William Shakespeare
Richard III
William Shakespeare

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VIERTE SZENE

 

Vor dem Palast.

(Königin Margaretha tritt auf.)

 

Margaretha.

So, jetzo wird der Wohlstand überreif

Und fällt in den verfaulten Schlund des Todes.

Hier in der Nähe hab ich schlau gelauscht,

Um meiner Feinde Schwinden abzuwarten.

Von einem grausen Vorspiel war ich Zeugin

Und will nach Frankreich, hoffend, der Erfolg

Werd' auch so bitter, schwarz und tragisch sein.

Unglückliche Margretha, fort! Wer kommt?

(Königin Elisabeth und die Herzogin von York treten auf.)

Elisabeth.

Ach, arme Prinzen! meine zarten Knaben!

Unaufgeblühte Knospen! süße Keime!

Fliegt eure holde Seel' in Lüften noch,

Und hält sie nicht ein Spruch auf ewig fest,

So schwebet um mich mit den luft'gen Flügeln

Und hört die Wehklag' eurer Mutter an!

Margaretha.

Schwebt um sie, sagt, daß Recht um Recht gehandelt

Der Kindheit Früh' in alte Nacht euch wandelt.

Herzogin.

So manches Elend brach die Stimme mir,

Die jammermüde Zung' ist still und stumm.

Eduard Plantagenet, so bist du tot?

Margaretha.

Plantagenet vergilt Plantagenet;

Eduard um Eduard zahlt sein Totenbett.

Elisabeth.

Entziehst du dich, o Gott, so holden Lämmern

Und schleuderst in den Rachen sie dem Wolf?

Wann schliefst du sonst bei solchen Taten schon.

Margaretha.

Als Heinrich starb, der Heil'ge, und mein Sohn.

Herzogin.

Erstorbnes Leben! blindes Augenlicht!

Du armes irdisch-lebendes Gespenst!

Des Wehes Schauplatz, Schande dieser Welt!

Des Grabs Gebühr, vom Leben vorenthalten!

Auszug und Denkschrift lästig langer Tage!

Laß deine Unruh' ruhn auf Engellands

Rechtmäß'ger Erde, die so unrechtmäßig

Berauschst worden von unschuld'gem Blut.

(Setzt sich nieder.)

Elisabeth.

Ach, wolltest du ein Grab so bald gewähren,

Als einen schwermutsvollen Sitz du beutst:

Dann bürg ich mein Gebein hier, ruht' es nicht.

Ach, wer hat Grund zu trauern, außer uns?

(Setzt sich zu ihr.)

Margaretha.

Wenn alter Gram um so ehrwürd'ger ist,

Gesteht der Jahre Vorrang meinem zu,

Und wölke sich mein Kummer obenan.

(Setzt sich neben sie.)

Und wenn der Gram Gesellschaft dulden mag,

Zählt eure Leiden nach, auf meine schauend.

Mein war ein Eduard, doch ein Richard schlug ihn;

Mein war ein Gatte4s, doch ein Richard schlug ihn;

Dein war ein Eduard, doch ein Richard schlug ihn;

Dein war ein Richard, doch ein Richard schlug ihn.

Herzogin.

Mein war ein Richard auch, und du erschlugst ihn;

Mein war ein Rutland auch, du halfst ihn schlagen.

Margaretha.

Dein war ein Clarence auch, und Richard schlug ihn.

Aus deines Schoßes Höhle kroch hervor

Ein Höllenhund, der all uns hetzt zu Tod.

Den Hund, der eh' als Augen Zähne hatte,

Gebißner Lämmer frommes Blut zu lecken;

Der Gotteswerke schändlichen Verderber;

Den trefflich großen Wüterich der Erde,

In wunden Augen armer Seelen herrschend,

Ließ los dein Schoß, um uns ins Grab zu jagen.

O redlich ordnender, gerechter Gott!

Wie dank ich dir, daß dieser Metzgerhund

In seiner Mutter Leibesfrüchten schwelgt

Und macht sie zur Gesellin fremder Klagen.

Herzogin.

O juble, Heinrichs Weib, nicht um mein Weh!

Gott zeuge mir, daß ich um deins geweint.

Margaretha.

Ertrage mich: ich bin nach Rache hungrig

Und sätt'ge nun an ihrem Anblick mich.

Tot ist dein Eduard, Mörder meines Eduards;

Dein andrer Eduard tot für meinen Eduard;

Der junge York war Zutat: beid' erreichten

Nicht meines Eingebüßten hohen Preis.

