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Zweites Kapitel

Ein Mönch war da, geschickt zum Herrenleben,
Ein guter Reiter, der Jagdlust liebte;
Er hatt' ein stattlich Ansehen wie ein Abt.
Manch munteres Pferd hatt' er in seinem Stall,
Und ritt er, konnte man den Zügel hören,
Der klingend hell im Winde sich bewegte,
So laut und klar wie die Kapellenglocke,
Wo eine Zelle dieser Herr bewohnte.

Chaucer.

Ungeachtet der Ermahnung und des Scheltens seines Gefährten, konnte Wamba, da der Hufschlag der Pferde sich immer mehr näherte, nicht verhindert werden, mehrmals, unter welchem Vorwande es auch sein mochte, auf dem Wege stillzustehen, indem er bald eine Traube halbreifer Haselnüsse abriß und sich bald umwandte, einem Dorfmädchen nachzuglotzen, welches über ihren Weg ging. Daher holten die Reiter sie bald auf der Straße ein.

Ihre Anzahl betrug zehn, von denen die beiden, welche voran ritten, Personen von bedeutender Wichtigkeit, und die Andern ihre Diener zu sein schienen. Es war nicht schwer, den Stand des Einen von diesen zu errathen. Er war offenbar ein geistlicher Würdenträger; seine Kleidung war die eines Cisterciensermönchs, sie bestand aber aus viel feineren Stoffen, als die Regel jenes Ordens gestattete. Mantel und Kapuze waren von dem besten flandrischen Tuch, und sie legten sich in weiten, aber nicht ungraziösen Falten um eine schöne, obgleich etwas corpulente Person. Sein Gesicht trug ebenso wenig Zeichen der Selbstverläugnung, als sein Kleid Verachtung weltlichen Glanzes andeutete. Seine Züge würde man haben schön nennen können, hätt' nicht unter seinem Augenlide jenes schlaue, epicuräische Blinzeln gelauscht, welches den vorsichtigen Wollüstling andeutet. In anderer Hinsicht hatten Stand und Verhältniß ihm eine schnelle Herrschaft über seine Gesichtszüge gelehrt, die er nach Gefallen zu einem feierlichen Ausdruck zusammenziehen konnte, obgleich sie gewöhnlich nur gutgelaunte, gesellige Nachsicht andeuteten. Trotz den klösterlichen Regeln und den Edicten der Päpste und Concilien, waren die Aermel dieses Würdenträgers untergefüttert und mit kostbarem Pelzwerk aufgeschlagen, sein Mantel am Halse von einem goldenen Haken zusammengehalten, und die ganze zu seinem Orden gehörige Kleidung so sehr veredelt und verziert, wie die einer schönen Quäckerin des heutigen Tages, die, während sie das Costüm ihrer Secte beibehält, der Einfachheit desselben durch die Wahl des Stoffes und die Art, wie sie dasselbe anlegt, eine gewisse anziehende Coquetterie zu geben weiß, die nur zu sehr an die Eitelkeiten der Welt erinnert.

Dieser würdige Geistliche ritt ein wohlgenährtes, rasches Maulthier, dessen Reitzeug schön geschmückt und dessen Zaum, nach der Mode jener Zeit, mit silbernen Schellen verziert war. In seiner Haltung zeigte er nichts Linkisches, sondern vielmehr die leichte und gewohnte Grazie eines geübten Reiters. Freilich schien der ritterliche Mönch sich des Maulthiers nur auf Reisen zu bedienen, so gut das Thier auch zugeritten sein mochte. Ein Laienbruder, der ihm folgte, führte zu seinem Gebrauche bei andern Gelegenheiten einen der schönsten spanischen Zelter, die nur je in Andalusien gezogen worden, und welche damals von Kaufleuten mit großer Mühe und Gefahr zum Gebrauche reicher und ausgezeichneter Personen eingeführt wurden. Der Sattel und das Kreuz dieses prächtigen Zelters waren mit einem langen Fußteppich bedeckt, der beinahe auf den Boden reichte, und auf welchem Bischofsmützen, Kreuze und andere kirchliche Embleme reich gestickt waren. Ein anderer Laienbruder führte einen Maulesel, der wahrscheinlich mit dem Gepäck seines Vorgesetzten beladen war; und zwei Mönche seines eigenen Ordens, aber von niedrigem Range, ritten zusammen hinterher, lachten und schwatzten mit einander, ohne viel auf die andern Mitglieder der Gesellschaft zu achten.

