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Viertes Kapitel.

Ein köstlich Pröbchen wohl von Menschen! Gut.
Sein Blut wallt auf, und wenn's ein wenig fleußt,
Kühlt es sein Fieber.

Byron.

»Was meinst du, wird der Viento de Misteca Misteca-Wind, südöstlicher Wind, der von Oaxaca und Acapulco herauf kommt; er ist trocken und brennend. lange anhalten?« fragte eine tiefe Baßstimme, als das Gelächter nachgelassen hatte.

»Lange anhalten!« erwiderte der Gefragte, ein Evangelista, das heißt Straßensekretär, nach der Feder zu schließen, die in der Dunkelheit noch hinter seinen Ohren steckend zu ersehen war, und dem offenen Wamse, in dem eine Rolle Papier logierte, und darunter das Tintenfaß, ein Baumwollenflöckchen in Tinte getaucht, das an einem Orte beherbergt war, wo es vermutlich kein rechtgläubiger Nichtmexikaner gesucht haben dürfte, im Nabelloche nämlich. »Lange anhalten?« wiederholte der Straßensekretär, »das weiß ich nicht.«

»So will ich es dir sagen,« fiel Pedrillo ein, »just so lange, bis der Chalco und Tezcuco Die Mexiko zunächst gelegenen Seen, von denen der eine süßes, der andere salziges Wasser hat. trocken gelegt und wieder angefüllt werden.«

»Der Tezcuco trocken gelegt und wieder angefüllt, Amigo Freund.?« versetzte der Evangelist. »Hör, das geht über meine Vernunft.«

»Glaub's gerne, mein Gnädiger,« erwiderte Pedrillo, »trocken gelegt und wieder angefüllt, sage ich. Weißt du nicht, daß der Viento de Misteca just so dürr, verdorrt, verdorrend und versengend ankommt wie unsere dürren, hungrigen Gachupinos, wenn sie aus der Madre Patria herüberkommen; daß er aber zur Ader läßt, wie diese dem armen Mexiko, mit dessen Blute sie sich mästen? Ei, der Viento de Misteca wird ihnen zur Ader lassen. Möge er bald kommen.«

» Bravo! Bravo!« riefen die Umstehenden: » Habla como un libro sellado!« Er spricht wie ein gestempeltes Buch, ein Kalender.

»Was sagt der Hund von seinem Zambo?« rief nun ein Mann mit hohem spitzigen Hute, auf dem eine blutrote Kokarde prangte. »Was sagt er?« schrie der Häscher der Polizei, indem er sich dem Haufen zuzudrängen suchte und mit seinem Amtsstabe links und rechts dreinschlug.

»Der Viento de Misteca ist gut zum Aderlaß«, wiederholte der kühne Pedrillo. »Möge er bald kommen!«

»Halt, halt!« rief nun der Alguazil, der aus Leibeskräften sich Bahn zu machen bemühte. Die dichte Volksmasse hatte jedoch schnell eine undurchdringliche Phalanx gebildet, der Sprecher selbst sich geduckt und in der einbrechenden Finsternis unsichtbar gemacht. Die Ulanen, die vor dem Palaste hielten, bildeten mittlerweile eine Angriffskolonne und machten Miene, den Alguazil zu unterstützen.

»Lugarteniente Leutnant. Pablo!« rief wieder Pedrillo, »Ihr tätet besser, Ihr ginget nach Itzcuhar Eine Stadt, dreißig Stunden südwestlich von Mexiko gelegen, wo Oberst Soto von Morelos geschlagen wurde.; Oberst Soto dürfte Euch brauchen.«

Der Alguazil horchte einen Augenblick; dann sprang er wieder auf den Haufen zu: » Ya te tengo! Jetzt habe ich dich. Dieser da in der Tunika, er ist derselbe, der Se. Majestät –«

»Ich denke, Alguazil,« mahnte der Offizier, der die drohende Bewegung der Menge aufmerksam beobachtet hatte, »ich denke, Ihr ließet den armen Teufel schreien; es ist nicht der erste und wird nicht der letzte Grito sein, und es liegt nicht viel daran, ob einer mehr oder weniger in der Cordelada Eines der drei Hauptgefängnisse in Mexiko. liegt.«

