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Zehntes Kapitel.

Nicht mehr sollst Du der Schwester Antlitz sehen;
Sie hat Dich schon zum letztenmal umarmt.

Elegie.

Diese zweite Ueberraschung war Jeanie durch den Stab desselben wohlwollenden Zauberers geworden, dessen Macht ihren Vater von den St. Leonard's-Felsen zu den Ufern des Garesees verpflanzt hatte. Der Herzog von Argyle war kein Mann, die von seinem Großvater ererbte Schuld unbezahlt zu lassen. Er zog Erkundigungen über Butler ein, und da alle Berichte zu seinem Vortheil sprachen, bestimmte er ihm die so eben frei gewordene Pfarre von Knocktarlitie.

Wir haben früher gesehen, daß David Deans einiges Vorurtheil gegen Butler hegte, und größtentheils mochte wohl die Neigung des armen Schulgehülfen für seine Tochter Schuld daran sein. Butler's lebhafte Theilnahme an seinem Unglück, in einer Zeit, wo Jeanie fern war, und Deans seine Anhänglichkeit mehr auf sich selbst bezog, hatte ihn bereits viel milder gestimmt. Ein andres gleichzeitiges Ereigniß trug dazu bei, diese günstige Stimmung zu erhöhen.

Nachdem die erste Bestürzung über Effie's Flucht vorüber war, machte Deans es zu seiner ersten Sorge, dem Lord von Stummendeich das Geld, welches er zu den Gerichtskosten und zu Jeanie's Reise vorgestreckt, zurückzuzahlen. Der Lord, der Klepper, der Tressenhut und die Tabackspfeife waren sehr lange nicht zu St. Leonard's gesehn worden. Deans mußte sich also selbst zum Schlosse Stummendeich verfügen.

Er fand hier ein ganz unerwartetes Treiben. Arbeiter aller Art liefen hin und her, rissen die alten Tapeten ab, befestigten neue, hämmerten, malten, strichen an, scheuerten, wuschen. Das alte Haus, so lange die Wohnung der Trägheit und des Schweigens, war nicht wieder zu erkennen. Der Lord selbst schien in einiger Verwirrung, und sein Empfang, wenn gleich freundlich, hatte nicht jene achtungsvolle Herzlichkeit, mit welcher er sonst David Deans zu begrüßen pflegte. Auch in seinem Aeußern war eine Veränderung vorgegangen. Der alte Hut war gebürstet, die Tressen daran aufgefrischt, und anstatt rückwärts und vorwärts auf dem Kopf des Lords zu schlottern wie sonst, war er mit einer gewissen Schlauheit quer hinein über das eine Auge gedrückt.

David Deans sagte weshalb er komme, und zählte das Geld auf. Stummendeich sah es mit großer Genauigkeit durch, und unterbrach Deans, der von Juda Rettung aus der Gefangenschaft sprach, einigemal mit der Bemerkung, dies oder jenes Goldstück scheine ihm zu leicht. Als er über diesen Punkt zufriedengestellt war, das Geld eingestrichen, und einen Empfangschein ausgestellt hatte, fragte er mit einigem Zögern, ob Jeanie nicht geschrieben?

»Wegen des Geldes meinen Sie?« sagte David; »freilich that sie das.«

»Und hat sie weiter nichts von mir geschrieben?« fragte der Lord wieder.

»Nichts mehr als fromme christliche Wünsche. – Was sollte sie denn noch schreiben?« sagte Deans, in voller Erwartung, des Lords langwieriges Liebeswerben werde nun zum Schluß kommen. Und so kam es wirklich, aber nicht zu dem Schluß, den Deans wünschte oder erwartete.

»Nun, sie muß selbst am besten wissen, was sie zu thun hat. – Hanne Balchristie und ihre Nichte habe ich aus dem Hause gejagt. Es war nichtswürdiges Pack, sie stahlen mir das Weiße aus den Augen. – Morgen früh laß ich mich trauen, und Sonntag halte ich den Kirchgang.«

Was David Deans auch in diesem Augenblick fühlen mochte, er war zu stolz und zu eisern, es in Miene und Betragen sichtbar werden lassen.

