William Shakespeare
Der Kaufmann von Venedig
William Shakespeare

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Achte Szene

Venedig. Eine Straße

Salarino und Solanio treten auf

Salarino. Ja, Freund, ich sah Bassanio unter Segel;
Mit ihm ist Graziano abgereist,
Und auf dem Schiff ist sicher nicht Lorenzo.

Solanio. Der Schelm von Juden schrie den Dogen auf,
Der mit ihm ging, das Schiff zu untersuchen.

Salarino. Er kam zu spät, das Schiff war unter Segel;
Doch da empfing der Doge den Bericht,
In einer Gondel habe man Lorenzo
Mit seiner Liebsten Jessica gesehn;
Auch gab Antonio ihm die Versichrung,
Sie sei'n nicht mit Bassanio auf dem Schiff.

Solanio. Nie hört ich so verwirrte Leidenschaft,
So seltsam wild und durcheinander, als
Der Hund von Juden in den Straßen ausließ:
«Mein' Tochter – mein' Dukaten – o mein' Tochter!
Fort mit 'nem Christen – o mein' christlichen Dukaten!
Recht und Gericht! mein' Tochter! mein' Dukaten!
Ein Sack, zwei Säcke, beide zugesiegelt,
Voll von Dukaten, doppelten Dukaten!
Gestohl'n von meiner Tochter; und Juwelen,
Zwei Stein'- zwei reich' und köstliche Gestein',
Gestohl'n von meiner Tochter! O Gerichte,
Find't mir das Mädchen! – Sie hat die Steine bei sich
Und die Dukaten.»

Salarino. Ja, alle Gassenbuben folgen ihm
Und schrein: «Die Stein', die Tochter, die Dukaten!»

Solanio. Daß nur Antonio nicht den Tag versäumt,
Sonst wird er hiefür zahlen.

Salarino. Gut bedacht!
Mir sagte gestern ein Franzose noch,
Mit dem ich schwatzte, in der engen See,
Die Frankreich trennt von England, sei ein Schiff
Von unserm Land verunglückt, reich geladen;
Ich dachte des Antonio, da er's sagte,
Und wünscht im stillen, daß es seins nicht wär.

Solanio. Ihr solltet ihm doch melden, was Ihr hört;
Doch tut's nicht plötzlich, denn es könnt ihn kränken.

Salarino. Ein beßres Herz lebt auf der Erde nicht.
Ich sah Bassanio und Antonio scheiden;
Bassanio sagt' ihm, daß er eilen wolle
Mit seiner Rückkehr. «Nein», erwidert' er,
«Schlag dein Geschäft nicht von der Hand, Bassanio,
Um meinetwillen, laß die Zeit es reifen.
Und die Verschreibung, die der Jude hat,
Laß sie beschweren nicht dein liebend Herz.
Sei fröhlich, wende die Gedanken ganz
Auf Gunstbewerbung und Bezeugungen
Der Liebe, wie sie dort dir ziemen mögen.»
Und hier, die Augen voller Tränen, wandt er
Sich abwärts, reichte seine Hand zurück,
Und, als ergriff ihn wunderbare Rührung,
Drückt' er Bassanios Hand. So schieden sie.

Solanio. Ich glaub, er liebt die Welt nur seinetwegen;
Ich bitt Euch, laßt uns gehn, ihn aufzufinden,
Um seine Schwermut etwas zu zerstreun
Auf ein und andre Art.

Salarino. Ja, tun wir das.

(Beide ab.)


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