»Señor Lugarteniente«, drohte der Alguazil, »wohlverehrter Herr Leutnant! Sie waren schnell, als es den armen Gente irrational von Zitacuro galt. Sie sind ein Kreole, ich warne Sie.«

Und mit diesen Worten drang er mit aller Gewalt auf den Knäuel ein. Dieser stand noch immer als undurchdringliche Masse; eine Bewegung aber, die gleichzeitig unter den Mangas stattfand, machte die Reiter augenscheinlich stutzen. Nicht so den Alguazil, der wie rasend um sich schlug.

»Venid, Señor Kommen Euer Gnaden!!« Kommen Sie, mein gnädiger Herr!« sprach eine tiefe Stimme.

Der Knäuel öffnete sich und ließ den Alguazil ein, schloß sich jedoch, als die Reiter andrangen, gleich der Meereswoge, die ihr Opfer verschlungen. Alle hatten die Stilette gezogen. Einige Augenblicke herrschte eine bange Stille; auf einmal hörte man die Worte: » Jesús, María y José!« Jesus, Maria und Joseph! und dann ein Stöhnen und Röcheln.

» Mueran los Cabecillas! Tod den Rebellen!« schrie nun der Offizier, und die Reiter hieben ein; doch der Haufe hatte sich mit einer unbegreiflichen Schnelligkeit geteilt; mehrere Pferde stürzten, und zur Vergrößerung der allgemeinen Verwirrung brach ein plötzlicher Lichtstrom aus den Toren des Palastes, der für einige Augenblicke Rosse und Reiter erblindete. Es waren kurze Augenblicke, aber hinreichend, diesen Teil des Platzes gänzlich von den Haufen zu reinigen. Der Alguazil, zwei Ulanen und ebenso viele Pferde waren als Opfer gefallen; der Haufe hatte sich unter der großen Masse der auf dem Platze auf- und niederwogenden Menge verloren, die nun selbst schnell herandrang und ihre nichts weniger als friedlichen Absichten durch laute » Mueras!« und » Abajo con los Cachupines!« kundtat. Ein allgemeiner Aufstand schien auf dem Punkte auszubrechen.

Auf einmal wurde der Wirbel von Trommeln gehört, in deren Rollen eine rauschend prachtvolle Janitscharenmusik einfiel; zugleich sprühten sechzig Pechpfannen längs der ungeheuren Front des Palastes ihre grellen Flammen durch die Menge. Der plötzliche Strom von Licht und Tönen hatte eine unbegreiflich schnelle Wirkung auf den Haufen der Tausende. Alle Gedanken an Aufruhr waren verschwunden. Ein tausendstimmiges »Viva, Viva!« erschallte, und kaum hatte die Bande die ersten Akkorde der Ouvertüre Clemenza di Tito eröffnet, als die Tausenden und abermals Tausende in den fröhlichsten Jubel ausbrachen. Unzählige Tänzergruppen bildeten sich mit einem Male, und die ganze Plaza war ein fröhliches Gewimmel der lebensfrohen Menge geworden. Die tiefe Finsternis im ganzen ungeheuern Vierecke war zugleich wie durch einen Zauberschlag in Tageshelle verwandelt; denn Tausende von Lampen schimmerten von den Blumengärten der Dächer und gossen über die stattlich massiven Tempel, Paläste und Häuser einen Lichtstrom, der die großartigen Bauwerke ins Riesenmäßige erhöhte. Reich gekleidete Spanier und Kreolen, zerlumpte Leperos, Mulattinnen und halbnackte Indianer, Zambos und liederliche Dirnen, alles vereinigte sich im Bolero, Fandango und Charave Von diesen drei Tänzen ist der letztere der beliebteste in Mexiko und kann als Nationaltanz betrachtet werden.. Und gleichsam um das Ganze noch charakteristischer darzustellen, hatten sich zahlreiche Reiterscharen von Dragonern und Ulanen mitten durch die Haufen einen Weg gebahnt und schlossen nun die ganze Masse in einen ungeheuern Rahmen ein, so das Bild eines despotisch beherrschten Staates versinnlichend, wo die Massen durch die eiserne Hand der obersten Gewalt und ihrer Helfershelfer zu Freud und Leid getrieben und in Schranken gehalten werden.

