William Shakespeare
König Heinrich der Sechste
William Shakespeare

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Zweiter Aufzug.

Erste Scene.

Eine Ebene bei Mortimers Kreuz in Herfordshire. (Trommeln. Eduard und Richard mit ihren Truppen auf dem Marsch.)

Eduard. Wie unser edler Vater nur entkam?
Und ob er wohl entkommen oder nicht,
Von Cliffords und Northumberlands Verfolgung?
Wär' er gefangen, hätten wir's gehört;
Wär' er erschlagen, hätten wir's gehört;
Wär' er entkommen, dünkt mich, müßten wir
Die frohe Zeitung schon vernommen haben.
Was macht mein Bruder? warum so betrübt?

Richard. Ich kann nicht froh sein, bis ich sicher weiß,
Was unser tapfrer Vater ist geworden.
Ich sah ihn streifen durch die Schlacht umher,
Gab acht, wie er heraus den Clifford suchte;
Mir schien's, er nahm sich in der dichtsten Schar
So wie ein Löw' in einer Herde Rinder,
So wie ein Bär von Hunden ganz umringt,
Der bald ein paar so zwickt und macht sie schrein,
Daß nur von fern die andern nach ihm bellen.
So macht es unser Vater mit den Feinden,
So flohn die Feinde meinen tapfern Vater:
Mich dünkt, sein Sohn zu sein, ist Ruhms genug.
Sieh, wie sein goldnes Thor der Morgen öffnet,
Und Abschied von der lichten Sonne nimmt!
Wie sie erscheint in aller Jugendfülle,
Schmuck wie ein Buhler, der zur Liebsten eilt!

Eduard. Bin ich geblendet oder seh' drei Sonnen?

Richard. Drei lichte Sonnen, jede ganz vollkommen;
Nicht unterbrochen durch die zieh'nden Wolken,
Von blassem klarem Himmel rein getrennt.
Sieh, sieh! sie nahn, umarmen, küssen sich,
Als ob sie einen heil'gen Bund gelobten.
Sind jetzt ein Schein, ein Licht nur, eine Sonne.
Der Himmel deutet ein Begegnis vor.

Eduard. 's ist wundersam, man hörte nie dergleichen.
Ich denk', es mahnt uns, Bruder, in das Feld,
Daß wir, die Söhne Held Plantagenets,
Ein jeder strahlend schon durch sein Verdienst,
Vereinen sollen dennoch ihre Lichter,
Wie dies die Welt, die Erde zu erleuchten.
Was es auch deuten mag, ich will hinfüro
Drei Sonnengötter auf der Tartsche tragen.

Richard. Nein, laßt sie weiblich bilden: denn, vergönnt,
Ihr mögt das Weibchen lieber als das Männchen.
        (Ein Bote tritt auf.)
Doch wer bist du, dess' trüber Blick ein Unglück,
Auf deiner Zunge schwebend, ahnen läßt?

Bote. Ach, einer der mit Jammer angesehn,
Wie daß der edle Herzog York erlag,
Eu'r hoher Vater und mein lieber Herr.

Eduard. O, sprich nicht mehr! ich hörte schon zu viel.

Richard. Sag, wie er starb, denn ich will alles hören.

Bote. Umzingelt war er von der Feinde Menge,
Und er bestand sie, wie die Hoffnung Trojas
Die Griechen, die in Troja dringen wollten.
Doch weicht selbst Herkules der Uebermacht,
Und viele Streich', obwohl von kleiner Axt,
Haun um und fällen selbst die härtste Eiche.
Eu'r Vater ward besiegt von vielen Händen,
Allein ermordet bloß vom grimm'gen Arm
Des wilden Clifford und der Königin.
Den gnäd'gen Herzog krönte sie zum Hohn,
Lacht ihm ins Angesicht, und, als er weinte,
Gab die Barbarin ihm, sich abzutrocknen,
Ein Tuch, getaucht in das schuldlose Blut
Des jungen Rutland, welchen Clifford schlug;
So nahmen sie, nach vielem Spott und Schimpf,
Sein Haupt, und aufgesteckt am Thor von York
Ward selbiges; und da verbleibt es nun,
Das jammervollste Schauspiel, das ich sah.

Eduard. Geliebter York, der unsre Stütze war!
Uns bleibt kein Stab noch Halt, nun du dahin.
O Clifford, rauher Clifford! du erschlugst
Europas Blüt' und Zier im Rittertum;
Und hast verräterisch ihn überwunden,
Denn, Stirn an Stirn, hätt' er dich überwunden.
Nun ward der Seele Palast mir zum Kerker:
Ach, bräche sie doch los! daß dieser Leib
Zur Ruh' im Boden eingeschlossen würde;
Denn nie werd' ich hinfort mich wieder freun,
Niemals, o niemals werd' ich Freud' erleben.

Richard. Ich kann nicht weinen: alles Naß in mir
Gnügt kaum mein lichterlohes Herz zu löschen;
Auch kann die Zunge nicht mein Herz entlasten:
Derselbe Hauch, womit sie sprechen sollte,
Schürt Kohlen an, die ganz die Brust durchglühn
Mit Flammen, welche Thränen löschen würden.
Wer weint, vermindert seines Grames Tiefe:
Drum, Thränen für die Kinder, Rache mir!
Richard, dein Nam' ist mein, ich will dich rächen,
Wo nicht, so sterb' ich rühmlich im Versuch.

Eduard. Dir ließ der tapfre Herzog seinen Namen,
Sein Herzogtum und Stuhl blieb mir zurück.

