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»Ein Fremder!« wiederholte der Richter – »hoffentlich nicht in Geschäften, denn ich will –«
Seine Einwendung wurde durch die Antwort des Mannes selbst unterbrochen: »Mein Geschäft ist von etwas beschwerlicher und seltsamer Art,« sagte mein Bekannter Campbell – denn er war es, derselbe Schottländer, den ich in Northallerton gesehen hatte, – »und ich muß Euer Gestrengen bitten, sich ohne Aufschub damit zu befassen. Ich glaube, Herr Morris,« setzte er hinzu, einen besonders strengen, fast wilden Blick auf denselben richtend: »ich glaube, Ihr wißt recht gut, wer ich bin – ich glaube, Ihr habt nicht vergessen, was vorging, als wir uns zuletzt auf der Straße begegneten.« – Morris ward leichenblaß, seine Zähne klapperten, und er zeigte die äußerste Bestürzung. »Faßt ein Herz,« sprach Campbell weiter, »und laßt die Zähne nicht klappern, wie ein Paar Castagnetten. Ich denke, es kann Euch nicht schwer werden, dem Herrn Richter zu sagen, daß Ihr mich vormals gesehen habt, und mich als einen Kavalier von Vermögen und einen Mann von Ehre kennt. Ihr wißt recht wohl, daß Ihr eine Zeitlang in meiner Nähe wohnen werdet, wo es in meiner Macht liegt, Euch, sobald ich will, auch einen guten Dienst zu erweisen.«
»Herr – Herr – ich glaube, Ihr seid ein Mann von Ehre, und, wie Ihr sagt, ein reicher Mann. Ja, Herr Inglewood,« setzte Morris, sich räuspernd, hinzu: »ich halte wirklich diesen Herrn dafür.«
»Und was steht zu dieses Herrn Diensten?« fragte der Richter etwas verdrießlich. »Einer führt den andern ein, und ich erhalte Gesellschaft ohne Ruhe und Unterhaltung.«
»Ihr sollt in kurzer Zeit beides haben,« antwortete Campbell. »Ich komme, Euch von einer lästigen Pflicht zu befreien, nicht dieselbe zu erschweren.«
»Meiner Treu! Dann seid Ihr so willkommen, als je ein Schottländer in England war. Aber macht fort, Herr, laßt hören, was Ihr auf einmal zu sagen habt.«
»Ohne Zweifel,« fuhr der Nordbrite fort, »hat Euch dieser Herr berichtet, daß ein gewisser Campbell bei ihm war, als er das Unglück hatte, sein Felleisen zu verlieren?«
»Er hat vom Anfang bis zum Ende der Sache keines solchen Namens erwähnt,« antwortete der Richter.
»O, ich verstehe, ich verstehe,« sprach Campbell. »Ihr waret gütig besorgt, einen Fremden nicht in gerichtliche Händel zu verwickeln. Da ich aber höre, mein Zeugnis ist notwendig, um diesen achtbaren Herrn Franz Osbaldistone von einem sehr ungerechten Verdacht zu befreien, so will ich die Vorsicht aufgeben. Ihr werdet also gefälligst dem Herrn Richter Inglewood sagen, ob wir nicht mehrere Meilen weit zusammen reisten, zufolge Eures eifrigen Verlangens und Begehrens an dem Abend, wo wir in Northallerton waren, – ich hatte es erst abgelehnt, nachher aber Euch doch den Gefallen getan, als ich Euch auf der Straße einholte und mich von Euch bewegen ließ, meinen Vorsatz, nach Rotbury zu reisen, aufzugeben und zu meinem Unglück Euch zu begleiten?«
»Es ist eine traurige Wahrheit,« antwortete Morris und senkte das Haupt, als er mit jämmerlicher Folgsamkeit, Campbells lange Frage beantwortete.