Tot ist dein Clarence, Meuchler meines Eduards,

Und die Zuschauer dieses Trauerspiels,

Der falsche Hastings, Rivers, Vaughan, Grey,

Sind vor der Zeit versenkt ins dumpfe Grab.

Richard nur lebt, der Hölle schwarzer Spürer,

Als Mäkler aufbewahrt, der Seelen kauft

Und hin sie sendet: aber bald, ja bald

Erfolgt sein kläglich, unbeklagtes Ende.

Die Erde gähnt, die Hölle brennt,

Die Teufel brüllen, Heil'ge beten,

Auf daß er schleunig werde weggerafft.

Vernichte, lieber Gott, ich fleh dich an,

Den Pfandschein seines Lebens, daß ich noch

Dies Wort erleben mag: der Hund ist tot!

Elisabeth.

Oh, du hast prophezeit, es käm' die Zeit,

Wo ich herbei dich wünscht', um mitzufluchen

Der bauch'gen Spinne, dem geschwollnen Molch.

Margaretha.

Da nannt' ich dich ein Scheinbild meines Glücks,

Da nannt' ich dich gemalte Königin;

Die Vorstellung nur dessen, was ich war;

Ein schmeichelnd Inhaltsblatt zu grausem Schauspiel;

So hoch erhoben, tief gestürzt zu werden;

Zwei holder Knaben bloß geäffte Mutter;

Ein Traum des, was du warst; ein bunt Panier,

Zum Ziel gestellt für jeden droh'nden Schuß;

Ein Schild der Würde, eine Blas', ein Hauch,

Kön'gin zum Spaß, die Bühne nur zu füllen.

Wo ist dein Gatte nun? wo deine Brüder?

Wo deine beiden Söhne? Was noch freut dich?

Wer kniet und sagt nun: Heil der Königin?

Wo sind die Pairs, die schmeichelnd sich dir bückten?

Wo die gedrängten Haufen, die dir folgten?

Geh all dies durch, und sieh, was bist du jetzt.

Statt glücklich Eh'weib, höchst bedrängte Witwe;

Statt frohe Mutter, jammernd bei dem Namen;

Statt angefleht, demütig Flehende;

Statt Königin, mit Not gekrönte Sklavin;

Statt daß du mich verhöhnt, verhöhnt von mir;

Statt allgefürchtet, einen fürchtend nun;

Statt allgebietend, nun gehorcht von keinem.

So bat des Rechtes Lauf sich umgewälzt

Und dich der Zeit zum rechten Raub gelassen;

Nur der Gedanke blieb dir, was du warst,

Auf daß dich's mehr noch foltre, was du bist.

Du maßtest meinen Platz dir an: und fällt

Nicht meiner Leiden richtig Maß dir zu?

Halb trägt dein stolzer Nacken nun mein Joch,

Und hier entzieh ich ihm das müde Haupt

Und lasse dessen Bürde ganz auf dir.

Leb wohl, Yorks Weib, des Unglücks Königin!

In Frankreich labt mir Englisch Weh den Sinn.

Elisabeth.

O du in Flüchen wohl Erfahrne, weile

Und lehre mich, zu fluchen meinen Feinden!

Margaretha.

Versag dir nachts den Schlaf, und faste tags;

Vergleiche totes Glück lebend'gem Weh;

Denk deine Knaben holder, als sie waren,

Und schnöder, als er ist, den, der sie schlug:

Mit dem Verlust muß sich der Abscheu mehren;

Dies überdenken, wird dich fluchen lehren.

Elisabeth.

O schärfe meine stumpfen Wort' an deinen!

Margaretha.

Dein Weh wird scharf sie machen, gleich den meinen. (Ab.)

Herzogin.

Warum doch ist Bedrängnis reich an Worten?

Elisabeth.

Wind'ge Sachwalter ihrer Leidparteien!

Luft'ge Beerber unbewillter Freuden!

Des Elends arme hingehauchte Redner!

Gönnt ihnen Raum: obschon, was sie gewußt,

Auch sonst nicht hilft, doch lindert es die Brust.

Herzogin.

Ist das, so binde deine Zunge nicht:

Geh mit mir, und im Hauche bittrer Worte

Sei mein verdammter Sohn von uns erstickt,

Der deine beiden süßen Söhn' erstickte.

(Trommeln hinter der Szene.)

Ich höre Trommeln; spar nicht dein Geschrei.

