Arthur Schnitzler
Paracelsus
Arthur Schnitzler

 << zurück 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Achter Auftritt.

Justina. Cyprian. Paracelsus.

Cyprian. Nun, ich muß sagen, Ihr macht's Euch bequem!
Es scheint, der Zauberstab ist nicht zur Hand,
Und Eure Kunst versagt in meinem Haus.

Paracelsus. Ich meinte lieber, daß sie sich erwiesen.

Cyprian. Vielleicht auch, daß das Hexen auf dem Markt
Wohl einstudirt war mit den Raschgeheilten.
Und was nun gar Medardus anbetrifft,
Der war für ein paar Groschen Euch zu Diensten.

Paracelsus. Mag sein.

Cyprian.                     Ihr nennt Euch Arzt?!– Landstreicher seid ihr,
Wie Andere auch, dem ab und zu was glückt.

Paracelsus. Somit nicht würdig Eurer Gastlichkeit.
Lebt wohl.

Cyprian.           Oh nein! so leicht entkommt Ihr nicht.

Justina. Ihr seht, mein Gatte spaßt – Ihr bleibt willkommen!

Cyprian. Gewiß! auf seine Art ist's jeder Gast.
Doch hat man solchen sich ins Haus geladen,
So zeig' er, was er kann. Die Fiedelleute,
Die ich zuweilen hier im Hause habe,
Die spielen auf – sonst ließ' ich sie nicht ein.

Paracelsus. 's ist wahr. Noch hab' ich diesen Trunk mir nicht verdient.

Er tritt plötzlich vor Justina hin.

Justina. Was wollt ihr? . . . . Sie will sich erheben und kann nicht.

Cyprian.                                 Nun?

Justina.                                           Ich will . . . . .

Paracelsus.                                                             Ihr könnt nicht aufstehn.

Cyprian. Ist's wahr?

Paracelsus.             Habt keine Furcht, Justina. Schwer
Sind Euch die Augenlider; fallen zu.
Ihr wollt sie öffnen, könnt's nicht mehr. Ihr seid
So müd – so müd – sehr müd. Der Schlummer kommt,
Die Sinne schwinden Euch. Ihr schlummert schon
        In beinahe beschwörendem Tone.
Ganz tief . . . sehr tief . . . so tief . . . Ihr schlaft, Ihr träumt.

Sie schlummert ein. – Große Pause.

Cyprian. Vortrefflich. Ja. Nun aber laßt sie träumen.

Paracelsus. Das werd' ich thun. Und will mit leisen Worten
Ein ganzes Schicksal ihr erstehen lassen.
Ich nenn' es so, Ihr nennt es einen Traum –
Seid Ihr zufrieden?

Cyprian.                       Ich bin höchst gespannt.
Wie schade, daß ich nicht die Nachbarn rief,
Doch könnt' ich noch . . . . .

Paracelsus.                                 Laßt nur, die würden stören.

Er beugt sich zu ihr.

Cyprian. Was macht Ihr nun, darf ich's nicht hören?

Paracelsus.                                                                 Nein.
Ich will Euch gänzlich in Erstaunen sehn.
Leert diesen Becher – solang' habt Geduld.

Cyprian. Doch länger nicht! Er trinkt.

Paracelsus flüstert Justina etwas ins Ohr, die Stellung der Beiden so, daß man weder sein, noch ihr Gesicht sieht.

Paracelsus während Cyprian noch trinkt.
                                        Ich bin zu Ende.

Cyprian stellt den Becher hin.                           Nun?

Paracelsus. Wacht auf! Justina, wach!

Cyprian.                                               Justina!

Paracelsus stark.                                               Wach!

Justina sieht beide starr an, zuletzt Cyprian, schreit auf und läuft davon, in ihre Kammer, die sie von innen zuriegelt.

Cyprian ist zuerst sprachlos.
Justina! zu Paracelsus. Was soll dies bedeuten, sprecht!
Was thatet Ihr? . . . . zur Thür Justina! zu Paracelsus Flieht sie mich?
Was war's, daß Ihr ihr zugeflüstert habt?

Paracelsus. Beruhigt Euch, das Alles ist ein Spiel!
Auch liebt sie Euch so sehr als je.

Cyprian.                                               Warum
Entfloh sie? Und mit solchem Blick! – Justina!

Paracelsus. Verweilt! Sie liebt Euch, doch die Reue quält –

Cyprian. Die Reue?

Paracelsus.             Ja.

Cyprian.                     Erklärt Euch, wenn's beliebt.

Paracelsus nach kurzer Pause.
Ein hübscher Bursch, der eben Euch verließ –

Cyprian. Ein hübscher . . . wer?

Paracelsus.                               Anselmus hieß er wohl.

Cyprian. Was ist's mit dem?

Paracelsus.                           Was oft mit Junkern ist.

Cyprian. Sie träumt vielleicht, daß sie den Junker liebt –?
Ein schlechter Scherz, fürwahr!

Paracelsus.                                       Was fällt Euch ein. –

Cyprian. Nun also? Warum flieht sie? Sagt es endlich!

Paracelsus. Nun, weil sie träumt – indeß – was kümmert's Euch!

Cyprian. Sagt's mir; ich will es wissen.