Richard. Nein, stammst du von dem königlichen Adler,
So zeig' es auch durch Schauen in die Sonne:
Statt Herzogtum und Stuhl sag Thron und Reich;
Dein muß dies sein, sonst bist du nicht der seine.

(Ein Marsch. Warwick und Montague kommen mit Truppen.)

Warwick. Nun, lieben Lords! wie steht's? was gibt es neues?

Richard. Wenn wir die grause Zeitung, großer Warwick,
Erzählen sollten, und bei jedem Wort
Mit Dolchen uns zerfleischen bis zum Schluß:
Der Worte Pein wär' ärger als der Wunden.
O tapfrer Lord, der Herzog York ist tot!

Eduard. O Warwick! Warwick! der Plantagenet,
Der wert dich hielt wie seiner Seele Heil,
Ist von dem finstern Clifford umgebracht.

Warwick. Schon vor zehn Tagen hab' ich diese Zeitung
Ertränkt in Thränen, und, eu'r Weh zu häufen,
Meld' ich euch jetzt, was sich seitdem begab.
Nach jenem blutigen Gefecht bei Wakefield,
Wo euer wackrer Vater seinen Odem
Hat ausgehaucht, ward Nachricht mir gebracht,
So schnell, wie nur die Boten laufen konnten,
Von eurer Niederlag und seinem Scheiden.
Ich nun in London, als des Königs Hüter,
Hielt Mustrung, sammelte der Freunde Scharen,
Und zog, sehr gut gerüstet, wie ich glaubte,
Sankt Albans zu, die Königin zu hemmen;
Den König nahm ich, mir zu Gunsten, mit.
Denn meine Späher hatten mir berichtet,
Sie komme mit dem ausgemachten Zweck,
Den letzten Parlamentsschluß zu vernichten,
Betreffend Heinrichs Eid und euer Erbrecht.
Um kurz zu sein: es trafen zu Sankt Albans
Sich die Geschwader, beide fochten scharf;
Doch, ob es nun des Königs Kälte war,
Der auf sein kriegrisch Weib gar milde blickte,
Was des erhitzten Muts mein Volk beraubte;
Ob auch vielleicht der Ruf von ihrem Sieg;
Ob ungemeine Furcht vor Cliffords Strenge,
Der Blut und Tod zu den Gefangnen donnert,
Kann ich nicht sagen: doch, um wahr zu enden,
Wie Blitze kam und ging der Feinde Wehr,
Der unsern, wie der Eule träger Flug,
Wie wohl ein träger Drescher mit dem Flegel,
Fiel ganz gelind, als ob sie Freunde träfen.
Ich trieb sie an mit der gerechten Sache,
Mit hohen Soldes, großen Lohns Verheißung.
Umsonst! Sie hatten zum Gefecht kein Herz,
Wir keine Hoffnung auf den Sieg durch sie,
So daß wir flohn: zur Königin der König,
Lord George, eu'r Bruder, Norfolk und ich selbst
Sind schleunigst hergeeilt, zu euch zu stoßen,
Da wir gehört, ihr wärt in diesen Marken
Und brächtet Mannschaft auf zu neuem Kampf.

Eduard. Wo ist der Herzog Norfolk, lieber Warwick?
Und wann kam George von Burgund nach England?

Warwick. Der Herzog steht etwa sechs Meilen weit
Mit seiner Schar, und euren Bruder sandte
Jüngst eure güt'ge Tante von Burgund
Mit einer Hilfsmacht zu dem nöt'gen Krieg.

Richard. Das muß wohl Uebermacht gewesen sein,
Fürwahr, wo der beherzte Warwick floh!
Oft hört' ich beim Verfolgen seinen Ruhm,
Doch nie bis jetzt beim Rückzug seine Schande.

Warwick. Auch jetzt nicht hörst du, Richard, meine Schande;
Denn wisse, diese starke Rechte kann
Von Heinrichs schwachem Haupt das Diadem,
Aus seiner Faust das hehre Scepter reißen,
Wär' er so ruhmvoll auch und kühn im Kriege,
Als man ihn milde, fromm und friedlich rühmt.

Richard. Ich weiß es wohl, Lord Warwick, schilt mich nicht;
Für deinen Glanz der Eifer heißt mich reden.
Doch, in der trüben Zeit, was ist zu thun?
Soll'n wir hinweg die Panzerhemden werfen,
Den Leib in schwarze Trauerkleider hüllen,
Am Rosenkranz Ave-Maria zählend?
Wie? oder soll'n wir auf der Feinde Helmen
Mit rächerischem Arm die Andacht üben?
Seid ihr für dies, sagt Ja, und, Lords, wohlauf!

Warwick. Ja, deshalb hat euch Warwick aufgesucht,
Und deshalb kommt mein Bruder Montague,
Vernehmt mich, Lords. Der frechen Königin,
Samt Clifford und Northumberland, dem stolzen,
Und andern stolzen Gästen dieses Schlags,
Gelang's, den König leicht wie Wachs zu schmelzen.
Er schwor zu eurem Erbrecht Beistimmung,
Verzeichnet ist sein Eid im Parlament;
Und nun ist all die Schar nach London hin,
Den Eidschwur zu entkräften, und was sonst
Dem Hause Lancaster zuwider ist.
Ich denke, dreißigtausend sind sie stark;
Wenn nun der Beistand Norfolks und der meine,
Und was an Freunden, wackrer Graf von March,
Du schaffen kannst bei den ergebnen Wäl'schen,
Sich nur beläuft aus fünfundzwanzigtausend:
Wohlan! so ziehn gesamt nach London wir,
Besteigen nochmals die beschäumten Rosse,
Und rufen nochmals: In den Feind gestürmt!
Nie wieder Rücken wenden oder fliehn.