»Er, in dessen Hand es steht, verleihe Ihnen Glück, Herr. Die Ehe ist ein ehrenwerther Stand.«

»Und ich heirathe in eine ehrenwerthe Familie, David. Des Lords von Habegern jüngste Tochter. Sie hat ihren Kirchstuhl dicht neben meinem, und da ist es mir eingefallen.«

Es war hier weiter nichts zu thun, als dem Lord noch einmal Glück zu wünschen, ein Gläschen von seinem Branntwein zu trinken, und wieder nach St. Leonard's zurück zu wandern, in tiefem Nachdenken über die Veränderlichkeit menschlicher Dinge und menschlicher Gesinnungen. Die Hoffnung, Jeanie werde noch eines Tages Lady Stummendeich sein, war lebhafter in ihm gewesen, als er es selbst wußte. Wenigstens hatte es seiner Meinung nach bis jetzt nur bei Jeanie gestanden, sie zur Wirklichkeit zu machen, und nun war sie auf immer verschwunden. Nicht in der besten Laune kehrte Deans daher nach Hause zurück. Er war ärgerlich auf Jeanie, dem Lord keine Aufmunterung gegeben zu haben, ärgerlich auf den Lord, daß er der Aufmunterung bedurfte, und ärgerlich auf sich selbst, daß er sich über die ganze Sache ärgerte.

Bei seiner Heimkehr fand er sich von dem Geschäftsführer des Herzogs, der noch Einiges mit ihm abzumachen hatte, nach Edinburg berufen. Nachdem er mit diesem über seine eigenen Angelegenheiten gesprochen, befragte er ihn über den kirchlichen Zustand seines künftigen Wohnorts. Jener sagte ihm unter anderm, der Herzog habe einem sehr braven jungen Geistlichen, Namens Ruben Butler, die Pfarrstelle des dortigen Kirchspiels zugedacht.

»Ruben Butler!« rief Deans. »Ruben Butler, der Schulgehülfe zu Libberton?«

»Derselbe. Seine Durchlaucht hat sehr viel Gutes von ihm gehört, und hat einige Verpflichtungen gegen ihn. Der Herzog ist gesonnen, ihn sehr gut zu stellen.«

»Verpflichtungen! – Der Herzog! – Ruben Butler!« rief Deans einmal über das andere in höchstem Erstaunen, denn Butler's bisheriges Mißlingen aller seiner Unternehmungen hatte ihn diesen als einen jener Stiefsöhne des Glücks betrachten lassen, die zu verfolgen es nimmer ermüdet.

Man findet sich vielleicht nie so geneigt, vortheilhaft von einem Freunde zu denken, als wenn man ihn in der Meinung Andrer höher stehn sieht als man glaubte. David Deans, von der Wirklichkeit dieses glücklichen Wechsels überzeugt, lobte jetzt Butler gar sehr, und schrieb sich einen großen Theil seines Gelingens zu. Er habe seiner Großmutter, die nur eine einfältige Frau war, gerathen, ihn zum geistlichen Stande zu erziehn, sagte er, indem er vorher gesehen, der junge Mensch würde einst ein reiner Pfeiler im Tempel werden.

David Deans mochte sich gern ein Ansehen geben. Er ließ Butler rufen, um der Erste zu sein, der eine so wichtige Nachricht verkündete, und er begleitete sie mit gar manchen guten Lehren und Warnungen. Ruben hatte bereits erfahren, was Deans ihm mitzutheilen gedachte, allein die Liebe gab ihm bei dieser Gelegenheit eine List, die sonst nicht in seinem Wesen lag. Er that als ob er noch nichts von dem Vorschlag wisse, ließ Deans allerlei Zweifel, die er selbst dagegen aufwarf, auch selbst wieder beseitigen, ohne ihm im Geringsten zu widersprechen, und freundschaftlicher als je begegneten sie bald sich in ihrem jetzt gegenseitigen Wunsch, daß Jeanie Ruben Butler's Ehefrau werden solle.


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