 

»Ihr scheint die allgemeine Freude nicht zu teilen«, wisperte ein ältlicher Indianer unserem Abenteurer zu, dessen außerordentliche Beweglichkeit während der soeben beschriebenen tumultuarischen Auftritte plötzlich einem unverhohlenen Mißmut gewichen war.

Der junge Mann drehte sich auf einem Absatze um und kehrte dem Sprecher den Rücken. »Ei, diese Lustigkeit ist ganz einzig,« fuhr der Indianer fort, »so wie wir ein einziges Volk sind. – Meiner Seele! Immer am lustigsten, wenn wir am tüchtigsten gezaust werden.«

Der junge Mann warf dem Sprecher einen Blick rücklings zu und versank dann in sein voriges Schweigen.

»Jeder hat seinen Ahuitzote, Amigo Jeder hat seinen Ahuitzote, Freund! ein indianisches Sprichwort. Ahuitzote bedeutet so viel als Feind, feindliches Geschick.« fuhr der Indianer fort, »und Ihr hattet ihrer viele. Glaub' es gern, daß Euch das Geklingel da konträr gekommen ist; der Faden war aber ein wenig schlecht gesponnen, deshalb ist er so schnell zerrissen.«

»Welchen Faden meint Ihr, Tatli Vater.?« versetzte nun der junge Mann mit einer leisen, hohlen Stimme.

»Einen blutroten mit einem weißen und blauen Ende.«

»Diablo!« zischelte Pedrillo. »Nun sehe ich wohl, wen ich vor mir habe. Glaubt mir, es hilft aller Wege nichts. Tut was Ihr wollt. Da hatten wir sie am Ansatze zu einem herrlichen Motin; aber da kommen ein Dutzend Oboen und Klarinetten und Pfeifen und alles ist beim Teufel.«

»Ja, wenn der Alguazil die königliche Armee gewesen wäre«, brummte der Indianer.

»Wie meint Ihr?« fragte Pedrillo, dem Indianer näher an den Leib rückend.

Der junge Mann hatte, während er so sprach, den Indianer allmählich dem Sockel der Reiterstatue Karls IV. zugezogen. »Das Losungswort!« zischelte er dem Indianer zu, indem seine rechte Hand zugleich hinter die Manga fiel.

»Sachte, Amigo,« lächelte dieser, »es war ein Meisterstreich, wie du den Alguazil zum Stillschweigen brachtest; keine Pinte Blut geflossen und der Cachupin so mausetot, du hattest ein dreischneidiges Stilette, vermute ich. Aber wir sind kein Alguazil.«

»Noch nicht,« flüsterte der junge Mann, »sollst es aber werden«, und bei diesen Worten saß dem Indianer auch der Dolch am Leibe; doch ebenso schnell sank seine Hand. »Alle Teufel, wer hätte dem General V.«

»Hisht«, sprach der Indianer. »Wir haben Euer Treiben gesehen. Ei, wenn Maskeraden und ein paar Erdolchungen Mexiko retten könnten, da wäret Ihr die Leute; aber zum Zugreifen – – Komme nun und höre.« Er wisperte ihm einige Worte in die Ohren.

» Madre de Dios!« rief der junge Mann, »und Mexiko steht noch? Kommt! Jede Minute mag es für immer verlieren.« Beide eilten schnell durch das Getümmel.