»Und vermutlich könnt Ihr auch versichern, daß niemand besser imstande ist, als ich, in dieser Sache Zeugnis abzulegen, da ich während des ganzen Vorfalls bei Euch und neben Euch war?«
»Niemand besser, gewiß,« sprach Morris, mit einem tiefen, verlegnen Seufzer.
»Und warum, zum Teufel, habt Ihr ihm nicht beigestanden?« fragte der Richter. »Wie Herr Morris sagt, kamen nur zwei Räuber; also waret Ihr zwei gegen zwei, und Ihr seid beides rüstige Männer.«
»Laßt Euch sagen, Herr Richter,« sprach Campbell; »ich bin mein Leben lang ein friedsamer, ruhiger Mann gewesen, keineswegs zu Streit oder Schlägereien geneigt. Herr Morris, der, wie ich vernehme, zu des Königs Armee gehört oder gehört hat, hätte nach Belieben Widerstand leisten können, da er mit vielem anvertrautem Gelde gereist sein soll; allein ich hatte nur mein geringes Eigentum zu verteidigen, und als ein Mann von friedlicher Beschäftigung war ich nicht geneigt, mich bei der Sache in Gefahr zu setzen.«
Ich blickte Campbell an, als er diese Worte sprach, und erinnere mich nie, einen auffallendern Gegensatz gesehen zu haben, als zwischen der ernsten, kräftigen Kühnheit, die seine rauhen Züge ausdrückten, und der ruhigen Milde und Einfalt, die seine Worte aussprechen sollten. Ein leichtes spöttisches Lächeln lauerte sogar in den Mundwinkeln und schien unwillkürlich anzudeuten, wie verächtlich ihm die ruhige und friedliche Gesinnung war, die er anzunehmen für gut fand, und ich fühlte in mir den Verdacht entstehen, daß er bei der Gewalttätigkeit, die Morris erlitten, etwas ganz andres, als Leidensgefährte oder bloßer Zuschauer gewesen sein möge.
Vielleicht durchkreuzte in diesem Augenblick ein ähnlicher Verdacht die Seele des Richters; denn er rief plötzlich aus:
»Meiner Treu! Das ist eine seltsame Geschichte!«
Der Schottländer schien zu erraten, was in seinem Gemüt vorging, indem er Ton und Benehmen änderte, und aus seinen Gesichtszügen einen Teil des heuchlerischen Ausdrucks von Demut entfernte, der Verdacht erweckt hatte. Mit mehr Freimütigkeit und Unbefangenheit fuhr er fort: »Die Wahrheit zu sagen, ich bin einer von jenen schlauen Leuten, die sich nichts aus dem Streite machen, wenn sie nicht etwas haben, wofür sie streiten, und das war bei mir nicht der Fall, als ich mit diesen Taugenichtsen zusammen kam. Damit Euer Gestrengen aber wissen mögen, daß ich ein Mann von gutem Rufe und guter Gesinnung bin, so werft Eure Augen auf dieses Blatt.«
Herr Inglewood nahm das Papier und las halblaut: »Dies bezeugt, daß Inhaber dieses, Robert Campbell, aus – aus einem Ort, den ich nicht aussprechen kann,« redete der Richter dazwischen – »ein Mann von guter Herkunft und friedlichem Betragen ist, der in seinen eignen Angelegenheiten nach England reist etc. Gegeben von unsrer Hand in unserm Schloß Inver–Invera–rara.– Argyle.«
»Ich kenne den Herzog von Argyle,« sprach der Richter, »als einen ausgezeichneten Edelmann und einen echten Freund seines Vaterlandes. Ich wünschte, wir hätten mehr solche Edelleute. Sein Zeugnis ist völlig ausreichend, Herr Campbell – und nun berichtet, was Ihr über diese Raubgeschichte zu sagen habt.«
»Mit wenig Worten dies: Herr Morris könnte ebensogut ein Kind, das noch geboren werden soll, oder sogar mich selbst beschuldigen, als den Herrn Osbaldistone; denn ich kann nicht allein bezeugen, daß jener Mann, für den er ihn hielt, kleiner und dicker war, sondern auch, denn als sich die Larve verschob, habe ich etwas von seinem Gesicht gesehen – daß er andre Züge und andre Farbe hatte wie Herr Osbaldistone. Und ich glaube,« fügte er hinzu und wendete sich in einer ungezwungenen, aber etwas strengen Weise gegen Morris, »dieser Herr wird zugeben, daß er bessere Gelegenheit hatte, zu beobachten, wer dabei war, als er, da ich vermutlich der Kaltblütigere von uns beiden war.«
»Ich geb es zu, Herr – ich geb es völlig zu,« sagte Morris und bebte zurück, als Campbell mit seinem Stuhl ihm näher rückte. »Und ich bin geneigt,« fuhr er, zu dem Richter gewandt, fort, »meine Anzeige gegen Herrn Osbaldistone zurückzunehmen, und ich bitte Euch, Herr, ihm zu erlauben, seinen Geschäften nachzugehen, und mir dasselbe zu gestatten. Euer Gestrengen kann Geschäfte mit Herrn Campbell abzumachen haben, und ich habe es eilig.«
»Fort also mit den Anzeigen!« sprach der Richter und warf die Schrift ins Feuer. »Ihr seid nun gänzlich frei, Herr Osbaldistone – und Ihr, Herr Morris, könnt ruhig Eures Weges gehen.«
»Ja,« sprach Campbell mit einem Blick auf Morris, der mit jammervollem Gesicht des Richters Bemerkung beistimmte: »ja, so ruhig, wie eine Kröte, wenn sie unter der Egge liegt. – Aber fürchtet nichts, Herr Morris, wir müssen das Haus zusammen verlassen. Ich will Euch sicheres Geleit geben, – hoffentlich zweifelt Ihr nicht an meiner Ehre, wenn ich es sage – bis zur nächsten Landstraße, wo wir uns trennen; und wenn wir uns in Schottland nicht als Freunde wiedersehen, wird es Eure eigne Schuld sein.«
Mit einem Blick voll Entsetzen, wie ein verurteilter Verbrecher bei der Nachricht, daß der Karren ihn erwartet, stand Morris auf; aber dann schien er zu zögern. »Ich sage Dir, fürchte nichts,« wiederholte Campbell. »Ich werde mein Wort halten. Wie, Du Hasenherz, wie weißt Du denn, ob wir nicht etwas von Eurem Felleisen wiederfinden können, wenn Ihr guten Rat annehmen wollt? Unsere Pferde stehen bereit, sagt dem Richter Lebewohl, und zeigt Eure südliche, gute Lebensart.«
Auf diese Weise ermahnt und aufgemuntert, nahm Morris unter Campbells Geleite Abschied, aber gewiß waren neue Besorgnisse in ihm erwacht, ehe sie das Haus verließen, denn ich hörte, wie Campbell die Versicherung seines Schutzes wiederholte, als sie aus dem Vorzimmer gingen. »Meiner Treu, Mann! Du bist so sicher, wie in Deines Vaters Hofe. Daß ein Mensch mit einem so schwarzen Barte nicht mehr Herz hat wie ein Rebhuhn! Kommt!« Die Stimme verhallte, und das darauf folgende Trappeln der Pferde verkündete uns, daß sie das Haus verlassen hatten.
Die Freude dieses würdigen Richters über die leichte Beendigung einer Sache, die ihm etwas Mühe zu machen drohte, wurde durch die Betrachtung gedämpft, was sein Schreiber bei der Rückkehr zu dieser Verhandlung sagen würde. »Nun werd ich den Jobson auf dem Halse haben wegen dieser verdammten Papiere. – Ich hätte sie dennoch wohl nicht verbrennen sollen. – Aber, der Henker hol's, man darf ihm nur seine Gebühren bezahlen, und das wird alles gleich machen. Und nun, Fräulein Diana Vernon, obwohl ich alle andern freigelassen habe, möchte ich doch gegen Euch einen Verhaftsbefehl ausfertigen, und Euch für den Abend dem Gewahrsam der Mutter Blakes, meiner alten Haushälterin, übergeben. Wir wollen meine Nachbarin, Frau Musgrave, und die Fräulein Dawkins und Eure Vettern holen lassen, und den alten Geiger Cobs rufen, und uns lustig machen. Herr Franz Osbaldistone soll eins mit mir trinken, und in einer halben Stunde werden wir zu Eurer Gesellschaft geschickt sein.«
»Schuldigsten Dank!« erwiderte Diana; »aber wie die Sachen stehen, müssen wir sogleich nach dem Schlosse zurück, wo man nicht weiß, was aus uns geworden ist, und meinen Oheim wegen seines Neffen beruhigen, so gut, als wenn es einen seiner eignen Söhne betreffe.«
»Ich glaub es treulich,« sprach der Richter. »Eilt heim, und beruhigt seine väterliche Bekümmernis, da Ihr einmal gehen müßt. – Doch höre, Heideblümchen,« sprach er im gutlaunigen Tone der Vermahnung und zog sie bei der Hand nach sich hin. »Ein andermal laß dem Gesetz seinen Lauf, und stecke Deine niedlichen Finger nicht in die alte schimmelige Pastete voll Brocken von Gesetzlatein, Französisch und Hundelatein. Und, schönes Dianchen, laß die jungen Männer sich einander selbst den Weg zeigen durchs Marschland, Ihr könntet einmal Euren Weg verlieren, wenn Ihr ihnen den ihrigen zeigt, mein schmuckes Irrlicht.«
Mit dieser Vermahnung küßte und entließ er Fräulein Vernon und nahm einen ebenso freundlichen Abschied von mir.
»Du scheinst ein guter, netter Junge zu sein, Franz, und ich erinnere mich auch Deines Vaters – wir waren Schulkameraden. Höre, Bursche, reite nicht so spät in der Nacht, und tue nicht groß gegen unbekannte Reisende aus der Landstraße. Und hier ist die arme Diana Vernon – gewissermaßen allein und verlassen auf der weiten Erde, und kann reiten und laufen und sich trollen, nach ihrem eignen närrischen Gefallen. Du mußt Sorge tragen für Diana, oder, meiner Treu! ich werde wieder jung, und schlage mich mit Dir, so beschwerlich mir es auch sein würde. Und nun begebt Euch beide heim, und überlaßt mich meiner Tabakspfeife und meinen Betrachtungen.«
Ich freute mich sehr über die Strahlen von Verstand und Gefühl, welche der Richter aus dem Nebel von Trägheit und Weichlichkeit hervorbrechen ließ, dankte ihm für seine Ermahnungen und nahm freundlichen Abschied von dem wackern Mann und seiner gastfreundlichen Wohnung.
Wir fanden denselben Diener meines Oheims, der uns bei der Ankunft die Pferde abgenommen hatte, und der, wie er Fräulein Vernon berichtete, von Rashleigh beauftragt worden war, zu warten und uns nach Hause zu begleiten. Wir ritten eine Weile fort, ohne zu sprechen, denn mein Gemüt war zu sehr mit den Ereignissen des Morgens beschäftigt, als daß ich das Schweigen hätte brechen sollen. Endlich rief Diana, gleichsam ihren innern Bewegungen Luft machend:
»Ja, Rasleigh ist zu fürchten, zu bewundern, und alles, nur nicht zu lieben! Er tut, was ihm gefällt, und macht alle andern zu seinen Puppen, hat einen Schauspieler bereit für jede Rolle, die er sich vorsetzt, und weiß für jeden unvorhergesehenen Fall bequeme Mittel zu finden.«
»Ihr glaubt also,« sprach ich, mehr den Sinn als den bestimmten Ausdruck ihrer Worte erwägend, »daß dieser Campbell, der so glücklicherweise erschien und meinen Ankläger ergriff und heimführte, wie der Falke das Rebhuhn, ein Gehilfe Rashleighs gewesen sei?«
»Ich vermute es,« erwiderte Diana, »und glaube ferner, daß er schwerlich so zu rechter Zeit erschienen wäre, wenn ich Rashleigh nicht im Eingang des Hauses getroffen hätte.«
»In diesem Fall bin ich vorzüglich Euch Dank schuldig, meine schöne Retterin.«
»Allerdings,« erwiderte Diana, »und ich bitte, denkt, er sei entrichtet und mit gnädigem Lächeln aufgenommen, denn ich mag nicht die Mühe haben, ihn im Ernst anzuhören, und dürfte wohl eher dabei gähnen, als mich gebührend betragen. Kurz, Herr Franz, ich wünschte Euch einen Dienst zu leisten; glücklicherweise war ich es imstande, und das einzige, was ich dagegen verlange, ist, daß Ihr nicht weiter davon sprecht. – Doch, wer kommt uns hier entgegengesprengt, glühend rot vor Eile? Es ist, glaub' ich, niemand weniger, als der Schreiber Jobson.«
Und dieser war es wirklich, sehr eilfertig, und, wie es sich bald zeigte, in höchst übler Laune. Er ritt auf uns zu und hielt sein Pferd an, als wir mit leichter Begrüßung vorüber wollten.
»So, Herr – so, Fräulein Vernon – ei, ich sehe wohl, wie's steht, wahrscheinlich Bürgschaft gestellt während meiner Abwesenheit? – Ich möchte wissen, wer die Ausfertigung gemacht hat. Wenn der Herr Friedensrichter oft auf diese Art verfährt, so rat' ich ihm, sich einen andern Schreiber zu suchen, denn ich werde sicher abgehen.«
»Was macht der Pächter Rutledge?« erwiderte Diana. »Ich hoffe, er konnte noch unterzeichnen, siegeln und übergeben?«
Diese Frage schien den Schreiber in noch größern Zorn zu versetzen.
»Pächter Rutledge, Fräulein?« sagte der Schreiber, sobald sein Unwille ihm zu sprechen erlaubte. »Er ist so gesund und auf dem Posten, wie Ihr selber. Lauter Blendwerk, Betrug und Arglist, diese Geschichte von seiner Krankheit, und wenn Ihrs nicht vorher gewußt habt, Fräulein, so wißt Ihrs nun.«
»Seht einmal an!« erwiderte Diana mit erkünsteltem Erstaunen. »Was Ihr nicht sagt, Herr Jobson!«
»Aber ich sage so, Fräulein,« entgegnete der aufgebrachte Schreiber, »und ich sage überdies, der alte elende Wicht hat mich Zungendrescher genannt, – Zungendrescher, Fräulein, – und er hat gesagt, ich wollte nur nach einem Erwerb jagen. Ich, ein Friedensschreiber!«
»Ich fürchte, Rutledge hat seine Unhöflichkeit nicht auf Worte beschränkt,« antwortete Diana, der es Vergnügen zu machen schien, ihn noch mehr zu reizen. »Seid Ihr gewiß, daß er Euch nicht geschlagen hat?«
»Geschlagen, Fräulein? Kein lebendiger Mensch soll mich schlagen, das versprech ich Euch, Fräulein.«
»Das kommt darauf an, wie Ihrs verdient, Herr,« sprach ich; »denn Eure Art, mit diesem jungen Fräulein zu reden, ist so unschicklich, daß ich, wenn Ihr nicht den Ton ändert, es selbst der Mühe wert achten werde, Euch zu züchtigen.«
»Züchtigen, Herr? – Und – mich, Herr? Wißt Ihr, mit wem Ihr sprecht, Herr?«
»Ja, Herr,« erwiderte ich. »Ihr selbst nennt Euch Friedensschreiber, und Gaffer Rutledge nannte Euch Zungendrescher, und in keiner der beiden Eigenschaften seid Ihr berechtigt, gegen ein Frauenzimmer von Stande unartig zu sein.«
Diana legte die Hand auf meinen Arm. »Kommt, Herr Osbaldistone!« rief sie. »Herr Jobson soll nicht angefallen und geschlagen werden. Ich bin nicht mildtätig genug gegen ihn, um ihn ein einzigmal von Eurer Peitsche berühren zu lassen – er würde davon eine Zeitlang leben können. Ueberdies habt Ihr sein Gefühl schon hinlänglich gekränkt, – Ihr habt ihn unartig genannt.«
»Ich achte seine Worte nicht, Fräulein,« sprach der Schreiber etwas kleinlaut. »Unartig ist auch keine Injurie; aber Zungendrescher ist eine Schimpfrede der ärgsten Art, und der Pächter soll es auf seine Kosten erfahren, und so ein jeder, der es boshaft wiederholt, um den öffentlichen Frieden zu brechen und mir meinen besondern guten Namen zu entwenden.«
»Laßts gut sein, Herr Jobson,« sprach Diana. »Ihr wißt, wo nichts ist, hat nach Eurem Gesetz selbst der König sein Recht verloren, und was das Entwenden Eures guten Namens betrifft, so bedaure ich den armen Schelm, der ihn erhält, und wünsch' Euch von Herzen Glück zu dem Verluste.«
»Sehr wohl, Fräulein – guten Abend, Fräulein. – Ich habe nichts mehr zu sagen, als daß es Gesetze gegen die Papisten gibt, die man zum Wohl des Landes besser vollziehen sollte. Sie können zum Eid gezogen werden, und es gibt Strafen für die, welche die Messe hören nach Königin Elisabeth und Jakob I. – Also und vor allem – denn ich spreche zu Eurer Warnung – Ihr, Diana Vernon, unverheiratet und ohne gesetzlichen Beschützer, eine überwiesene Papistin, seid verbunden, Euch in Eure Wohnung zu begeben, und das auf dem nächsten Wege, bei Strafe des Ungehorsams gegen den König. Gute Nacht, Fräulein, und denkt daran, das Gesetz versteht keinen Spaß!«
Und wir ritten auseinander.
»Es gibt drei Dinge,« sagte Fräulein Vernon nach kurzer Pause, »um derentwillen ich sehr zu bedauern bin, wenn's jemand der Mühe wert hält, seine Teilnahme an mir zu verschwenden.«
»Und worin bestehen diese drei Dinge, Fräulein Vernon?«
»Wollt Ihr mir Euer innigstes Mitgefühl versprechen, wenn ichs Euch sage?«
»Gewiß! Könnt Ihr daran zweifeln?« erwiderte ich, indem ich näher an ihre Seite ritt, mit dem Ausdruck eines Anteils, den ich nicht zu verbergen suchte.
»Gut, es ist auf alle Fälle sehr verführerisch, bedauert zu werden. Erstlich bin ich ein Mädchen und nicht ein Jüngling, und würde ins Tollhaus gesperrt werden, wenn ich die Hälfte von dem täte, wozu ich Lust habe.«
»Ich kann Euch in diesem Punkte nicht ganz die Teilnahme gewähren, die Ihr erwartet,« erwiderte ich. »Das Unglück ist so allgemein, daß es die eine Hälfte der Menschen trifft, und die andre Hälfte –«
»Ist um so vieles besser bedacht, daß sie eifersüchtig auf ihre Vorrechte ist,« fiel Diana ein; »ich vergaß, daß Ihr dazu gehört. Doch wir wollen sehen, ob wir bei der zweiten Klage gegen das Schicksal besser übereinstimmen. Ich gehöre zu einer unterdrückten Sekte, zu einem veralteten Glauben. Anstatt durch meine Andacht Beifall zu erwerben, wie es allen guten Mädchen sonst gebührt, kann mich mein gütiger Freund, der Richter Inglewood, in ein Besserungshaus schicken, bloß weil ich Gott nach der Weise meiner Väter verehre, und kann sagen, wie der alte Pembroke zur Aebtissin von Wilton sagte, als er sich ihres Klosters bemächtigte: »Geh und spinne, Du Weibsbild – geh und spinne.«
»Das ist kein unheilbares Uebel,« sprach ich ernst. »Fragt einige unsrer gelehrten Geistlichen, fragt Euren eignen, vortrefflichen Verstand, und gewiß, die Abweichungen unsers religiösen Glaubens von dem, worin Ihr erzogen wurdet –«
»Still!« sagte Diana, den Finger auf den Mund legend, »still, nichts mehr davon! Den Glauben meiner tapfern Väter verlassen! Ebenso gut wollt ich, wenn ich ein Mann wäre, ihr Banner verlassen, wo der Sturm der Schlacht am härtesten es bedrängte, und wie ein feiger Mietling zu dem siegreichen Feinde übergehen.«
»Ich ehre Euren Mut, Fräulein, und in bezug der Unannehmlichkeiten, denen er Euch aussetzt, kann ich nur sagen, daß die Wunden, welche man für die Sache des Gewissens erleidet, ihren eignen Balsam mit sich führen.«
»Ja, aber sie sind bei alledem schmerzlich und ergreifend. Doch ich sehe, hart von Herzen, wie Ihr seid, rührt es Euch so wenig, daß ich Hanf klopfen, oder Flachs in groben Fäden ziehen soll, als wenn ich, statt Filzhut und Kokarde, die Haube zu tragen verurteilt wäre: ich will mir daher die fruchtlose Mühe ersparen, Euch die dritte Ursache meines Kummers zu sagen.«
»Nein, teures Fräulein, entzieht mir Euer Vertrauen nicht, und ich verspreche Euch die Teilnahme, die Euer so seltsames Mißgeschick verdient.«
»Es ist in der Tat ein Unglück,« sprach Diana, mit sehr verändertem Ausdruck und ernster, als sie bisher ausgesehen hatte, »das wohl Mitleid verdient. Ich bin von Natur, wie Ihr leicht bemerken könnt, freimütig und unbefangen – ein richtiges, ehrliches Mädchen, das gern offen und redlich gegen die ganze Welt handeln möchte; aber das Schicksal hat mich in so viele Netze und Schlingen verwickelt, daß ich kaum ein Wort zu sprechen wage, aus Furcht vor bösen Folgen – nicht für mich, sondern für andre.«
»Das ist in Wahrheit ein Unglück, das ich aufrichtig bedaure, aber ich hätte mir dergleichen freilich nicht träumen lassen.«
»O, Herr Osbaldistone, wenn Ihr nur wüßtet – wenn irgend jemand wüßte, wie schwer es mir zuweilen wird, ein leidendes Herz unter einer heitern Stirne zu verbergen, Ihr würdet mich gewiß bedauern. Es ist vielleicht unrecht, Euch nur so viel von meiner Lage zu berichten. Aber Ihr seid ein Mann, der Verstand und Scharfsinn besitzt – Ihr müßt unfehlbar das Verlangen haben, hundert Fragen zu stellen über die Ereignisse dieses Tages, über Rashleighs Anteil an Eurer Befreiung aus dieser Schlinge, über so viele andre Dinge, die Eure Aufmerksamkeit erregen müssen. – Ich kann mich nicht dahin bringen, Euch mit der nötigen Verstellung und Verschlagenheit zu antworten, ich würd' es ungeschickt machen, und Eure gute Meinung, wenn ich etwas davon besitze, sowie meine eigne verlieren. Am besten ist es, Euch auf einmal zu sagen: Fragt mich nach nichts; es steht nicht in meiner Macht, Euch zu antworten.«
Diana sprach diese Worte in einem Tone der Innigkeit, der nicht ohne Eindruck auf mich bleiben konnte. Ich versicherte ihr, sie habe weder zudringliche Fragen, noch Mißdeutungen zu befürchten, wenn sie diejenigen Fragen zu beantworten ablehne, die an sich verständig oder wenigstens natürlich wären. Ich bitte und hoffe nur, daß sie meine Dienste, wenn sie ihr irgend einmal nützlich sein könnten, ohne Bedenken verlangen möge.
