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Von den hamitischen Völkergruppen, die hauptsächlich in Nubien, wenn man das Gebiet im weitesten Sinne (einschließlich Abessinien und Somalland) rechnet, ihre Stammsitze haben und für die von den alten Berichterstattern zuerst der Name »Äthiopen« in Verwendung kam, haben in den ersten drei Jahrhunderten unserer Zeitrechnung allein die in der östlichen Wüstenregion als Halbnomaden und Hirten lebenden Blemmyes Ägypten durch ihre Einfälle bedrängt, nachdem die Äthiopen des Niltals dort schon seit fünf Jahrhunderten ihre Rolle ausgespielt hatten und ihres Einflusses verlustig gegangen waren. Die arabischen Schriftsteller haben dann als Bezeichnung für die das Gesamtgebiet zwischen Nil und Rotem Meer, bis nach Abessinien hin innehabenden gleichartigen Völker den Namen Bega (auch Buga) in Anwendung gebracht.
Dieser Name kann immer noch als der beste Gesamtname dienen, um die große Reihe von Völkerschaften und Stämmen zusammenzufassen, die sich auch heute als selbständige und wirtschaftlich voneinander geschiedene Einheiten betrachten. Ababde (stark arabisiert), Bischarin, Hadendoa, Beni-Amr, (z. T. arabisiert), Habab, Schukrieh (arabisiert), Kakabisch, die im Westen vom Nil Gebiete innehaben und dort noch andere. Als das wichtigste Glied dieser Völkergruppe müssen die Bischarin gelten, die nächst den Ababde als die nördlichsten in den Blemmyes ihre eigentlichen Vorfahren zu erkennen haben.
Diese Bega-Völker haben im Lauf der Geschichte von ihren Wanderungen und Wandelungen keine anderen Denkmäler hinterlassen, als unansehnliche Grabanlagen, die sich, je nach der Region oder der Zeit ihrer Entstehung, in verschiedener Form darbieten, die aber alle einen ursprünglichen Zusammenhang, eine gewisse Kongruenz oder einen Parallelismus miteinander zu erkennen geben.
Die seit der Mitte des neunten Jahrhunderts anhebende Islamisierung hat diesen Grabgebilden ein Ende bereitet. Wo sich solche Gräber noch vorfinden, muß man annehmen, daß sie aus einer Zeit stammen, die dieser Bekehrung vorhergegangen war. Es sei nun der Versuch gewagt, nach den mir bekanntgewordenen Überbleibseln und Beispielen die Formen zu beschreiben, die dieser Totenkult in den einzelnen Gebieten angenommen hatte.
Im Winter 1898 hatte ich Gelegenheit, eine genaue Besichtigung der Umgegend von el-Kab vorzunehmen, jener zwischen Esneh und Edfu am rechten Nilufer gelegenen vielgenannten Ruinenstätte. Meine Aufmerksamkeit lenkte sich daselbst zunächst auf eigentümlich geformte kleine Grabdenkmäler, die auf den Sandsteinhöhen in der Nähe des rechten Nilufers, vereinzelt oder in Gruppen zerstreut, angetroffen werden. Eine große Anzahl dieser von allen übrigen Grabanlagen der Ägypter verschiedenen Begräbnisstätten ist auf der 80 m über dem Nil und in einem Abstande von 1 km nördlich von der Nordecke der großen Ringmauer der alten Stadt (Eileithyiaspolis) gelegenen Höhe zu sehen, die über den durch ihren reichen Bilderschmuck berühmten Felsengräbern der XVII. und XVIII. Dynastie emporragt. Ein vereinzeltes Grab der vorhin erwähnten Art fand ich noch in einer Entfernung von 6 ½ km nordöstlich von der alten Stadt, auf dem Wege zu den Ruinen der von mir in Augenschein genommenen und zum erstenmal durch Prof. Sayce besichtigten alten Niederlassung von Wüstenbewohnern, die heute den Namen el-Grayat führt und die vom Grab noch 2 km weiter nach Norden gelegen ist.
Die Gräber sind ausschließlich aus rohen, unbehauenen und ohne Verband geschichteten Sandsteinblöcken hergestellt, bestehen nur aus einem Oberbau und entbehren jeglichen Grabstollens. Was man zunächst wahrnimmt, ist ein regelmäßiger Steinring, der eine auf dem ebenen Boden angelegte, vielleicht nur noch durch Ausgrabung einer flachen Mulde vertiefte Grabkammer umschließt, und dessen Innenraum ursprünglich mit Schutt und Steinen ausgefüllt war. Infolge der überall stattgehabten Durchwühlung, deren Zweck rätselhaft bleibt, da nicht ersichtlich ist, welcherlei Beigaben die Plünderer für ihre Mühe belohnen konnten, ist die Anordnung der Felsblöcke eine sehr übersichtliche. Der äußere, stets kreisrunde Steinring bildet mit durchschnittlich 3–6 Lagen großer Blöcke eine senkrechte Mauer von 1,5 m Höhe. Ihre Dicke übersteigt selten 0,6 m, während der Gesamtdurchmesser des Baues 4 m beträgt. Die größten Steinringe messen 5 m. Innerhalb des Mauerringes wurde der wohl meist in Leintücher gehüllte Leichnam in der aus größeren Steinplatten hergerichteten niederen Kammer gebettet, deren Länge in den meisten Fällen dafür spricht, daß der Körper für gewöhnlich in ausgestreckter Lage niedergelegt wurde. Eine zur Konservierung der Leiche stattgefundene Präparation ist hier sicher nicht üblich gewesen; überall fanden sich nur mürbe und äußerst verwitterte Knochenfragmente, deren zersetzter Zustand deutlich zu erkennen gab, daß die Gräber bereits vor langer Zeit geöffnet worden sein müssen. Eine bestimmte Stellung zu den Himmelsrichtungen scheint bei der Anlage dieser Gräber nicht beabsichtigt gewesen zu sein. Auch zeigten die einzelnen Gruppen der Gräber keinerlei bestimmte oder unter sich übereinstimmende Orientierung. Viele waren von Nord nach Süd gerichtet.
In ihrer einfachsten Gestalt wurde die Grabkammer durch Niederlegen von zwei länglichen Steinen mit möglichst geradliniger Längskante hergestellt, die, flach auf den Boden gelegt, zwischen sich Raum für den Leichnam ließen. Kleinere Blöcke verschlossen die Enden, und über alle wurden schließlich verquer und als Deckel einige (2–3) große, ungefähr 1,5 m lange Blöcke von mehr plattenförmiger Gestalt gelegt. Der zur Aufnahme des Leichnams zwischen den Blöcken (für gewöhnlich genügten 7–9) frei gelassene Raum mißt 1,25–1,3 m in der Länge und 0,45–0,6 m in der Breite. Die Höhe scheint mitunter, dem Durchmesser des Körpers entsprechend, nur knapp 0,3 bis 0,45 m betragen zu haben. Wahrscheinlich aber wurde zuvor der Boden am Grunde noch etwas ausgehöhlt.
Der zwischen der Kammer und der Mauer des Steinringes befindliche Raum wurde mit Schutt und Steingeröll ausgefüllt und obenauf zu einer flachen Kuppe aufgeschüttet, die Oberfläche aber mit einer Lage von kleinen weißen Kieselsteinen (die hier, bei el-Kab, eigens dazu zusammengesucht werden mußten) belegt, bis zur Herstellung eines flachen, breiten, und doch spitzen Kegels, sodaß das Ganze das Ansehen einer runden Hütte mit Kegeldach gewann.
