, und Ho und Lo nickten spöttisch. »Er denkt, sein Schwanz ist das Allerschönste im ganzen Wald!«
Der Paradiesvogel hörte die Worte nicht, und das war gut, sonst hätte es gar noch Zank und Streit gegeben. So waren alle Tiere sehr gerührt und ergriffen von Tohubohus Geschichte. Ama, das kleine Affenmädchen, weinte so jämmerlich, daß es zuletzt die Urgroßmutter selbst trösten mußte. Alle guten, freundlichen Worte halfen nichts, Ama schluchzte erbärmlich, und endlich, als auch Joli bat, sie möchte sich beruhigen, rief sie: »Ich – ich – weine doch eigentlich um Bimbo. Der arme Bimbo, nun wird es ihm auch so schlecht gehen!«
»Ach was,« rief die Urgroßmutter, »Mädel, sei still, dem Bimbo ist die Strafe gesund. Du hast ja gehört, daß die Menschen im Waldhaus gut sind, sie werden Bimbo schon frei lassen. Dem unnützen Strick geht es noch viel zu gut auf der Welt. Nun sei still, Kinder müssen den Mund halten, wenn große Leute reden.«
Da schwieg Ama. Wenn die Urgroßmutter so redete, dann war es ratsamer, den Mund zu halten; auch war Ama ein gar braves Kind und folgte immer gleich.
Es dauerte an diesem Abend sehr, sehr lange, bis die Affen ihre Wohnbäume aufsuchten, immer wollten sie noch dies und das von Joli wissen. Der war schließlich so heiser von allem Reden, daß er kein Wörtlein mehr sagen konnte; da durfte er erst schlafen gehen. Aber wohin? Der schöne Brotbaum, auf dem einst seine Eltern gewohnt hatten, auf dem hauste längst eine andere Familie, die er gar nicht kannte.
»Komm zu mir,« sagte Herr Rosso, »im Schulbaum ist Platz genug, und ich freue mich, wenn ich Gesellschaft habe!«
»Die Ehre, nein, die Ehre!« flüsterten die andern Affen und verneigten sich gar tief vor Joli, um ihm gute Nacht zu sagen. Freilich, wenn einer so lange im Menschenland gewesen ist, dann ist er auch etwas ganz Besonderes. Joli fand dies selbst. Er nickte daher auch ein bißchen von oben herab den andern zu und sprang dann eilig Herrn Rosso nach, ja all die Bewunderung hatte ihn schon ein wenig eingebildet gemacht, und er fand es eigentlich ganz selbstverständlich, daß er bei Herrn Rosso wohnen sollte.
»Ein anderer Baum wäre auch wohl nicht vornehm genug für mich gewesen,« dachte er noch im Einschlafen.
Er schlief die erste Nacht im heimatlichen Wald nicht sonderlich gut. Das weiche Lager, das ihm die Hesseschen Kinder bereitet hatten, war eigentlich viel bequemer gewesen. Ja, und dann mußte er immer an seine kleinen Menschenfreunde denken, ob sie ihn sehr vermißten, ob sie sehr traurig gewesen, als er fortgelaufen war. Er seufzte tief. Eigentlich war es ihm doch recht schmerzlich, daß seine Eltern tot und seine Geschwister fortgezogen waren. Er rutschte auf seinem Ast hin und her. Nein, so würde er nicht mehr schlafen, er würde sich ein Lager zurecht machen und es den andern Affen zeigen, wie man bei den Menschen schläft, dachte er. Na überhaupt, sie sollten mal von ihm lernen. Sehr viel, richtige Menschensitten wollte er ihnen beibringen.
Mit diesem guten Vorsatz schlief er endlich ein, und als er erwachte und sich besann, daß er frei im heimatlichen Wald war, da stieß er einen lauten Freudenschrei aus.
»Warum schreist du denn so?« brummte Herr Rosso ein wenig ärgerlich; er war gerade im besten Morgenschlummer gestört worden.
