William Shakespeare
König Heinrich der Fünfte
William Shakespeare

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Siebente Szene

Das französische Lager bei Azincourt

Der Connétable, Rambures, Herzog von Orleans, der Dauphin und andre treten auf

Connétable.
Pah! ich habe die beste Rüstung von der Welt. Wollte, es wäre Tag!

Orleans.
Ihr habt eine vortreffliche Rüstung, aber laßt auch meinem Pferde Gerechtigkeit widerfahren.

Connétable.
Es ist das erste Pferd von Europa.

Orleans.
Will es denn niemals Morgen werden?

Dauphin.
Mein Prinz von Orleans, und Herr Connétable, ihr redet von Pferden und Rüstung –

Orleans.
Ihr seid mit beiden so wohl versehen, als irgendein Prinz von der Welt.

Dauphin.
Was das für eine lange Nacht ist! – Ich tausche mein Pferd gegen keines, das nur auf vier Pfoten geht. Ah ça! Er springt von der Erde, als ob er mit Haaren ausgestopft wäre, le cheval volant, der Pegasus, qui a les narines de feu. Wenn ich ihn reite, so schwebe ich in Lüften, ich bin ein Falke, er trabt auf der Luft, die Erde singt, wenn er sie berührt; das schlechteste Horn seines Hufes ist musikalischer als die Pfeife des Hermes.

Orleans.
Er ist von der Farbe der Muskatnuß.

Dauphin.
Und von der Hitze des Ingwers. Er ist ein Tier für den Perseus: nichts wie Feuer und Luft, und die trägen Elemente der Erde und des Wassers zeigen sich niemals in ihm, außer in seiner geduldigen Stille, während sein Reiter ihn besteigt. Er ist in der Tat ein Pferd, und alle andern Mähren kann man Vieh nennen.

Connétable.
In der Tat, gnädiger Herr, es ist ein ganz vollkommnes und vortreffliches Pferd.

Dauphin.
Es ist der Fürst der Gäule; sein Wiehern ist wie das Gebot eines Monarchen, und sein Anstand nötigt Huldigung ab.

Orleans.
Nicht weiter, Vetter.

Dauphin.
Ei, der Mensch hat keinen Witz, der nicht vom Aufsteigen der Lerche bis zum Einpferchen des Lammes mit verdientem Lobe auf meinen Gaul abwechseln kann. Es ist ein Thema, überfließend wie die See; verwandelt den Sand in beredte Zungen, und mein Pferd gibt ihnen allen zu tun. Es ist würdig, daß ein Souverän darüber rede, und daß der Souverän eines Souveräns darauf reite; und daß die Welt, sowohl die uns bekannte als unbekannte, ihre besondern Geschäfte beiseite lege und ihn bewundre. Ich schrieb einmal ein Sonett zu seinem Ruhm und fing so an: «O Wunder der Natur» –

Orleans.
Ich habe ein Sonett an eine Geliebte so anfangen hören.

Dauphin.
Dann hat man das nachgeahmt, was ich auf meinen Renner dichtete: denn mein Pferd ist meine Geliebte.

Orleans.
Eure Geliebte weiß gut zu tragen.

Dauphin.
Mich wohl, was das ausgemachte Lob und die Vollkommenheit einer guten und ausschließlich eignen Geliebten ist.

Connétable.
Ma foi! mich dünkt, neulich schüttelte Eure Geliebte Euch tüchtig den Rücken zusammen.

Dauphin.
Das tat Eure vielleicht auch.

Connétable.
Meine war nicht gezäumt.

Dauphin.
Oh, so war sie vielleicht alt und sanftmütig, und Ihr rittet wie ein irländischer Kern ohne Eure französischen Pluderhosen, bloß in Euren knappen Beinkleidern.

Connétable.
Ihr versteht Euch gut auf Reiterei.

Dauphin.
So laßt Euch von mir warnen. Die so reiten und nicht vorsichtig reiten, fallen in garstige Sümpfe; ich will lieber mein Pferd zur Geliebten haben.

Connétable.
Ich möchte ebenso gern, daß meine Geliebte eine Mähre wäre.

Dauphin.
Ich sage dir, Connétable, meine Geliebte trägt ihr eignes Haar.

Connétable.
Das könnte ich ebenso wahrhaft rühmen, wenn ich eine Sau zur Geliebten hätte.

Dauphin.
Le chien est retourné à son propre vomissement, et la truie lavée au bourbier; du brauchst alles, was es auch sei.

Connétable.
Doch nicht mein Pferd zur Geliebten, noch irgend so ein Sprichwort, das so wenig zur Sache paßt.

Rambures.
Herr Connétable, die Rüstung, die ich heute nacht in Eurem Zelte sah: sind das Sonnen oder Sterne, was Ihr darauf habt?

Connétable.
Sterne.

Dauphin.
Einige davon werden morgen fallen, vermute ich.

Connétable.
Und doch wird mein Himmel voll sein.

Dauphin.
Das mag sein, denn Ihr tragt ihrer viel überflüssige, und es würde Euch mehr Ehre bringen, wenn einige weg wären.

Connétable.
Gerade so, wie Euer Pferd Eure Lobpreisungen trägt; es würde ebensogut traben, wenn einige Eurer Prahlereien aus dem Sattel geworfen wären.