Richard. Ja, nun hör' ich den großen Warwick reden!
Nie werde mehr durch Sonnenschein erfreut,
Wer Rückzug ruft, wenn Warwick Halt gebeut.

Eduard. Lord Warwick, deine Schulter soll mich stützen,
Und wenn du sinkst (verhüte Gott die Stunde!),
Muß Eduard fallen, was der Himmel wende!

Warwick. Nicht länger Graf von March, nein, Herzog York;
Die nächste Stuf' ist Englands hoher Thron.
Du sollst als König ausgerufen werden
In jedem Flecken, wie wir weiter ziehn,
Und wer vor Freude nicht die Mütze wirft,
Verwirke seinen Kopf für das Vergehn.
König Eduard! tapfrer Richard! Montague!
Laßt uns nicht länger hier von Thaten träumen:
Blast die Trompeten, und an unser Werk!

Richard. Nun, Clifford, wär' dein Herz so hart als Stahl,
Wie deine Thaten steinern es gezeigt,
Ich will's durchbohren oder mein's dir geben.

Eduard. So rührt die Trommeln. – Gott und Sankt Georg!

(Ein Bote tritt auf.)

Warwick. Wie nun? was gibt's?

Bote. Der Herzog Norfolk meldet euch durch mich,
Die Königin sei nah mit starkem Heer;
Er wünscht mit euch sich schleunig zu beraten.

Warwick. So ziemt's sich, wackre Krieger; laßt uns fort.

(Alle ab.)


Zweite Scene.

Vor York. (König Heinrich, Königin Margareta, der Prinz von Wales, Clifford und Northumberland treten auf mit Truppen.)

Margareta. Willkommen vor der wackern Stadt von York!
Dort steht, mein Fürst, das Haupt von jenem Erzfeind,
Der sich mit eurer Kron' umgeben wollte.
Erquickt der Gegenstand nicht euer Herz?

König Heinrich. Ja, so wie Klippen die, so Schiffbruch fürchten;
Mir thut der Anblick in der Seele weh. –
O, straf nicht, liebster Gott! Ich war nicht schuld,
Noch hab' ich wissentlich den Schwur verletzt.

Clifford. Mein gnäd'ger Fürst, die allzu große Milde
Und schädlich Mitleid müßt ihr von euch thun.
Wem wirft der Löwe sanfte Blicke zu?
Dem Tier nicht, das sich drängt in seine Höhle.
Und wessen Hand ist's, die der Waldbär leckt?
Nicht dessen, der sein Junges vor ihm würgt.
Wer weicht der Schlange Todesstachel aus?
Nicht, wer den Fuß auf ihren Rücken setzt.
Der kleinste Wurm, getreten, windet sich,
Und Tauben picken, ihre Brut zu schützen.
Ehrgeizig strebte York nach deiner Krone:
Du lächeltest, wann er die Stirn gefaltet,
Er, nur ein Herzog, wollte seinen Sohn
Zum König machen, seinen Stamm erhöhn,
Als liebevoller Vater; du, ein König,
Der mit so wackerm Sohn gesegnet ist,
Gabst deine Beistimmung, ihn zu enterben,
Was dich als höchst lieblosen Vater zeigte.
Es nähren unvernünft'ge Kreaturen
Die Brut, und scheun sie gleich des Menschen Antlitz
Doch, zur Beschirmung ihrer zarten Kleinen,
Wer sah nicht oft sie mit denselben Schwingen,
Die sie wohl sonst zu banger Flucht gebraucht,
Auf den sich werfen, der ihr Nest erklomm,
Ihr Leben bietend zu der Jungen Schutz?
Schämt euch, mein Fürst, und wählt zum Vorbild sie!
Wär's nicht ein Jammer, wenn der wackre Knabe
Sein Erbrecht durch des Vaters Schuld verlöre,
Und spräch' zu seinem Kind in Zukunft einst:
»Was mein Großvater und mein Urgroßvater
»Erwarben, gab mein Vater thöricht weg?«
Ach, welche Schande wär's! Sieh auf den Knaben,
Und laß sein männlich Antlitz, das die Gunst
Des Glücks verheißt, dein schmelzend Herz dir stählen,
Was dein, zu halten, ihm, was dein, zu lassen.

König Heinrich. Wohl zeigte Clifford seine Redekunst,
Und brachte Gründe vor von großer Kraft.
Doch sag mir, Clifford, hast du nie gehört,
Daß schlecht erworbnes immer schlecht gerät?
Und war es immer glücklich für den Sohn,
Dess' Vater in die Hölle sich gekargt?
Ich lasse meine tugendhaften Thaten
Dem Sohn zurück: und hätte doch mein Vater
Mir auch nicht mehr gelassen! Alles andre
Bringt tausendmal mehr Sorge zu bewahren,
Als im Besitz ein Tüttelchen von Lust. –
Ach, Vetter York! daß deine Freunde wüßten,
Wie es mich kümmert, daß dein Kopf da steht!

Margareta. Mein Fürst, ermuntert euch! der Feind ist nah,
Und dieser weiche Mut schwächt eure Leute.
Dem hoffnungsvollen Sohn gelobtet ihr
Den Ritterschlag: zieht denn das Schwert, und gebt ihn.
Eduard, knie nieder.

König Heinrich. Eduard Plantagenet, steh als Ritter auf,
Und zieh dein Schwert nur für des Rechtes Lauf.

Prinz. Mit eurer höchsten Gunst, mein gnäd'ger Vater.
Ich will es als des Thrones Erbe ziehn,
Und in dem Streit es bis zum Tode führen.