Mitten unter dem fröhlichen Gewimmel und der rauschend prachtvollen Musik sah man anfangs einzelne, dann ganze Reihen von zwei-, vier- und sechsspännigen Kutschen herannahen. Die sonderbaren Kopfzieraten der Pferde und Maultiere, denn mit dieser letztern Tiergattung war die Mehrzahl der Kutschen bespannt, und ihr schweres, häufig massiv silbernes Geschirr entsprach ganz den Kutschen selbst, von denen die meisten eine Art lederner, lackierter, glänzender Kasten mit einer Unzahl vergoldeter Schnörkel waren, deren Seiten, mit Bildern in halber und selbst ganzer Lebensgröße bemalt, die Taten der ersten spanischen Eroberer oder irgendeinen Heiligen darstellten. Die meisten der Wagen waren ohne Springfedern, und, auf der bloßen Achse ruhend, verursachte ihre Ankunft ein Gepolter, das die Musik der beiden Regimentsbanden vor dem Palasttore und im Schloßhofe übertäubte. Beinahe alle hatten Vorläufer, nebst einer Suite, die aus farbigen, reich gekleideten männlichen und weiblichen Mulatten und Negern bestand, welche vor und zu beiden Seiten der Wagen einhergingen. In jedem dieser Wagen saßen vier bis sechs Personen, die, je nachdem sie zur herrschenden Klasse der Spanier oder der beherrschten der Kreolen gehörten, in das offene Palasttor einfuhren oder vor diesem abzusteigen genötigt waren. Als wollten sich jedoch diese letzteren für diese Zurücksetzung in den Augen des Volkes durch einen desto auffallenderen Pomp rächen, ging ihr Absteigen wieder mit einem Prunke vor sich, der ebensosehr ihren Reichtum als dessen ungeschickte Anwendung verriet. Die Wagentüren wurden nämlich stets zu gleicher Zeit von mehreren reich und phantastisch gekleideten Negern und Negermädchen auf beiden Seiten geöffnet, die männlichen und weiblichen Herrschaften stiegen zu den zwei verschiedenen Türen heraus und schritten dann, unter dem Vortritte ihrer schwarzen Dienerschaft, dem Tore zu, wo die letzteren, nach einer formellen Verbeugung, sich wandten und zu dem Wagen zurückkehrten. Selbst der Pöbel schien den Übelstand der hier so unpassend angebrachten Schaustellung, im Gegensatze mit dem einfacheren und würdevolleren Aufzuge der verhaßten Spanier, zu fühlen, und bei einem jedesmaligen solchen Absteigen erhob sich ein Gemurmel, das die allgemeine Unzufriedenheit deutlich bekundete. » Muchacho! Borracho!« Einfaltspinsel, Trunkenbold. Letzteres ist der größte Schimpfname, der gegeben werden kann. war abwechselnd im lautesten Gebrülle den Kreolen zugerufen worden, während man die Spanier mit » Mueras!« und » Abajo!« Tod! und – Nieder mit ihm. begrüßte. Wagen folgten auf Wagen; jeder wurde auf eine eigentümliche Weise vom Volke empfangen.

Auf einmal erschallte es von dem äußersten Ende des Platzes » El terrible Cachupín!« El terribile Guachupin, der schreckliche Gachupin, Don Calleja, später Graf von Calderon. und eine leichte, geschmackvoll gebaute Karosse, von vier stolzen Andalusiern gezogen, rollte durch die aufgestellten Reiterscharen, ihr zur Seite mehrere Adjutanten und Ordonnanzen. Die Bande schlug einen herrlichen Triumphmarsch an, die Reiter senkten ihre Schwerter, während das Volk beinahe schaudernd dem Wagen nachsah, wie er in den Schloßhof rollte, gleich als ob in seinem Innern ein unheilvolles Element verborgen wäre.