Joli entschuldigte sich höflich. Er nahm sich dabei gleich vor, immer sehr Höflich und manierlich zu sein, er wollte doch allen beweisen, daß er viel im Menschenland gelernt hatte und nun viel gebildeter als alle andern Affen war. Darum sprang er auch nicht übermütig von Ast zu Ast, was er eigentlich gern getan hätte, sondern blieb steif und feierlich sitzen und ließ sich von den andern Affen besuchen. Die kamen auch von allen Seiten, aus allen Winkeln, aus der Höhe und Tiefe kamen sie herbei, und alle schrieen schon wieder von weitem: »Erzähl uns was vom Menschenland.«
Und Joli erzählte, von den Kindern, von Mutter Wicherten, dem Feuer, von Fabian und Lina, von allen. Zuletzt konnte er wieder kaum reden, aber die Affen schrieen immer:
»Mehr! Noch mehr! Es war so kurz!«
»Seid doch nicht so neugierig!« sagte Joli. »So etwas tut man nicht im Menschenland.«
Das half. Die Besucher verabschiedeten sich, und Joli konnte zur Urgroßmutter eilen, die ihn zum Mittagessen eingeladen hatte.
»Du mußt es doch erst wieder lernen, dir deine Nahrung selbst zu suchen,« sagte die kluge Äffin.
Daran hatte Joli noch gar nicht gedacht, wie unbequem das eigentlich war. Ach, wie gut hatten doch stets Dietrich und Lieselinchen für ihn gesorgt! Kaum hatte er an diesem Tag bei Itohu seine Bananen hinuntergeschluckt, da kamen auch schon wieder viele, viele Affen und riefen: »Erzähle uns vom Menschenland!«
Und Joli erzählte wieder, bis er heiser war, und bis der Abend kam, und dann schlief er wieder sehr schlecht und unbequem auf seinem Ast.
»Alles ist Gewohnheit,« meinte Itohu, als er ihr am nächsten Tag sein Leid klagte; »wie im Menschenland kannst du es hier nicht haben.«
Das sah Joli ja ein, es gefiel ihm auch sehr gut im Wald, nur mußte er immer wieder denken: »Was tun sie jetzt im kleinen Haus? Wie mag es den Kindern gehen? Haben sie Sehnsucht nach mir?«
Ein bißchen langweilig war es auch. Er hatte es sich nun einmal vorgenommen, recht würdevoll zu sein, also spielte und sprang er nicht mit den andern Affen herum und saß immer feierlich im Schulbaum.
»Hilf mir Schule halten,« sagte Herr Rosso nach etlichen Tagen, »du hast ja viel im Menschenland gelernt, du kannst Lehrer werden.«
»Ja, das soll er,« riefen die andern Affen alle und sahen wieder stolz und ehrfurchtsvoll zu Joli auf, »wir wollen von ihm lernen, wie man sich im Menschenland benimmt.«
»Die Affen sind auch schon zu eingebildet,« riefen die Papageien einander zu. »Hört nur, hört! Koko, koko, koko, nun wollen sie sich wie die Menschen benehmen lernen!«
Der Plan gefiel Joli sehr. Er sagte keck: »Ja, das will ich. Oh, ihr sollt bald alle sehr gebildet sein.« Bei sich dachte er: »Ich verstehe alles natürlich besser als Herr Rosso!«
Der lächelte, und die Urgroßmutter lächelte; sie waren zwar beide noch nie im Menschenland gewesen, aber sie waren doch viel weiser als Joli. Denn dieser kleine Gernegroß wußte nicht einmal, daß es ungeheuer schwer ist, ein Lehrer zu sein.
»Pah,« meinte er, »die Sache ist sehr einfach!« –
»Morgen haben wir Anstandsstunde, morgen haben wir Anstandsstunde! Wir lernen, wie es bei den Menschen ist, haio, haio!« schrieen die Affen an diesem Abend, und Joli, der es hörte, fand, er sei doch eine ungeheuer wichtige Person. Er schlief vor lauter Aufregung die Nacht nicht, und am nächsten Morgen saß er steif und feierlich auf seinem Ast und wartete auf die Schulkinder.
Die kamen wie immer mit viel Geschrei und Geschwätz herbei, und Joli schüttelte ärgerlich den Kopf und rief streng: »So kommt man nicht im Menschenland in die Schule. Schämt euch!«
Da wurden die Affenbuben und -mädel ganz still, nur Juju, der immer etwas vorwitzig war, fragte: »Bist du denn im Menschenland in die Schule gegangen?«
»Nein,« murmelte Joli etwas verlegen, »das nicht, da gehen natürlich nur Menschenkinder hinein, aber Dietrich und Lieselinchen haben mir davon erzählt. Aber nun still, paßt auf! Macht alles, wie ich's euch vormache!«
Mucksstill saßen die Affenkinder und paßten auf.