Der Begleiter des geistlichen Würdenträgers war ein Mann von mehr als vierzig Jahren, schlank, stark, groß und muskulös – eine athletische Figur, der lange Anstrengungen und beständige körperliche Uebungen nichts von den sanftesten Theilen der menschlichen Gestalt gelassen und Alles in Muskeln, Knochen und Sehnen verwandelt zu haben schienen, die bereits tausend Mühseligkeiten ausgestanden hatten und bereit waren noch tausend auszustehen. Sein Kopf war mit einer scharlachnen mit Pelz besetzten Mütze bedeckt – von der Art, welche die Franzosen mortier nennen, wegen ihrer Aehnlichkeit mit der Gestalt eines umgekehrten Mörsers. Sein Gesicht war daher vollkommen zu sehen, und der Ausdruck desselben war darauf berechnet, den Fremden Ehrfurcht, wenn nicht gar Furcht einzuflößen. Von den kräftigen und ausdrucksvollen Zügen, die dadurch, daß er sich beständig der tropischen Sonne ausgesetzt hatte, fast zu der Schwärze eines Negers verbrannt waren, konnte man in ihrem gewöhnlichen Zustande sagen, daß sie schlummerten, nachdem der Sturm der Leidenschaft vorübergezogen; doch die vorspringenden Adern der Stirn, die Leichtigkeit, womit die Oberlippe und der dichte schwarze Schnurrbart bei der geringsten Bewegung bebten, zeigte deutlich, daß der Sturm leicht wieder erregt werden könne. Seine lebhaften, durchdringenden und dunklen Augen erzählten in jedem Blicke eine Geschichte von überwundenen Schwierigkeiten und bestandenen Gefahren, und schienen den Widerstand herauszufordern, um das Vergnügen zu haben, ihn durch eine entschlossene Anstrengung seines Muthes und seines Willens aus seinem Wege zu entfernen. Eine tiefe Narbe auf seiner Stirn vermehrte noch die Strenge seiner Züge und verlieh einem seiner Augen, welches bei derselben Gelegenheit war verletzt und ein wenig verschoben worden, obgleich er nicht weniger gut damit sah, einen unheimlichen Ausdruck.

Die obere Kleidung dieses Mannes glich hinsichtlich der Gestalt der seines Gefährten, denn sie bestand in einem langen klösterlichen Mantel; aber die scharlachrothe Farbe desselben zeigte, daß er zu keinem der vier regelmäßigen Mönchsorden gehörte. Auf der rechten Schulter befand sich auf seinem Mantel aus weißem Tuch geschnitten ein Kreuz von eigenthümlicher Form. Sein Obergewand verbarg, was beim ersten Anblick nicht mit seiner Gestalt übereinzustimmen schien, nämlich einen Maschenpanzer mit Aermeln und Handschuhen von gleichem Stoffe, sehr künstlich verflochten und durchwebt, und so biegsam und dem Körper sich anschließend, wie die Tricotanzüge, welche heutiges Tages in den Strumpfwebereien von weniger harten Stoffen verfertigt werden. Der vordere Theil seiner Schenkel, wo die Falten seines Mantels sie sehen ließen, war ebenfalls mit einem Maschenpanzer bedeckt. Die Kniee und Füße wurden von Schienen oder dünnen Stahlplatten geschützt, die künstlich mit einander verbunden waren. Maschenstrümpfe, die vom Knöchel bis an's Knie reichten, vollendeten die Schutzwaffen des Reiters. Im Gürtel führte er einen langen zweischneidigen Dolch, welcher die einzige Trutzwaffe war, die er an sich trug.

Er ritt kein Maulthier wie sein Begleiter, sondern einen starken Paßgänger, um sein edles Schlachtroß zu schonen, welches, vollkommen zum Streit gerüstet, von einem Knappen hintennach geführt wurde, und ein stählernes Stirnband trug, aus welchem vorn eine lange Spitze hervorragte. An der einen Seite des Sattels hing eine kurze Streitaxt, reich mit damascener Zierathen belegt; an der andern des Reiters befiederter Helm und Helmkragen, nebst einem langen mit beiden Händen zu führenden Schwerte, dessen sich die Ritter jener Periode bedienten. Ein zweiter Knappe hielt die Lanze seines Herrn in die Höhe, an deren äußerstem Ende ein Fähnchen flatterte, worauf ein Kreuz von derselben Form gestickt war, wie er es auf dem Mantel hatte. Er trug auch seinen kleinen dreieckigen Schild, oben breit genug, um die Brust zu decken, von dort an aber spitz zulaufend. Er war mit einem scharlachnen Tuche bedeckt, weshalb man die Devise nicht sehen konnte.