Dauphin.
Ich wollte, ich wär fähig, ihm sein Verdienst aufzuladen. – Will es denn niemals Tag werden? Ich will morgen eine Meile traben, und mein Weg soll mit englischen Gesichtern gepflastert sein.

Connétable.
Das will ich nicht sagen, aus Furcht, der Weg möchte mir Gesichter schneiden. Aber ich wollte, es wäre Morgen, denn ich möchte die Engländer gern bei den Ohren haben.

Rambures.
Wer will sich mit mir an einen Wurf um zwanzig englische Gefangene wagen?

Connétable.
Ihr müßt Euch selbst dran wagen, ehe Ihr sie habt.

Dauphin.
Es ist Mitternacht, ich will gehn und meine Waffen anlegen. (Ab.)

Orleans.
Der Dauphin verlangt nach dem Morgen.

Rambures.
Er verlangt die Englischen aufzuessen.

Connétable.
Ich denke, er wird alle aufessen, die er umbringt.

Orleans.
Bei der weißen Hand meiner Dame, er ist ein braver Prinz.

Connétable.
Schwört bei ihrem Fuße, damit sie den Schwur austreten kann.

Orleans.
Er ist ohne Frage der geschäftigste Herr in Frankreich.

Connétable.
Vordrängen ist Geschäftigkeit, und er drängt sich immer vor.

Orleans.
Ich habe nicht gehört, daß er jemals einem was zuleide tat.

Connétable.
Er wird es auch morgen nicht, er wird diesen guten Namen behaupten.

Orleans.
Ich weiß, daß er tapfer ist.

Connétable.
Mir hat es jemand gesagt, der ihn besser kennt als Ihr.

Orleans.
Wer war das?

Connétable.
Ei, er sagte es mir selbst; und er sagte, er kümmere sich nicht darum, wer es erführe.

Orleans.
Das braucht er auch nicht, es ist keine versteckte Tugend an ihm.

Connétable.
Ja, meiner Treu, das ist sie: niemand hat sie je gesehn, außer sein Lakai. Es ist eine verkappte Tapferkeit, und wenn sie ans Tageslicht kommt, wird sie die Augen zudrücken.

Orleans.
Übler Wille führt keine gute Nachrede.

Connétable.
Auf dies Sprichwort setze ich ein andres: Freundschaft ist eine Schmeichlerin.

Orleans.
Und das nehme ich auf mit: Auch dem Teufel kein Unrecht tun!

Connétable.
Gut angebracht! Euer Freund steht da für den Teufel, und um Eurem Sprichworte recht zuleibe zu gehn, sage ich: ich frage den Teufel darnach.

Orleans.
Ihr seid stärker in Sprichwörtern, aber: eines Narren Bolzen sind bald verschossen.

Connétable.
Ihr habt übers Ziel hinausgeschossen.

Orleans.
Es ist nicht das erste Mal, daß über Euch hinausgeschossen wird.

Ein Bote tritt auf.

Bote.
Herr Connétable, die Englischen liegen nur fünfzehnhundert Schritte weit von Eurem Zelte.

Connétable.
Wer hat das Feld gemessen?

Bote.
Der gnädige Herr Grandpré.

Connétable.
Ein wackrer und erfahrner Herr. – Ich wollte, es wäre Tag! – Ach, der arme Heinrich von England! Er verlangt nicht nach der Morgendämmerung wie wir.

Orleans.
Was für ein armseliger und einfältiger Geselle ist dieser König von England, daß er mit seinen grützköpfigen Leuten so ganz durchhinkommt!

Connétable.
Wenn die Engländer nur die geringste Besinnung hätten, so würden sie davonlaufen.

Orleans.
Daran fehlts ihnen: denn hätten ihre Köpfe irgendeine geistige Rüstung, so könnten sie nicht so schwere Sturmhauben tragen.

Rambures.
Dies Inselland erzeugt sehr tapfre Kreaturen: ihre Bullenbeißer sind von unvergleichlichem Mute.

Orleans.
Einfältige Hunde! die blindlings einem russischen Bären in den Rachen laufen und sich die Köpfe wie faule Äpfel zerquetschen lassen. Ihr könntet ebensogut sagen, es sei ein tapfrer Floh, der sein Frühstück auf der Lippe eines Löwen verzehrt.

Connétable.
Ganz recht, und die Menschen sympathisieren mit den Bullenbeißern im kräftigen und rauhen Angreifen, sie lassen ihren Witz bei ihren Frauen zurück, und dann gebt ihnen große Mahlzeiten von Rindfleisch und Eisen und Stahl, so werden sie fressen wie Wölfe und fechten wie Teufel.

Orleans.
Ja, aber diesen Englischen ist das Rindfleisch verzweifelt ausgegangen.

Connétable.
Dann werden wir morgen finden, daß sie bloß Appetit zum Essen, aber nicht zum Fechten haben. Jetzt ist es Zeit, die Waffen anzulegen; kommt, sollen wir daran gehn?

Orleans.
Jetzt ist es zwei; eh noch zehn Uhr vergangen,
Hat jeder hundert Englische gefangen. (Ab.)


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