Clifford. Das heißt gesprochen wie ein kühner Prinz.

(Ein Bote tritt auf.)

Bote. Ihr königlichen Feldherrn, seid bereit!
Mit einem Heer von dreißigtausend Mann
Kommt Warwick, für des Herzogs York Partei
Und ruft, wie sie entlang ziehn in den Städten,
Ihn aus zum König, und ihm folgen viele.
Reiht eure Scharen, denn sie sind zur Hand.

Clifford. Will Eure Hoheit nicht das Schlachtfeld räumen?
In eurem Absein hat die Königin
Den glücklichsten Erfolg.

Margareta.                             Ja, bester Herr,
Thut das, und überlaßt uns unserm Schicksal.

König Heinrich. Das ist mein Schicksal auch, drum will ich bleiben.

Northumberland. So sei es mit Entschlossenheit zum Kampf.

Prinz. Mein königlicher Vater, muntert auf
Die edlen Lords, und wer zum Schutz euch ficht;
Zieht euer Schwert, mein Vater, ruft: Sankt George!

(Ein Marsch. Eduard, George, Richard, Warwick, Norfolk und Montague treten auf mit Soldaten.)

Eduard. Nun, falscher Heinrich! willst du knie'n um Gnade,
Und setzen auf mein Haupt dein Diadem,
Wo nicht, des Feldes tödlich Los erproben?

Margareta. Schilt deine Schmeichler, übermüt'ger Knabe!
Kommt es dir zu, so frech zu sein in Worten
Vor deinem König und rechtmäß'gen Herrn?

Eduard. Ich bin sein König, und er sollte knie'n,
Ich ward durch seine Zustimmung sein Erbe.
Seitdem brach man den Eid: denn, wie ich höre,
Habt ihr, als die ihr wirklich König seid,
Trägt er die Krone gleich, ihn angestiftet,
Durch neuen Parlamentsschluß mich zu streichen,
Und seinen eignen Sohn dafür zu setzen.

Clifford. Mit gutem Grund:
Wer soll dem Vater folgen, als der Sohn?

Richard. Seid ihr da, Schlächter? O, ich kann nicht reden!

Clifford. Ja, Bucklichter, hier steh' ich Rede dir,
Und jedem noch so Stolzen deines Schlags.

Richard. Ihr tötetet den jungen Rutland, nicht?

Clifford. Ja, und den alten York, und noch nicht satt.

Richard. Um Gottes willen, Lords, gebt das Signal.

Warwick. Was sagst du, Heinrich? willst der Kron' entsagen?

Margareta. Wie nun, vorlauter Warwick? sprecht ihr mit?
Als ihr und ich uns zu Sankt Albans trafen,
Da halfen besser euch die Bein' als Hände.

Warwick. Da war's an mir zu fliehn, nun ist's an dir.

Clifford. Das sagtet ihr auch da, und floht dann doch.

Warwick. Nicht euer Mut war's, was von dort mich trieb.

Northumberland. Noch euer Mannsinn, was euch halten konnte.

Richard. Northumberland, ich halte dich in Ehren. –
Brecht das Gespräch ab, denn ich hemme kaum
Die Auslassung des hochgeschwollnen Herzens
An diesem Clifford, dem grimmen Kindermörder.

Clifford. Ich schlug den Vater dir: nennst du ihn Kind?

Richard. Ja, wie ein Feigling, eine tück'sche Memme,
Wie du erschlagen unsern zarten Rutland;
Doch sollst du noch vor nachts die That verfluchen.

König Heinrich. Nun haltet inne, Lords, und hört mich an.

Margareta. Trotz' ihnen denn, sonst öffne nicht die Lippen.

König Heinrich. Gib meiner Zunge, bitt' ich, keine Schranken:
Ich bin ein König und befugt zu reden.

Clifford. Mein Fürst, die Wunde heilen Worte nicht,
Die uns zusammen rief: darum seid still.

Richard. Scharfrichter, so entblöße denn dein Schwert!
Bei dem, der uns erschuf, ich bin gewiß,
Daß Cliffords Mannsinn auf der Zunge wohnt.

Eduard. Sag, Heinrich, wird mein Recht mir oder nicht?
Wohl tausend nahmen heut ihr Frühstück ein,
Die nie das Mittagsmahl verzehren werden,
Wofern du nicht dich ab der Krone thust.

Warwick. Wenn du es weigerst, auf dein Haupt ihr Blut!
Denn mit Gerechtigkeit führt York die Waffen.

Prinz. Ist das, was Warwick dafür ausgibt, recht,
So gibt's kein Unrecht, dann ist alles recht.

Richard. Wer dich auch zeugte, dort steht deine Mutter,
Denn sicherlich, du hast der Mutter Zunge.

Margareta. Doch du bist weder Vater gleich, noch Mutter,
Nein, einem schnöden, mißgeschaffnen Brandmal,
Bezeichnet vom Geschick, daß man es meide
Wie gift'ge Kröten oder Eidechsstacheln.

Richard. Eisen von Napel, englisch übergoldet!
Du, deren Vater König wird betitelt,
Als würde eine Pfütze See genannt:
Schämst du dich nicht, der Abkunft dir bewußt,
Daß deine Zung' ein niedrig Herz verrät?

Eduard. Ein Strohwisch wäre tausend Kronen wert
Zur Selbsterkenntnis für dies freche Nickel.
Weit schöner war die Griech'sche Helena,
Mag schon dein Gatte Menelaus sein;
Auch kränkte nie den Bruder Agamemnons
Das falsche Weib, wie diesen König du.
Sein Vater schwärmt' in Frankreichs Herzen, zähmte
Den König, zwang den Dauphin sich zu beugen;
Und hätt' er sich nach seinem Rang vermählt,
So konnt' er diesen Glanz bis heut behaupten.
Doch als er eine Bettlerin sich nahm
Zur Bettgenossin, deinen armen Vater
Verherrlichte mit seinem Hochzeittag:
Da zog der Sonnenschein ein Schau'r herbei,
Der seines Vaters Glück aus Frankreich schwemmte,
Und heim auf seine Kron' Empörung häufte.
Denn was schuf diesen Aufruhr als dein Stolz?
Warst du nur glimpflich, schlief unser Anspruch noch;
Aus Mitleid für den sanften König hätten
Die Fordrung wir auf andre Zeit verspart.

George. Doch da wir sahn, daß unser Sonnenschein
Dir Frühling machte, ohne daß dein Sommer
Uns Früchte trüge, legten wir die Axt
An deine fremd hier eingedrängte Wurzel;
Und traf uns selbst die Schärfe gleich ein wenig,
So wisse, daß wir nach dem ersten Streich
Davon nicht lassen, bis wir dich gefällt,
Wo nicht, mit unserm heißen Blut gebadet.

Eduard. Und, so entschlossen, fordr' ich dich zum Kampf,
Und will nichts mehr von Unterredung wissen,
Da du das Wort dem sanften König wehrst.
Trompeten blast! Laßt wehn die blut'gen Fahnen,
Den Weg zum Sieg uns oder Grab zu bahnen.

Margareta. Halt, Eduard!

Eduard. Nein, hadernd Weib! Wir wollen auf und fort;
Zehntausend Leben kostet heut dein Wort.

(Alle ab.)


Dritte Scene.

Schlachtfeld zwischen Towton und Saxton in Yorkshire. (Getümmel. Angriffe. Warwick tritt auf.)

Warwick. Von Müh' erschöpft, wie von dem Wettlauf Renner,
Leg' ich mich hin, ein wenig zu verschnaufen;
Denn manch empfangner Streich, und viel erteilte
Beraubten ihrer Kraft die straffen Sehnen,
Und, willig oder nicht, muß ich hier ruhn.

(Eduard kommt gelaufen.)

Eduard. O lächle, holder Himmel! oder triff
Unholder Tod! Denn finster blickt die Welt,
Und Wolken haben Eduards Sonn' umzogen.

Warwick. So sagt, Mylord! wie glückt's? was ist für Hoffnung?

(Goerge tritt auf.)

George. Statt Glück Verlust, statt Hoffnung nur Verzweiflung,
Gebrochen sind die Reihn, uns folgt Verderben:
Was ratet ihr? wohin entfliehn wir doch?

Eduard. Da hilft nicht Flucht, sie folgen uns mit Flügeln,
Und wir sind schwach und halten sie nicht auf.

(Richard tritt auf.)

Richard. Ach, Warwick, warum hast du dich entfernt!
Der durst'ge Grund trank deines Bruders Blut,
Herausgezapft von Cliffords Lanzenspitze,
Und in des Todes Aengsten rief er aus,
Als wär's ein dumpfer, fern gehörter Laut:
»Warwick, räch du! räch, Bruder, meinen Tod!«
So, unter ihrer Rosse Bauch, die wild
In heißem Blut die Fersenbüschel netzten,
Gab seinen Geist der edle Ritter auf.

Warwick. So sei von unserm Blut die Erde trunken;
Mein Pferd erschlag ich, denn ich will nicht fliehn.
Was stehn wir wie weichherz'ge Weiber hier,
Verlornes jammernd, da der Feind so tobt?
Und schauen zu, als wär's ein Trauerspiel,
Zum Scherze nur von Spielern nachgeahmt?
Hier auf den Knie'n schwör ich zu Gott im Himmel,
Nie will ich wieder ruhn, nie stille stehn,
Bis Tod die Augen mir geschlossen, oder
Das Glück mein Maß von Rache mir geschafft.

Eduard. O Warwick! meine Knie' beug ich mit deinen,
Und kette meine Seel im Schwur an deine. –
Und eh' sich von der Erde kaltem Antlitz
Die Knie' erheben, werf ich meine Hände,
Die Augen und das Herz zu dir empor,
Der Kön'ge niederstürzet und erhöht!
Dich flehend, wenn's dein Wille so beschloß,
Daß dieser Leib der Feinde Raub muß sein,
Daß doch dein ehern Himmelsthor sich öffne,
Und lasse meine sünd'ge Seele durch!
Nun scheidet, Lords, bis wir uns wieder treffen,
Wo es auch sei, im Himmel oder auf Erden.

Richard. Bruder, gib mir die Hand, und, lieber Warwick,
Laß meine müden Arme dich umfassen.
Ich, der nie weinte, schmelze jetzt im Gram,
Daß unsern Lenz dahin der Winter nahm.

Warwick. Fort, fort! Noch einmal, lieben Lords, lebt wohl!

George. Doch gehn wir insgesamt zu unsern Scharen,
Und wer nicht bleiben will, dem gönnt zu fliehn,
Und nennt die Pfeiler, die bei uns verharren,
Und wenn's gelingt, verheißet solchen Lohn,
Wie der olymp'schen Spiele Sieger tragen;
Das pflanzt wohl Mut in ihre bange Brust,
Denn Hoffnung ist auf Leben noch und Sieg.
Nicht länger zaudert: auf mit aller Macht!

(Alle ab.)


Vierte Scene.

Ein anderer Teil des Schlachtfeldes. (Angriffe. Richard und Clifford treten auf.)