Diesen beiden Knappen folgten zwei Diener, deren dunkle Gesichter, weiße Turbane und orientalische Kleidung sie als Eingeborne eines fernen Landes im Orient bezeichneten. Die ganze Erscheinung dieses Kriegers und seines Gefolges war phantastisch und ausländisch; der Anzug seiner Knappen war prächtig, und seine orientalischen Diener trugen silberne Bänder um ihren Hals und um ihre schwarzen Arme und Beine. Die Arme waren vom Ellenbogen an bloß, und die Beine von der Mitte des Schenkels bis zum Knöchel. Ihre Kleidung war von Seide und mit Stickerei versehen, ließ auf den Reichthum und hohen Rang ihres Herrn schließen, und bildete zugleich einen auffallenden Contrast zu der kriegerischen Einfachheit seines eigenen Anzuges. Sie waren mit krummen Säbeln bewaffnet, deren Griff und Gehenk mit Gold ausgelegt war, und mit türkischen Dolchen von noch kostbarerer Arbeit. Jeder von ihnen trug an seinem Sattelknopfe ein Bündel Wurfspieße, etwa vier Fuß lang, mit scharfen stählernen Spitzen, eine sehr gebräuchliche Waffe unter den Saracenen, deren Andenken in dem kriegerischen Spiel el jarrid aufbewahrt ist, welches noch heutiges Tages im Orient geübt wird.

Die Pferde dieser Diener waren dem Ansehen nach ebenso fremdartig wie ihre Reiter. Sie waren von saracenischem Ursprunge und folglich von arabischer Rasse. Ihre schönen schlanken Glieder, kleinen Füße, dünnen Mähnen und leichte hüpfende Bewegung bildete einen starken Gegensatz zu den stark gebauten schweren Pferden, deren Rasse in Flandern und der Normandie cultivirt wurde, weil nur sie einen Reiter in voller Rüstung zu tragen vermochten, und welche, neben jene orientalischen Renner gestellt, für eine Personification der Substanz und des Schattens hätten gelten können.

Das seltsame Ansehen dieser Cavalcade zog nicht nur die Neugierde Wamba's auf sich, sondern erregte selbst die seines weniger flatterhaften Gefährten. Den Mönch erkannte er sogleich als den Prior der Abtei Jorvaulx, viele Meilen umher wohlbekannt als ein Liebhaber der Jagd, der fröhlichen Gelage, und, wenn das Gerücht ihm nicht Unrecht that, auch anderer weltlichen Vergnügungen, die noch weniger mit seinen klösterlichen Gelübden verträglich waren.

Doch so locker waren die Ansichten jener Zeit von der weltlichen sowohl als der Klostergeistlichkeit, daß der Prior Aymer in der Umgegend seiner Abtei eines guten Rufes genoß. Sein heiteres und joviales Temperament, und die Bereitwilligkeit, womit er von allen gewöhnlichen Vergehungen absolvirte, machten ihn zum Günstling des hohen und niedern Adels, und da er aus einer vornehmen normännischen Familie abstammte, war er auch mit mehreren derselben verwandt. Die Damen besonders waren nicht geneigt, die Sittlichkeit eines Mannes zu strenge zu prüfen, welcher ein anerkannter Bewunderer ihres Geschlechts war, und dem manche Mittel zu Gebote standen, die Langeweile zu vertreiben, die sich nur zu leicht in die Hallen und Frauengemächer eines alten Feudalschlosses eindrängte. Der Prior mischte sich mit mehr als schicklichem Eifer in die Jagdbelustigungen, und man gestand zu, daß er die am besten abgerichteten Falken und die schnellsten Jagdhunde in North Riding besaß, was ihn besonders den jungen Adeligen empfahl. Bei den alten hatte er eine andere Rolle zu spielen, die er, wenn es nöthig war, mit großem Anstande durchzuführen verstand. Seine Belesenheit, so oberflächlich sie auch sein mochte, war hinreichend, ihrer Unwissenheit Respect vor seinem vermeintlichen Wissen einzuflößen; und der Ernst seines Benehmens und seiner Sprache, nebst dem hohen Ton, den er anwendete, um die Autorität der Kirche und der Priesterschaft hervorzuheben, flößten ihnen nicht weniger die Ueberzeugung von seiner Heiligkeit ein. Selbst das gemeine Volk, der strengste Richter höherer Personen, hatte Mitleid mit den Thorheiten des Prior Aymer. Er war großmüthig; und Menschenliebe, wie man wohl weiß, verdeckt eine große Menge von Sünden, und zwar in einem andern Sinne, als dies in der Schrift gesagt wird. Die Einkünfte des Klosters, wovon ein großer Theil zu seiner Verfügung stand, während sie ihm die Mittel lieferten, seine eigenen sehr beträchtlichen Ausgaben zu bestreiten, reichten auch zu jenen milden Gaben aus, die er unter dem Landvolk vertheilte, und wodurch er häufig die Noth der Unterdrückten linderte. Wenn Prior Aymer häufig auf die Jagd ritt oder lange bei einem fröhlichen Gelage blieb, – wenn man Prior Aymer bei der ersten Morgendämmerung in das Hinterpförtchen der Abtei eintreten sah, indem er von einem Rendezvous kam, welches ihn die Stunden der Dunkelheit über beschäftigt hatte, so zuckten die Leute nur mit den Schultern und söhnten sich mit seinem unregelmäßigen Leben aus, indem sie sich erinnerten, daß viele seiner Brüder ebenso lebten, ohne so gute Eigenschaften zu besitzen, wodurch sie dasselbe wieder gut machten. Prior Aymer und sein Ruf waren unsern angelsächsischen Leibeigenen daher sehr wohl bekannt, die ihm ihre plumpe Reverenz machten und dagegen sein » benedicite, mes fils« erhielten.