»Dank Euch, Dank Euch!« erwiderte sie. »Eure Stimme hat nicht den Kuckucksruf der Schmeichelei, sondern sie tönt wie die eines Mannes, der weiß, wozu er sich anbietet. Wenn – aber es ist unmöglich – und dennoch, wenn sich eine Gelegenheit darbieten sollte, so will ich Euch fragen, ob Ihr dieses Versprechens gedenkt, und ich werde gewiß nicht böse sein, wenn ich finde, daß Ihr es vergessen habt. Es ist genug, Ihr meint es jetzt aufrichtig mit Euren Vorsätzen – es kann sich viel zutragen, was dieselben ändert, eh' ich Euch auffordere, wenn dieser Augenblick je erscheinen sollte, Diana beizustehen, als ob Ihr Dianas Bruder wäret.«
»Und wenn ich Dianas Bruder wäre,« sprach ich, »würde die Möglichkeit, daß ich Euch meinen Beistand versagte, nicht geringer sein können. – Und nun fürcht ich, nicht fragen zu dürfen, ob Rashleigh aus freien Stücken sich um meine Befreiung beworben habe.«
»Mich nicht, aber Ihr könnt ihn selbst fragen, und verlaßt Euch darauf, er wird ja sagen.«
»Und darf ich nicht fragen, ob dieser Campbell es selbst war, der Morris sein Felleisen abnahm? Oder ob der Brief, welchen unser Freund, der Schreiber, erhielt, listig erfunden worden war, um ihn vom Schauplatze zu entfernen, damit er meine Befreiung nicht verhindern sollte? Und ich darf nicht fragen –«
»Ihr dürft mich gar nichts fragen,« fiel Diana ein; »daher ist es ganz umsonst, Fälle anzunehmen. Ihr müßt eben denken, ich hätte Euch auf diese Fragen und auf zwanzig andre ebenso gut zungenfertig Bescheid gegeben, wie Rashleigh es getan hätte. Merkt Euch, wenn ich den Finger so an mein Kinn lege, ist es ein Zeichen, daß ich über einen Gegenstand, der eben Eure Aufmerksamkeit beschäftigt, nicht sprechen kann. Ich muß mit Euch Zeichen des Einverständnisses festsetzen, weil Ihr mein Vertrauter und Ratgeber sein sollt, ohne jedoch das Geringste von meinen Angelegenheiten zu wissen.«
»Nichts kann vernünftiger sein,« erwiderte ich lachend; »und verlaßt Euch darauf, so ausgedehnt Euer Vertrauen ist, so scharfsinnig werden meine Ratschläge sein.«
Unter dieser Art von Unterhaltung, die uns sehr heiter gegen einander stimmte, erreichten wir das Schloß.
»Bringt etwas zu essen für den Herrn Osbaldistone und mich in den Büchersaal,« sprach Diana zu einem Diener. – »Dieser Büchersaal,« setzte sie hinzu, »ist meine Höhle – der einzige Winkel im Schlosse, wo ich vor den Urang-Utangen, meinen Vettern, sicher bin. Sie wagen sich nie dahin, vermutlich aus Furcht, die Folianten möchten herabfallen und ihnen den Schädel einschlagen; denn auf andre Art werden sie nie mit ihren Köpfen in Berührung kommen. – Also folgt mir.«
Und ich folgte ihr durch Halle und gewölbten Gang und auf der Wendeltreppe, bis wir das Zimmer erreichten, wohin sie die Erfrischungen zu bringen befohlen hatte.