Richard. Nun, Clifford, dich allein las ich mir aus.
Denk, dieser Arm sei für den Herzog York,
Und der für Rutland; beid' auf Rache dringend,
Wärst du mit ehrner Mauer auch umgeben.

Clifford. Nun, Richard, bin ich hier mit dir allein:
Dies ist die Hand, die deinen Vater traf,
Dies ist die Hand, die deinen Bruder schlug;
Und hier das Herz, um ihren Tod frohlockend,
Das diese Hände stärkt, die beid' erschlugen,
Das gleiche zu vollstrecken an dir selbst;
Und somit sieh dich vor.

(Sie fechten, Warwick kommt dazu, Clifford flieht.)

Richard. Nein, Warwick, lies ein andres Wild dir aus,
Ich selbst muß diesen Wolf zu Tode jagen. (Ab.)


Fünfte Scene.

Ein anderer Teil des Schlachtfeldes. (Getümmel. König Heinrich tritt auf.)

König Heinrich. Dies Treffen steht so wie des Morgens Krieg
Von sterbendem Gewölk mit regem Licht,
Dann, wann der Schäfer, auf die Nägel hauchend,
Es nicht entschieden Tag noch Nacht kann nennen.
Bald schwankt es hierhin, wie die mächt'ge See,
Gezwungen von der Flut, dem Wind zu trotzen;
Bald schwankt es dorthin, wie dieselbe See,
Gezwungen vor des Windes Wut zu weichen.
Bald überwiegt die Flut und dann der Wind;
Nun stärker eins, das andre dann das stärkste;
Beid' um den Sieg sich reißend, Brust an Brust,
Doch keiner Ueberwinder, noch besiegt:
So wäget gleich sich dieser grimme Krieg.
Hier auf dem Maulwurfshügel will ich sitzen.
Der Sieg sei dessen, dem ihn Gott beschert!
Denn Margareta, mein Gemahl, und Clifford,
Sie schalten aus der Schlacht mich, beide schwörend,
Wenn ich entfernt sei, glück' es ihnen besser.
Wär ich doch tot, wär's Gottes Wille so!
Wer wird in dieser Welt des Jammers froh?
O Gott! mich dünkt, es wär ein glücklich Leben,
Nichts höhers als ein schlichter Hirt zu sein;
Auf einem Hügel sitzend, wie ich jetzt,
Mir Sonnenuhren zierlich auszuschnitzen,
Daran zu sehn, wie die Minuten laufen,
Wie viele eine Stunde machen voll,
Wie viele Stunden einen Tag vollbringen,
Wie viele Tage endigen ein Jahr,
Wie viele Jahr ein Mensch auf Erden lebt.
Wann ich dies weiß, dann teil ich ein die Zeiten:
So viele Stunden muß die Herd' ich warten,
So viele Stunden muß der Ruh ich pflegen,
So viele Stunden muß ich Andacht üben,
So viele Stunden muß ich mich ergötzen;
So viele Tage trugen schon die Schafe,
So viele Wochen bis die Armen lammen,
So viele Jahr, eh' ich die Wolle schere.
Minuten, Stunden, Tage, Monden, Jahre,
Zu ihrem Ziel gediehen, würden so
Das weiße Haar zum stillen Grabe bringen.
Ach, welch ein Leben wär's! wie süß! wie lieblich!
Gibt nicht der Hagdorn einen süßern Schatten
Dem Schäfer, der die fromme Herd' erblickt,
Als wie ein reich gestickter Baldachin
Dem König, der Verrat der Bürger fürchtet?
O ja, das thut er, tausendmal so süß!
Und endlich ist des Schäfers magrer Quark,
Sein dünner Trank aus seiner Lederflasche,
Im kühlen Schatten sein gewohnter Schlaf,
Was alles süß und sorglos er genießt,
Weit über eines Fürsten Köstlichkeiten.
Die Speisen blinkend in der goldnen Schale,
Den Leib gelagert auf ein kunstreich Bett,
Wenn Sorge lauert, Argwohn und Verrat.

(Getümmel. Es kommt ein Sohn, der seinen Vater umgebracht hat, und schleppt die Leiche herbei.)

Sohn. Schlecht weht der Wind, der keinem Vorteil bringt. –
Der Mann hier, den ich Hand an Hand erschlug,
Mag einen Vorrat Kronen bei sich haben,
Und ich, der ich sie glücklich jetzt ihm nehme,
Kann noch vor nachts sie und mein Leben lassen
An einen andern, wie der Tote mir.
Wer ist's? O Gott, ich sehe meinen Vater,
Den im Gedräng ich unversehns getötet.
O schlimme Zeit, die solch Beginnen zeugt!
Aus London ward vom König ich gemahnt;
Mein Vater, als Vasall des Grafen Warwick,
Von dem gemahnt, kam auf der Yorkschen Seite.
Und ich, der ich von seiner Hand das Leben
Empfangen, raubt' es ihm mit meiner Hand.
Verzeih' mir, Gott, nicht wußt ich, was ich that!
Verzeih auch, Vater, denn dich kannt' ich nicht!
Die blut'gen Zeichen sollen meine Thränen
Hinweg dir waschen, und kein Wort mehr nun,
Bis zur Genüge sie geflossen sind.

König Heinrich. O kläglich Schauspiel! o der blut'gen Zeit!
Wenn Löwen um die Höhlen sich bekriegen,
Entgelten ihren Zwist harmlose Lämmer. –
Wein', armer Mann! Ich steh' dir Thrän' um Thräne
Mit Weinen bei, daß beiden Aug' und Herz,
Als wär' in uns ein bürgerlicher Krieg,
Erblind in Thränen und vom Jammer breche.

