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[173]Die
Jungfrau vom See.


Fünfter Gesang.
[174] [175]Der Kampf.


S chön wie des Morgenlichtes frühster Strahl,
Wenn er, vom irren Wanderer erblickt,
Erscheint durch nächtlich Graun zum erstenmal,
Und Silberglanz zum Gießbach niederschickt,
Und Gold umsäumt den Pfad vom Berg zum Thal; –
Schön wie der Strahl, wenns auch der schönste wäre,
Erscheint, veredelnd jede Erdenqual,
Im Krieg der Stern der Rittertreu und Ehre,
Wie finster wüthend auch des Krieges Sturm verheere.

      Der helle Strahl, so schön und frisch,
Blinkt durch des Haselstrauchs Gebüsch,
Als, auferwecket durch sein Glühn,
Ihr niedrig Bett die Krieger fliehn.
[176]Sie schaun zum bunten Himmel auf,
Murmeln ihr Frühgebet darauf,
Und schüren dann das Feuer hell,
Die rohe Kost zu rösten schnell.
Rasch schlang der Gael nun um sich weit
Den schönen farbenreichen Plaid,
Und führte, fest nach seinem Wort,
Durch Dickicht und durch Berge fort.
Ein wilder Fußpfad! – Jetzo gehn
Sie auf der Berge höchsten Höhn;
Vor ihnen liegt die reichste Gegend,
Der Forth und Teeth sich oft bewegend,
Und aller Thäler ferne Krümmen,
Bis Stirlings Thürme fern verschwimmen.
Dann, tief im Buschwerk, reicht nicht mehr
Ihr Blick so weit als Reiters Speer.
So steil wars oftmals, daß dem Fuß
Die Hand hier selber helfen muß;
Oft ist der Durchweg ganz verworrn,
Mit Thau netzt sie der Hagedorn.
O Demant-Thau, so klar und rein
Kann nur der Schönheit Thräne sein! [177]

      Sie kamen endlich hin, wo jäh
Und steil zum Thal sich senkt die Höh.
Hier Vennachar, in Silberschein,
Benledi dort, Gestein auf Stein.
So mußte sich der Hohlweg winden
Stets unter Klippen und an Gründen.
Es können gegen Feinds Gewalten
Wohl hundert Mann den Durchweg halten.
Des Berges dürftig Kleid sind Sträuche,
Verkrüppelt von der Birk und Eiche,
Felsriffe, kahle Schieferflecke,
Und Farrenkraut in weiter Strecke,
Schwarz Haidekraut, das so hoch weht,
Wie kaum das Knieholz selber steht.
Doch an des Seees stillem Spiegel
Bedecken Weiden Sumpf und Hügel.
Oft war auch Pfad und Berg durchbrochen,
Wo ihn der Winterstrom durchstochen,
Und auf das Thal hinunterstieß
Die Last von Sand und Fels und Kies.
So mühsam ging der Pfad entlang.
Der Führer mäßigt jetzt den Gang,
[178]Und, langsam führend in den Schlünden,
Fragt er Fitz-James, aus welchen Gründen
Er in die Wildniß käm, in die
Ohn Rodrichs Paß sonst Niemand zieh?

      »Mein längst erprobter Paß, o Gael,
Hängt hier am Gürtel sonder Hehl,
Doch glaubt ich,« rief der Sachs, »auf Ehre,
Nicht, daß sein Beistand nöthig wäre.
Als ich mich hierher, vor drei Tagen,
Auf Wildes Spur verirrt im Jagen,
Schien Alles still in Friedens Hut,
Wie dort am Berg der Nebel ruht;
Dein Herr war fern zum Krieg gewallt,
Und Niemand harrte sein so bald.
Vom Führer hab ichs so gehört,
Doch hat mich der vielleicht bethört.«
– »Doch weshalb kamst du wiederum?«
– »Ein Krieger du, und fragst: warum?
Ist Laufgesetzen unterthan
Denn unsres freien Ganges Bahn?
Genug, ich wollt bei Friedens Rast
[179]Verthun der müßigen Stunden Last,
Dann gnügt ein kleiner Grund, zu leiten
Des Ritters Fuß in ferne Weiten.
Des Falken, Hundes Flüchtigkeit,
Ein Blick der schönen Bergesmaid,
Ja, – soll ein Pfad gefährlich sein,
So reizt schon die Gefahr allein.«

      »Behalte dein Geheimniß fort!
Doch eh du wieder kamst von dort,
Sprich, war im Thal von keiner Fehde
Mars gegen Alpines Stamm die Rede?«
– »Nein wahrlich! – Nur von Schaaren hört ich,
Zum Schutz der Jagd des Königs fertig.
Doch zweifl' ich nicht, daß wenn sie wüßten
Von eurer Berggenossen Rüsten,
Bald würden hier die Fahnen wehn,
Die sonst in Doune ganz friedlich stehn.«
– »Frei laß sie wehn! Wir müßten klagen,
Wenn Motten ihre Seide nagen;
Frei wehn! – Damit die stolze Fichte
Sich auf in Alpines Banner richte!
[180]Doch, Fremder, da auf Wildes Spur
Verirrt, du friedlich nahtest nur,
Warum Verwünschungen, gemeint
Als wärst du Alpines ärgster Feind?«
– »Noch gestern kannt ich deinen Herrn,
Kriegsmann, den Rodrich, nur so fern,
Als den verwiesnen Aufruhrsschürer,
Des wild empörten Stammes Führer,
Der in des Königs Angesicht
'Nen Ritter mörderisch ersticht.
Wer Recht und Treue noch mag ehren,
Den kann schon dieses von ihm wehren.« –

      Voll Ingrimm solcher Schmähung, schoß
Zornblicke fort der Stammgenoß.
Erst schwieg, dann sprach er ernst entgegen:
»Hörtst du, weshalb er zog den Degen,
Das Schandwort, das die Ehr zerfleischte,
Und laut des Häuptlings Rache heischte?
Was hemmt der Ort des Häuptlings Wuth,
Obs Hochland ist, ob Holy-Rood?
Er rächt das Unrecht, wos geschah,
[181]Und wärs am Himmel oben da.«
– »Gewaltthat bleibts! Doch schlimm die Zeit,
Wo nicht der Fürst nach Pflicht gebeut.
Damals hielt kraftlos Albany
Den Königs-Scepter, den er lieh,
Es blieb in Stirlings Thürmen wenig
Von Ehr und Macht dem jungen König. –
Doch deines Häuptlings Räuber-Fleiß! –
Ohn Ursach schweift, um niedern Preis,
Ins Thalland ihr, ins weit entfernte,
Und raubt der Armen Heerd und Erndte! –
Ein Geist, wie deiner, muß verschmähen
Solch eines Waidwerks Schandtrophäen.« –