Einen abweichenden Typus zeigte die Grabkammer in einem Falle, wo die Wände des zur Aufnahme des Leichnams bestimmten Raumes mit einer Reihe aufrechtgestellter kleiner Steinplatten ausgekleidet waren, wie aus der Abbildung zu ersehen ist. Eine Anzahl der Gräber bestand aus kleinen, von gemeinsamer Ringmauer umschlossenen Gruppen; indes fand ich bei el-Kab nie mehr als deren drei in einem Ringe vereinigt. Die Mehrzahl der Gräber in der Umgebung von el-Kab zeigt in übereinstimmender Weise die oben angeführten Maße; es gibt aber auch solche von sehr ungleichen Raumverhältnissen, und bei etlichen von ihnen brachte mich die Enge und Kleinheit der Grabkammer auf die Vermutung, daß hier auch die alte Bestattungsweise der Troglodyten noch geübt sein könnte, wie sie Agatharchides und nach ihm Diodor und Strabo beschrieben haben, und wie sie für die seit einigen Jahren in Oberägypten aufgedeckten Gräber der ersten Dynastien, bezw. der prädynastischen Zeit (der sogen. Negada-Periode) charakteristisch ist, nämlich die Bestattung in gekrümmter Körperlage.Man darf sie nicht als »Hocker« bezeichnen, da in den Gräbern von Negada und in den anderen der ältesten Zeit die Körper auf der Seite liegen und nicht in hockender Stellung bestattet sind. Ob die kleinsten Grabkammern für Kinderleichen bestimmt waren, mag dahingestellt bleiben. Leider war es mir nicht vergönnt, irgendwo ein noch intakt und ungeöffnet gebliebenes Grab ausfindig zu machen, um dieser Frage weiter nachzugehen. Daß die Körper der Toten in den Gräbern von el-Kab in Leinwand gehüllt oder damit umwickelt waren, bewiesen nicht nur die mit den Knochensplittern hier und dort umherliegenden Gewebefetzen, sondern auch ein aufgefundener Zehenknochen, an welchem noch ein Stückchen Leinwand haftet.
Den Toten wurden Tongefäße mit ins Grab gelegt; sie müssen aber wenig zahlreich gewesen sein, nach der geringen Zahl von Scherben zu schließen, die sich im Umkreise der durchwühlten Gräber vorfanden. Von den Skeletteilen waren nur Fragmente der dichtesten und härtesten Knochenteile erhalten. Die meisten Tonscherben stammen hier von jenen langen, kurzhalsigen und unten in einen spitzen Zapfen auslaufenden Amphoren her, deren horizontal stark geriefter zylindrischer Halsteil (zwischen den beiden Henkeln) in Verbindung mit dem feinen Korn der Tonerde, das sie kennzeichnet, für die römische Zeit charakteristisch ist. Die bei den Gräbern von el-Kab aufgelesenen Tonscherben erwiesen sich als mit den unter den Hausresten der alten Wüstenstadt (des vorhin erwähnten el-Grayat) gefundenen identisch und gehören nach Dr. v. Bissing's Urteil dem 2. bis 3. Jahrhundert unserer Zeitrechnung an.
Bei einem der auf der Höhe oberhalb der Felsengräber der XVIII. Dynastie gelegenen Gräber fanden sich Bruchstücke einer daselbst zur Verwendung gelangten Sargtruhe von gebranntem Ton, deren Wandungen 2,5–4 cm Dicke zeigten, und die eine Länge von ungefähr 1,3 m erreicht haben muß. Die Tonmasse war außen hellrot, innen schwarzgrau. Diese Truhe hat ein längliches Viereck dargestellt, mit abgerundeten Kanten. Der Rand der Seitenwände war verdickt, und als Deckel diente eine flache, dünnere Platte, von der sich noch Bruchstücke vorfanden. Das Grab, das diese Truhe beherbergt hat, muß von einem ansehnlichen Hügel weißlicher Kiesel gekrönt gewesen sein, nach der Menge zu urteilen, die von diesen Steinen daselbst umherlag. Die ringförmige Außenmauer hatte eine Dicke von 57 cm und wurde von drei bis sechs Lagen geschichteter Sandsteinblöcke gebildet. Ähnliche Sargtruhen aus gebranntem Ton finden sich in den Gräbern sehr verschiedener Epochen. Man kennt sie namentlich von der Zeit der XIX. Dynastie (Naville) und häufiger aus römischer Zeit, dann aber namentlich aus der früheren »koptischen« Periode (etwa 500–800 n. Chr.). An einzelnen Stücken der soeben erwähnten Sargtruhe finden sich nun Reste von schwarzer Bemalung in derben, primitiven Mustern, Ornamente, die wegen ihrer charakteristischen Gestalt nicht den geringsten Zweifel für die richtige Zeitbestimmung des Gegenstandes gestatten. Es sind das vor allem die symbolischen Palmwedel oder Ölzweige darstellenden Ornamente, die für die spätere römische und frühkoptische Periode bezeichnend erscheinen und in der koptischen Abteilung des Kairener Museums an ähnlichen Sargtruhen und anderen Tongefäßen sichtbar sind.
Scherben mit jener rohen schwarzroten Bemalung versehen, wie sie für die spätere koptische Zeit (800 n. Chr.) charakteristisch ist und wie ich davon ein Beispiel bei den Gräbern von Mualla auflas, haben sich bei el-Kab nirgends gefunden.
Nach dem Erwähnten wird man nicht fehlgreifen, wenn man die Ringgräber von el-Kab in die Zeit des 3. und 4. Jahrhunderts n. Chr. verlegt, entsprechend derjenigen Epoche, die sich nach den aufgefundenen Scherben für die Ruinen von el-Grayat festsetzen ließ, jener Niederlassung, deren vornehme Angehörige wahrscheinlich hier, im Anblick des Nilstroms, ihre letzte Ruhestätte fanden. Daß beide Örtlichkeiten in Beziehung zueinander standen, liegt auf der Hand. Da sich von el-Kab aus, zur Abkürzung des Weges, der längs dem Nil einen rechten Winkel beschreibt, die gerade Wüstenstraße nach Luksor und Koptos eröffnet, so läßt sich annehmen, daß am erstgenannten Platze der Ausgangspunkt eines lebhaften Karawanenverkehrs war. Auch lief bei el-Kab eine Abzweigung der großen Straße nach Berenike aus. Die an dem Verkehr zwischen diesen Plätzen beteiligten Wüstenbewohner hatten in el-Grayat eine Niederlassung, wo sie ihre Familien mit dem Kleinvieh zeitweilig unterbrachten. Solche Beduinen-Lagerplätze mit aus geschichteten Steinen aufgeführten Hütten gehören einer Zeit an, in der diese Nomaden etwas mehr Ansprüche an die Bequemlichkeiten des Lebens zu machen pflegten als heutigen Tages, wo sie mit einem Worte zivilisierter waren. Man gewahrt derartige Ruinen an verschiedenen Stellen der Keneh-Kosser-Straße, namentlich auch in der nächsten Umgebung von Assuan, die gewiß der nämlichen Epoche angehören, wie el-Grayat. Zu erwähnen wäre noch, daß ich an dem letztgenannten Platze und seiner Umgebung, obgleich er das Gemäuer von über 200 kleinen Wohnhütten aufweist, nirgends weder vereinzelte noch gemeinsame Begräbnisstätten ausfindig zu machen vermochte.