Ein zweiter Wagen folgte von der entgegengesetzten Seite, von sechs phantastisch geschmückten Maultieren gezogen, langsam und feierlich; voran zwei rotgekleideter Läufer und zu beiden Seiten ein halbes Dutzend schwarzer Diener. Der Wagen wurde mit dem Rufe: » Viva la virgen de Guadalupe! Abajo con la virgen de los remedios Es lebe die Jungfrau von Guadalupe! Nieder mit der Jungfrau der Gnaden!! Es lebe die Jungfrau von Guadalupe! Nieder mit der Jungfrau der Gnaden! Das Bild der Jungfrau von Guadalupe ist in ihrer prachtvollen Kirche, zwei Stunden von Mexiko, aufgestellt. Es ist ein auf grobem Agave-Bast gemaltes schlechtes Bild, das bald nach der Eroberung erschien, und zwar auf einem benachbarten öden Hügel, wo es zuerst einen Indianer durch eine himmlische Musik entzückte, die die Engel um dasselbe herum aufführten. Der Indianer erzählte dieses Wunder dem Erzbischof, der es aber nicht glauben wollte. Ein zweiter Mal ging der Indianer bei dem musizierenden Bilde vorüber, und da fand er es mitten unter einem Haufen Rosen; wieder befahl es ihm, zum Erzbischof zu gehen. Der Erzbischof wurde durch dieses zweite Wunder auf einmal gläubig und begrüßte das Bild mit dem Titel: Unsere Dame von Guadalupe. Eine Kapelle wurde errichtet, und da der Wunder immer mehr wurden, so wurde es endlich zur Schutzpatronin von Mexiko erhoben, und zwar, da die Gesichtsfarbe der Madonna von gebräuntem Kolorit ist, zur Patronin der Eingeborenen.
Die Jungfrau der Gnaden, Virgen de los remedios. Ihre Kirche liegt nordwestlich von Mexiko, und das Bild wurde von einem Soldaten des Cortes gefunden und zeigte sich leidenschaftlich für die Spanier eingenommen. So schwebte es während der Schlacht von Otumba vor den Soldaten von Cortes her und streute den Indianern Sand in die Augen. Bei andern Schlachten wurde es sogar handgemein mit den Indianern. Zur Dankbarkeit wurde ihm eine Kapelle errichtet. Aber auf einmal verschwand das Bild zum unsäglichen Leidwesen der Spanier. Nach einem halben Jahre entdeckte endlich ein Indianer, der, um zu den Corazón einer Agave zu gelangen, die Blätter wegschnitt, das Bild mitten zwischen dem Stamme und den Blättern. Es wurde sofort im Triumph herbeigeholt, und so dankbar bewies es sich für die ihm bewiesene Aufmerksamkeit, daß es sogleich nach einer langen Dürre einen starken Regen sandte. Für die unzähligen Wunder, die sie zum Vorteile der Spanier verrichtete, erhoben diese sie zu ihrer Schutzpatronin und übergaben ihr den Befehl ihrer Heere. Sie stritt sehr tapfer gegen die Jungfrau von Guadalupe, die wieder von den Mexikanern zu ihrer Kriegsoberstin erhoben ward. Als nämlich Hidalgo, nachdem er die Fahne des Aufruhrs aufgepflanzt, von dem Erzbischof exkommuniziert wurde und in Gefahr stand, von allen seinen Indianern und Anhängern auf einmal verlassen zu werden, fiel es ihm glücklicherweise bei, sich und die Seinigen unter den Schutz der Jungfrau von Guadalupe zu stellen. Eine ungeheure Fahne wurde sofort verfertigt mit dem Bilde der Jungfrau; diese wurde als Generalfeldmarschallin proklamiert, ihr ein Gehalt angewiesen und ihr Gehorsam versprochen. Sie bezog ihren Gehalt wirklich volle vierzehn Jahre, bis 1824.]
« empfangen. Der Insaß des Wagens hielt segnend seine Hand zum linken und wieder zum rechten Wagenfenster heraus; aber jede seiner Segnungen veranlaßte nur ein um so lauteres Gebrülle, das wohl zehn Minuten anhielt und erst schwächer wurde, als ein neuer Wagen dem müßigen Pöbel neue Nahrung brachte.

» Tierra templada! Die gemäßigte Zone.« brüllte es wieder von dem äußersten Ende der Plazza herüber und brach dann in einen einstimmigen, wütenden Schrei aus, der wie Sturmesgeheul die Luft erfüllte.

Ein eleganter zweispänniger Landauer im neuesten englischen Geschmacke war durch die Ulanen- und Dragonerspaliere herangekommen, mit bloß einem einzigen, aber geschmackvoll gekleideten Diener. Der Wagen hielt unter dem Portale; aber mehrere Domestiken eilten aus dem Tore heraus und führten ihn in den Torweg des Palastes ein.

Ein zweiter im gewöhnlichen antiken Stile war gleichfalls herangekommen, dessen Bürde jedoch, eine ältliche Dame und ein blühender Jüngling, vor dem Tore entladen wurde.

» Soberbio, brillante hombre!« Stolzer, prächtiger Mensch. brüllten die Haufen dem jungen Kreolen zu, von einem »Viva« begleitet, das ebenso schnell durch ein » Cállate, es el mimado de la tierra fría!« Schweigt, es ist der Liebling der kalten Zone. beschwichtigt wurde.

Diese Symptome des öffentlichen Beifalls und Unmuts schienen von dem Jünglinge auf eine eben nicht sehr beifällige Weise aufgenommen zu werden; sein Blick glitt vornehm über die Menge, und dann, sein Haupt stolz aufwerfend, verschwand er mit der Dame zwischen den Toren.

»Señor Bautista!« wandte sich der Kapitän der Hellebardiere an den Alguazil, der an den Toren Posto gefaßt und zugleich die Aufgabe zu haben schien, die Äußerungen des Pöbels über die verschiedenen Ankömmlinge zu notieren – »Señor Bautista, was hat es für eine Bewandtnis mit diesem Conde de San Jago Grafen von Santiago., der doch, soviel ich weiß, auch nur ein Kreole ist? Möchte doch wissen, aus welchem Holze der geschnitzt ist, daß er die Ehre eines gebornen Spaniers genießt?«

»Aus einem Holze, Señor Capitán«, versetzte der Alguazil mit einem vielsagenden Blicke, »das, zum Glücke Altspaniens, nicht häufiger in diesem Lande wächst als der árbol de las manitos!« Cheirostemon platanefolium, der berühmte Handbaum. Seine Blüte ist eine prachtvolle rote Blume in Form einer Tulpe und, näher betrachtet, einer Hand, mit einwärts gekrümmten Fingern. Es sind bloß drei Bäume in Mexiko vorhanden: der Mutterbaum in den Bergen von Tolucca und zwei Sprößlinge im botanischen Garten des vizeköniglichen Palastes.

»Das ist weise, aber dunkel gesprochen, Señor Bautista«, erwiderte der Capitán, eine Prise nehmend.

»Hören Sie, Señor Capitán,« wisperte der Alguazil, »hören Sie sie Tierra templada brüllen?«

Der Lärm nahm immer mehr zu. Vivas und Mueros rollten wie ein Lauffeuer die Plazza hindurch. Eine rauhe Stimme schrie: »Die Tierra templada ist zum Cachupín geworden!« Eine andere brüllte: » Viva tierra templada!« und » Viva tierra templada!« brüllten Tausende nach.

»Hören Sie sie,« murmelte der Alguazil, »diese verdammten Cabecillas! So sind sie: sie treiben nichts, sie tun nichts, sie arbeiten nichts, sie beten nicht, sie kosten uns jeden Tag Tausende, damit wir nur Ruhe haben; und brechen sie los, so brüllt der Jorullo Ein feuerspeiender Berg, der im verflossenen Jahrhundert entstanden und wieder vergangen. nicht stärker, als sie es tun. Glücklicherweise lassen sie es jedoch beim Brüllen bewenden. Heute aber weht ein schlimmer Wind; gebe die heilige Jungfrau, daß er bald vorübergehe! Auch haben die Hunde ihr Rotwelsch; das ist eine neue Erscheinung, eine gefährliche Erscheinung, sage ich Ihnen. Die Tierra templada, die gemäßigte Zone, ist der Conde. So viel ist richtig, weder warm noch kalt, wie der Aal, der im Chalco gefangen, Salz- und Süßwasser verträgt und sich krümmt und ihnen einen Arm und, mag sein, ein Bein bricht, wenn sie ihn in den Chinampas Die sogenannten schwimmenden Gärten, die aber, gegenwärtig kleine Gartenstücke, von Indianern bebaut, in der Nähe des Sees liegen., im Erbsen- oder Frijolefelde Bohnenfeld. fangen. Wir hatten in Mexiko Ruhe, selbst als der verdammte Hidalgo von Guaximalpa Guaximalpa, eine große Hacienda, Landgut, 5 Meilen von Mexiko. Hidalgo hatte sein Hauptquartier daselbst aufgeschlagen. herabkam; heute jedoch ist der Teufel los.« Und mit diesen Worten verlor sich der Häscher im Innern des Palastes.


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