Damals hielt kraftlos Albany
Den Königs-Scepter, –

Es gibt wohl keinen Zeitraum in der Schottischen Geschichte, wo weniger Ordnung im Reiche gewesen, als den auf die Schlacht bei Flodden folgenden, bis zur Mündigkeit James des Fünften. Fehden, welche lange geruht, brachen wie alte Wunden aus, und jeder entstehende Zwist unter dem Adel verursachte neues Blutvergießen. Auch wurde es nicht besser unter der Herrschaft des Grafen von Angus. Denn obgleich er den König durch ganz Schottland unter dem Vorwande, die Gerechtigkeit zu handhaben und Verräther und Diebe zu strafen, reiten ließ, so konnte man von jenen keine ärgere, als in seinem eignen Gefolge auffinden. Namentlich durften die Douglasse Alles thun, und keine Klage gegen einen Douglas wurde gehört.

      Grimm blickt des Gaelen Angesicht,
Er lächelt höhnisch dann und spricht: –
»Wohl merkt ichs, Sachs, als von den Höhn
Du hochentzückt hinabgesehn,
Dort fernhin, wo in Ost und Süd
In lustigem Tausch vorüberflieht
Die grüne Wiese, üppige Felder,
Ein sanfter Abhang, schöne Wälder: –
[182]Dies Thal, voll Segen und voll Heil,
War einst des Gaelen erblich Theil;
Der Fremde kam mit Eisenhand,
Und nahm den Vätern dieses Land.
Wo sind wir jetzt! Wild thürmt ein Hauf
Von Felsen sich auf Felsen auf.
Und fragen wir den wilden Berg
Nach Rindern und der Nahrung Werk,
Und dieses Schieferfeld nach Heerden,
Mag wohl uns diese Antwort werden:
Euch, wie den Vätern einst, gehört
Die Tartsche und das breite Schwert.
Bei mir hab ich euch Schutz gewährt,
Den Rest erringe euer Schwert.
In Nordlands Veste hier umschlossen,
Ziemts nicht, daß wir, hinausgeschossen
Vom Räuber rauben, nach der Kraft,
Vom Plündrer, was er uns entrafft? –
Ich schwörs: – So lang im Thale vorn
Der Sachse schürt 'nen Haufen Korn,
So lange von zehntausend Heerden
Noch zwei am Fluß gesehen werden,
[183]Wird auch der Gael mit Eisenhand
Erobern, was man ihm entwand.
Nenn mir den Häuptling, der nicht glaubt,
Wenn er in Thallands Ebnen raubt,
Er fordre sonst etwas als Rache?
Such Andres gegen Rodrichs Sache.«

Dies Thal, voll Segen und voll Heil,
War einst des Gaelen erblich Theil.

Die Gaelen, unter welchen die Geschichte durch Ueberlieferung lebte, vergaßen nie, daß ihren Celtischen Vorfahren das niedere Land gehört habe, und hielten es daher durchaus nicht für entehrend, einen Raubzug (foray) hinab zu unternehmen; vielmehr war jeder junge Häuptling bemüht, seine ersten Kräfte und Anlagen in der geschickten Ausführung eines solchen Plünderzuges gegen die Sachsen (Sassenach), wie die Gaelen alle Bewohner des niedern Landes nannten, zu zeigen.

      Fitz-James spricht drauf: »Und glaubst du fest,
Daß sich nichts Andres finden läßt?
Weshalb im Weg der Hinterhalt,
Geweiht mein Leben der Gewalt?«
– »Dein Lohn, weil du zu viel gewagt.
Hätt'st du's zuvor ihm treu gesagt:
Ich such den Falken oder Rüden, –
Ein Hochlandsmädchen nur in Frieden, –
Frei hätt'st du können gehn als Freund,
Geheimer Pfad, geheimer Feind!
Doch wärst du selber als Spion
Nicht ungehört verdammet schon,
Heischts nicht der Prophezeihung Drohn.«
– »Wohl! laß es gehn. Ich will nicht suchen
Nach neuem Grund, um ihm zu fluchen,
[184]»Damit dein Zorn nicht möge brechen;
Genug, fest stehet mein Versprechen,
Zu streiten gegen jenen Frechen;
Zweimal besucht ich Alpines Thal
In Frieden; komm ich noch einmal,
Komm ich mit Banner, Schwert und Bogen,
Den Todfeind suchend, hergezogen.
Nie harrte inniger und betrübter
Der holden Stunde ein Geliebter,
Als ich, bis einst vor mir erscheinen
Der freche Häuptling mit den Seinen.« –

      »Hab deinen Wunsch!« – Er pfeift, und schnell
Ertönts vom Hügel wieder hell;
Gleich wie Brachvögel tobend schrein,
Dröhnts laut vom Felsenstein zu Stein;
Und plötzlich heben sich aus Pflanzen
Und Büschen – Mützen, Bogen, Lanzen.
Hoch, unten, rechts und links erscheint
Urplötzlich ein geheimer Feind,
Aus moosigen Steinen Lanzen starren,
Es glänzen Dolche aus dem Farren,
[185]Des Weidenbusches Laubwerk rauscht
Von Schwert und Axt, die hinter lauscht,
Und kurz, aus jedem Strauche raffen
Sich Bergesschotten mit den Waffen.
Das Pfeifen stellt mit einemmal
Fünfhundert Mann wohl in das Thal,
Als ob ein unterirdisch Heer
Dem Mund des Bergs entstiegen wär.
Erwartend, was der Führer will,
Steht jeder schweigend da und still.
Gleich wie das mächtige Felsstück schwankt
Und lose überm Hohlweg hangt,
Daß fast ein Kinderdruck es löst
Und sein Gewicht vom Abhang stößt –
So hangen, vorwärts Fuß und Hand,
Gewaffnet sie am Bergesrand.
Der Bergmann schauet, stolzerfüllt,
Hin auf Benledis lebend Bild;
Dann läßt sein Aug er finster ruhn
Auf James Fitz-James; – »Was sagst du nun?
Stamm Alpines Kriegsschaar strömt herzu,
Und, Sachse, – ich bin Rodrich Dhu!« –
[186]      Fitz-James war tapfer. – Wie auch schnell
In ihm erstarrt des Blutes Quell,
Er tritt als Mann und fest zurück,
Erwiedernd Jenes stolzen Blick.
Er lehnt sich an die Felsenwand,
Und tritt in einen festen Stand: –
»Kommt Alle her, ich weiche nur,
Wenn dieser Fels erst niederfuhr!« –
Sir Rodrich merkts. – In seinen Blicken
Liegt Achtung, Wundern und Entzücken,
Das jeden Krieger warm durchglüht,
Wenn seiner werth den Feind er sieht.
Im Augenblicke winkt er wieder, –
Verschwindend sinkt die Rotte nieder,
Ein jeder Krieger, wo er stand,
In Strauch und Busch und Haideland.
Versteckt war Schwert und Bogen bald
Im Weidenbusch und niedern Wald,
Es schien, als wenn von Mutter Erde
Ihr kriegrisch Kind verschlungen werde.
Der letzte Wind hob Federbänder
Und schöne Büsche und Gewänder, –
[187]Der nächste fegt des Hügels Seiten,
Auf dem nur Kraut und Farm sich breiten.
Es brach der Sonne letzter Glanz
An Panzerhemd und Tartsch und Lanz –
Nicht glänzt zurück der nächste Schein
Von Busch und kaltem grauen Stein.