(Es kommt ein Vater, der seinen Sohn umgebracht hat, mit der Leiche in den Armen.)

Vater. Du, der so rüstig Widerstand geleistet,
Gib mir dein Gold, wofern du welches hast:
Mit hundert Streichen hab ich es erkauft. –
Doch laßt mich sehn: ist dies ein Feindsgesicht?
Ach, nein, nein, nein! es ist mein einz'ger Sohn. –
Ach, Kind! wenn irgend Leben in dir ist,
Schlag auf den Blick: sieh, welche Schau'r entstehn,
Von meines Herzens Sturm auf deine Wunden
Herbeigeweht, die Aug und Herz mir töten. –
O Gott, erbarm dich dieser Jammerzeit!
Was doch für Thaten, grausam, schlächtermäßig,
Verblendet, meuterisch und unnatürlich,
Die tötliche Entzweiung täglich zeugt!
O Kind, dein Vater gab zu früh dir Leben,
Und hat zu spät des Lebens dich beraubt!

König Heinrich. Weh über Weh! mehr als gemeines Leid!
O daß mein Tod die Greuel hemmen möchte!
Erbarmen, güt'ger Himmel, o Erbarmen!
Sein Antlitz führt die rote Ros' und weiße,
Die Unglücksfarben unsrer zwist'gen Häuser:
Der einen gleichet ganz sein purpurn Blut,
Die bleiche Wange stellt die andre dar;
Welk' eine Rose dann, und blüh' die andre!
Kämpft ihr, so müssen tausend Leben welken.

Sohn. Wie wird die Mutter um des Vaters Tod
Mich schelten, und sich nie zufrieden geben!

Vater. Wie wird mein Weib des Sohnes Mord in Thränen
Ertränken, und sich nie zufrieden geben!

König Heinrich. Wie wird das Volk dem König dieses Elend
Verargen, und sich nicht zufrieden geben!

Sohn. Hat je ein Sohn den Vater so betrauert?

Vater. Hat je ein Vater so den Sohn beweint?

König Heinrich. Hat je ein König so sein Volk beklagt?
Eu'r Leid ist groß, doch zehnmal größer meins.

Sohn. Ich trage dich mit fort, mich satt zu weinen.

(Ab mit der Leiche.)

Vater. Hier diese Arme soll'n dein Leichenhemde,
Mein Herz dein Grabmal, süßer Junge, sein:
Denn niemals soll dein Bild mein Herz verlassen,
Die Brust soll das Geläut dem Toten seufzen,
Dein Vater wird die Feier so begehn,
Um dich betrübt, da er nicht mehre hat,
Wie Priamus um all die tapfern Söhne.
Ich trag dich fort, und fechtet wie ihr wollt:
Ich hab ermordet, wo ich nicht gesollt.

(Ab mit der Leiche.)

König Heinrich. Ihr Traurigen, die Leidenslast umfängt!
Hier sitzt ein König, mehr wie ihr bedrängt.

Prinz. Flieht, Vater, flieht! Entflohn sind alle Freunde,
Und Warwick tobt wie ein gehetzter Stier.
Fort! denn an unsern Fersen sitzt der Tod.

Margareta. Zu Pferde, mein Gemahl! nach Berwick jagt!
Eduard und Richard, wie ein paar Windhunde
Den scheuen, flücht'gen Hasen vor sich her,
Mit feur'gen Augen, funkelnd von der Wut,
Und blut'gem Stahl, in grimmer Hand gefaßt,
Sind hinter uns: und also schleunig fort!

Exeter. Fort! denn die Rache kömmt mit ihnen nach.
Nein, säumet nicht mit Einwendungen, eilt!
Sonst kommt mir nach, so will ich euch voran.

König Heinrich. Nein, nimm mich mit dir, bester Exeter;
Ich fürchte nicht zu bleiben, doch ich wünsche
Der Königin zu folgen. Vorwärts, fort!

(Alle ab.)


Sechste Scene.

(Lautes Getümmel. Clifford kommt verwundet.)

Clifford. Hier brennt mein Licht zu Ende, ja, hier stirbt's,
Das immer König Heinrich hat geleuchtet.
O Lancaster! ich fürchte deinen Sturz
Mehr als der Seele Scheiden aus dem Leib.
Viel Freunde band dir meine Lieb und Furcht,
Und, da ich falle, reißt die starke Klammer,
Schwächt dich und stärkt den überstolzen York.
Wie Sommerfliegen schwärmt gemeines Volk,
Und wohin fliegen Mücken, als zur Sonne?
Und wer geht jetzo auf, als Heinrichs Feinde?
O Phöbus! hättst du nicht dem Phaeton
Erlaubt, zu zügeln deine feur'gen Rosse,
Dein Wagen setzte nie die Erd in Brand.
Und, Heinrich, hättest du geherrscht als König,
Und wie dein Vater, und sein Vater that,
Dem Hause York um keinen Fußbreit weichend,
Sie hätten nicht geschwärmt wie Sommerfliegen:
Ich und zehntausend in dem armen Reich,
Versetzten nicht in Trauer unsre Witwen;
Und friedlich säßest du auf deinem Stuhl.
Denn was nährt Unkraut, als gelinde Luft?
Und was macht Räuber kühn, als zu viel Milde?
Fruchtlos sind Klagen, hilflos meine Wunden:
Kein Weg zur Flucht, noch Kraft, sie auszuhalten;
Der Feind ist hart, und wird sich nicht erbarmen,
Denn ich verdient' um ihn ja kein Erbarmen.
Die Luft drang in die schweren Wunden mir,
Und viel Verlust von Blute macht mich matt.
York, Richard, Warwick, alle her auf mich!
Durchbohrt die Brust, wie euren Vätern ich.