Aber die seltsame Erscheinung seines Begleiters und dessen Gefolges fesselte ihre Aufmerksamkeit und erregte ihre Verwunderung dermaßen, daß sie kaum auf die Frage des Priors von Jorvaulx achten konnten, ob sie nicht in der Nähe ein Unterkommen wüßten; so sehr erstaunten sie über das halb klösterliche, halb militärische Ansehen des sonnverbrannten Fremdlings und die ungewohnte Kleidung und Waffen seiner orientalischen Begleiter. Es ist auch wahrscheinlich, daß die Sprache, worin der Segen ertheilt und die Frage vorgelegt wurde, den Ohren der angelsächsischen Leibeigenen unangenehm, wenn auch nicht unverständlich war.

»Ich fragte Euch, meine Kinder,« sagte der Prior mit lauterer Stimme in der lingua Franca oder gemischten Sprache, worin sich die Normannen mit den Angelsachsen unterredeten, »ob hier in der Gegend irgend ein guter Mann ist, der um Gotteswillen, oder aus Verehrung vor unserer heiligen Kirche zweien von ihren demüthigsten Dienern nebst ihrem Gefolge ein Nachtlager und Erfrischung gewähren wird?«

Dies sprach er mit dem Tone bewußter Wichtigkeit, welcher einen starken Contrast zu den gemäßigten Ausdrücken bildete, die er anzuwenden für gut fand.

»Zwei von den demüthigsten Dienern der heiligen Kirche!« wiederholte Wamba bei sich selber; doch so sehr er auch Narr war, trug er doch Sorge, seine Bemerkung nicht hörbar zu machen; »da möchte ich ihre Seneschalls, ihre Mundschenken und ihre andern vorzüglichen Diener sehen!«

Nach diesem geheimen Commentar zu des Priors Rede, erhob er seine Augen und antwortete auf die ihm vorgelegte Frage.

»Wenn die ehrwürdigen Väter gute Bewirthung und weiches Lager lieben,« sagte er, »so wird ein Ritt von einigen Meilen Euch zu der Priorei Brinxworth bringen, wo Euer Rang Euch die ehrenvollste Aufnahme sichern wird; oder wenn Ihr einen Abend der Büßung vorzieht, so dürft Ihr nur jene wilde Lichtung hinunterreiten, die Euch zu der Einsiedelei von Copmanhurst führen wird, wo ein frommer Eremit Euch das Obdach seiner Hütte und den Segen seines Gebets wird theilen lassen.«

Der Prior schüttelte zu beiden Vorschlägen den Kopf.

»Mein ehrlicher Freund,« sagte er, »wenn das Klingeln Deiner Glocken Dein Gehirn nicht verwirrt hätte, so müßtest Du das Sprichwort wissen: » Clericus clericum non decimat,« das heißt, wir Geistlichen erschöpfen nicht unsere gegenseitige Gastfreundschaft, sondern fordern sie lieber von den Laien, indem wir ihnen so Gelegenheit geben, Gott zu dienen, indem sie seine berufenen Diener ehren und unterstützen.«

»Es ist wahr,« versetzte Wamba, »daß ich, obgleich ich nur ein Esel bin, dennoch die Ehre habe, gleich Ew. Hochehrwürden Maulthier die Schellen zu tragen; dennoch hörte ich, daß die Milde der heiligen Kirche und ihrer Diener gleich jeder andern Milde so zu sagen bei sich selber beginne.«