Und, Sachse, – ich bin Rodrich Dhu!

Scott erzählt zum Beweise, daß dieser interessante Zug nicht, um den Charakter der Hochschotten zu verschönen, erfunden sei, folgende Geschichte: Zu Anfang des verfloßnen Jahrhunderts durchzog John Gunn, ein berühmter Hochländischer Räuber, plündernd Inverneßshire, und drang oft bis zur Hauptstadt. Einst mußte ein Officier mit geringer Mannschaft einen Transport Lebensmittel für die Garnison nach jener Hauptstadt geleiten. Ungefähr dreißig Meilen von Inverneß mußte er zufällig in einem elenden Wirthshause Halt machen. Bei anbrechender Nacht [290]kam ein Fremder, in Hochlandstracht, in dasselbe Haus. Da ein besondres Unterkommen und Pflege unmöglich waren, bot der Engländer dem Gaste einen Theil des Abendessens an, welches jener indessen nur mit Widerstreben annahm. Bei der Unterhaltung fand der Officier, daß der Fremde sehr genau von allen Wegen unterrichtet war, und dies veranlaßte ihn, diesen zu bitten, ihn morgen zu begleiten, auch verbarg er ihm nicht seine Furcht vor dem berühmten Freibeuter John Gunn. Der Hochländer zauderte erst, willigte aber doch endlich ein. Sie brachen am Morgen auf, und als sie durch eine einsame, traurige Schlucht marschirten, kam die Rede wieder auf John Gunn. »Möchtet ihr ihn wohl sehen?« fragte der Führer, und, ohne die Antwort abzuwarten, pfiff er, und der Englische Officier sah sich von solcher Menge Hochländer umgeben, daß jeder Widerstand fruchtlos gewesen wäre. »Fremdling!« sagte der Führer, »ich bin der John Gunn, von dem du einen Ueberfall, und nicht ohne Grund, befürchtet hast; denn ich kam nur in das Wirthshaus, um deinen Marsch zu erfahren. Aber da du mir vertraut hast, kann ich dich auch nicht betrügen, und da du gesehen hast, daß du in meiner Macht bist, magst du unbeleidigt und ungeplündert weiter ziehen.« Dann zeigte er noch den Weg, und verschwand schnell mit den Seinigen.

      Fitz-James blickt um. – Kaum glaubt er das,
Was jetzt sein eigen Auge maß.
Es gleichet die Erscheinung kaum
Dem Irrgebild im grausen Traum.
Erwartend sieht er Rodrich an;
Entgegnend ruft der Häuptling dann:
»Fürcht nichts! – (doch braucht ich dies zu sagen?)
Du darfst auch keinen Argwohn tragen,
Du bist mein Gast, ich gab mein Wort
Für dich bis Coilantogle fort.
Auch ruf ich Keines Hülfe an,
Streit ich mit solchem tapfern Mann,
Und wär der Sachsen ganze Beute
Als Preis gesetzt in diesem Streite.
Komm weiter; zeigen wollt ich dir
[188]Nur wie am Halm gelehnt du hier,
Im Glauben, weiter kämest du
Ohn einen Paß von Rodrich Dhu?« –
Sie gehn. – Ich sagte: James sei kühn,
Wie je ein Ritter nur erschien,
Nicht sagen darf ichs, daß sein Blut
Jetzt in ihm kreist in wilder Fluth,
Als er, verfolgend Rodrichs Tritt,
Durch trügrisch stillen Hohlweg schritt,
Der doch verbarg an jedem Ort
Die Lanzen, die zu seinem Mord
Nur harrn des Winks, von dem gegeben,
Den er entehrt, geschmäht so eben.
Verstohlen späht sein Auge rund
Nach jenen Wächtern auf dem Grund,
Und immer blinkt dem Geist hervor
Ein Schwert und Spieß aus Busch und Moor
Und pfeift der Kibitz, hört er schon
Das Zeichen in dem gellnden Ton.
Er athmet frei erst wieder auf,
Als fern der Hohlweg, und ihr Lauf
Sie führt durch weites, schönes Grün,
[189]Wo weder Baum noch Strauch erschien,
Noch Buschwerk, Dornenstrauch und Hecken,
Um Speer und Mützen zu verstecken.

      Der Häuptling schreitet still voraus
Und kommt zu jenes Stromes Braus,
Der, dreier mächtigen Seeen Kind,
Vom Vennachar in Silber rinnt,
Und ewig auf Bochastle wühlt,
Bis er die Wälle weggespühlt,
Auf die die Herrscherin der Welt,
Rom, ihre Adler einst gestellt.
Hier hielt der Häuptling endlich an,
Warf Schild und Mantel von sich dann,
Und sprach zu Thallands Rittersmann:
»Sachse! was dir gelobt ward dort,
Vich Alpine hat gelöst sein Wort.
Der Mörderhäuptling, Friedensstörer,
Der Führer eines Stamms Empörer,
Hat ungefährdet dich gebracht
Weit über Alpines letzte Wacht.
Jetzt fühl im Kampf, Mann gegen Mann,
[190]Wie sich ein Häuptling rächen kann.
Hier stehn wir Beide gleich bewehrt,
Ich trage nur wie du ein Schwert,
Denn dies ist Coilantogle hier,
Und Schutz ist nun dein Degen dir.« –

Und ewig auf Bochastle wühlt.