»Hm, hm,« sagte Joli wie Fabian, wenn er nachdachte, dann schwieg er. Er wußte auf einmal nicht, was er jagen sollte. Alle die neugierigen, erwartungsvollen Affenaugen machten ihn ganz verlegen.
»Hm,« sagte er wieder, »hm,« und da summten plötzlich alle Affenkinder ihm nach: »Hm, hm, hm,« sie dachten, das sei so Sitte im Menschenland.
»Wie dumm sie sind,« dachte Joli, zog das Gesicht in grimmige Falten und sagte unwillkürlich wieder: »Hm.«
Schwapp schnitten alle Buben und Mädel die fürchterlichsten Grimassen und brummten: »Hm, hm!«
»Hätte ich jetzt einen Besen,« dachte Joli erbost, »dann haute ich sie mit dem Besen, wie Lina mich manchmal gehauen hat. Ach was, ein Zweig tut's auch!« und rasch riß er einen Zweig ab und schlug ihn dem einen kleinen Affenjungen um die Ohren. Der nicht faul, riß auch einen Zweig ab, die andern taten es ebenso, und klatsch, klatsch, klatsch hauten sich alle Affenkinder gegenseitig und hielten das für seine Menschensitte. Es gab dabei viel Geschrei und Gezeter; namentlich die Buben hauten sehr derb, und die Mädel wollten sich das nicht gefallen lassen.
Joli aber schrie ärgerlich: »Sitzt still! Das war doch eine Strafe!«
»Ach so!« riefen die Kinder. »Na, besser ist das dann im Menschenland auch nicht als bei uns!«
Joli seufzte. Es war wirklich schwer, Lehrer zu sein. Was sollte er ihnen nur beibringen? »Aha, ich will ihnen zeigen, wie man eine Verbeugung macht,« dachte er, brummte wieder »Hm,« das geschwind alle Affenkinder wiederholten, und sagte dann feierlich: »Wenn sich im Menschenland zwei begrüßen, dann machen sie es so, paßt auf!« Joli stand auf, stand wie ein Mensch auf zwei Beinen und wollte sich feierlich verbeugen, wie er es in der Menagerie vom Hanswurst gelernt hatte. Aber dort hatte er immer auf festem Boden gestanden, auf einem Ast hoch oben auf dem Baume zu stehen, hatte er schon etwas verlernt, und als er nun stand und sich neigte, verlor er das Gleichgewicht und – sauste von oben herunter.
Und plumps, pardauz sausten die Affenkinder ihm nach, das Aufrechtstehen ließen sie, das war ihnen zu schwer. Im nächsten Augenblick lag die ganze Schule mal wieder unten auf der Erde.
»Potz Jaguarschwanz,« rief Herr Rosso erstaunt, »haben die Menschen aber komische Sitten! Das hätte ich doch nicht gedacht!«
Joli war sehr zerschlagen und zerschunden unten angekommen, den Kindern, die das Klettern und Hinfallen mehr gewohnt waren, hatte es nichts weiter geschadet; sie fanden die Sache sehr lustig und waren ganz betrübt, als der neue Lehrer sagte: »Für heute ist es genug, nun geht brav nach Hause.«
Herr Rosso schüttelte den Kopf. Wie schnell das ging! Er hielt doch immer viel länger Schule, aber er sagte nichts, sondern dachte nur: »Es will alles gelernt sein.«
»Uff, ist das Schulehalten schwer!« seufzte Joli, als die Kinder gegangen waren. »Die sind aber auch schrecklich dumm! Warum machen sie mir nur alles nach? Na, morgen will ich es anders anfangen.«
Die Buben und Mädel aber eilten über die blühenden schwankenden Brücken, Treppen und Leitern in die elterlichen Wohnbäume zurück, um dort geschwind zu zeigen, was sie gelernt hatten. An diesem Tage ging gerade der Urwaldjäger auf Pfaden, die nur er kannte, durch den Wald, um seine neuen Freunde im Waldhaus zu besuchen. Da blieb er plötzlich stehen und lauschte. Was war denn das?
»Hm, hm, hm,« tönte es von den Bäumen, laut und leise, hoch und tief, »hm, hm, hm.«
»Das ist ja gerade, als hätten die Affen Fabian belauscht,« rief der Jäger erstaunt, doch da sauste neben ihm ein Affe vom Baume herunter, dort wieder einer, da noch einer, plumps, pardauz ging das immerzu. Die Äffchen zeigten ihren Eltern gerade, wie man sich im Menschenhaus verbeugt; natürlich hielten sie das Herunterpurzeln für die Hauptsache dabei.
»Schnurrig, höchst schnurrig!« brummelte der Urwaldjäger. »Ist doch eine putzige Gesellschaft, das Affenvolk!«
Und Herr Rosso und die Urgroßmutter sagten just gerade: »Ist doch eine schnurrige Gesellschaft, das Menschenvolk!«
So lustig die Affenbuben und -mädel an diesem Tage waren, so ärgerlich und betrübt war Joli. Er wurde ganz krank, so viel dachte er darüber nach, wie er es wohl anfangen sollte, Schule zu halten.
»Ich werde ihnen zeigen, wie man essen muß,« überlegte er sich; er hatte in der Menagerie zum größten Vergnügen der Kinder an einem Tischchen gesessen und mit einem Löffel Suppe gegessen. Ja, aber hier im Urwald hatte er doch keinen Tisch, keinen Teller, keinen Löffel und auch keine Suppe, also das ging nicht. Sein Mützchen, das er abnehmen konnte, hatte er auch nicht, ebensowenig eine Pfeife, um daraus zu rauchen, oder eine Trompete, um darauf zu blasen. Halt, tanzen, das wird vielleicht gehen, tanzen konnte er, aber nicht im Schulbaum, sondern unten am Flußufer.
Am nächsten Morgen kamen die Affenkinder viel eifriger als sonst zur Schule.
»Hm, hm, hm, hm,« brummten sie schon von weitem, und kaum waren sie im Schulbaum angelangt, da verbeugten sie sich und sausten wieder von oben herunter.
»Haio, Lehrer Joli wird uns loben,« quiekten sie einander zu, aber Lehrer Joli lobte nicht, der ärgerte sich, und ganz wütend brummte er: »Hm!«
»Hm, hm, hm,« wiederholten die Affenkinder.
»Wir wollen tanzen, dazu müssen wir hinunter an den Fluß,« schrie Joli. »Ihr seid sehr dumm!«
Die Affenkinder sahen sich traurig an; nun sollten sie dumm sein, und sie hatten sich doch beinahe so verbeugt wie die Menschen. Aber vielleicht ging bei denen das Hinunterpurzeln noch schneller! Sie nahmen sich daher vor, jetzt recht, recht genau aufzupassen, und sehr eifrig und vergnügt sprangen sie Joli nach.
Herr Rosso schüttelte den Kopf, Itohu schüttelte den Kopf, und viele Papas und Mamas schüttelten auch ihre Köpfe. Was für seltsame Dinge würden ihre Kinder noch lernen!
Doch nicht nur die Affeneltern, auch viele andere Tiere aus dem Walde kamen herbei, um zu sehen, wie Joli am Flußufer Schule hielt. Selbst die Krokodile kamen angeschwommen und reckten neugierig ihre langen Schnauzen vor. Sie waren sonst ziemlich scheu und kamen selten aus ihren Wohnungen heraus, die da, wo der kleine Fluß in einen größeren Strom mündete, lagen. Aber daß die Affen lernen wollten, sich wie Menschen zu benehmen, das mußten sie doch sehen.
»Aufgepaßt!« schrie unten Joli. »Erst mach' ich's euch vor, dann macht ihr mir's nach!« Er drehte sich rechts herum, er drehte sich links herum, er drehte sich im Kreise, hob das rechte Bein, hob das linke Bein – »Au!« schrie da ein Krokodil, das im Eifer zu nahe gekommen war und nun von Jolis Bein eins an die Nase bekommen hatte.
»Fein!« jauchzten die Affenkinder, die meinten, das gehöre dazu. »Wir wollen's nachmachen, geschwind, geschwind! Haio, haio!«
Und eins, zwei, drei drehten sie sich rechts, drehten sich links, drehten sich im Kreise, hoben die Beine hoch, und schnipp! bekamen die Krokodile alle solche Nasenstüber, daß ihnen Hören und Sehen verging.