(Richard mit seinem Zuge, auf dem Marsch.)

Richard.

Wer hält in meinem Zuge hier mich auf?

Herzogin.

O sie, die dich möcht aufgehalten haben,

In ihrem fluchbeladnen Schoß dich würgend,

Eh' du, Elender, all den Mord verübt.

Elisabeth.

Birgst du die Stirn mit einer goldnen Krone,

Wo, gäb's ein Recht, gebrandmarkt sollte stehn

Der Mord des Prinzen, des die Krone war,

Und meiner Söhn' und Brüder grauser Tod?

Du büb'scher Knecht, sag, wo sind meine Kinder?

Herzogin.

Du Molch, du Molch, wo ist dein Bruder Clarence

Und Ned Plantagenet, sein kleiner Sohn?

Elisabeth.

Wo ist der wackre Rivers, Vaughan, Grey?

Herzogin.

Wo ist der gute Hastings?

Richard.

Ein Tusch, Trompeten! Trommeln, schlaget Lärm!

Der Himmel höre nicht die Schnischnackweiber

Des Herrn Gesalbten lästern: schlagt, sag ich!

(Tusch. Lärmtrommeln.)

Geduldig seid und gebt mir gute Worte,

Sonst in des Krieges lärmendem Getöse

Ersäuf ich eure Ausrufungen so.

Herzogin.

Bist du mein Sohn?

Richard.

Ja, Gott gedankt sei's, Euch und meinem Vater.

Herzogin.

So hör geduldig meine Ungeduld.

Richard.

Ich habe eine Spur von Eurer Art, Frau Mutter,

Die nicht den Ton des Vorwurfs dulden kann.

Herzogin.

O laß mich reden!

Richard.

Tut's, doch hör ich nicht.

Herzogin.

Ich will in meinen Worten milde sein.

Richard.

Und, gute Mutter, kurz! Denn ich hab Eil'.

Herzogin.

Bist du so eilig? Ich hab dein gewartet,

Gott weiß, in Marter und in Todesangst.

Richard.

Doch kam ich endlich nicht zu Eurem Trost?

Herzogin.

Nein, bei dem heil'gen Kreuz! Zur Welt gebracht,

Hast du die Welt zur Hölle mir gemacht.

Eine schwere Bürde war mir die Geburt;

Launisch und eigensinnig deine Kindheit;

Die Schulzeit schreckhaft, heillos, wild und wütig;

Dein Jugendlenz verwegen, dreist und tollkühn;

Dein reifres Alter stolz, fein, schlau und blutig,

Zwar milder, aber schlimmer, sanft im Haß.

Welch eine frohe Stunde kannst du nennen,

Die je in deinem Beisein mich begnadigt?

Richard.

Find ich so wenig Gnad' in Euren Augen,

So laßt mich weiterziehn und Euch nicht ärgern. –

Trommel gerührt!

Herzogin.

Ich bitt dich, hör mich reden.

Richard.

Ihr redet allzu bitter.

Herzogin.

Hör ein Wort,

Denn niemals wieder werd ich mit dir reden.

Richard.

Wohl!

Herzogin.

Du stirbst entweder durch des Himmels Fügung,

Eh' du aus diesem Krieg als Sieger kommst;

Oder ich vergeh vor Gram und hohem Alter,

Und niemals werd ich mehr dein Antlitz sehn.

Drum nimm mit dir den allerschwersten Fluch,

Der mehr am Tag der Schlacht dich mög' ermüden

Als all die volle Rüstung, die du trägst!

Für deine Gegner streitet mein Gebet,

Und dann der Kinder Eduards kleine Seelen,

Sie flüstern deiner Feinde Geistern zu

Und angeloben ihnen Heil und Sieg.

Blutig, das bist du; blutig wirst du enden:

Wie du dein Leben, wird dein Tod dich schänden. (Ab.)

Elisabeth.

Zwar weit mehr Grund zum Fluchen wohnt mir bei,

Doch minder Mut: drum sag ich Amen nur.

(Will gehen.)

Richard.

Bleibt, gnäd'ge Frau: ich muß ein Wort Euch sagen.

Elisabeth.

Nicht mehr der Söhn' aus königlichem Blut

Für dich zum Morden, Richard, hab ich ja.

Und meine Töchter, nun, die sollen beten

Als Nonnen, nicht als Königinnen weinen:

Und also steh nach ihrem Leben nicht.

Richard.

Ein' Eurer Töchter heißt Elisabeth,

Ist tugendsam und schön, fürstlich und fromm.

Elisabeth.

Und bringt ihr das den Tod? 0 laß sie leben,

Und ihre Sitten will ich selbst verderben,

Beflecken ihre Schönheit, mich verleumden,

Als wär' ich treulos Eduards Bett gewesen,

Der Schande Schleier werfen über sie:

So sie den blut'gen Streichen nur entrinnt,

Bekenn ich gern, sie sei nicht Eduards Kind.

Richard.

Ehrt ihre Abkunft, sie ist königlich.

Elisabeth.

Ich leugn' es ab, das Leben ihr zu sichern.

Richard.

Ihr Leben sichert die Geburt zumeist.

Elisabeth.

Dadurch gesichert starben ihre Brüder.

Richard.

Weil gute Sterne der Geburt gemangelt.

Elisabeth.

Nein, weil ihr Leben üble Freunde hatte.

Richard.

Nicht umzukehren ist des Schicksals Spruch.

Elisabeth.

Ja, wenn verkehrter Sinn das Schicksal macht.

Den Kindern war ein schönrer Tod beschieden,

Hättst du ein schönres Leben dir erkoren.

Richard.

Ihr sprecht, als hätt' ich meine Vetter umgebracht.

Elisabeth.

Wohl umgebracht! Du brachtest sie um alles:

Um Freude, Reich, Verwandte, Freiheit, Leben.

Wes Hand die zarten Herzen auch durchbohrt,

Dein Kopf, mit krummen Wegen, gab die Richtung;

Stumpf war gewiß das mörderische Messer,

Bis es, gewetzt an deinem harten Herzen,

In meiner Lämmer Eingeweiden wühlte.

Den wilden Gram macht die Gewohnheit zahm,

Sonst nennte meine Zunge deinen Ohren

Nicht meine Knaben eh', als meine Nägel

In deinen Augen schon geankert hätten,

Und ich, in so heilloser Todesbucht,

Gleichwie ein Boot, beraubt der Tau' und Segel,

Zerscheitert wär' an deiner Felsenbrust.

Richard.

So glück' es mir bei meinem Unternehmen

Und blut'gen Kriegs gefährlichem Erfolg,

Als ich mehr Guts gedenk Euch und den Euren,

Als ich je Leids Euch und den Euren tat.

Elisabeth.

Welch Gut, bedeckt vom Angesicht des Himmels,

Ist zu entdecken, das mir Gutes schaffte?

Richard.

Erhebung Eurer Kinder, werte Frau.

Elisabeth.

Zum Blutgerüst, ihr Haupt da zu verlieren.

Richard.

Nein, zu der Höh' und Würdigkeit des Glücks,

Dem hehren Vorbild ird'scher Herrlichkeit.

Elisabeth.

Schmeichle mein Leid mit dem Bericht davon.

Sag, welchen Glückstand, welche Würd' und Ehre

Kannst du auf eins von meinen Kindern bringen?

Richard.

Was ich nur habe; ja, mich selbst und alles

Will ich an deiner Kinder eins verschenken,

So du im Lethe deines zorn'gen Muts

Die trüb' Erinnrung dessen willst ertränken,

Was, wie du meinst, ich dir zu nah getan.

Elisabeth.

Sei kurz, der Antrag deiner Freundschaft möchte

Sonst länger dauern als die Freundschaft selbst.

Richard.

So wiss', von Herzen lieb ich deine Tochter.

Elisabeth.

Im Herzen denkt es meiner Mutter Tochter.

Richard.

Was denket Ihr?

Elisabeth.

Daß du vom Herzen meine Tochter liebst.

So liebtest du vom Herzen ihre Brüder,

Und ich, vom Herzen, danke dir dafür.

Richard.

Verwirret meine Meinung nicht so rasch.

Ich meine, herzlich lieb ich deine Tochter

Und mache sie zur Königin von England.

Elisabeth.

Wohl, doch wer meinst du, soll ihr König sein?

Richard.

Nun, der zur Königin sie macht. Wer sonst?

Elisabeth.

Wie? du?

Richard.

Ich, eben ich: was dünkt Euch, gnäd'ge Frau?

Elisabeth.

Wie kannst du um sie frein?

Richard.

Das möcht ich lernen

Von Euch, die ihren Sinn am besten kennt.

Elisabeth.

Und willst du's von mir lernen?

Richard.

Herzlich gern.

Elisabeth.