Der Strom, welcher aus dem Loch Vennachar, dem niedrigsten und östlichsten der dreien Seeen, welche die um die Trosachs liegende Gegend bilden, kommt, dringt durch ein flach und weites Moor, genannt Bochastle. Auf einer kleinen Erhöhung, geheißen das Dun von Bochastle, und auf der Ebne selbst, sind Verschanzungen, von denen man glaubt, daß sie Römische seien. Bei Callendar liegt ein freundlich Landgut, genannt das Römerfeld (Roman camp).

      Der Sachse spricht: – »Ich zögre nie,
Wenn mich der Feind gebeten: Zieh!
Auch wollt ich, edler Mann, dich tödten:
Doch deine Treu in meinen Nöthen,
Mein Leben, dir verschuldet schon,
Dies fordert wahrlich bessern Lohn. –
Sühnt Blut denn unsern Zwist allein,
Gibts keine Mittel?« – »Fremder, nein!
Hör, daß, – entflamm dies deinen Muth! –
Auf dir der Sachsen Sache ruht;
So gab uns Kunde ein Prophet,
Der zwischen Tod und Leben steht:
Der, so den ersten Feind wird zwingen,
Wird auch den Sieg den Seinen bringen.«
– »Dann wahrlich,« rief der Sachse drauf,
Ist schon des Räthsels Knoten auf.
[191]Dort unterm Fels, in Busch und Kraut,
Liegt Murdoch starr und ohne Laut.
Den Spruch löst selber das Geschick,
Weich, nicht vor mir, vor ihm zurück.
Komm mit zu James nach Stirling hin,
Bleibt feindlich gegen ihn dein Sinn,
Und stimmt der König selbst nicht ein,
Dir Gunst und Gnade zu verleihn,
So setz ich Ehr und Eid zur Haft,
Du sollst zurück in voriger Kraft,
Von jedem Vortheil unterstützt,
Der jetzo dir dein Land beschützt.« –

      In Rodrichs Augen flammt es wild: –
»Ob denn so hoch dein Dünkel schwillt?
Weil du erschlugst den schlechten Kernen,
Soll Rodrich Unterwerfung lernen?
Er weicht nicht, selbst des Schicksals Wunder,
Du reichst nur seinem Hasse Zunder:
Des Stammmanns Mord begehret Rache. –
Noch nicht bereit? – Bei Gott! ich wache
Aus meinem Traum von deinem Herz,
[192]Ein Zierling du, dem Muth ein Scherz!
Mein Fleiß um dich muß mich verhöhnen,
Der du allein dich magst gewöhnen,
Zu tragen Locken deiner Schönen.«
– »Dank, Rodrich, dieses Wortes wegen,
Es stählt das Herz und stählt den Degen.
Ich schwor, daß ich dies Haar einst tauche
In deines Blutes bestem Hauche.
Jetzt Friede weich und Krieg herein!
Doch denke, Stolzer, nicht allein
Du zeigtest dieser Großmuth Schein.
Wenn auch aus Busch und Haide nicht
Gleich auf mein Pfeifen Alles bricht,
So kann dir dieses Hornes Klingen
Doch manche böse Feinde bringen.
Doch fürchte, oder zweifle nicht,
Der Zweikampf ist des Streits Gericht.« –
Dann zogen ihre Klingen Beide,
Zu Boden warfen sie die Scheide,
Sie sahn nach Sonne, Strom und Thal,
Als wärs vielleicht das letztemal.
[193]Dann gings, als Fuß und Aug bereit,
Ernst hin in den Entscheidungsstreit. –

      Mit Rodrich war es schlecht bestellt,
Weil ohne Tartsch er stand im Feld –
Ihr Leder und der ehrne Knauf
Fing manchen Todesstreich schon auf –
Denn James, geübt im Kampfgefild,
Braucht seinen Stahl als Schwert und Schild.
Indeß er stieß und deckend blieb,
Folgt gleich drauf Finte, Stich und Hieb,
So, daß der Gael, obgleich voll Kraft,
Im ungewohnten Kampf erschlafft.
Sie drangen dreimal dicht entgegen,
Dreimal trinkt Blut des Sachsen Degen.
Nicht Tropfen sinds, kein matter Fluß,
Den Tartan färbt ein Fluthenguß.
Rodrich fühlt wohl, wies aus ihm weiche,
Ein Wolkenbruch sind seine Streiche.
Gleich wie ein Fels und Schlosses Dach
Erträgt des Sturmes Ungemach,
[194]So wehrt der Gegner, fest und kalt,
Von sich des Wüthenden Gewalt,
Bis er mit einem Streich gewandt
Das Schwert schlägt aus des Gegners Hand,
Und, weichend auf dem Kampfgebiet,
Der stolze Häuptling vor ihm kniet.

Mit Rodrich war es schlecht bestellt,
Weil ohne Tartsch er stand im Feld.

Eine runde Tartsche von leichtem Holze, überzogen mit starkem Leder und mit eisernen Buckeln beschlagen, war der Haupttheil der Bewaffnung eines Hochländers. Wenn sie mit Linientruppen im Treffen sich begegneten, fingen sie den Bajonetstich in diesem Schilde auf, schleuderten es beiseit, und stürzten nun mit ihrem Breitschwert auf den betroffenen Soldaten los. Im Bürgerkriege von 1745 waren meistens die Vorderreihen der Clans auf diese Weise bewaffnet, und selbst noch 1747 sollen Verschiedene vom 42. Regimente im Kriege in Flandern Tartschen geführt haben.

Denn James, geübt im Kampfgefild,
Braucht seinen Stahl als Schwert und Schild.

Der Gebrauch der abwehrenden Waffen, und namentlich der Tartsche und des Schildes, blieb bis zur Zeit der Königin Elisabeth üblich, obgleich die neuere Fechtkunst mit Rapieren schon viel früher in Ausübung gekommen. Italiener scheinen die ersten Lehrmeister in derselben gewesen zu sein. Die ersten Zweikämpfe auf diese Weise wurden im Hemde abgehalten, und jeder Theil war mit einem Degen und Dolche bewaffnet.