Da brachen die in lautes Weinen aus. Die Krokodilstränen flossen wie Bächlein, und alle andern Tiere schrieen empört: »Nee, das gefällt uns nicht, was du im Menschenland gelernt hast. Zeig was anderes, zeig was anderes! Tanzen gefällt uns nicht!«
»Aber uns,« schrieen die Affenkinder keck und drehten sich rechtsum, linksum. »Nein, nein,« schrieen die andern Tiere, »wir erlauben das nicht, das schickt sich nicht, wir wollen nicht an die Nasen gestoßen werden!«
Joli stöhnte. War das schwer, Lehrer zu sein! Ach, wäre er das Amt nur erst wieder los! Er sah Herrn Rosso an, der lächelte, Urgroßmutter Itohu lächelte auch, da schämte er sich gewaltig und dachte: »Nein, sie sollen mich nicht auslachen, morgen mache ich's anders.« Laut rief er: »Geht nach Hause. Wenn solches Geschrei ist, kann ich keine Schule geben. Im Menschenland ist's immer ganz still!«
Er drehte sich um und eilte in den Schulbaum zurück, und die Kinder sahen ihm traurig nach und jammerten: »Die Schule ist immer so flink aus, und uns gefällt's so gut!«
»Ja, das glauben wir,« sagten die Eltern, »aber eigentlich wißt ihr genug Dummheiten, ihr braucht die aus dem Menschenland gar nicht noch zu lernen.«
Joli saß wieder den Tag und die ganze Nacht sehr ernsthaft auf dem Schulbaum und überlegte, was er die Affenkinder lehren könnte. Dabei merkte er, daß er selbst doch eigentlich recht wenig wußte, und doch hatte er gemeint, er sei viel klüger als Herr Rosso. Plötzlich fiel ihm ein, daß Lina, wenn sie guter Laune gewesen war, gesungen hatte, das hatte ihm immer sehr gefallen, und die Kinder hatten auch Lieder gesungen. Weihnachtslieder, die waren so hübsch gewesen. Vielleicht konnte er es ihnen nachmachen und konnte es den Affen beibringen. Er wußte ja, daß in andern Ländern Vögel lebten, die wundervolle Stimmen hatten, und daß die Urwaldvögel himmelgern auch gesungen hätten.
»Haio,« dachte er, »das wäre herrlich, wenn ich den Affenkindern das Singen beibringen könnte!« Hm, freilich, da mußte er es erst selbst können, das fiel ihm zum Glück noch rechtzeitig ein. Ach was, es war gewiß nicht schwer, er mußte es nur einmal probieren. Auf dem Schulbaum war ihm die Sache zu ungemütlich, er kletterte also tiefer in den Wald hinein und fand da eine so dichte Baumkrone, daß niemand ihn darin sehen konnte. Dort versuchte er es, zu singen. »Uah, uah uah, oio oio, huhu uah,« tönte es auf einmal durch den Wald.
Die Tiere erschraken. Wer schrie da? War ein neues, fürchterliches Tier in den Wald eingedrungen oder fremde, unheimliche Menschen?
Eine namenlose Angst ergriff alle Tiere im Walde; selbst die Jaguarfamilie, die faul und satt in ihrem Lager lag, wurde unruhig. Wer schrie da so? Waren Feinde gekommen, vor denen selbst sie sich fürchten mußten?
Die drei klugen Papageien Ko, Ho, Lo waren am mutigsten, sie dachten: »Die Geschichte wird wohl nicht so schlimm sein!« Sie flogen dann von Baum zu Baum, um zu erforschen, wer so seltsam schrie. Auf einmal kreischten sie verwundert:
»Oh, oh, oh,
Joli, Joli,
Schreiet so!«
Da kamen eilfertig viele Tiere Herbeigerannt, gelaufen, gehopst, gesprungen und geflogen, alle wollten sie wissen, was mit Joli geschehen sei. Was tat er? War er krank?
»Er hat zu viel gefressen,« flüsterten ein paar Affenfrauen.
»Oder er hat giftige Früchte gefressen. Der arme Joli kennt sie nicht mehr,« meinten andere mitleidig. Etliche erboten sich, sie wollten ihn in die Sonne tragen, andere sprangen zur Urgroßmutter Itohu und fragten die um Rat, was zu tun sei.
