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In Sureiken wartete man darauf, daß Christian zurückkäme, aber er kam nicht wieder. Iben Kars pflügte nun an seiner Statt. Ja, der alte Iben Kars nahm den Pflug, den Christian hatte stehenlassen. Wortlos nahm er ihn, aber sein Blick war hell geworden. Iben Kars pflügte.
Kurze Zeit darauf wurde das Kind der Tänzerin geboren. Es bekam den Namen Melitta. Frau Dahl verschenkte ihr ganzes Herz an dieses Kind. Sie wurde eifersüchtig auf Hanni, die es auch gern auf den Arm nehmen wollte. Nach vierzehn Tagen schon wurde das Neugeborene getauft. Es war mit Bändern und Schleifen geschmückt und lag zierlich im Kissen. Acht Tage später fuhr die Tänzerin weg.
Und, wieder nach einiger Zeit, gebar Lisa einen Sohn. Iben Kars war auf dem Felde.
Als ihm die Geburt des Erben mitgeteilt wurde, ging er nicht sofort nach Hause. Zuerst pflügte er den Streifen Ackerland zu Ende. Dann spannte er die Pferde vom Pflug, und hinter den Pferden schritt er nach Haus. Groß und stark, der Bauer Iben Kars. Ja, nun könnte er wieder die Uhr zerbrechen.
Als sie auf den Hof kamen, wieherte das Handpferd. Es war ein stolzes, frohes Wiehern.
Iben Kars trat zu Lisa ans Bett. Er ließ sich das Kind zeigen. Er betrachtete es lange. Dann hob er es auf.
Da lächelte Lisa.
*
Emita, die Tänzerin, also hatte Sureiken verlassen. Die frühe Schwalbe war wieder entschwunden. Patzke hätte traurig sein können. Doch war es an der Zeit, die blaue Mütze wieder hervorzuholen mit dem goldenen Anker auf schwarzem Band, auch das Messinghorn und das Fernrohr.
Auf den Zäunen vor den Häusern lagen die roten und gestreiften Betten in der Sonne. Die Sommerstuben wurden eingerichtet. Die Bewohner von Sureiken zogen wieder in die Scheunen und in die Waschküchen.
Lüßmann fuhr jeden Tag nach der Bahn. Als erster kam Ebers, der Photograph. Er kam mit Säuren und Platten und wohnte wieder bei Jakob Kloth. Patzke hatte ihm viel zu berichten. Es war ein Winter gewesen, über den man noch lange reden konnte. Abends betrachtete Ebers das Bild der Tänzerin, das er noch immer zwischen Rechnungen und Kaufmannsbriefen in der Tasche trug.
Und Lüßmann fuhr jeden Mittag zur Station.
Eines Tages reiste Emilie ab. Frau Drees brachte sie in dem einspännigen Wagen zur Bahn. Das Mädchen kehrte zu ihren Eltern zurück. Sie hatte den Ring vom Finger gestreift. Nein, sie war keine Braut mehr. Von Christian war ein Brief gekommen. Man wußte nicht einmal, ob Emilie traurig darüber war. Sie nahm die Truhe mit, die nun bis zum Rande mit gezeichneter Wäsche gefüllt war.
Frau Drees hatte mit großer Unruhe Christians Brief genommen. Sie las ihn hastig. Dann las sie ihn noch einmal langsamer. Er ist kein schlechter Mensch, dachte Frau Drees. Sie war froh über den Brief. Christian schrieb nichts von dem Geld.
Nun hatte Frau Drees Emilie zum Bahnhof gebracht. Der Zug war in der Ferne verschwunden. Frau Drees hatte das Taschentuch wieder eingesteckt.
Auf der Rückfahrt traf sie Iben Kars. Er war auf dem Feld bei den Leuten gewesen und ging nun nach Haus. Frau Drees hielt den Wagen an und erzählte ihm von Emilie. Ja, nun war sie abgereist.
Iben Kars stieg auf den Wagen. Er saß neben Frau Drees. Er ließ es sich gefallen, daß sie die Zügel führte. Sie sprachen dieses und jenes. Worüber kann man sich unterhalten bei einer Wagenfahrt. Die Räder rollen und rucken und kreischen etwas, die Hufe des Pferdes klappern, es sind Biegungen, an denen man aufpassen muß. Man kann sich nur Nebensächliches zurufen.