(Er fällt in Ohnmacht.)(Getümmel und Rückzug. Eduard, George, Richard, Montague und Warwick treten auf mit Soldaten.)

Eduard. Nun atmet auf, ihr Lords; das gute Glück
Heißt uns verziehen, und die finstre Stirn
Des Kriegs mit friedensvollen Blicken sänft'gen.
Ein Haufe folgt der blutbegier'gen Königin,
Die so den stillen Heinrich weggeführt,
Ist er ein König schon, wiewohl ein Segel,
Von einem heft'gen Windstoß angefüllt,
Der Flut die Galeon' entgegen zwingt,
Doch denkt ihr, Lords, daß Clifford mit geflohn?

Warwick. Nein, 's ist unmöglich, daß er sollt entkommen,
Denn, sag ich's ihm schon hier ins Angesicht,
Eu'r Bruder Richard zeichnet' ihn fürs Grab,
Und, wo er sein mag, er ist sicher tot.

(Clifford ächzt.)

Eduard. Wess' Seele nimmt da ihren schweren Abschied?

Richard. Ein Aechzen war's, wie zwischen Tod und Leben.

Eduard. Seht, wer es ist: nun, da die Schlacht zu Ende,
Freund oder Feind, behandelt schonend ihn.

(Clifford stirbt.)

Richard. Heb auf den Gnadenspruch, denn es ist Clifford,
Der nicht zufrieden, abzuhaun den Zweig,
Den Rutland fällend, als er Blätter trieb,
Sein mördrisch Messer an die Wurzel setzte,
Woher der zarte Sproß so hold erwuchs;
Ich mein, an unsern Vater, Herzog York.

Warwick. Holt von den Thoren Yorks sein Haupt herab,
Sein hohes Haupt, das Clifford aufgesteckt;
Statt dessen laßt die Stelle dieses füllen.
Mit Gleichem Gleiches muß erwidert sein.

Eduard. Bringt her den Unglücksuhu unsers Hauses,
Der nichts als Tod uns und den Unsern sang.
Nun wird der Tod den drohnden Laut ihm hemmen,
Und seine grause Zunge nicht mehr sprechen.

(Einige aus dem Gefolge tragen die Leiche weiter vor.)

Warwick. Ich glaub, er ist nicht bei sich selber mehr.
Sprich, Clifford, kennst du den, der mit dir spricht?
Der Tod umdüstert seine Lebensstrahlen,
Er sieht uns nicht und hört nicht, was man sagt.

Richard. O thät er's doch! Er thut es auch vielleicht,
Es ist nur seine List, sich so zu stellen,
Um solcher bittern Höhnung auszuweichen,
Wie er bei unsers Vaters Tod geübt.

George. Wenn du das denkst, plag ihn mit scharfen Worten.

Richard. Clifford, erflehe Gnad', und finde keine.

Eduard. Clifford, bereu' in unfruchtbarer Buße.

Warwick. Ersinn Entschuldigung für deine Thaten.

George. Indes wir Folterpein dafür ersinnen.

Richard. Du liebtest York, und ich bin Sohn von York.

Eduard. Wie Rutlands du, will ich mich dein erbarmen.

George. Wo ist dein Schutz nun, Hauptmann Margareta?

Warwick. Man höhnt dich, Clifford; fluche, wie du pflegtest.

Richard. Was? keinen Fluch? Dann steht es schlimm, wenn Clifford
Für seine Freunde keinen Fluch mehr hat.
Nun seh' ich, daß er tot ist, und, beim Himmel!
Wenn diese Rechte ihm zwei Stunden Leben
Erkaufen könnte, um mit allem Spott
Ihn hohnzunecken: abhaun wollt' ich sie
Mit dieser meiner Hand, und mit der Wunde Blut
Den Bösewicht ersticken, dessen Durst
York und der junge Rutland nicht gestillt.

Warwick. Ja, er ist tot; schlagt ab des Frevlers Haupt
Und stellt es auf, wo eures Vaters steht.
Und nun nach London im Triumpheszug,
Als Englands König da gekrönt zu werden!
Dann setzt nach Frankreich Warwick übers Meer,
Und wirbt dir Fräulein Bona zum Gemahl.
So wirst du diese Länder fest verknüpfen,
Und darfst, im Bund mit Frankreich, nicht befürchten,
Daß der zerstreute Feind sich wieder sammle,
Wie er es hofft; denn ob sie schon nicht viel
Mit Stechen schaden können, wirst du doch
Sie um das Ohr dir lästig summen hören.
Zuvörderst wohn ich eurer Krönung bei,
Und dann die See hinüber nach Bretagne,
Die Eh' zu stiften, wenn's mein Fürst genehmigt.

Eduard. Ganz wie du willst, mein Warwick, soll es sein,
Auf deiner Schulter bau' ich meinen Sitz,
Und nimmer will ich etwas unternehmen,
Wobei dein Rat und Beistimmung mir fehlt.
Richard, ich mache dich zum Herzog Gloster,
Und George von Clarence; Warwick, wie wir selbst,
Soll thun und lassen, was ihm nur gefällt.

Richard. Laß mich von Clarence, George von Gloster Herzog sein,
Denn Glosters Herzogtum ist unglückdeutend.

Warwick. Pah! das ist eine thörichte Bemerkung:
Richard, seid Herzog Gloster; nun nach London,
Um in Besitz der Würden uns zu setzen.

(Alle ab.)

 


 


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