Eine andere Gegend am Nil, die ich 1898 besucht habe, bietet eine weit größere Ansammlung von Gräbern der soeben beschriebenen Art. Da, wo der Nil oberhalb Thebens aus der nordwestlichen Stromrichtung in die nordöstliche einbiegt, liegt an der östlichen Gebirgskette, die hier der Fluß fast bespült, das kleine Dorf Mualla, an der Ursprungsstelle des nach ihm benannten Bewässerungskanals. Hier hatte der Generaldirektor der ägyptischen Telegraphen, Ernest Floyer, eine zur Feststellung des den Mergeln der Umgegend zukommenden Gehalts an salpetersauren Salzen dienende Versuchsstation angelegt. Am Fuße der sich bis zu 250 m erhebenden nahen Steilwand sind niedere Vorhügel gelagert, die bis auf 200 m Abstand an den Fluß herantreten. Die salzführenden Mergelschichten, die von den Eingeborenen als Dungerde (marob) für ihre Felder ausgebeutet werden, treten hier an der Grenze zwischen Eozän und Kreide in großer Mächtigkeit zutage. Diese Vorhügel sind, sowohl auf ihren Kuppen, als auch an den Gehängen mit Grabanlagen, wie die bei el-Kab gesehenen, bedeckt; schon allein in der Umgebung des zweiten Talkessels, südlich vom Dorfe Mualla, dessen Austrittsstelle etwa 3 km im ONO vom Hause Mr. Floyers gelegen ist, sieht man an die Hundert. Floyer hat zuerst auf diese Gräber aufmerksam und darüber im Institut Egyptien Mitteilung gemacht. Der Sitzungsbericht enthält auch eine von dem Ägyptologen G. Daressy demselben Gegenstande gewidmete Abhandlung.
Die Gegend an der Nilecke bei Mualla führt den unaufgeklärten Namen »der 7 Sultane«. Auf einer Strecke von über 10 km sind daselbst die Vorhügel unter der nahen Steilwand mit solchen Grabanlagen bedeckt. Mit den aus niedrigen, runden, von flachen Kieselkegeln gekrönten Zylindern oder kiesgefüllten Mauerringen bestehenden Grabdenkmälern dürfen aber nicht jene teils kreisrunden, teils vierkantigen oben offenen Gemäuer aus geschichteten Steinen verwechselt werden, die von Floyer und Daressy gleichfalls für Gräber gehalten wurden, hauptsächlich aus dem Grunde, weil sie für Wohnstätten zu klein, auch ihre Zugänge zu eng erscheinen. Diese überall in den Wüsten Ägyptens anzutreffenden und den verschiedensten Zeitaltern angehörenden kleinen Umfriedigungen und Einfassungsgemäuer sind für den Wüstenreisenden keine neue Erscheinung. Meist sind sie zum Schutz gegen die winterliche Nachtkälte von umherziehenden ärmeren Nomaden improvisiert, häufig auch zur Unterbringung von Kleinvieh hergestellte Hürden, wie solche allenthalben in der Nähe von Beduinenlagern, beim wechselnden Weidegang der Frühlingsmonate zu sehen sind.
Auch bei Mualla waren sämtliche Gräber seit langer Zeit durchwühlt, wie die zerfallenen Knochenreste bezeugen konnten, die hier und da zerstreut lagen. Die Mühe, die man sich bei dieser Durchsuchung der Gräber gegeben hat, läßt erwarten, daß in einigen sich wertvolle Beigaben vorfanden, die zu sorgfältiger Prüfung des Inhalts angefeuert haben. Da bei Mualla an großen und namentlich an flachen Steinen Mangel war, sind die dortigen Gräber nicht mit so vollendeter Symmetrie errichtet wie die bei el-Kab. Alle sind aber genau nach demselben Plan erbaut und auch in derselben Größe in Ausführung gebracht. Häufiger als bei el-Kab sind hier Sammel- oder Familiengräber zu sehen, die 3, 5 und bis zu 9 Einzelgräber mit einer gemeinsamen Ringmauer umschließen, die gewöhnlich 1,5 m Höhe erreicht. Auch hier fand sich eine Anlage vor, deren Grabkammer, selbst von länglich-ovaler Gestalt, innen mit flachen und aufrecht gestellten Steinen ausgekleidet war. Außer den überall gänzlich zerstückelten und mürben Knochenresten (sicherlich war keine der Leichen »einbalsamiert« gewesen) fanden sich Scherben von Tongefäßen mannigfacher Art. Was mir von letzteren unter die Augen kam, schien mir von den bei den Gräbern von el-Kab aufgefundenen nicht verschieden; nach den mir von Dr. v. Bissing gegebenen Aufklärungen wird man indes zur Altersbestimmung dieser Gegenstände eine ganze Reihe von nachchristlichen Jahrhunderten zur Verfügung haben, nämlich die vom 3. bis 8.
Bei einem der Gräber fand sich auch ein größeres Holzstück, ein 1,5 cm dickes Brett, das, mit einer Reihe von 6-blättrigen Rosetten geziert, ursprünglich offenbar einem Sarge angehört hatte. Dieses Ornament, obgleich sehr einfacher und häufig verwandter Art, dürfte immerhin zur genaueren Zeitbestimmung des Grabes beitragen. Särge sind jedenfalls in diesen Gräbern nur in Ausnahmefällen, vielleicht nur zur Bestattung der Vornehmsten in Anwendung gekommen. Ich bin übrigens nicht der Ansicht, daß die Gräber von Mualla nur den Vornehmen und Stammesältesten angehört haben, dazu sind sie allzu reichlich.
Daressy weist diese Gräber, indem er sich dabei hauptsächlich auf die dort gemachten Scherbenfunde stützt, in das 7. bis 12. Jahrhundert, eine Zeit, wo, wie er hinzufügt, Christen und Mohammedaner gleich zahlreich waren. Nach den aufgefundenen Topfscherben meint er, müssen die Gräber lange nach der Blütezeit des koptischen Klosterlebens errichtet worden sein. Fundstücke, die dafür sprächen, daß die Inhaber dieser Gräber Christen gewesen seien, hat der genannte Ägyptologe nicht aufzuweisen, abgesehen von einer einzigen Schale, auf der sich das Zeichen eines koptischen Kreuzes eingedrückt fand. Es darf aber nicht außer acht gelassen werden, daß bei Mualla, zumal an den näher dem Nil zu gelegenen Hügelabfällen, Gräber aus sehr verschiedenen Epochen nebeneinander angetroffen werden, sodaß bei ihrer Durchwühlung die Scherbenstücke sehr leicht an Stellen geraten konnten, die ihnen nicht zukamen. Allerdings habe ich auch daselbst unter anderen, eher einer älteren, als einer neueren Periode angehörigen Tonscherben, ein Stück aufgelesen, das genau die Technik zur Schau trägt, die Dragendorf und v. Bissing als »koptisch« bezeichnen und die sich durch eine matte Färbung sowie vorwiegend schwarzrot ausgeführte, sehr wild angeordnete Ornamentik kenntlich macht. Diese »koptischen« Tongefäße werden dem 8. Jahrhundert zugeschrieben.
Daressy behauptet auch, durchaus keine Leinwandreste bei den Gräbern von Mualla angetroffen zu haben, während ich selbst auf ganz deutliche Beispiele davon stieß. In einem Grabe fand er eine Tonvase, die einen Dattelkern enthielt, also eine Opfergabe. Eines sehr merkwürdigen Fundes tut Daressy in seiner Mitteilung an das »Institut Egyptien« leider mit nur wenigen Worten Erwähnung. Er fand nämlich innerhalb eines der erwähnten Mauerringe das aus Erde (also aus Nilton) sehr roh geformte Bild eines Pferdes. Wie er dazu kommt, an diese Angabe die Bemerkung zu knüpfen, daß eine solche Beigabe die Gräber der Vornehmen oder eines Ortsvorstehers kennzeichnete, ist nicht ersichtlich. Die auf der dem Berichte beigefügten Tafel dargebotene Skizze erscheint ebenso primitiv und roh in der Zeichnung, wie der Gegenstand, den sie darstellen soll, und ebenso ungenügend, wie die Notiz unvollständig ist.