Schick durch den Mann, der ihre Brüder schlug,

Ihr ein paar blut'ge Herzen; grabe drein:

Eduard und York; dann wird sie etwa weinen,

Drum biet ihr (wie Margretha deinem Vater

Weiland getan, getaucht in Rutlands Blut)

Ein Schnupftuch, das den Purpursaft, so sag ihr,

Aus ihrer süßen Brüder Leibe sog,

Und heiß' damit ihr weinend Aug' sie trocknen.

Rührt diese Lockung nicht zur Liebe sie,

Send einen Brief von deinen edlen Taten:

Sag ihr, du räumtest ihren Oheim Clarence

Und Rivers weg; ja, halfest ihrethalb

Der guten Tante Anna schleunig fort.

Richard.

Ihr spottet, gnäd'ge Frau: sie zu gewinnen

Ist das der Weg nicht.

Elisabeth.

Keinen andern gibt's,

Kannst du dich nicht in andre Bildung kleiden

Und nicht der Richard sein, der all dies tat.

Richard.

Setzt, daß ich's nur aus Liebe zu ihr tat.

Elisabeth.

Ja, dann fürwahr muß sie durchaus dich hassen,

Der Lieb' erkauft um solchen blut'gen Raub.

Richard.

Seht, was geschehn, steht jetzo nicht zu ändern.

Der Mensch geht manchmal unbedacht zu Werk,

Was ihm die Folge Zeit läßt zu bereun.

Nahm Euren Söhnen ich das Königreich,

So geb ich's zum Ersatz nun Eurer Tochter.

Bracht' ich die Früchte Eures Schoßes um,

Um Eu'r Geschlecht zu mehren, will ich mir

Aus Eurem Blute Leibeserben zeugen.

Großmutter heißen ist kaum minder lieb

Als einer Mutter innig süßer Name.

Sie sind wie Kinder, nur eine Stufe tiefer,

Von Eurer Kraft, von Eurem echten Blut,

Ganz gleicher Müh' bis auf eine Nacht des Stöhnens,

Von der geduldet, für die Ihr sie littet.

Plag' Eurer Jugend waren Eure Kinder,

Trost Eures Alters sollen meine sein.

Was Ihr verlort, war nur ein Sohn als König,

Dafür wird Eure Tochter Königin.

Ich kann nicht, wie ich wollt', Ersatz Euch schaffen,

Drum nehmt, was ich in Güte bieten kann.

Dorset, Eu'r Sohn, der mißvergnügte Schritte

Mit banger Seel' auf fremdem Boden lenkt,

Wird durch dies holde Bündnis schleunig heim

Zu großer Würd' und hoher Gunst gerufen.

Der König, der die schöne Tochter Gattin nennt,

Wird traulich deinen Dorset Bruder nennen.

Ihr werdet wieder Mutter eines Königs,

Und alle Schäden drangsalvoller Zeiten

Zwiefach ersetzt mit Schätzen neuer Lust.

Ei, wir erleben noch viel wackre Tage!

Die hellen Tränentropfen kommen wieder,

Die ihr vergoßt, in Perlen umgewandelt,

Das Darlehn Euch vergütend, mit den Zinsen

Von zehnfach doppeltem Gewinn des Glücks.

Geh, meine Mutter, geh zu deiner Tochter:

Erfahrung mach' ihr schüchtern Alter dreist;

Bereit ihr Ohr auf eines Freiers Lied;

Leg in ihr zartes Herz die kühne Flamme

Der goldnen Hoheit; lehre die Prinzessin

Der Ehefreuden süß verschwiegne Stunden:

Und wenn der Arm hier jenen Zwergrebellen,

Den ungehirnten Buckingham gezüchtigt,

Dann komm ich prangend im Triumpheskranz

Und führ ins Bett des Siegers deine Tochter;

Ihr liefr' ich die Erobrung wieder ab,

Und sie sei einzig Sieg'rin, Cäsars Cäsar.

Elisabeth.

Wie soll ich sagen? Ihres Vaters Bruder

Will ihr Gemahl sein? Oder sag ich, Oheim?

Oder, der Oheim' ihr erschlug und Brüder?

Auf welchen Namen würb' ich wohl für dich,

Den Gott, Gesetz, meine Ehr' und ihre Liebe

Den zarten Jahren ließ' gefällig sein?

Richard.

Zeig Englands Frieden ihr in diesem Bündnis.

Elisabeth.

Den sie erkaufen wird mit stetem Krieg.

Richard.

Sag ihr, der König, sonst gebietend, bitte.