»Zum Henker mit Deiner Unverschämtheit, Bursche,« sagte der bewaffnete Reiter, indem er mit stolzer und strenger Stimme sein Geschwätz unterbrach, »und sage uns, wenn Du kannst, den Weg zu – wie heißt doch Euer Freisasse, Prior Aymer?«

»Cedric,« antwortete der Prior, »Cedric der Sachse. – Sage uns, guter Bursche, sind wir in der Nähe seiner Wohnung, und kannst Du uns den Weg zeigen?«

»Der Weg wird nicht leicht zu finden sein,« antwortete Gurth, der zum erstenmal das Schweigen brach, »und Cedric's Familie begibt sich früh zur Ruhe.«

»Still, sage mir das nicht, Bursche!« rief der kriegerische Reiter; »es ist leicht für sie aufzustehen und die Bedürfnisse von Reisenden, wie wir sind, zu befriedigen; denn wir werden uns nicht herablassen, um Gastfreundschaft zu bitten, wo wir ein Recht haben zu gebieten.«

»Ich weiß nicht,« sagte Gurth mürrisch, »ob ich denen den Weg zu dem Hause meines Herrn zeigen darf, die das Obdach als ein Recht fordern, welches Andere froh sind, sich als eine Gunst erbitten zu können.«

»Streitest Du mit mir, Sclave!« rief der Krieger, setzte seinem Pferde die Sporen in die Seite und ließ es eine halbe Volte über den Weg machen, indem er zugleich die Reitgerte erhob, die er in der Hand hielt, mit der Absicht, das zu bestrafen, was er von einem so geringen Manne für eine Beleidigung hielt.

Gurth warf ihm einen wilden und rachsüchtigen Blick zu und legte mit zorniger aber zögernder Bewegung die Hand an den Griff seines Messers; doch die Dazwischenkunft des Prior Aymer, welcher sein Maulthier zwischen seinen Gefährten und den Schweinhirten lenkte, verhinderte die beabsichtigte Gewaltthat.

»Nein, bei der heiligen Maria, Bruder Brian, Ihr müßt nicht glauben, daß Ihr noch in Palästina seid und über heidnische Türken und ungläubige Saracenen die Oberherrschaft ausüben könnt; wir Insulaner lieben keine Schläge, außer denen der heiligen Kirche, welche züchtigt, den sie liebt. – Zeige mir, guter Bursche,« fuhr er zu Wamba gewendet fort, indem er seiner Rede durch eine kleine Silbermünze größern Eindruck zu verschaffen suchte, »zeige mir den Weg zur Wohnung Cedrics des Sachsen; sie kann Dir nicht unbekannt sein, und es ist Deine Pflicht Wanderer zurechtzuweisen, auch wenn sie keinem so geheiligten Stande angehören wie wir.«

»In Wahrheit, ehrwürdiger Vater,« sagte der Possenreißer, »der Saracenenkopf Eures hochehrwürdigen Begleiters hat mir solchen Schreck eingejagt, daß ich den Heimweg vergessen habe – ich bin nicht gewiß, ob ich ihn selber finden werde.«

»Still,« sagte der Abt, »Du kannst es wohl, wenn Du nur willst. Dieser ehrwürdige Bruder ist sein Lebenlang beschäftigt gewesen gegen die Saracenen zu fechten, um das heilige Grab wieder zu erlangen; er ist vom Orden der Tempelritter, wovon Ihr wohl gehört habt; er ist halb Mönch, halb Krieger.«

»Wenn er nur ein halber Mönch ist,« sagte der Possenreißer, »so sollte er sich auch nicht ganz unvernünftig gegen die benehmen, welche ihm auf dem Wege begegnen, und sollten sie sich auch keineswegs beeilen, Fragen zu beantworten, die sie durchaus nicht angehen.«

»Ich verzeihe Dir Deinen Witz,« versetzte der Abt, »unter der Bedingung, daß Du uns den Weg zu Cedrics Wohnung zeigst.«

»Gut denn,« antwortete Wamba, »Euer Ehrwürden müssen auf diesem Wege bleiben, bis Ihr an ein versunkenes Kreuz kommt, welches kaum noch eine Elle lang aus dem Boden hervorguckt; dann schlagt den Weg zur Linken ein, denn es sind ihrer vier, die sich bei dem versunkenen Kreuz begegnen, und ich bin gewiß, Euer Ehrwürden werden ein Obdach erhalten, ehe das Ungewitter heraufkommt.«

Der Abt dankte seinem weisen Rathgeber und die Reiter gaben ihren Pferden die Sporen und ritten wie Leute, die ihr Gasthaus zu erreichen wünschen, ehe ein nächtliches Ungewitter ausbricht. Als der Hufschlag ihrer Pferde kaum mehr zu hören war, sagte Gurth zu seinem Gefährten: »Wenn sie Deinem weisen Rathe folgen, werden die ehrwürdigen Väter diese Nacht schwerlich Rotherwood erreichen.«

»Nein,« sagte der Possenreißer grinsend; »aber sie mögen Sheffield erreichen, wenn das Glück ihnen günstig ist, und das ist ein ebenso passender Ort für sie. Ich bin kein so schlechter Waidmann, daß ich dem Hunde zeigen sollte, wo das Wild liegt, wenn ich nicht will, daß er es jagen soll.«

»Du hast Recht,« sagte Gurth; »es wäre schlimm, wenn Aymer die Lady Rowena sähe, und es wäre vielleicht noch schlimmer, wenn Cedric mit diesem kriegerischen Mönche zanken sollte, was höchst wahrscheinlich der Fall sein würde. Aber wie es guten Dienern ziemt, laß uns hören und sehen, aber schweigen.«

Wir kehren zu den Reitern zurück, die bald die Leibeigenen weit hinter sich gelassen hatten, und die folgende Unterhaltung in normännischer Sprache führten.

»Was wollen diese Kerle mit ihrer boshaften Unverschämtheit sagen?« bemerkte der Templer zu dem Cistercienser, »und warum verhindertet Ihr mich, sie dafür zu züchtigen?«

»Nun, Bruder Brian,« versetzte der Prior, »hinsichtlich des Einen wäre es schwer für mich einen Grund anzugeben, warum ein Narr nach seiner Narrheit redet; und der andere Kerl ist von jener wilden, zornigen und halsstarrigen Rasse, wovon, wie ich Euch schon oft gesagt habe, noch Einige unter den Abkömmlingen der besiegten Sachsen zu finden sind, und deren größtes Vergnügen darin besteht, durch alle ihnen zu Gebote stehenden Mittel ihre Abneigung gegen ihre Sieger zu erkennen zu geben.«

»Ich würde ihn bald zur Unterwürfigkeit gebracht haben,« sagte Brian; »ich bin gewohnt mit solchen Geistern umzugehen. Unsere türkischen Gefangenen sind ebenso trotzig und unbeugsam, wie Odin selber würde gewesen sein; doch zwei Monate in meinem Haushalt unter Behandlung meines Sclavenaufsehers, haben sie demüthig, unterwürfig, dienstwillig und gehorsam gemacht. Freilich, Herr, müßt Ihr Euch vor Gift und Dolch hüten; denn sie wenden beide sehr begierig an, wenn Ihr ihnen die geringste Gelegenheit dazu gebt.«

»Ja, aber jedes Land hat seine eigenen Sitten und Gewohnheiten,« antwortete Prior Aymer; »und dadurch, daß Ihr diesen Kerl schluget, erhielten wir keine Nachricht über den Weg nach Cedrics Hause, und gewiß wäre ein Streit zwischen Euch und ihm entstanden, hätten wir uns auch dorthin gefunden. Bedenkt, was ich Euch sagte; dieser reiche Freisasse ist stolz, heftig, eifersüchtig und reizbar, ein Gegner des Adels und selbst seiner Nachbaren Reginald Front-de-Boeuf und Philipp Malvoisin, die doch keine Kinder sind im Kampfe. Er besteht so fest auf den Vorrechten seines Stammes, und ist so stolz auf seine ununterbrochene Abkunft von Hereward, einem berühmten Krieger der Heptarchie, daß er allgemein Cedric der Sachse genannt wird; und er prahlt damit, jenem Volke anzugehören, wogegen Andere versuchen ihre Abkunft von demselben zu verbergen, um nicht die Leiden der Besiegten zu erfahren.«

»Prior Aymer,« sagte der Templer, »Ihr seid ein Mann der Galanterie, erfahren in dem Studium der Schönheit, und so bewandert wie ein Troubadour in allen Liebesangelegenheiten; doch ich muß viel Schönheit von dieser berühmten Rowena erwarten, um der Selbstverläugnung und Zurückhaltung, die ich anwenden soll, das Gleichgewicht zu halten, wenn ich mich um die Gunst eines so aufsätzigen Kerls bewerben soll, wie Ihr mir ihren Vater Cedric geschildert habt.«