Ich glaube, man wird das Richtige treffen, wenn man annimmt, daß die Gräber von Mualla zusammen mit denen von el-Kab derjenigen Epoche entstammen, in der die Wüstenstämme (also die Vorfahren der heutigen Ababde und Bischarin, die sogenannten Blemmyes) sich am ungestörtesten des Alleinbesitzes ihrer Machtsphäre zu erfreuen und überall freien Zugang zum Nil hatten, und das war die Zeit, als der römische Kaiser mit ihnen Frieden geschlossen und sie mit Geld abgefunden hatte.
Zur Erklärung dieser Anhäufung von Gräbern in der Nähe des Nilufers bei Mualla hat man auch das Vorhandensein ehemaliger Militärkolonien in Betracht gezogen. Nun ist ja aus der Geschichte bekannt, daß in der Tat die alten Ägypter eigens zum Zweck der sicheren Rücken- und Flankendeckung des langen und schmalen Landes ein aus den benachbarten Wüstenstämmen gebildetes Gendarmeriekorps, die sog. Mazai unterhielten, eine Einrichtung, die lange Zeiträume hindurch bestanden hat. Die Gräber von Mualla und el-Kab haben nichts mit diesen alten Zeiten gemein, denn sonst würden sie doch irgendwo Anklänge an den alten Bestattungspomp und vor allem unter den Beigaben solche Stücke aufzuweisen haben, die uns über die betreffende Epoche Aufklärung geben könnten.
Außer der in Vorstehendem dargelegten, immerhin einen großen Spielraum offen lassenden zeitlichen Begrenzung würde sich, bei dem Mangel an inschriftlichen und solchen Beigaben, die für das Volk, das diese Gräber errichtete, bezeichnend sein könnten (wie z. B. Waffen oder Erzeugnisse des eigenen Kunstfleißes), wenig ermitteln lassen, wenn nicht zum Glück starke Beweismittel auf dem Gebiete der Analogie zur Verfügung ständen. Das einzige, was diese Hirtenvölker uns hinterlassen, sind eben die Gräber, und die alten Formen von ihnen lassen sich bis in die Gegenwart bei den jetzt lebenden Nachkommen verfolgen.
In erster Linie darf hierbei das kleine Volk der Bogos als Zeuge angerufen werden, wenn der Nachweis geliefert werden soll, daß die vorhin beschriebenen Gräber wirklich den alten hamitischen Wüstenbewohnern angehört haben. Die Bogos, die eine nördliche Vorstufe des äthiopischen Hochlandes innehaben, zählen heute, unter italienischer Herrschaft, nicht viel über 15 000 Seelen. Sie sind sämtlich Christen, und ein großer Teil von ihnen bekennt sich zur römisch-katholischen Kirche; nichtsdestoweniger haben sie sich nicht nur ihre alte hamitische Sprache (bilin), sondern auch viele merkwürdige Sitten und Einrichtungen zu erhalten gewußt. Hierzu muß man zunächst ihre Gräber rechnen, die aller Reisenden Bewunderung erregten, so viele ihrer diese anmutige Landschaft besucht haben. Die hier gegebene Abbildung bekundet die völlige Identität mit den Gräbern von el-Kab und Mualla. Auch die Maße stimmen überein. Die Bogosgräber sind gewöhnlich 2 m hoch und hatten im Durchmesser 4–7 m.
W. Munzinger beschreibt in seiner Schrift über »Sitten und Recht der Bogos« die Behandlung des Leichnams und seine Bestattung. »Der Körper wird gewaschen, parfümiert (d. h. gesalbt), er erhält einen weißen Stein in den Mund gesteckt, es werden für jede Frau, die er besessen, 3 Krüge Wasser über den Körper geschüttet, man umhüllt ihn mit weißem Baumwollzeug, dann wird er auf einer Bettstelle zu Grabe getragen. Unterwegs wird der Körper nochmals mit Wasser besprengt. Das 7 Fuß tiefe Grab ist so eng ausgeschachtet, daß der Körper hineingezwängt werden muß. Vermittelst eines breiten Schiefersteines wird die Öffnung verschlossen. Darüber rund herum wird nun ein 2 Fuß hoher Mauerring errichtet. Man füllt den Ring mit weißen Steinchen aus und häuft sie zu einem Kegel an. Ein durch das Schwert des Feindes Gefallener erhält einen schwarzen Steinkegel. Die Gräber erhalten sich sehr lange. Der Leichnam ruht gleichsam in einer steinernen Grabkammer. Es gibt 20 Fuß hohe Grabhügel der Häuptlinge. Männer und Frauen werden nebeneinander begraben. Frauen und Kinder erhalten kleinere Hügel.«
Überall auf den Hügeln der großen Talmulde von Keren (Senhit) gewahrt man solche Dörfer der Toten, denn wie Dörfer nehmen sich diese zahlreichen, einer ganzen Reihe von Generationen gemeinsamen Gräber aus, mit ihren wohlgeformten Hütten aus Stein, mit den im Sonnenschein hellschimmernden flachen Kegeln und Kuppen, die von Haufen schneeweißer Kiesgerölle gebildet werden. Zwischen den weißen finden sich auch solche Gräber, die mit schwarzen Kieseln belegt sind. Diese kommen, altem Brauche gemäß, denjenigen Toten zu, die eines gewaltsamen Todes starben. Einer anderen Auslegung zufolge sollen die schwarzen Gräber für diejenigen bestimmt sein, deren Tod noch der Sühne bedarf; erst wenn solche erfolgt ist, wird das Grab mit weißen Kieseln beschüttet.
Einer ähnlichen Vorstellung begegnete ich bei den Assaorta (auch Saho genannt), einem anderen rein hamitischen Hirtenvolk der italienisch-erythräischen Region, das zwar mohammedanisch geworden, indes wie die Bogos den Sitten der Vorfahren treu und im Besitze der eigenen Sprache geblieben ist. Die Assaorta bestatten solche, die meuchlings einer Kugel zum Opfer fielen, in aufrechter Körperstellung, stehend. Der Tote soll nach ihrer Auffassung nicht ruhen, gleichsam beständig auf der Wacht stehenbleiben, bis er gerächt ist. Ein solches Assaortagrab sah ich auf freiem Felde in der Umgegend von Halai in der heutigen Colonia Eritrea. Es bildete einen 2 m hohen Tumulus von fast zylindrischer, etwas kegelförmiger Gestalt. Drei horizontale Lagen von weißen Quarzstücken waren zur Verzierung zwischen den dunklen Steinen angebracht. Die Herstellung erfolgt in der Art, daß um den aufrecht gestellten Leichnam so lange Steine gehäuft und geschichtet werden, bis er von allen Seiten zugedeckt ist. Diese Bestattungsweise erinnert an diejenige, die im 63. Abschnitt des Periplus des Agatharchides (wiederholt von Diodor und Strabo) den Troglodyten zugeschrieben wird, die ihre Toten so lange mit Steinen bewarfen, bis sie deren Gestalt vollständig damit bedeckten.Diese Stelle ist von einigen Archäologen ganz falsch interpretiert worden, um den Nachweis zu liefern, als seien die Gebeine der Toten durch die Steinwürfe zerstückelt worden. Als Analogie suchte man die in den Gräbern der Negada-Epoche oft in zerstreutem Zustande aufgefundenen Gebeine als auf gleiche Weise zerstückelt zu erklären, während es sich doch bei ihnen um eine sekundäre Bestattungsweise handelt.
In den weiten Steppen- und Wüstenstrichen, die sich zwischen Abessinien und Ägypten ausdehnen, werden sich gewiß noch viele Begräbnisstätten aus älterer Zeit ausfindig machen lassen. Die Reisenden haben dem Gegenstande bisher nicht genügend Beachtung geschenkt. Ich will hier die wichtigsten Beobachtungen, die man gemacht, zusammenstellen.
Auf seiner Landreise von Suakin nach Massaua traf Th. v. Heuglin im Jahre 1875 im Gebiete der Beni-Amr, nördlich vom Felkat-Bache, eine Anzahl älterer Grabdenkmäler an, über die er in seinem Reiseberichte (Bull. Soc. Khéd. de Géogr. 1876) nur sehr kurze Auskunft gab, von denen er aber auf der dem Berichte beigefügten Karte zwei Abbildungen gegeben hat, die Bauten mit schuttgefüllten Steinringen und mit in 2 bis 4 Stockwerken aufeinander gesetzten Zylindern zu erkennen geben und im Prinzip sich den Grabanlagen von el-Kab, Mualla und Keren anzuschließen scheinen.
v. Heuglin erzählt, daß diese Grabmäler von den heutigen Bewohnern, die Beni-AmrDieser Teil der durchweg mohammedanischen Beni-Amr, der sich äußerlich von den Hadendoa und Bischarin usw. nicht unterscheidet, hat nebst den ihnen benachbarten Habab und Maria eine semitische Sprache, das Tigré, angenommen, während andere Beni-Amr-Stämme noch dem Bedauye treu geblieben sind. sind, einem ursprünglich in der ganzen Region heimisch gewesenen Stamme zugeschrieben werden, der den Namen Bet-Maleh führt und von dem noch zersprengte Reste im Lande vorhanden sein sollen. General Baratieri bestrittNegli Habab, in Nuova Antologia, 16. März 1892, p. 35. diese Angabe, weil den Bet-Mala, die er als »echte Nomaden, Hirten und Räuber« bezeichnet, solche Luxusbauten nicht zuzutrauen seien. Baratieri beschreibt im Lande der Habab fünf verschiedene Stilarten von Grabmälern, die in ihrer Grundlinie mehr oder weniger den von mir beschriebenen gleichen:
Die Größenverhältnisse der Habab-Gräber sind nach Baratieri hinsichtlich der Breite sehr wechselnd, und die Höhe, die sie erreichen, schwankt zwischen 4 und 5 Meter. Alle diese Bauten entbehren einer Eingangstür. Nicht unerwähnt darf der Umstand bleiben, daß diese zierlichen Grabbauten der Habab-Häuptlinge, die Baratieri in die allerdings nicht sehr entlegene Zeit vor Einführung des Christentums verlegt, unter Anwendung von Kalk aufgeführt worden sind; er hebt sie als die einzigen in diesen Gegenden vorhandenen Beispiele von Mörtelbau eigens hervor. Ich habe diese Bauwerke nur deswegen angeführt, weil sich in ihrem Stil offenbar die alten Überlieferungen der Bega-Völker erhalten haben.
Eine andere Kategorie von Grabmälern, die gleichfalls mit Kalkbewurf und mit Mörtel hier errichtet wurden, gehört wegen ihrer den Bedürfnissen des funerären Ritus des Islams entsprechenden Gestalt der neueren Zeit an und die Gräber sind, wie Baratieri versichert, von aus Ägypten oder Arabien bezogenen Werkleuten hergestellt worden.
Baratieri hat auch die den Bogos-Gräbern durchweg analogen Begräbnisstätten der Maria, eines anderen kleinen Hamitenvolkes, und die bei der Bestattung ihrer Toten befolgten Festlichkeiten beschrieben. Je nach der Form der Auffüllung der Grabhügel mit weißen Kieseln soll man daselbst die früheren christlichen Gräber von denen der heutigen Mohammedaner zu unterscheiden vermögen. Die mit gewölbter Kuppe sind christlichen, die flachen Gräber sind mohammedanischen Ursprungs. Auch bei den Maria werden noch heutigen Tages die ungesühnt Verstorbenen mit einem schwarzen Kieselbelag bedeckt, die eines natürlichen Todes Verstorbenen mit einem weißen. Doch soll dieser Brauch nicht mehr allgemeine Geltung haben.
Die ausgedehntesten Begräbnisanlagen, die bis jetzt im Gebiet der Bega-Völker bekannt geworden sind, die von Maman, 95 km nördlich von Kassala im Gebiet der Hadendoa gelegen, habe ich selbst im April des Jahres 1865 aufgefunden und in der Zeitschrift f. allg. Erdkunde beschrieben, – eine wahre Gräberstadt mit vollkommen erhaltenen Baulichkeiten, deren Anzahl ich damals auf eintausend geschätzt habe.
Die Gräber von Maman ziehen sich am Südhang des gleichnamigen Berges auf einer Strecke von ungefähr 2 km hin, gleich einer wohlgeordneten Stadt. Zu den Bauten sind nur flache, schieferartig sich absondernde Gneisstücke verwandt und ohne ein Bindemittel durch einfaches Aufeinanderschichten hergestellt. Die Stellung zu den Himmelsrichtungen ist eine zwanglose, meist aber sind die Grabbauten nach der Windrose orientiert, mit dem Eingang auf der Ostseite. Die einfachste und am häufigsten angetroffene Form, von der in Maman noch mindestens 500 durchaus wohlerhaltene Beispiele vorhanden sind, besteht aus einem würfelartigen Unterbau mit daraufgesetztem zylindrischen Rondell, bestehend aus einem schuttgefüllten Mauerring, den eine Kuppe von weißen Kieseln oder Kalkstücken krönt. Diese Gräber messen durchschnittlich 3,3 m in der Höhe und 4 m in der Länge. Eine seltenere und vornehmere Stilart dieser Gräber besteht aus einem doppelten, in zwei Stockwerken aufeinander gesetzten Unterbau von würfelförmiger Gestalt mit schwach geneigten Wänden. Diese messen in Höhe und Breite 5 m. Allen Gräbern ist ein im Innern des Unterbaues angebrachtes flaches Gewölbe eigen, das durch allmählich geneigte Schichtung der übereinandergreifenden Gneislagen hergestellt ist. Unter diesem Gewölbe, zu dessen größerer Befestigung wohl der oben aufgesetzte schuttgefüllte Mauerzylinder diente, war der ebene Boden mit großen Steinblöcken belegt, unter denen die Körper der Toten beigesetzt worden sind. Ich habe bei meinem damaligen Besuch leider nicht darauf geachtet, ob die Leichname in ausgestreckter oder in gekrümmter Körperlage, ob frei in einem aus Blöcken hergestellten Hohlraum oder in vergrabenem Zustande beigesetzt wurden. Ich nehme aber als das Wahrscheinliche ein Vergrabensein in ausgestreckter Lage an. Bei meinen damaligen Grabungen erbeutete ich unter einem und demselben Gewölbe sechs Schädel, und hier war es auch, wo ich den ersten Schädel der merkwürdigen, damals neuen Nagergattung Lophiomys zutage förderte.
Außer diesen Grabkapellen waren zu Maman noch viele schmucklose Gräber vorhanden, die aus einfachen Steinhaufen bestanden, also die gewöhnliche Begräbnisweise der heutigen Zeit aufwiesen.
Christliche Embleme waren nirgends zu sehen; das einzige Ornament, das hin und wieder an den Bauten in Betracht kam, bestand aus eingeschalteten weißen Kalksteinstücken,Kalkstein tritt als eine große Seltenheit des Gebietes in der Nachbarschaft zutage auf der Westseite des Gebel Kuureb. die als Längsstreifen oder in Gestalt einer schachbrettartigen Karrierung verwandt worden waren. Sicherlich gehört die Gräberstadt von Maman der vormohammedanischen Zeit an, aber man darf ihr kein allzu hohes Alter beimessen, da gewisse Einzelheiten der so lose geschichteten Mauerwerke mich anwiesen, hier, in dieser mit starken Sommerregen bedachten Region, mit Jahrhunderten nicht so freigebig zu sein, wie im eigentlichen Ägypten. Jedenfalls war in der Nähe ein Hauptlager der Vorfahren der heutigen Hadendoa, und im Verlaufe vieler Generationen ein bevorzugter Sammelplatz ihrer Toten. Man wird nicht weit fehlgehen, wenn man in dieses Gebiet den Schwerpunkt der Entwicklung der heidnischen Blemmyes oder Bega verlegt.
Daß auch die Gräber von Maman im allgemeinen derselben Grundidee gemäß angelegt worden sind, wie die primitiveren Formen, die uns beim Beginn dieser Mitteilungen beschäftigt haben, liegt auf der Hand; indes sind wesentliche Unterschiede hervorzuheben in:
Zur Kennzeichnung der Zeitepoche, denen die verschiedenen Grabdenkmäler und Gräberstädte angehörten, müssen wir uns mit der Rolle beschäftigen, die diese Hirtenstämme und Nomaden, die heute die Region des Etbai innehaben, in der Geschichte gespielt haben.
Mit dem Namen Bega (Bedscha, auch Buga) bezeichnen die arabischen Geschichtsschreiber und Geographen jene Reihe von Hirten- und Nomadenvölkern, die im Osten vom Nil die Bergwüstenländer von Ägypten an bis zum äthiopischen Hochland innehaben und die durch eine große Übereinstimmung in Lebensgewohnheit, Tracht und Sprache ausgezeichnet sind.
Innerhalb des engeren Ägyptens waren sie, wie das noch beute der Fall ist, durch die Stämme der Ababde und Bischarin vertreten, und diese waren es auch, die als Blemmyes während der ersten Jahrhunderte unserer Zeitrechnung, unablässig Ägypten mit Raubzügen und Einfällen bedrohend, den Schrecken ihres Namens über alle Gaue des zivilisierten Niltals verbreiteten.
Die arabische Bezeichnung Bega scheint etymologisch mit derjenigen zusammenzuhängen, wie sie bei diesen Völkern selbst als Kollektivname für ihre Rasse gebräuchlich ist. »Bedauye und Bejauye« ist das nomen proprium des Bega-Volkes; mit »to-Bedauye« wird die Begasprache bezeichnet. Die semitische Namensform Bega tritt bereits in früher Zeit auf; denn auf der in altäthiopischer (Geez-) Schrift verfaßten Axumitischen Königstafel wird unter den Titeln des Königs Aizanes (der nach E. Glaser von 348 bis 365 n. Chr., nach anderen von 351–364 regierte) auch derjenige »von Bega« aufgeführt, eine Bezeichnung, der als Äquivalent im griechischen Text des genannten bilinguen Steines der gleiche Name gegenübersteht. Über die Herkunft des Namens Blemmyes ist nichts bekannt.
Strabo ist der älteste Schriftsteller, der den Völkernamen Blemmyes kennt; deswegen darf aber nicht behauptet werden, daß dieser Name vor dem ersten vorchristlichen Jahrhundert unbekannt gewesen sei. Wenn man liest, was Strabo über die geographische Völkerverteilung in den zwischen Ägypten und dem abessinischen Hochland gelegenen Strichen sagt, so ist man zu der Annahme genötigt, daß bereits im 3. Jahrhundert v. Chr. – denn er beruft sich wiederholt auf Eratosthenes, dessen Angaben er gleichsam wörtlich anführt – derselbe ethnische Bestand in Nubien zu verzeichnen war wie heutigen Tages. Verschiedene Schriftsteller haben ohne Grund sich darüber Sorgen gemacht, daß die Wohnsitze der Blemmyes nicht mit Sicherheit festzustellen seien, und selbst Quatremère, der alle die alten Angaben über dieses Volk zusammengestellt hat, äußert sich in dieser Sache wenig zuversichtlich. Nach dem Stande unserer heutigen Kenntnis jener Gegenden aber erscheint die Sachlage eine sehr einfache.
Strabo entwirft mit wenigen Worten folgendes aus Eratosthenes entlehnte Bild der nubischen Völkergruppierung: »Alles, was unterhalb Meroë gelegen ist, vom Nil bis zum Roten Meer und bis an die Grenzen der Ägypter, gehört den von den Äthiopiern abhängigen Blemmyes und Megabaren. An der Küste wohnen die Troglodyten. Auf der linken Nilseite in Afrika« (also offenbar auch inklusive der in der Richtung zur Bajuda und nach Kordofan zu gelegenen Steppenstriche) »wohnt das große Volk der Nubier, von Meroë an bis zu den Nilkatarakten. Diese sind den Äthiopiern nicht unterworfen, sondern leben unter verschiedenen kleinen Königen.« Die hier nebeneinander genannten Blemmyes und Megabaren werden den heutigen Bewohnern, den Bischarin und Ababde, entsprochen haben; die Troglodyten, die Küstenbewohner dieser Gebiete, waren den Seefahrern längst bekannt und von diesen mit dem vagen, sich in verschiedenen Gebieten wiederholenden Namen der Höhlenbewohner belegt. Daß diese Völker eines Stammes gewesen seien, scheint den Alten nicht ganz klar geworden zu sein, wenigstens bespricht Strabo die Troglodyten an einer anderen Stelle, ohne ihrer Verwandtschaft oder Identität mit den Blemmyes Erwähnung zu tun. Denn bei den erstgenannten schöpfte Strabo aus einer anderen Quelle, nämlich aus dem Bericht des Agatharchides. Diodor spricht allerdings von den Megabarensern als von einem Stamm der Troglodyten.
Daß man aber, wo von Ägypten die Rede war, unter dem Namen Troglodyten ein ganz bestimmtes Volk und eine ebenso bestimmte Ausdehnung des von ihnen bewohnten Gebiets – die Küstenländer auf der ganzen Westseite des Roten Meeres – im Sinne hatte, das beweist allein schon die Bezeichnung des Handelsemporiums Berenike troglodytica, im Gegensatz zu anderen der ägyptischen Königin zu Ehren (der Mutter des Philadelphus) erteilten Städtenamen. Ptolemäus sagt ausdrücklich, daß die ganze Küstenstrecke, die vom Elefantenberge (das äthiopische Hochland) bis zum arabischen und aualitischen Golf – d. h. bis zum Roten Meer und dem Golf von Aden – reicht, mit dem Namen der troglodytischen Region bezeichnet werde. Der Name Troglodytica deckt sich mit dem heutigen Etbai.
Was nun die Nubier anlangt, die in späterer Zeit als Nobadae bezeichnet werden (von Nap oder NapataBarkal, ihrer Hauptstadt, einerseits und dann von dem alten Namen Nub), so waren sie im Tal des transkataraktischen Nils offenbar schon damals in ihrer heutigen Verfassung seßhaft, allerdings in weiterer Ausdehnung stromaufwärts als gegenwärtig, wo über den Gebel Barkal hinaus eine nubische Bevölkerung nicht mehr in überwiegenden Verhältnissen vorhanden ist, da die Araberinvasionen, die in der Folge auch direkt vom Roten Meere aus eingewirkt haben, sie allmählich von ihren Sitzen am Nil zwischen dem 18. und 19. Grad n. Br. verdrängt haben. Die arabische, sowohl von Norden als auch von Osten her auf diese Völker einwirkende Infiltration (z. B. Gaalin, Scheikieh usw.) trägt auch daran Schuld, daß vieles von den alten Eigentümlichkeiten der Nubier ausgelöscht worden ist. Vermag doch niemand zu sagen, ob die heutigen Nubier, die sogenannten Barabra, Söhne oder bloß Erben der alten sind, ob ihre direkten Vorfahren jenes »elende Volk von Kusch« waren, das die Ägypter des mittleren Reiches zur Botmäßigkeit gezwungen, und dem sie sehr bald den Stempel ihrer eigenen Zivilisation aufgeprägt haben, oder ob die Vorfahren dieser Barabra, wie Lepsius annimmt, aus den sogenannten Nuba-Bergen des südlichen Kordofans eingewandert sind. Weiß man doch immer noch nicht, welcher Art die Sprache war, die in den meroitischen Inschriften vom Gebel Barkal, von Philae usw. niedergelegt ist, ob in einem der drei Idiome der heutigen Nubier der Schlüssel zu ihrem Verständnis zu suchen sei oder eher in der Sprache der Bega, dem heutigen to-Bedauye. Letzteres war die Ansicht Herodots. Zur Blütezeit der Äthiopenherrschaft mögen alle diese Völker, die ein gemeinschaftliches Band der Abstammung und Rasse umschlang, wenn auch mit abweichenden Lebensgewohnheiten und verschiedenen, sich allmählich zu eigenen Sprachen differenzierenden Idiomen, ein mächtiges Ganze dargestellt haben, das in der Hand eines tatkräftigen Herrschers wohl Großes vermochte.
Bei Ptolemäus findet sich der Name der Blemmyes denen der Megabariden und Moliben angereiht an einer Stelle, die vermuten läßt, daß dieser Schriftsteller, der nicht mehr auf so alte Nachrichten angewiesen war wie Diodor oder Strabo, dem erstgenannten Volke mehr südlichere Wohnsitze anweist, etwa die heutigen Tages vorzugsweise von den großen Stämmen der Hadendoa und Beni-Amr eingenommenen Striche. Die genannten Stämmme unterscheiden sich von den Bischarin weder durch Sprache noch durch Tracht und Sitten. In diesen südlichen, mit reicheren, namentlich auch für die Pflege der Rinderrassen geeigneten Weidegründen ausgestatteten Gebieten lag gewiß der Schwerpunkt der Entwicklung der Blemmyes als Nation. Damals, in der Mitte des 2. Jahrhunderts, waren sie also noch nicht in die historische Aktion eingetreten; das geschah erst bei zunehmendem Verfall der Römerherrschaft in Ägypten, als unaufhörliche Aufstände und innere Unruhen die Sicherheit der sonst stets aufs sorgfältigste überwachten Südgrenze gelockert hatten. Vielleicht gaben gar die Einfälle der Palmyrer unter Zenobia den unmittelbaren Ansporn zu ähnlichen Versuchen, denn bereits im Triumphzuge des Aurelian sollen gefangene Blemmyes mitgewirkt haben. Wenige Jahre später, während der Regierung des Probus, sehen wir die Blemmyes bereits als Eroberer mitten in Ägypten, nachdem sie sich der Städte Koptos und Ptolemaïs (el-Menschieh) bemächtigt, von deren Bewohnern sie zu Hilfe gerufen worden waren, zur Zeit, da sie im offenen Aufstande gegen die Regierung sich befanden. Der Soldatenkaiser Probus war aber siegreich über sie (278) und ließ auch zu seinem Triumphzug gefangene Blemmyes nach Rom schleppen.
Während des langen Zeitraums vom 3. bis zum 7. Jahrhundert sehen wir nun die Blemmyes als beständige Bedroher von Ägypten, während sie andererseits auch den Nubiern des Niltals feindlich gegenüberstanden, also in den Nobaden einen Gegner in der Flanke hatte, der von den Römern eigens dazu ausgerüstet wurde. Diokletian soll, wie Prokopius berichtet, die Blemmyes eine Zeit lang durch Zahlung von Subsidien von weiteren Einfällen abgehalten haben, ganz den neuzeitlichen Gepflogenheiten entsprechend, an denen die türkische Regierung in Arabien bis zum großen Kriege festhielt. Welche Bedeutung aber den Blemmyes damals zukam, geht aus der von Eusebius berichteten Tatsache einer eigenen Gesandtschaft an den Kaiser Konstantin hervor. Daß die Nobaden ein Übergreifen der Blemmyes auf die westliche Nilseite nicht zu verhindern imstande waren, beweist die Gefangennahme des nach der Großen Oase verbannten und dort im Exil wohnenden Patriarchen Nestorius bei einem Raubzuge, den diese wilden Nomaden bis dahin unternommen hatten, und ebenso wunderbar erscheint die Wiederfreilassung und Auslieferung des Kirchenfürsten an den Befehlshaber von Panopolis (Achmim) auf der anderen Nilseite. Denn die Blemmyes beherrschten auf der Westseite auch in dieser nach Norden vorgeschobenen Lage die Wüste, wie aus einer Episode in der Lebensgeschichte des heiligen Pachomius bekannt ist.
Als die Nobaden unter Justinian das Christentum angenommen hatten (um 540), dauerten ihre Kämpfe mit den Blemmyes mit erneuter Erbitterung fort, und zwar blieben die ersteren Sieger, während die Blemmyes sich hartnäckig gegen die neue Lehre verschlossen zu haben scheinen und später wahrscheinlich direkt vom Heidentum zum Islam bekehrt wurden, nachdem sie etliche Jahrhunderte lang vergeblich gegen die überall siegreichen Heere der Kalifen gekämpft hatten.
In der neuen Gestaltung der Geschichte, die nun im Orient platzgreift, sehen wir auch diese Völker plötzlich ihres alten Namens verlustig gehen. Wie aus Ägypten »Masr« wurde, so sehen wir die Blemmyes und Troglodyten fürderhin »Bega« genannt. Makrizi, der seine Quellen zum Teil aus sehr alten Gewährsmännern schöpft, berichtet ausführlich über diese hamitischen Völkerschaften unter dem Kollektivnamen Bega. Er behauptet geradezu, daß sie ursprünglich religionslos gewesen seien, setzt aber auseinander, wie sich unter ihnen nach und nach der Islam auszubreiten begann. Zum ersten Male besiegt und zur Verzichtleistung auf den Eigenbesitz ihres Landes gezwungen wurden die Bega unter Mamun im Jahre 838. Ihre Islamisierung vollzog sich in der Folge hauptsächlich durch die Besetzung der Goldminen des Etbai durch die Araber. Bei den Gruben von Olaki waren bereits um das Jahr 954 n. Chr. 3000 aus Ägypten und Jemen herbeigezogene Reiter dazu bestimmt, die Herrschaft des Islams aufrechtzuerhalten. Zu jener Zeit, als der Zuzug von echten Araberstämmen nach dem Sudan erst in seinem Beginn war, hatte nur der nördliche Teil der Bega, und auch dieser nur zum Teil, sich bekehren lassen; die Hauptmasse der südlichen Bega, die zwischen dem christlichen Alloa (beim heutigen Khartum) und dem Roten Meer saßen, sind damals noch Heiden gewesen.
Zur Zeit, als der Islam aufkam, waren semitische Beduinen noch nicht in den ägyptischen Wüsten heimisch geworden, obgleich ein Verkehr zwischen Oberägypten und Syrien auf dem direkten Landwege stattfand; diesen vermittelten Karawanen, deren Begleitmannschaft offenbar aus echten Arabern bestand. Sie wurden damals Sarazenen genannt; die erste Erwähnung dieses in späteren Zeiten so gefürchteten Namens findet sich in der dem heiligen Athanasius zugeschriebenen Lebensbeschreibung des heiligen Antonius. (Vergl. Kap. III über den hl. Antonius.)
Bei der großen von den alten Ägyptern vor der Wüste bekundeten Scheu, bei der grundsätzlichen Trennung der Begriffe von Rotland und Schwarzland – Wüste und Niltal –, ist anzunehmen, daß den Blemmyes nahe verwandte, wenn nicht gar mit ihnen identische Stammesteile von jeher bis in die Breite von Suez unangefochten ihr Wesen treiben durften. Denn daß die Ababde noch vor wenigen Menschenaltern sich der nordischen Eindringlinge in harten, aber vergeblichen Kämpfen zu erwehren hatten, das beweisen zahlreiche Gräber und örtliche Bezeichnungen, die dem Reisenden heute noch in diesen Strichen entgegentreten. Zwar waren semitische Wüstenstämme gewiß schon in frühern Zeiten in Ägypten ansässig geworden, das geschah aber vorzugsweise an den Rändern des Niltals und in Kontakt mit der seßhaften Bevölkerung, den Ackerbauern.
Eine Frage von großer Bedeutung für die Kulturgeschichte betrifft den Weg, den die Einführung des Kamels genommen. Ist es auf dem nördlichen Landwege über den Isthmus von Suez durch semitische Beduinen oder durch die sogenannten hamitischen auf dem südlichen Wege, also ursprünglich zur See eingeführt worden? Das Kamel scheint, wie ich bereits früher, Golenischef folgend, ausgeführt habe, den Ägyptern bereits im Mittleren Reich bekannt gewesen, wenn auch nicht von ihnen benutzt worden zu sein. Selbst für das Alte Reich fand ich ein Beispiel dieser Kenntnis auf den von hieratischer Schrift begleiteten Felszeichnungen bei Assuan, und Georg Moeller fand sogar in einem protohistorischen Grabe bei Benisuef ein kleines Kamelmodell. Zur Zeit des Neuen Reiches hat man sich des Kamels bereits auf Wüstenexpeditionen durch Vermittlung der freien Nomadenstämme bedient, wie urkundlich feststeht. Diese Wüstenstämme können in der Breite von Theben eben nur Hamiten, Vorfahren der Blemmyes, gewesen sein. Die Annahme erscheint dabei nicht ungerechtfertigt, daß man ihnen die Einführung des nützlichen Lasttieres in Afrika zu verdanken hatte. Es wäre das ein bleibendes Verdienst.
Von Völkern, die sich durch Eroberungen und Expansionskraft hervortun, erwartet man auch Leistungen auf kulturellem Gebiet, und wären es auch nur mittelbar erzielte Erfolge, die sie zuwege gebracht. Da wir bei den Blemmyes und Bega uns vergeblich nach anderen Errungenschaften umsehen, also solchen auf dem Gebiete der Kamelzucht, so darf auch die Kamelfrage nicht aus dem Auge gelassen werden. Noch heutigen Tages werden die besten Kamele der Welt von diesen Völkern gezüchtet. Das leichtfüßige weiße Reitkamel der Bischarin schlägt an Geschwindigkeit und Ausdauer alle anderen aus dem Felde; ferner steht außer allem Zweifel, daß die von den verschiedenen hamitischen Stämmen des Sudans im großen betriebene Kamelzucht Tiere hervorbringt, die von keinem Erzeugnis asiatischer Herkunft übertroffen werden. Aber lange vor den Kamelen haben die Vorfahren dieser Nomaden noch ein anderes Tier in den Dienst des Menschen gestellt, dessen Bedeutung, namentlich für Ägypten, nicht hoch genug anzuschlagen ist. Das geschah durch Zähmung und Heranzucht des Wildesels ihrer heimatlichen Berge. Durch diesen allein ist in alten Zeiten der Bann gebrochen worden, der die Wüsten dem Weltmeer gleich als unbezwingliche Schranke zwischen den Völkern bestehen ließ.
An dauernden Werken ihres Fleißes und der Arbeit ihrer Hände haben diese Völker, die sich immer nur mit der Pflege von Tieren, nie mit derjenigen von Pflanzen befaßten, die auch nie fester Wohnstätten bedurften, nichts hinterlassen, es sei denn, man rechnete dazu die letzten Ruhestätten ihrer Toten, die in manchen Gegenden allerdings mit so überraschender Sorgfalt hergestellt worden sind und zum Teil noch werden, daß bei ihrem Anblick dem Beschauer der verwunderte Ausruf entfährt: hier wohnen ja die Toten besser als die Lebendigen!
Die große Rolle, die den sogenannten Hamiten bei den Völkerbildungen Afrikas zuerteilt war, ist seit Lepsius zur Genüge bekannt. Nach einer Vermutung, der ich bei einer anderen Gelegenheit Ausdruck gegeben habe, gedrängt durch den Zwang untrennbar miteinander verschlungener geographischer und kulturhistorischer Erwägungen, reicht diese Rolle bis in das höchste Altertum hinauf, das man kennt. Die Hypothese läßt den in grauer Vorzeit am Nil von Oberägypten seßhaft gewordenen Teil dieser Völker, nach Verdrängung oder Vernichtung der Ureinwohner und nach stattgehabter späterer Verschmelzung mit vorderasiatischen Kultur- und Rassenelementen, zu der Entstehung des historischen Ägyptervolkes Veranlassung geben, sie bezeichnet mit anderen Worten die Begavölker als das Wildreis jenes Stammes, der dazu berufen war, den Fortschritt der menschlichen Gesittung in so hervorragender Weise zu fördern. In seinem gegenwärtigen Zustand, der derselbe zu sein scheint, in dem die Hamiten bereits vor zweitausend Jahren den alten Schriftstellern gegenübertraten, erscheint dieser Wildling allerdings wie die Verneinung jedweden Kulturfortschrittes. Eine andere Pflege als diejenige, die sie ihren Kamelen und Schafen, ihren Eseln und Rindern angedeihen lassen, ist ihnen unbekannt, es sei denn die Pflege des eigenen Haupthaares, in der der ganze Stolz ihrer äußeren Erscheinung gipfelt. Und doch mögen in ihnen schlummernde Keime der Entwicklung stecken, die der Menschheit zugute kommen können, sobald die Verhältnisse sie begünstigen. Wie wäre anders die Rolle zu erklären, die sie gespielt haben und wohl fortdauernd noch in Afrika spielen, nicht staatenbildend, aber völkerzersetzend und neugestaltend! Man könnte versucht sein, sie als eine Art von Völkerhefe zu bezeichnen, sowie man andere Völker Völkerdünger genannt hat. Diese Rolle spielten in Afrika die Hamiten bis auf den heutigen Tag. Man wird der Mitwirkung, die zahlreiche ihrer Stämme s. Zt. der Sache des Mahdi gewährt haben, stets gedenken müssen. Ihr begeistertes, todesmutiges Kämpfen gegen Ägypter und Briten entsprach zwar nicht dem Glauben an die Wahrheit des neuen Bekenntnisses, wohl aber kam dabei voll und unverdeckt der wütende Rassenhaß der alten Blemmyes zur Geltung, der instinktive Trieb zum Festhalten am Alten, der tiefeingewurzelte Haß gegen alles Fremde. Die Stetigkeit dieser Rasse, die am Roten Meer der große Weltverkehr seit mehr als zwei Jahrtausenden beständig streift, ist erstaunlich. Den Völkern der beschleunigten Generationsfolge scheint eine Kraft innezuwohnen, die den modernen Kulturnationen, bei denen das späte Heiraten an der Tagesordnung ist, völlig fehlt, nämlich die Kraft der Erhaltung des ursprünglichen Typus. In dieser Art der Zuchtwahl durch die Gesunden, in dem Prinzip der Fortpflanzung des Individuums, bevor dasselbe von Krankheiten befallen wird, die das Leben verkümmern lassen, darin liegt wohl auch der Schlüssel zu dem Geheimnis, das die Stetigkeit des ewigen Volkes der Ägypter umgibt. –