      »Ergib dich! Sonst, beim Schöpfer, fährt
Tief in dein Herzblut dieses Schwert!« –
»Fluch deiner Gnade, deinem Drohn,
Es gibt sich nur der Feigheit Sohn!« –
So wie gekrümmt die Natter springt,
So wie der Wolf durch Netze dringt,
Wie Katzen bei dem Schutz der Brut –
Stürzt er auf James Genick in Wuth,
Fühlt nicht die Wunde, neu empfangen,
Und drückt den Feind voll Mordverlangen. –
Jetzt, edler Sachse, kräftiglich!
Nicht Mädchenarm schlingt sich um dich!
Du fühlst des heftigen Druckes Schmerz,
Wärs auch durch Stahl und dreifach Erz! –
Sie ringen – stürzen – beide drunten,
[195]Der Gaele oben, James liegt unten.
Des Häuptlings Griff preßt seine Kehle,
Die Brust beengt das Knie des Gaele;
Der wirft das blutige Haar zurück,
Wischt seine Stirne, um den Blick
Zu reinigen von Blut und Staub,
Dann zückt der Dolch nach seinem Raub! –
Doch schlecht ersetzen Haß und Wuth
Des Lebensstroms gewichne Fluth,
Der Vortheil kam zu spät am Ziel,
Zu wenden dieses Todes-Spiel.
Denn, als das Messer zückend kreist,
Ist schon im Taumel Aug und Geist.
Es fiel der Stoß! – Doch ging die Schneide
Verfehlend blutlos in die Haide.
Des Häuptlings Ohnmacht löste bald
Den Feind aus seines Drucks Gewalt;
James war befreit ohn Blutverlust,
Doch athemlos, kaum selbst bewußt. –

So wie gekrümmt die Natter springt &c.

Scott erzählt einen Kampf ähnlicher Art, aber mindestens gleich interessant mit dem hier fingirten, welcher zur Zeit der bürgerlichen Kriege zwischen einem republikanischen Officier und Ewan Dhu von Lochiel, dem Häuptlinge der Camerons, statt gefunden. Der bedrängte Hochländer, von der Kraft des über ihm liegenden Engländers fast erdrückt, fand die Rettung nur darin, daß er den Hals des Feindes durchbiß.

      Er danket Gott, daß, wider Hoffen,
Im Streit ihn nicht der Tod getroffen.
[196]Dann blickt sein Auge auf den Feind,
Der wohl den Tod zu athmen scheint.
Er taucht das Haar ins Blut. – »Schwer ist,
O Blanka, nun dein Leid gebüßt;
Doch mit dem Feind – lebt oder stirbt
Der Ruhm, den Treu und Kraft erwirbt.« –
Ein Zeichen blies er drauf ins Horn,
Warf ab vom Hals den Kragen vorn,
Den Hut, und setzt sich am Gestade,
Zu reinigen Stirn und Hand im Bade.
Dann hört man ferne her die Tritte
Von Rossen, die im schnellsten Ritte;
Es wächst der Ton, ein Trupp erschien,
Vier Knappen sinds in Lincoln-Grün;
Zwei tragen Lanzen, zweie leiten
Ein Roß geschürt an ihren Seiten.
Ein jeder jagt in Eil heran,
Hält bei Fitz-James die Zügel an,
Und staunt beim blutigen Angesicht: –
»Schweigt, meine Ritter, fraget nicht!
Ihr, Herbert, Luffneß, steigt vom Pferde,
Und pflegt des Ritters auf der Erde;
[197]Der Zelter trage ihn von hier,
Dem einst bestimmt die schönre Zier,
Und bringt ihn gleich nach Stirling mir.
Ich will voran in Eil aufs Schloß
Nach andrer Kleidung, frischem Roß.
Die Sonn ist hoch. – Beim Spiel der Schützen
Muß ich zu Mittag heut noch sitzen;
Doch Bayard stampft nur leicht die Erde,
De Vaux und Harnes folgt zu Pferde.« –

      »Steh, Bayard, steh!« – Das Thier steht stumm,
Das Haupt gebeugt, den Nacken krumm,
Das Auge glänzt. Es höret gern,
So zeigt das Ohr, den Ruf des Herrn.
Es steigt Fitz-James nicht in den Bügel,
Greift nicht nach Sattel und nach Zügel,
Die Linke faßt die Mähne nur,
Leicht schwingt er sich dann von der Flur,
Wirft schnell hinüber seinen Fuß,
Und gibt dem Thier des Spornes Gruß.
Stolz bäumt der Hengst zum Himmel auf,
Der Reiter saß so stattlich drauf,
[198]Dann, wie ein Bolz aus Eisenbogen,
Ward durch die Ebne hingeflogen.
Die Fluth des Stromes wird getheilt,
Und nach Carhonies Berg geeilt;
Galopp spornt stets der Ritter weiter,
Nach Kräften folgen ihm die Reiter,
Entlang den sanften Teith! – Ihr Drang
Verspottet deinen sanften Gang.
Torry und Lendrik sind entflohn,
Deanstown liegt hinter ihnen schon;
Dounes Thürme heben sich voll Stolz
Und sinken bald im fernen Holz;
Blair-Drummond sieht des Hufschlags Feuer,
Wie Luft wehn sie durch Ochtertyre;
Es glänzt und schwindet wieder hier
Die luftige Höh des alten Kier.
Den Schweiß der Renner waschen drauf
Sie, Forth! in deinem trägen Lauf,
Und fassen drüben Grund mit Schäumen,
Mühsamem Ziehn und Rossebäumen.
Rechts bleiben Craig-Forths Klippen liegen,
Und Nordens Bollwerk in den Kriegen,
[199]Stirling, mit Stadt und Schloß und Werken,
Kann ihren schnellen Ritt bemerken.

      Im Sprengen auf der steinigen Bahn
Hält schnell sein Roß der Führer an.
Zum Knappen winkt er drauf zurück,
Der bei ihm war im Augenblick: –
»Kannst du, de Vaux, dort auf den Höhn
Den hochgebauten Alten sehn,
In schlechter Tracht der Stadt zugehn?
Merkst du den festen, rüstigen Gang,
Mit dem er steigt den Berg entlang?
Weißt du, wem er gehören möchte?«
– »Nein, Herr. Er gleicht 'nem rüstigen Knechte,
Der wahrlich eines Reichsherrn Pracht
Im Trosse schmückt auf Feld und Jagd.«
– »De Vaux! Kann, wenn wir Blicke werfen,
Nicht Furcht und Neid das Auge schärfen?
Noch eh er auf dem Hügel stand,
Hab ich Gestalt und Schritt erkannt,
Schottland hat keine, die ihr gleiche,
Kein solcher Schritt im Schottenreiche;
[200]'S ist James von Douglas bei St. Serl!
Der Oheim des verbannten Earl.
Nach Hofe schnell mit unsern Kunden:
Daß wir den mächtigen Feind gefunden!
Wachsam muß nun der König stehn,
Und vorbereitet Douglas sehn.« –
Sie sind, als rechts sich drehn die Rosse,
Bald an dem Hinterthor vom Schlosse.