»Cedric ist nicht ihr Vater,« versetzte der Prior, »und nur ihr entfernter Verwandter. Sie stammt von vornehmerem Blute ab, als er selber in Anspruch nimmt. Indessen ist er ihr Vormund, wozu er sich selber eingesetzt hat, wie ich glaube; doch seine Mündel ist ihm so theuer, als wäre sie sein eigenes Kind. Ueber ihre Schönheit sollt Ihr bald urtheilen können, und wenn die Reinheit ihrer Gesichtsfarbe und der majestätische, aber sanfte Ausdruck ihres wilden blauen Auges die schwarzgelockten Mädchen von Palästina nicht aus Eurem Gedächtniß verdrängen, oder selbst die Houris in des alten Mahmuds Paradiese, so will ich ein Ungläubiger sein, und kein wahrer Sohn der Kirche.«

»Sollte Eure gerühmte Schönheit,« sagte der Templer, »auch nur im Geringsten bei der Prüfung als mangelhaft erfunden werden, so wißt Ihr unsere Wette.«

»Mein goldenes Halsband gegen zehn Fässer Chios-Wein,« antwortete der Prior; »sie sind so gewiß mein, als wären sie schon im Klosterkeller unter Verschluß des alten Kellermeisters Dennis.«

»Und ich selber sollte der Richter sein,« sagte der Templer, »und ich allein sollte meinem eigenen Zugeständniß nach davon überzeugt sein, daß ich seit Pfingsten vor einem Jahre kein so schönes Mädchen gesehen habe – war es nicht so? – Prior, Euer Halsband ist in Gefahr; ich trage es über meinem Halskragen in den Schranken von Ashby de la Zouche.«

»Gewinnt es ehrlich,« sagte der Prior, »und tragt es wie Ihr wollt; ich bin überzeugt, daß Ihr auf Euer Wort als Ritter und Geistlicher eine wahre Antwort geben werdet. Aber, Bruder, nehmt meinen Rath an, und feilt Eure Zunge zu etwas mehr Höflichkeit, als Ihr gegen ungläubige Gefangene und orientalische Sklaven anzuwenden pflegt. Wenn Cedric der Sachse beleidigt ist – und er ist sehr empfindlich – so ist er der Mann, der, ohne Eure Ritterwürde und meinen geistlichen Rang, noch die Heiligkeit beider zu achten, sein Haus von uns befreien und uns hinausschicken würde, um bei den Lerchen zu übernachten, und wäre es um Mitternacht. Und seid vorsichtig, wie Ihr Rowena anblickt, denn er bewacht sie mit der eifersüchtigsten Sorgfalt; und wenn er in der Hinsicht im Geringsten beunruhigt wird, sind wir verlorene Leute. Man sagt, er verbannte seinen einzigen Sohn aus seiner Familie, weil er seine Augen zärtlich zu dieser Schönen erhob, die, wie es scheint, nur aus der Ferne verehrt werden muß, und der man sich mit keinem andern Gedanken nahen darf, als mit welchem man zu dem Altar der gebenedeiten Jungfrau tritt.«

»Gut, Ihr habt genug gesagt,« antwortete der Templer; »ich will mir auf einen Abend den nothwendigen Zwang auferlegen, und mich so sanft betragen, wie ein Mädchen; doch was Eure Furcht betrifft, er möge uns mit Gewalt hinaustreiben, so wollen ich und meine Knappen, nebst Hamet und Abdalla Euch vor dieser Schmach schützen. Zweifelt nicht, daß wir stark genug sind, um unser Quartier behaupten zu können.«

»Wir dürfen es nicht so weit kommen lassen,« antwortete der Prior. »Aber hier ist des Narren versunkenes Kreuz, und die Nacht ist so finster, daß wir schwerlich werden sehen können, welchem Wege wir folgen müssen. Mich dünkt, er sagte uns, wir sollten uns links wenden.«

»Rechts,« sagte Brian, »so viel ich mich erinnere.«

»Links, gewiß links; ich sah deutlich, daß er mit seinem hölzernen Schwerte dorthin zeigte.«

»Ja, aber er hielt sein Schwert in der linken Hand und fuhr damit an seinem Leibe vorüber,« sagte der Tempelritter.

Jeder behauptete seine Meinung mit Hartnäckigkeit, wie in solchen Fällen gewöhnlich ist. Man wendete sich jetzt an die Diener, doch sie waren nicht nahe genug gewesen, um Wamba's Weisung zu hören. Endlich bemerkte Brian, was ihm anfangs im Zwielicht entgangen war. »Hier liegt Jemand entweder schlafend oder todt am Fuße dieses Kreuzes – Hugo, berühre ihn mit dem Schaft Deiner Lanze.«

Dies war nicht sobald geschehen, als die Gestalt aufstand und auf gut Französisch rief: »Wer Du auch bist, es ist unhöflich von Dir, mich in meinen Gedanken zu stören.«

»Wir wollten Euch nur bitten, uns den Weg nach Rotherwood, zu der Wohnung Cedrics des Sachsen zu zeigen,« sagte der Prior.