Doch als Frau Drees an dem Feldweg nach dem Chausseehof den Wagen anhält, bleibt Iben Kars noch sitzen. Er sagt: »Du könntest einmal zu uns kommen. Ich habe deine Mutter gut gekannt.« Dabei greift er ungeschickt nach der Hand, die den Zügel hält. Iben Kars drückt Milda die Hand. Dann steigt er vom Wagen.
Das sind Worte, über die Frau Drees noch lange nachdenken wird. Nun fährt sie weiter die Chaussee entlang. Die Räder rucken und kreischen, die Hufe klappern und hinter dem Wagen fliegt der Staub auf und tanzt wie ein Mückenschwarm in der Sonne.
An diesem Tage ging Frau Drees zu den Bienenstöcken. Sie trat an den ersten heran, an den zweiten und dritten. Sie ging durch die Ställe, zu den Kühen, den Pferden und den anderen Tieren, die auf dem Hofe gehalten wurden. Sie empfing das geruhsame Summen der Bienen und das starke Atmen des Viehes. Der alte Knecht, den Iben Kars zur Arbeit auf den Seehof geschickt hatte, mengte gemächlich das Futter.
An diesem Tage brachte Lüßmann einen ganzen Schwärm Mensche« ins Dorf. Es war, als hätte sich ein Taubenschlag über Sureiken geöffnet. Der Ferienzug war gekommen.
Da waren sie alle, der weißbärtige Postmeister und die dicke Frau Wullke mit dem bunten Badetuch. Vor den Türen standen die Frauen und Kinder und winkten, auch Laabs, der Schuster, Patzke und der griesgrämige Kuhse. Sie standen da, hatten kleine Fähnchen in der Hand, und vom Wagen her war ein Tücherwehen.
Frau Dahl trug Emitas Kind auf dem Arm. Sie stand ganz in Sonne.
Auch Herr Quandt, der Posthalter von Sureiken, hatte sein Kontor geschmückt. Er war ein würdevoller Mann, aber an diesem Tage war er aus sich herausgegangen. Er hatte neben dem Postkasten, sichtbar für alle, ein Schild angebracht: »Herzlich willkommen.« Neben diesem Schild in der Türe stand Herr Quandt. Er lächelte und grüßte. Auf dem linken Ärmel seiner grünen Joppe war ein goldenes Posthorn gestickt.
Alle waren sie in Aufregung. Nur Dan Lebbers fehlte. Einer Erbschaft wegen hatte er eine große Reise angetreten. Bis ins Ausland sollte er gefahren sein. Man erzählte viel von dieser Reise in Sureiken. Auch die Sommergäste wurden sofort damit überschüttet. Sie kannten ja alle Dan Lebbers. Nun sollte er eine Million geerbt haben.
Als er zurückkam, hatte er noch denselben Anzug an. Auch der Reisekoffer war noch genau so leicht wie vorher. Dan Lebbers war nicht im Ausland gewesen, aber bis in die große Hafenstadt war er gekommen. Er hatte auch einen riesigen Ozeandampfer besichtigt. Davon erzählte er nun Wunderdinge.
Er ging mit Patzke an den See, Jakob Kloth mußte gleich anlegen. Der Fischer hatte schon die Ruder genommen, um in die kleine Bucht einzulaufen.
Dan Lebbers wollte Fische essen. Wenn die vielen Gäste in Sureiken waren, mußte man der erste am Boot sein, um den besten Fisch zu erwischen.
Nun stand Lebbers mit Patzke am Steg. Er erzählte: »So groß war der Dampfer, ungelogen, so groß. Ich mußte mich einbooten lassen. – Richtig«, fiel es ihm plötzlich ein, »was ich noch sagen wollte, richtig. Direkt an der Anlegestelle, auf einmal, geht ein Seemann an mir vorbei. Das ist doch, denke ich, das ist doch Kars, Moment mal, und ich rufe. Christian, ruf ich, Christian! Aber er war schon weg, wie fortgeblasen.«
Patzke hörte verwundert zu. Dan Lebbers war tatsächlich aufgeregt: »Also, was soll ich dir sagen, ein Seemann ging an mir vorbei. Wie konnte ich das bloß vergessen?« – Er unterbrach sich. – »Die Fische!« rief er. »Tausend noch, die Fische!«
Jakob Kloth hatte das Boot festgemacht. Die Fische hingen schwer in den Maschen der Netze.
Jedesmal, wenn der Fischer sein Netz auswarf, pflegte er zu sagen: