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Zweites Kapitel.

Der junge Lord geleitete seinen Freund selber in das für ihn bestimmte Gemach, das seiner Beschreibung völlig entsprach und altmodisch, aber doch sehr bequem eingerichtet war. Das Bett hatte die plumpe massige Gestalt, wie sie am Ende des siebzehnten Jahrhunderts üblich war. Die Vorhänge waren aus vergilbter Seide und reich mit verblichener Goldstickerei geschmückt. Aber die Bettdecken, Kissen und Bezüge dünkten den Soldaten entzückend, indem er, an sein Nachtlager in dem Tabaksfaß dachte. Ein etwas düsteres Aussehen verliehen dem Zimmer die Tapeten, die an den Wänden hingen und sich leise raschelnd bewegten, wenn der Herbstwind durch das alte Gitterfenster hereinkam, das bei dem Luftzug klapperte und knarrte.

Ein Spiegel war da, der nach der Mode zu Anfang des Jahrhunderts mit einem turbanähnlichen Aufsatz von dunkelroter Seide geschmückt war. Er stand auf einem Putztischchen das mit einer Menge seltsam geformter Kästchen und veralteten Toilettegegenständen bedeckt war. Diese beiden erhöhten noch das altertümliche düstere Gepräge. Nichts aber konnte heller und heiterer strahlen, als zwei große Wachskerzen. Wenn etwas mit diesen in Wettbewerb treten konnte, so war es höchstens das lichterloh brennende Holz im Kamin, das in der kleinen Kammer Helligkeit und Wärme ausstrahlte,

»Das ist ein altmodisches Schlafstübchen, General,« sagte der junge Lord, »ich hoffe aber, du wirst nichts daran auszusetzen haben, was dich dein Tabaksfaß vermissen läßt.«

»Ich bin nicht sehr wählerisch in Quartieren,« sagte der General, »wenn ich aber zu wählen hätte, so würde ich dieses Zimmer allemal den freundlichen und mehr nach der Mode eingerichteten Gemächern deines Familienbesitzes vorziehen. Glaube mir, wenn ich bedenke, wie hübsch altertümlich es hier aussieht und wie behaglich und bequem doch alles ist, und wenn ich ferner bedenke, daß das alles Eigentum deiner Lordschaft ist, so werde ich mich in diesem Quartier wohler fühlen als im besten Hotel, das London aufzuweisen hat.«

»Ich hoffe – ich bezweifle nicht,« sagte der junge Edelmann, »daß du dich hier so wohl fühlen wirst, wie ich selber es wünsche.«

Er wünschte seinem Gaste noch einmal gute Nacht, drückte ihm die Hand und ging.

Der General sah sich noch einmal um, wünschte sich selber Glück dazu, daß er ins friedliche Leben zurückgekehrt sei, dessen Behaglichkeit durch die Erinnerung an die überstandenen Mühseligkeiten und Gefahren nur noch schätzbarer wurde, zog sich aus und schickte sich an, sich einer üppigen Nachtruhe hinzugeben.

Am nächsten Morgen kam die Gesellschaft zu ziemlich früher Stunde zum Frühstück zusammen, aber General Browne fehlte.

Lord Woodville sprach seine Verwunderung aus und sandte schließlich einen Diener, der nach dem General fragen sollte. Der Mann kam mit der Nachricht zurück, der General habe schon mit Tagesgrauen trotz des nebligen, unfreundlichen Wetters einen Spaziergang gemacht.

»So machen es die Soldaten«, sagte der junge Edelherr zu seinen Freunden; »vielen wird es so zur Gewohnheit zu wachen, daß sie nach der frühen Stunde, in der, ihr Dienst zu beginnen pflegt, nicht mehr schlafen können.«

Aber diese Erklärung, die Woodville seinen Gästen gab, schien ihm selber nicht genügend, und er wartete schweigend und geistesabwesend auf die Rückkehr des Generals.

Eine Stunde, nachdem die Frühstücksglocke geläutet hatte, trat dieser ein. Er sah abgespannt aus und schien im Fieber. Sein Haar – das Pudern und Frisieren war damals eine der wichtigsten Obliegenheiten eines Mannes und man konnte daran seinen Stand in der Gesellschaft erkennen – war zerzaust, ungekräuselt, ohne Puder und von Tau benetzt. Die Kleider hätte er nachlässig und in Hast angelegt, was bei einem Militär doppelt verwunderlich war, von dem die Dienstpflicht in der Regel auch eine sorgfältige Toilette erheischte. Sein Blick war starr und seltsam verstört.

»Du bist uns heute um einen Ritt voraus,« sagte Lord Woodville, »oder dir hat dein Bett nicht so gut gefallen, wie du es erwartet hattest. Wie hast du die Nacht geschlafen?«

»Brillant, brillant! Noch nie in meinem Leben besser geschlafen!« erwiderte General Browne.

Aber sein Gesicht hatte einen Ausdruck der Verlegenheit, der seinem Freunde auffiel. Er stürzte eine Tasse Tee hinunter, ließ aber alles, was ihm sonst angeboten wurde, stehen und schien in Geistesabwesenheit zu versinken.

»Du wirst heute zur Jagdbüchse greifen,« sagte der Freund und Wirt, aber er mußte die Worte zweimal wiederholen, ehe er die mit Stammeln vorgebrachte Antwort erhielt:

»Nein, lieber Freund, ich bedaure, daß ich nicht die Ehre haben kann, noch einen Tag bei dir zuzubringen, aber meine Postpferde sind bestellt, und ich kann nicht länger warten.«

Alle Anwesenden waren überrascht, und Lord Woodville versetzte:

»Postpferde, guter Freund? Was fällt dir ein? Hast du mir doch versprochen, acht Tage bei mir zu bleiben.«

»Mir ist freilich,« versetzte der General mit offenkundiger Verlegenheit, »als hätte ich in der ersten Freude des Wiedersehens etwas von einem Aufenthalt von mehreren Tagen gesagt, aber nachträglich ist mir eingefallen, daß sich das nicht machen läßt.«

»Das ist eigentümlich«, antwortete der junge Edelherr. »Gestern schienst du völlig frei von allen Geschäften, da kannst du doch unmöglich heute einen neuen Auftrag erhalten haben. Briefe an dich können nicht angekommen sein, denn die Post aus der Stadt ist noch nicht da.« –

General Browne sagte nichts weiter, er murmelte nur etwas von eiligen Angelegenheiten und bestand, darauf, abzureisen; sein Entschluß schien so festzustehen, daß sein Wirt sich schweigend drein fand.

»Gestatte mir nur, lieber Browne,« sagte er, »da du doch gehen willst, oder vielmehr gehen mußt, daß ich dir die Aussicht von der Terrasse zeige, die wir in Kürze werden genießen können, denn der Nebel steigt.«

Mit diesen Worten öffnete er ein Schiebefenster und ging zur Terrasse hinab. Der General schritt mechanisch hinter ihm her, schien aber kaum zu hören, was sein Wirt zu ihm sagte, als dieser den Blick über die weite prachtvolle Aussicht lenkend, ihn auf die verschiedenen Sehenswürdigkeiten aufmerksam machte.

So gingen sie weiter, bis Lord Woodville seinen Zweck erreicht und seinen Gast von der übrigen Gesellschaft weggeführt hatte. Dann wandte er sich ihm zu und fragte ihn in feierlichem Tone:

»Richard Browne, mein alter treuer Freund, wir sind jetzt allein. Bei dem Worte eines Freundes und der Ehre eines Soldaten beschwöre ich dich, antworte mir auf meine Frage. Wie hast du heute nacht geschlafen?«

»Jammervoll,« antwortete der General in demselben feierlichen Tone, »ganz jammervoll! So maßlos jammervoll, daß ich eine solche zweite Nacht nicht noch einmal durchmachen möchte, und böte man mir dafür alles Land, das zu diesem Schlosse gehört, und das ganze Gebiet, das ich von diesem hochgelegenen Punkte überschaue.«

»Das ist seltsam,« sagte der junge Lord wie bei sich selbst, »es muß also etwas Wahres daran sein, was man von diesem Zimmer erzählt.«

Dann wandte er sich an den General.

»Mein lieber Freund,« sagte er, »um Gotteswillen, sei aufrichtig gegen mich und erzähle mir alles ausführlich, was dir Unangenehmes widerfahren ist, hier, wo doch nach dem Wunsche des Besitzers nur Behaglichkeit dich umgeben sollte.«

Diese Aufforderung schien dem General Schmerz zu bereiten, er schwieg ein Weilchen, ehe er antwortete:

»Mein teurer Lord,« sagte er endlich, »was mir in der verflossenen Nacht zugestoßen ist, ist so seltsam und grausig, daß ich es schwerlich über mich gewinnen könnte, dir alles ausführlich zu berichten, wenn ich nicht, abgesehen davon, daß ich dir eine Bitte erfülle, glauben könnte, daß eine aufrichtige Erzählung meinerseits mir eine Erklärung über einen Umstand verschaffen könne, der für mich ebenso peinlich wie geheimnisvoll ist. Wenn ich es anderen erzählen wollte, so möchten sie mich für einen abergläubischen, schwachsinnigen Narren halten, der sich durch Hirngespinste betören und entsetzen läßt. Du aber hast mich als Kind und Jungen gekannt, und du wirst nicht denken, daß ich als Mann Empfindungen und Schwachheiten angenommen hätte, von denen ich in der Jugend frei gewesen bin.«

»Zweifle nicht daran, daß ich in die Wahrheit deiner Mitteilungen vollen Glauben setzen werde, und wenn sie noch so absonderlich sind,« entgegnete Lord Woodville, »ich kenne deinen festen Charakter genau und hege nicht den Verdacht, daß man dir etwas vorgaukeln könne. Ich weiß ferner, daß du zu ehrenhaft und auch mir ein zu guter Freund bist, als daß du das, was dir widerfahren ist, irgendwie übertreiben solltest.«

»«Nun denn,« sagte der General, »ich will, so gut es geht weiter erzählen. Ich vertraue dabei auf deine Aufrichtigkeit, aber dennoch habe ich das bestimmte Gefühl, daß ich lieber auf eine Batterie Sturm laufen möchte, als mir die verhaßten Erinnerungen der verflossenen Nacht ins Gedächtnis zurückrufen.«

Wieder hielt er inne. Als er sah, daß Lord Woodville schwieg und mit Spannung seines Berichtes harrte, begann er, wenn auch mit offenkundigem Widerwillen, die Geschichte der nächtlichen Abenteuer im tapezierten Zimmer.


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