Die lächelte ein wenig und sagte: »Er soll keine Schule mehr halten, das strengt ihn zu sehr an. Er ist eben im Menschenland verwöhnt worden.«
»Und hochmütig ist er auch geworden,« sagte ein alter Affe, der immer etwas grillig war und sich über das Geschrei sehr aufgeregt hatte. Damit hatte er nun aber nicht recht, denn hochmütig war Joli in dem Grunde seines Herzens gar nicht, bloß ein bissel eingebildet war er in den ersten Tagen gewesen, weil ihn alle so angestaunt hatten ob seiner Erlebnisse. Jetzt schämte er sich sehr, namentlich vor Herrn Rosso. Ach, er hatte es schon gemerkt, daß es gar nicht leicht ist, ein Lehrer zu sein, darum wollte er es auch nicht weiter damit versuchen.
Den Affenkindern tat das schrecklich leid, es war doch so lustig bei Joli in der Stunde gewesen, und sie hätten gern noch mehr schöne Sachen aus dem Menschenland gelernt. Immer wieder kamen sie und bettelten: »Halt doch Schule, wir wollen auch ganz brav sein!« Sie begriffen gar nicht, daß dies Joli anstrengen könnte, der saß doch ganz munter auf seinem Ast und ließ es sich schmecken; freilich still war er.
»Das sind kluge Leute immer,« sagte ein kleines Affenmädel wichtig.
»Und die Dummen schwätzen viel. Nun weiß ich doch, warum du immer plapperst,« sagte ein recht frecher kleiner Bube.
Urgroßmutter Itohu und Herr Rosso, die wußten es schon, warum Joli oft so still war. Sie merkten, er hatte Sehnsucht nach den Menschen.
»Es geht uns Tieren eben immer so,« sagte die Urgroßmutter. »Glaub' mir, Herr Rosso, er kehrt wieder zurück. Ach, wenn doch Bimbo bald käme, sonst hängt auch der sein Herz zu sehr an die Menschen!«
Wirklich kam Bimbo in den nächsten Tagen heim. Er kam an, wie ein wohlerzogener kleiner Affenjunge kommt, sehr still und manierlich und heilfroh, daß er wieder in seinem Walde sein durfte.
»Nein, ist Bimbo artig geworden!« sagten die Affenkinder erstaunt, und alle Affeneltern sagten seitdem, so wie die Menscheneltern manchmal sagen: »Ihr kommt in Pension,« zu ihren Kleinen: »Wenn ihr nicht brav seid, dann schicken wir euch ins Menschenland, damit ihr so klug wie Joli und so artig wie Bimbo werdet!«
Als nun aber die Buben und Mädel es Bimbo vormachten, wie die Menschen sich begrüßen, da lachte der sie trotz aller Bravheit einfach aus. »So ein Unsinn,« schrie er, »aber so ein Unsinn!«
Doch die Kinder glaubten es ihm nicht, daß der Gruß nicht richtig sei. Das Hmhm und das Herunterpurzeln gefiel ihnen doch so gut; sie sagten, Bimbo könne das nicht so wissen, Bimbo sei nicht so lange im Menschenland gewesen; nein, eigentlich sei er gar nicht im richtigen Menschenland gewesen, überhaupt könnte Joli viel hübscher erzählen. Dies fand nun Bimbo selbst; er lief eilig mit zu Joli und bat diesen mit den andern: »Erzähle uns vom Menschenland!«
Joli tat das sehr gern, es gefiel ihm besser, als Schullehrer sein. Manche Geschichte, wie zum Beispiel die von dem Feuer in der Weihnachtsnacht, mußte er jeden Tag dreimal erzählen, so sehr liebten große und kleine Affen die Geschichte. Je mehr aber Joli erzählte, desto heißer wurde auch seine Sehnsucht nach den Menschen, die er so lieb hatte. Gar manchmal saß er an der Lianenwand und schaute sehnsüchtig hinüber nach dem kleinen Urwaldhaus, und wenn er eins der Kinder erblickte, dann klopfte sein kleines Herz vor Freude. Er trug auch wohl mit Bimbo am frühen Morgen Blumen vor das Haus; er wußte, wie sehr alle Blumen liebten.
»Besuche doch einmal die Menschen,« riet Herr Rosso, aber das wollte Joli nicht, dann behielten sie ihn vielleicht immer da, und er wollte doch lieber frei in seiner Heimat bleiben.