»Ich selber gehe dorthin,« versetzte der Fremde, »und wenn ich ein Pferd hätte, so wollte ich Euer Führer sein, denn der Weg ist etwas verwickelt, obgleich ich ihn vollkommen genau kenne.«

»Dir soll Dank und Belohnung zu Theil werden, mein Freund,« sagte der Prior, »wenn Du uns sicher zu Cedrics Wohnung bringen willst.«

Dann ließ er einen seiner Begleiter sein eigenes Handpferd besteigen und gab das, worauf derselbe gesessen, dem Fremden, der sie führen wollte.

Ihr Führer schlug einen entgegengesetzten Weg von dem ein, welchen Wamba ihnen in der Absicht angedeutet hatte, um sie irre zu leiten. Dieser Pfad führte sie tiefer in das Gehölz und über mehr als einen Bach, wo der Uebergang wegen des Sumpfes, durch den sie flossen, gefährlich wurde; doch der Fremde schien wie aus Instinct den festesten Boden und den sichersten Uebergangspunkt zu kennen, und führte die Gesellschaft mit Vorsicht und Aufmerksamkeit in einen wildern Baumgang, als sie bisher gesehen hatten, zeigte auf ein großes, niedriges, unregelmäßiges Gebäude am äußersten Ende desselben, und sagte zu dem Prior: »Dort ist Rotherwood, die Wohnung Cedrics des Sachsen.«

Dies war eine freudige Nachricht für Aymer, dessen Nerven keine von den stärksten waren, und der während des Ueberganges über die gefahrvollen Sümpfe so viel Furcht und Besorgniß empfunden hatte, daß er noch nicht so neugierig gewesen war, seinem Führer eine einzige Frage vorzulegen. Da er jetzt beruhigt und in der Nähe eines Obdachs war, erwachte seine Neugierde, und er fragte seinen Führer, wer und was er sei.

»Ein Pilger, der eben aus dem gelobten Lande zurückkehrt,« war die Antwort.

»Ihr hättet lieber dort bleiben sollen, um für die Eroberung des heiligen Grabes zu fechten,« sagte der Templer.

»Es ist wahr, ehrwürdiger Herr Ritter,« antwortete der Pilger, der mit dem Aeußern des Templers vollkommen vertraut zu sein schien; »doch wenn die, welche den Eid geleistet haben, die heilige Stadt wieder zu erobern, in solcher Entfernung von der Scene ihrer Pflicht reisen, könnt Ihr Euch da wundern, wenn ein friedlicher Landmann, wie ich bin, die Aufgabe ablehnt, welche jene verlassen haben?«

Der Templer würde ihm eine zornige Antwort gegeben haben, hätte ihn nicht Aymer unterbrochen, der wieder sein Erstaunen aussprach, daß ihr Führer nach so langer Abwesenheit so genau mit den Waldwegen bekannt sei.

»Ich bin in dieser Gegend geboren,« sagte der Führer, und als er diese Antwort gab, standen sie vor Cedrics Wohnung. Es war ein niedriges, unregelmäßiges Gebäude, welches mehrere Höfe enthielt und einen beträchtlichen Raum einnahm. Obgleich der Größe nach der Bewohner ein wohlhabender Mann sein mußte, so unterschied es sich doch gänzlich von den hohen, mit Thürmchen und Zinnen versehenen Gebäuden, worin der normännische Adel residirte, und welches in ganz England der allgemeine Baustyl geworden war.

Rotherwood war indeß nicht ohne Vertheidigungswerke. Keine Wohnung in jener unruhigen Zeit hätte dieselben entbehren können, ohne die Gefahr, vor dem nächsten Morgen geplündert und niedergebrannt zu werden. Ein tiefer Graben war um das ganze Gebäude gezogen und wurde von dem benachbarten Bache mit Wasser versehen. Eine doppelte Reihe von Pallisaden, die aus zugespitzten Balken bestand, die der nahe Wald lieferte, vertheidigte das äußere und innere Ufer des Schloßgrabens. An der westlichen Seite befand sich eine Oeffnung durch die äußern Pallisaden, welche vermöge einer Zugbrücke mit einer ähnlichen innern Oeffnung in Verbindung stand. Einige Vorsichtsmaßregeln waren getroffen, um diese Eingänge unter den Schutz vorspringender Winkel zu stellen, welche im Nothfall mit Bogenschützen und Schleuderern besetzt werden konnten.

Vor diesem Eingange blies der Templer laut auf seinem Horn; denn der Regen, welcher lange gedroht hatte, begann jetzt mit großer Heftigkeit niederzurauschen.



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