Elisabeth.

Das von ihr, was der Kön'ge Herr verbeut.

Richard.

Sag, sie werd' eine mächt'ge Königin.

Elisabeth.

Den Titel zu bejammern, sowie ich.

Richard.

Sag, immerwährend lieben woll' ich sie.

Elisabeth.

Wie lang wird wohl dies Wörtchen immer währen?

Richard.

Bis an das Ende ihres holden Lebens.

Elisabeth.

Wie lang wird wohl dies süße Leben währen?

Richard.

So lang Natur und Himmel es verlängt.

Elisabeth.

So lang's die Höll' und Richard leiden mag.

Richard.

Sag, ich, ihr Herrscher, sei ihr Untertan.

Elisabeth.

Zwar Untertanin, haßt sie solche Herrschaft.

Richard.

Zu meinem Besten sei beredt bei ihr.

Elisabeth.

Ein redlich Wort macht Eindruck, schlicht gesagt.

Richard.

So sag ihr meine Lieb' in schlichten Worten.

Elisabeth.

Schlicht und nicht redlich lautet allzu rauh.

Richard.

Zu seicht und lebhaft sind mir Eure Gründe.

Elisabeth.

Nein, meine Gründe sind zu tief und tot;

Zu tief und tot im Grab die armen Kinder.

Richard.

Rührt nicht die Saite mehr: das ist vorbei.

Elisabeth.

Ich will sie rühren, bis das Herz mir springt.

Richard.

Bei meinem George, dem Knieband und der Krone –

Elisabeth.

Entweiht, entehrt, die dritte angemaßt!

Richard.

Schwör ich –

Elisabeth.

Bei nichts; denn dieses ist kein Schwur.

Der George, entehrt, verlor die heil'ge Ehre;

Befleckt, das Knieband seine Rittertugend;

Geraubt, die Krone ihren Fürstenglanz.

Willst du was schwören, das man glauben mag,

So schwör bei etwas, das du nicht gekränkt.

Richard.

Nun, bei der Welt –

Elisabeth.

Voll deines schnöden Unrechts.

Richard.

Bei meines Vaters Tod –

Elisabeth.

Dein Leben schmäht ihn.

Richard.

Dann bei mir selbst –

Elisabeth.

Dein Selbst ist selbstgeschändet.

R i c h a rd.

Beim Himmel –

Elisabeth.

Gottes Kränkung ist die ärgste.

Hättst du gescheut, den Schwur bei ihm zu brechen,

Die Einigkeit, die mein Gemahl gestiftet,

Wär' nicht zerstört, mein Bruder nicht erschlagen.

Hättst du gescheut, den Schwur bei ihm zu brechen,

Dies hehre Gold, umzirkelnd nun dein Haupt,

Es zierte meines Kindes zarte Schläfen

Und beide Prinzen wären atmend hier,

Die nun, im Staub zwei zarte Bettgenossen,

Dein treulos Tun zum Raub der Würmer machte.

Wobei nun kannst du schwören?

Richard.

Bei der künft'gen Zeit.

Elisabeth.

Die kränktest du in der Vergangenheit.

Mit Tränen muß ich selbst die Zukunft waschen,

Für die Vergangenheit, gekränkt durch dich.

Die Kinder, deren Eltern du ermordet,

In unberatner Jugend leben sie

Und müssen es bejammern noch im Alter.

Die Eltern, deren Kinder du geschlachtet,

Als unfruchtbare Pflanzen leben sie

Und müssen es bejammern schon im Alter.

Schwör bei der Zukunft nicht, so mißverwandelt

Durch die vergangne Zeit, die du mißhandelt.

Richard.

So wahr ich sinn auf Wohlfahrt und auf Reu'!

So geh's mir wohl im mißlichen Versuch

Feindsel'ger Waffen! Schlag ich selbst mich selbst!

Himmel und Glück entzieh' mir frohe Stunden!

Tag, weigre mir dein Licht! Nacht, deine Ruh'!

Sei'n alle Glücksplaneten meinem Tun

Zuwider! wo ich nicht mit Herzensliebe,

Mit makelloser Andacht, heil'gem Sinn

Um deine schön' und edle Tochter werbe!

Auf ihr beruht mein Glück und deines auch:

Denn ohne sie erfolgt für mich und dich,

Sie selbst, das Land und viele Christenseelen

Tod und Verwüstung, Fall und Untergang.