      Der Douglas, der gekommen grad
Von Cambus-Kenneth her den Pfad,
Sprach also zu sich mißgestimmt,
Als er den steilen Weg erklimmt: –
»Grund hab ich wohl zu Angst und Bangen:
Der edle Graham liegt gefangen,
Des Königs rächende Gewalt
Erfährt der feurige Rodrich bald.
Ich kann sie schützen, – ich allein,
Laß Gott es nicht zu spät jetzt sein!
Ihr Wort gab die Aebtissin mir:
Mein Kind wird Himmelsbraut bei ihr; –
[201]Vergeben sei die Thrän der Reu!
Doch der sie gab, er weiß wie treu,
Wie zärtlich, gut – doch weg damit,
Zum Tode geht mein ernster Schritt.
– Ihr Thürm, einst sahen eure Wände
'Nes Douglas Tod durch Königs Hände,
Und du, o unglücksschwangrer Wall,
Der oft gehört des Beiles Schall,
Wenn auf die Edelsten vom Land
Hinsank des Henkers blutige Hand, –
Bereitet Kerker, Block und Grab,
Denn Douglas geht zum Urtheil ab!
– Doch halt! welch freudig lustiges Locken
Dort von des Franziskaners Glocken?
Und sieh! wie auf den Straßen Haufen
Von buntgeschmückten Leuten laufen!
Panier und Prunk, Trompeten, Pfeifen –
Die lustigen Morentänzer schweifen.
Ich glaub aus diesem Schmuck und Spiel,
Daß heut das Fest der Bürger fiel.
Auch James ist dort. Ihn freut das Spielen,
[202]Wo froh die freien Bauern zielen,
Des Gegners Faust die Ringer fühlen,
So gut, als wo von stolzen Rittern
Im Rosselauf die Lanzen splittern.
Ich will zum Schloßpark selber gehn,
Als Mitbewerber. – James mag sehn,
Obs Alter schwächte diese Sehn,
Ach, deren Kraft, sonst oft erprobt,
Der Knabe staunend hat gelobt.« –

Heut das Fest der Bürger fiel.

Jede Burg, oder wenigstens jeder Flecken in Schottland, hatte seine feierlichen Spiele, wo Preise für den Sieger in allen möglichen körperlichen Uebungen ausgetheilt wurden. Auch Stirling zeichnete sich hierin aus, besonders da es von James V. so geliebt wurde. Dieser Volksvergnügungen halber wurde er mit dem Titel »König der Gemeinen« belegt.

      Des Schlosses Thore flogen auf,
Mit Rasseln sank die Brücke drauf;
Vom Pflaster prasselt Hufschlags Schall,
Die Straße füllt der Wiederhall,
Als langsam Schottlands König naht
Mit seinem Hof vom steilen Pfad.
Der laute Ruf des Jubels schwillt
Vom Wege, den die Menge füllt,
Und James neigt grüßend stets den Kopf
Zu seines Zelters Sattelknopf,
Und zieht vor Bürgerfraun den Hut,
[203]In denen dann hoch steigt das Blut.
Wohl ziemt das Freudelächeln ihnen,
Er wählt nur die die schönsten schienen.
Ernst grüßt er jeden Bürgerherrn,
Und lobt der Bürger Eifer gern,
Er dankt den Tänzerreihen laut,
Und lacht, und winkt dem Volk vertraut,
Wenn von dem Ruf die Lüfte beben:
»Volkskönig James soll lange leben!« –
Und hinter ihrem König kamen
Reichsherren, Fräuleins, edle Damen,
Doch deren feurig edlem Roß
Der Aufhalt im Gedräng verdroß.
– Doch kannst du auch im Zuge schauen
Wohl finstern Blick und Augenbrauen.
Gekränkte adlich stolze Brust
Verschmähet niedrer Bürger Lust;
Häuptlinge, die, dem Haus entrissen,
Für ihren Stamm hier bürgen müssen,
Die denken an ihr eigen Schloß,
Den Hochforst, der Vasallen Troß,
[204]Und murren, wenn sie sich betrachten
Als Zier des Prunks, den sie verachten.

      Jetzt trägt vergnügt zum Park am Schloß
Die bunten Fahnen hin der Troß.
Die Morentänzer kreisen, ringeln,
Im Arm das Schwert, am Fuß die Klingeln.
Doch sah vor Allem man erscheinen
Den Robin Hood mit allen Seinen,
Mönch Tuck mit Stab und Mönchs-Kaputz,
Alt Scathelocke mit dem Blick voll Trutz,
Maria, weiß wie Elfenbeine,
Scarlet und Mutsch und John der Kleine.
Die Hörner laden Alle ein
Zum Spiele in der Schützen Reihn.
Der Douglas spannt den stärksten Bogen, –
Ins Weiße ist der Pfeil geflogen.
Er schießt noch mal. – Der erste Schaft
Zersplittert durch des zweiten Kraft.
Aus Königs-Hand wird ihm zu Theil
Der Schützen-Preis, der Silberpfeil.
[205]Er harrt, gerührt, mit nassem Blick,
Auf freudiger Anerkennung Glück, –
Doch keine Regung kommt zurück.
Gleichgültig reicht der Fürst vom Thron,
Wie jedem Schützen ihm den Lohn.

Robin Hood.

Der berühmte Räuber, dessen Angedenken bis in die spätesten Zeiten in Volksschauspielen und Balladen gefeiert ward. Die Aufführung dieses lustigen Schauspiels, in welchem sogar Könige die Rollen der Schauspieler übernahmen, wurde in Schottland während der Reformation durch ein Statut des 6. Parlamentes der Königin Maria 1555 untersagt. Dieses verordnete bei harten Strafen: »Niemand solle erwählt werden zum Robert Hude, noch zum kleinen John, Abt von Unvernunft, Maikönigin noch sonst wozu.« Späterhin empörte sich gegen dieses harte Gesetz die aufgebrachte Menge, und sie nahmen zuletzt die Obrigkeiten gefangen, welche die gedachte Aufführung hindern woll [294]ten, und ließen sie nicht eher los, als bis sie feierlich versprochen hatten, Niemand weiter für seine Theilnahme an diesem Spiele zu bestrafen. – Ein evangelischer Geistlicher beklagt sich, daß das Volk an einem Orte ihn nicht habe zur Predigt lassen wollen, weil es Robin Hoods Tag wäre. Das Spiel des Robin wurde gewöhnlich im Mai gefeiert.

      Jetzt schließt den Kreis! Hand gegen Hand
Ist nun der starken Ringer Stand.
Zwei sind von Allen noch die Sieger,
Und fordern prahlend stärkre Krieger.
Ihr Fordern wirkt, denn Douglas kam.
– Hugh Larberts ist für immer lahm;
Nicht besser ging es Alloas John,
Bewußtlos trug man ihn davon.
Vom Fürst, als Lohn des Siegs, empfing
Der Douglas einen goldnen Ring,
Doch kalt blickt jener auf den Preis,
Als wär sein Auge Wintereis.
Douglas will sprechen, doch das Wort
Läßt nicht die stolze Seele fort.
Dann wandte tief beleidigt er
[206]Zu denen sich, die stark und hehr
In Lüsten schleudern ihren Ger.
Als Jeder Alles hier gethan,
Riß Douglas einen Stein der Bahn
Aus tiefem Grund und hob ihn auf,
Und warf ihn durch die Lüfte drauf,
Weit weiter, als der weitste schoß.
Es zeigen uns bei Stirlings Schloß
Die Kundigen der Vergangenheit,
Die Greise, Douglas Wurf noch heut,
Und trauren, wie bei uns indessen
Der Schotten alte Kraft vergessen.

      Das Thal erdröhnt vom Beifalls-Schall,
Vom Fraunfels kommt sein Wiederhall,
Der König, unbeweget, hält
Ihm hin den Beutel voller Geld.
Der Douglas lacht, die Stirn gerollt,
Und wirft der Menge hin das Gold,
Die jetzt den alten finstern Mann
Gespannt und schärfer blicket an,
[207]Bis man im Volke murmelt dann:
Solch hohe Kraft, der Heldenmuth
Sei nur in Douglas edlem Blut.
Kopfschüttelnd schaut an ihm der Greis
Wie seine Haare silberweiß,
Und winkt beiseit, und sagt dem Sohn
Von Thaten gegen Englands Thron,
Eh Douglas mit der Eisenhand
Aus seiner Heimath ward verbannt.
Es preist die Frau die Hochgestalt,
Die trotzte Wintersturms Gewalt.
Die Jugend staunt, daß er die Macht
Der Sätze der Natur verlacht.

      So sprach das Volk, bis neu belebt
Zum Ausruf sich das Murmeln hebt.
Doch aus dem Kreise der Barone,
Stolz sitzend um des Königs Throne,
Kommt freundlich winkend ihm kein Blick,
Und Keiner denkt an ihn zurück.
Die grüßen nicht, die einst sich freuten,
[208]Im Jägerspiel bei ihm zu reiten,
Die stets bei ihm, im Schlachtgefild
Sich schirmten unter seinem Schild;
Denn, wen des Königs Aug verbannt,
Wann hat ein Höfling den gekannt?

      Der Fürst hieß, als die Lust vorbei,
Daß man den Hirsch jetzt lasse frei,
Auf den, um so das Fest zu schließen,
Zwei Lieblingshunde sollten schießen.
Sein Wildprett mit Bordeauer Wein
Soll heut der Schützen Festmahl sein.
Doch Lufra, die kein Lohn und Zwingen
Von Douglas Seite möchte bringen,
Der schnellste Hund im ganzen Nord –
Lufra sahs mit, und stürzte fort,
Ließ weit zurück des Königs Hunde
Und faßt den Hirsch, und eine Wunde
Beißt ihrer scharfen Zähne Wuth,
Und aus der Seite strömt das Blut.
Des Königs Jäger sah verkürzt
[209]Die Lust durch fremden Spieler, – stürzt
Heran und schlägt mit seinen Stricken
Voll Grimm des edlen Hundes Rücken. –
Der Douglas trug heut ohne Tadel
Den Hohn von König und von Adel,
Ja, was den Stolz am meisten kränkt,
Das Mitleid, das das Volk ihm schenkt,
Doch Lufra war so treu von früh,
Sie wich von Tisch und Bett ihm nie.
Oft wollte Ellen Lufras Rücken
In Mädchenlust mit Kränzen schmücken;
So eins sind Beide seinem Geist,
Daß er oft Lufran Ellen heißt.
Hoch schwoll die lang bezähmte Wuth
Und zeigt sich in der Blicke Gluth.
Wie Wellen vor dem Kahne weichen,
So weicht das Volk vor seinen Streichen.
Der Knecht liegt schon von einem Stoß
In seinem Blut besinnungslos,
So trifft kein Faustschlag, wär zumal
Sein Handschuh auch der dickste Stahl.
[210]Laut schrien des Königs Leibtrabanten,
Die mit den Schwertern auf ihn rannten;
Doch dräuend rief der Reichsherr:
»Fort, »Gesindel, – hier trefft ihr den Mord.
Den Douglas ehrt! – Ja, König! hier
Steht Douglas, einst verbannt von dir,
Umsonst gesucht, so fern und nah,
Jetzt um den Krieg zu enden da,
Er weiht sich willig deiner Rache,
Will Gnade nur für Freundes Sache.« –
»So also ehrst du, stolzer Lord,«
Rief der Monarch, »mein Gnadenwort?
Von deinem stolz ehrsüchtigen Stamm
Warst du allein, James Bothwell, gram,
Du nur der Gnade, die ich euch
Gedieh, mehr als ein Mädchen weich;
Doch kann ein König sehn vom Thron
Den frechen Schlag, den Blick voll Hohn? –
Ergreif ihn, Hauptmann von der Wacht,
Und Hab auf diesen Frechen Acht.
Jetzt schließt das Spiel!« – Denn Lärm entstand,
[211]Und Bogen zückten schnell gespannt. –
»Jetzt schließt das Spiel!« – Er sprachs im Zorn,
»Und, Ritter, gebt dem Roß die Sporn.« –

      Dann störte wilder Aufruhr bald
Des schönen Tages Festgestalt.
Die Reiter spornen ins Gedränge,
Es schimpft auf sie und droht die Menge.
Es stürzen alte, schwache Leiber,
Die Feigen fliehn vorm Lärm der Weiber,
Der Stärkre kämpft im wilden Drange
Mit Kiesel, Pfeil und Stock und Stange.
Mit einmal starrt um Douglas her
Ein Kreis von der Trabanten Speer,
Die langsam ihn zum Schlosse bringen,
Indeß in wildem Sturm umringen
Den Aug des Volks Gewitterschauer.
Der edle Douglas sah voll Trauer,
Daß Bürger-Aufruhr hier begann,
Und sprach zum Kriegerhauptmann dann:
»John von Hyndfort! Weißt du den Tag,
[212]Wo ich den Ritterschlag dir gab?
Dafür erlaub mir nun ein Wort
Mit den verführten Männern dort.« –

      Hört, Freunde, eh ihr, für mein Recht,
Der Unterthanen Pflichten brecht.
Gern will ich Ehre, Gut und Leben
Schottlands Gesetzen übergeben,
Sind sie so schwach, nichts zu vermögen,
Ohn daß sie euch zu Hülfe zögen?
Und, leid ich wirklich unverdient,
Ist dann mein Grimm so unversühnt,
Mein Sinn für Volkes-Wohl so schlecht,
Daß ich, damit ich nur gerächt,
Zerreißen soll, was liebend band
Des Douglas Haus ans Vaterland?
Nein, glaubt, in jenem Thurm gefangen,
Will ich nicht sehnsuchtsvoll verlangen,
Daß Speere, die den Feind verdrießen,
Für mich verwandtes Blut vergießen,
Daß, in der Schlacht, für mich geschlagen,
Die Mutter muß den Sohn beklagen,
[213]Die Wittwe klagt um Mann und Rather,
Für mich die Waise um den Vater,
Und Wackre murrn, daß man verletze
Um Douglas willen die Gesetze.
O wehrt von euch solch böse Schuld,
Und liebt mich ruhig mit Geduld.« –

      Es ward des Volkes wild Bewegen
Zu Thränen, wie aus Sturm der Regen.
Mit Aug und Blicken flehten sie,
Daß Segen Gott dem Edlen lieh,
Der nur sein Vaterland geliebt,
Und gern sein Blut für jenes gibt.
Lob aus der Greise Lippen quillt:
Daß er den Bürgerkrieg gestillt;
Die Mutter hebt das Kind entzückt,
Daß es den Märtyrer erblickt,
Dem es verdankt des Vaters Leben,
Den nicht das Lob kann höher heben.
Gerührt war selbst der Krieger Schaar,
Als leite hinter theurer Bahr,
Gesenkten Haupts, in Trauerschmuck,
[214]Den Douglas auf den Berg ihr Zug;
Sie weichen an des Schlosses Mauer
Von ehrenvoller Wacht mit Trauer.

      Der König ritt für sich ergrimmt,
Ihm ist Gedank und Sinn verstimmt.
Jetzt wollte er nicht leiten wieder
Den Zug durch Stirlings Straßen nieder.
»O Lennox, ist es noch ein Gut,
Fürst sein von Pöbels Wankelmuth?
Hast du den lauten Ruf vernommen,
Der Douglas Namen hieß willkommen?
Mit lautem Ausruf grüßte so
Das Volk den König James so froh;
Mit gleichem Ausruf jenen Tag,
Wo Douglas Reich mir unterlag;
Mit gleichem würds die Douglas grüßen,
Wenn sie von meinem Thron mich stießen.
Wer wünscht die Heerde zu regieren,
Die eitel, stolz, leicht zu verführen,
Schwach wie im Strom das Laub vom Baum,
[215]Und trügrisch wie das Bild im Traum,
Voll Grillen, wie der Weiber Blut,
Und rasend wie in Fieber-Wuth,
Du tausendköpfig Ungeheuer,
Dein Königsthron, wem wär er theuer? –

      Doch welcher Bote spornet hier
Zu uns in Eil sein keuchend Thier?
Ich ahnt' es schon, von wem er war. –
Was macht mein Vetter John von Mar?« –
»Er warnt, du mögest dich beim Jagen
Nicht aus der Wächter Umkreis wagen.
Denn ein geheimes Böses glimmt,
Zum Schaden deines Throns bestimmt.
'S hat Rodrich Dhu, der in der Acht,
Gesammelt seines Stammes Macht,
Und für James-Bothwell ist ins Feld,
Sagt man, sein Plünderheer gestellt.
Heut Morgen ging der Graf von Mar,
Aus Doune zu werfen ihre Schaar.
Vom Treffen hörst du bald, mein König;
[216]Der Graf ersucht dich unterthänig,
Bis er gesorgt dafür im weitern,
Nicht auszugehn mit wenigen Reitern.« –

      »Du mahnst an unterlaßne Pflicht,
Zwar hab ich es vergessen nicht,
Doch ließ ichs in des Tags Geschäften.
Eil gleich zurück aus allen Kräften –
Dein Sporn braucht nicht das Pferd zu schonen,
Mein bestes Roß soll dich belohnen.
Sag unserm Lord von Mar, daß wir
Verbieten diese Fehde hier.
Ein Ritter hat im Ehrenstreit
Den Rodrich früh gefangen heut,
Und Douglas hat sein Recht und Leben
Des Reichs Gesetzen übergeben.
Da sie vom Führer sind verlassen,
Zerstreun sich bald des Feindes Massen,
Auch will ich nicht, daß wir uns rächen
Am Diener für des Herrn Verbrechen.
Verkünd es, Brako, Mar'n ohn Weilen.« –
Er kehrt sein Roß. – »Herr, ich will eilen,
[217]Doch eh ich dieses Thal durchflogen,
Sind wohl die Schwerter schon gezogen.« –
Den Rasen wirft des Flüchtlings Roß,
Der König kehrt zurück zum Schloß.

      Heut wars, daß er sich nicht gefiel
Beim lustigen Fest und Sängerspiel.
Bald war entfernt des Hofs Gedrang,
Und bald verstummt der FestGesang.
Nicht weniger senkte sich mit Trauern
Der Abend auf der Hauptstadt Mauern.
Es zielten ihrer Bürger Reden
Auf innern Krieg und Hochlands Fehden,
In Waffen standen Rodrich Dhu,
Moray und Mar, – Douglas dazu.
Sie klagten, daß er im Gefängniß,
Wo einst Graf Wilhelm in Bedrängniß, –
Und schnell hielt hier der Sprecher inn,
Hält auf den Mund den Finger hin,
Und deutet auf den Dolch voll Sinn.
Dem Schlosse nahten spät am Abend
Aus Westen, Reiter, rastlos trabend;
[218]Man sagte, daß sie von Gefechten
An Katrines Ufer Kunde brächten.
Am Mittag ward der Kampf begonnen
Und währt bis Untergang der Sonnen.
Davon war noch die Stadt bewegt,
Bis Nacht die dunkeln Schwingen regt.



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