Es steht nicht zu vermeiden, als durch dies;

Es wird auch nicht vermieden, als durch dies.

Drum, liebe Mutter (so muß ich Euch nennen),

Seid meiner Liebe Anwalt: stellt ihr vor

Das, was ich sein will, nicht, was ich gewesen;

Nicht mein Verdienst, nein, was ich will verdienen;

Dringt auf die Notdurft und den Stand der Zeiten,

Und seid nicht launenhaft in großen Sachen.

Elisabeth.

Soll ich vom Teufel so mich locken lassen?

Richard.

Ja, wenn der Teufel dich zum Guten lockt.

Elisabeth.

Soll ich denn selbst vergessen meiner selbst?

Richard.

Wenn Eurer selbst gedenken selbst Euch schadet.

Elisabeth.

Du brachtest meine Kinder um.

Richard.

In Eurer Tochter Schoß begrab ich sie;

Da, in dem Nest der Würz', erzeugen sie

Sich selber neu, zu Eurer Wiedertröstung.

Elisabeth.

Soll ich die Tochter zu gewinnen gehn?

Richard.

Und seid beglückte Mutter durch die Tat.

Elisabeth.

Ich gehe; schreibt mir allernächstens,

Und Ihr vernehmt von mir, wie sie gesinnt.

Richard.

Bringt meinen Liebeskuß ihr, und lebt wohl.

(Küßt sie. Elisabeth ab.)

Nachgieb'ge Törin! wankelmütig Weib!

Nun? was gibt's Neues?

(Ratcliff tritt auf, und Catesby folgt ihm.)

Ratcliff.

Gewalt'ger Fürst, im Westen längs der Küste

Wogt eine mächt'ge Flotte; hin zum Strand

Drängt sich ein Haufe hohlgeherzter Freunde,

Wehrlos und ohn' Entschluß, sie wegzutreiben.

Man meinet, Richmond sei ihr Admiral.

Sie liegen da, die Hilfe Buckinghams

Erwartend nur, am Strand sie zu empfangen.

Richard.

Ein flinker Freund soll hin zum Herzog Norfolk:

Du, Ratcliff; oder Catesby: wo ist er?

Catesby.

Hier, bester Herr.

Richard.

Catesby, flieg hin zum Herzog.

Catesby.

Das will ich, Herr, mit aller nöt'gen Eil'.

Richard.

Ratcliff, komm her. Reit hin nach Salisbury:

Wenn du dahin kommst -

(Zu Catesby.) Unachtsamer Schurke,

Was säumst du hier, und gehst nicht hin zum Herzog?

Catesby.

Erst, hoher Herr, erklärt die gnäd'ge Meinung,

Was ich von Euer Hoheit ihm soll melden.

Richard.

Wahr, guter Catesby! Gleich aufbringen soll er

Die größte Macht und Mannschaft, die er kann,

Und treffe mich alsbald zu Salisbury.

Catesby.

Ich gehe. (Ab.)

Ratcliff.

Was soll ich, wenn's beliebt, zu Salisbury?

Richard.

Ei, was hast du zu tun da, eh' ich komme?

Ratcliff.

Eu'r Hoheit sagte mir, vorauszureiten.

(Stanley tritt auf.)

Richard.

Ich bin itzt andern Sinns. – Stanley, was bringst

du Neues?

Stanley.

Nichts Gutes, Herr, daß Ihr es gerne hörtet,

Noch auch so schlimm, daß man's nicht melden dürfte.

Richard.

Heida, ein Rätsel! weder gut noch schlimm!

Was brauchst du so viel Meilen umzugehn,

Statt grades Weges deinen Spruch zu sprechen?

Nochmal, was gibt's?

Stanley.

Richmond ist auf der See.

Richard.

Versänk' er da, und wär' die See auf ihm!

Landläufer ohne Herz, was tut er da?

Stanley.

Ich weiß nicht, mächt'ger Fürst, und kann nur raten.

Richard.

Nun, und Ihr ratet?

Stanley.

Gereizt von Dorset, Buckingham und Morton,

Kommt er nach England und begehrt die Krone.

Richard.

Ist der Stuhl ledig? ungeführt das Schwert?

Ist tot der König? herrenlos das Reich?

Sind Erben Yorks am Leben, außer mir?

Und wer ist Englands König, als Yorks Erbe?

Drum sage mir, was tut er auf der See?

Stanley.

Es sei denn dazu, Herr, kann ich's nicht raten.

Richard.

Es sei denn, daß er komm', Eu'r Fürst zu sein,

Könnt Ihr nicht raten, was der Wäl'sche will!

Ich fürcht, Ihr fallt mir ab und flieht zu ihm.

Stanley.

Nein, mächt'ger Fürst; mißtraut mir also nicht.

Richard.

Wo ist dein Volk denn, ihn zurückzuschlagen?

Wo hast du deine Leut' und Lehnsvasallen?

Sind sie nicht an der Küst' im Westen jetzt,

Geleit zum Landen den Rebellen gehend?

Stanley.

Nein, meine Freunde sind im Norden, bester Herr.

Richard.

Mir kalte Freunde: was tun die im Norden,

Da sie ihr Fürst zum Dienst im Westen braucht?

Stanley.

Sie waren nicht befehligt, großer König.

Geruht Eu'r Majestät mich zu entlassen,

So mustr' ich meine Freund' und treff Eu'r Gnaden,

Wo es und wann Eu'r Majestät beliebt.

Richard.

Ja, ja, du möchtest gern zu Richmond stoßen:

Ich will Euch, Herr, nicht traun.

Stanley.

Gewalt'ger Fürst,

Ihr habt an meiner Freundschaft nicht zu zweifeln;

Ich war und werde nimmer treulos sein.

Richard.

Geht denn, mustert Volk. Doch, hört Ihr, laßt zurück

George Stanley, Euren Sohn; und wankt Eu'r Herz,

Gebt acht, so steht sein Kopf nicht allzu fest.

Stanley.

Verfahrt mit ihm, wie ich mich treu bewähre.

(Stanley ab. Ein Bote tritt auf.)

Bote.

Mein gnäd'ger Fürst, es sind in Devonshire,

Wie ich von Freunden wohl berichtet bin,

Sir Eduard Courtney und der stolze Kirchherr,

Bischof von Exeter, sein ältrer Bruder,

Samt vielen Mitverbündeten in Waffen.

(Ein andrer Bote tritt auf.)

Zweiter Bote.

Mein Fürst, in Kent die Guilfords sind in Waffen,

Und jede Stunde strömen den Rebellen

Mitwerber zu, und ihre Macht wird stark.

(Noch ein andrer Bote tritt auf.)

Dritter Bote.

Mein Fürst, das Heer des großen Buckingham –

Richard.

Fort mit euch Uhus! Nichts als Todeslieder?

(Er schlägt den Boten.)

Da, nimm das, bis du beßre Zeitung bringst.

Dritter Bote.

Was ich Eu'r Majestät zu melden habe,

Ist, daß durch jähe Flut und Wolkenbrüche

Buckinghams Heer zerstreut ist und versprengt

Und daß er selbst allein sich fortgemacht;

Wohin, weiß niemand.

Richard.

Oh, ich bitt, entschuldigt!

Da ist mein Beutel, um den Schlag zu heilen.

Ließ nicht ein wohlberatner Freund Belohnung

Ausrufen dem, der den Verräter greift?

Dritter Bote.

Ein solcher Ausruf ist geschehn, mein Fürst.

(Ein vierter Bote tritt auf.)

Vierter Bote.

Sie Thomas Lovel und der Marquis Dorset

Sind, Herr, wie's heißt, in Yorkshire in den Waffen.

Doch diesen guten Trost bring ich Eu'r Hoheit:

Vom Sturm zerstreut ist die Bretagner Flotte;

Richmond sandt' an die Küst' in Dorsetshire

Ein Boot aus, die am Ufer zu befragen,

Ob sie mit ihm es hielten oder nicht.

Sie kämen, sagten sie, vom Buckingham

Zu seinem Beistand; doch er traute nicht,

Zog Segel auf, und steur'te nach Bretagne.

Richard.

Ins Feld! ins Feld! weil wir in Waffen sind:

Wo nicht zu fechten mit auswärt'gen Feinden,

Zu Dämpfung der Rebellen hier zu Haus.

(Catesby tritt auf.)

Catesby.

Der Herzog Buckingham, Herr, ist gefangen:

Das ist die beste Zeitung; daß Graf Richmond

Mit großer Macht gelandet ist zu Milford,

Klingt minder gut, doch will's gemeldet sein.

Richard.

Wohlau{ nach Salisbury! Indes wir schwatzen,

Könnt' eine Hauptschlacht schon entschieden sein.

Trag einer Sorge, Buckingham zu schaffen

Nach Salisbury; ihr andern zieht mit mir.

(Alle ab.)


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