Paracelsus.                                             Nun, sie träumt,
Daß sie in Anselm's Armen einmal ruhte.

Cyprian. Daß sie –

Paracelsus.             – dem Junker angehörte, ganz wie Euch.

Cyprian. Ihr habt ihr diesen Wahn gegeben!

Paracelsus.                                                     Ja.

Cyprian. Der Scherz ist – macht ihn ungeschehn – zur Thür
                                                                        Justina! sehr unruhig.

Paracelsus. Ein Traum, mein Bester – was bedeutet's weiter –
Ihr wißt es besser – und Ihr seid das Leben.

Cyprian. Ihr hättet andre Proben wählen können
Von Eurer Kunst. Seht, wie Ihr sie gemartert.
Befreit sie schleunigst von dem bösen Traum.

Paracelsus. Warum denn böse? Er ist süß vielleicht!

Cyprian. Ihr seid ein Unverschämter! Hör', Justina! An der Thür.
Sie hat die Kammerthür versperrt.

Paracelsus.                                             Lebt wohl!

Cyprian. Ihr seid wohl nicht bei Sinnen. Hier geblieben,
Verdammter Gaukler, und den Spaß beendet!
Es ist genug.

Paracelsus heftig. Nein, es ist nicht genug!
Behaltet nur Justina, wie sie ist,
Unschuldig und doch schuldig, da sie's glaubt;
Keusch – und doch unkeusch, da sie in den Sinnen
Von wilden Gluten die Erinn'rung trägt.
So laß' ich Euer treues Weib Euch da.

Cyprian. Ihr seid verrückt und sollt mir wahrlich büßen,
Daß Ihr mit mir, dem Meister Cyprian,
Solch' frechen Scherz zu treiben wagt.

Paracelsus.                                                 Ein Scherz –!?
Von neuem immer, seh' ich solche Frauen,
Geschaffen, hoher Menschen Glück zu sein,
An einen Gauch, wie Ihr seid, weggeworfen,
Erbittert mich's auf's Neu! Und nun gar die,
Die einst von Paracelsus ward geliebt,
Und die man – wohlberathen – Euch gegeben,
Als wär' ein Mädchenlos damit erfüllt –

Cyprian. Ja, mir; nicht einem Habenichts wie Euch!
Dergleichen Mädchen sind für unsereinen!

Paracelsus. Ich weiß, sie sind für Euch, doch weiß ich auch,
Ein Tag mit mir erfüllte tiefre Sehnsucht,
Als fünfzig Jahr' mit einem Mann wie Ihr.

Cyprian. Was prahlt Ihr so? – So glücklich, als ein Weib
Nur sein kann, ist sie nun seit dreizehn Jahren
An meiner Seite.

Paracelsus.                 Seid Ihr deß gewiß?
Weil's Euresgleichen angebor'ne Gabe,
Des Nichts Geschöpfe, die sich Euch genaht,
In Euren Kreis dumpf kläglichen Behagens
Herabzuziehn – glaubt Ihr, hier sei ihr Heim?
Zu Gast ist sie bei Euch – so gut wie ich.
Verschwendet seh' ich zuviel Lieblichkeit
An eine satte Frechheit, die sich brüstet.
Das ist ein Unrecht wider die Natur –
Und ich versuch's zu bessern, wie es geht.

Cyprian wüthend. Wenn Ihr das wirklich glaubt, verruchter Mensch,
Warum nicht zwingt ihr sie, mit Euch zu gehn,
Da Ihr sie jetzt in Eure Macht gebannt –?

Paracelsus. Ich bin kein Räuber! Ihr versteht mich schlecht.
Euch nehmen wollt' ich sie, doch keinem geben.
Rein soll sie bleiben – nur für Euch beschmutzt.
Somit . . . . lebt wohl.

Cyprian.                             Ihr werdet unverzüglich
Dem Spuk ein Ende machen.

Paracelsus.                                   Nein . . . lebt wohl.

Cyprian. Ihr bleibt.

Paracelsus.             Wer kann es mir gebieten?

Cyprian.                                                             Ich.
Gefangen nehmen lass' ich Euch, des Hexens
Klag' ich Euch an.

Paracelsus.                   So thut's. Ich habe Zeit.

Cyprian. Man wird Euch in den tiefsten Kerker werfen.

Paracelsus. Ich werde schweigen, und der Traum Justinens
Wird ewig währen.

Cyprian.                         Foltern wird man Euch.
Man wird Euch tödten!

Paracelsus.                         Und die letzte Hoffnung,
Daß jener Traum je enden kann, mit mir; –
Denn Keiner lebt, der sie davon befreit.

Cyprian. Wahnsinniger! – Justina, komm . . . Justina,
Hörst Du mich nicht?

Justina von drinnen.           O Gnade!

Cyprian.                                             Riegle auf!
Justina!

Er zieht das Schwert, zertrümmert die Thür, zerrt Justina heraus, die ihr Antlitz verbirgt.

Justina sinkt auf die Knie.
              Gnade!

Cyprian.                   Fürchte nichts, mein Weib!

Justina. Ich weiß ja, Du bist gut!

Cyprian.                                       Unschuldig bist Du.

Justina. Oh, höhne nicht!

Cyprian.                           Du träumst. Unschuldig bist Du!

Justina. Oh, wär' es wahr! Nun schaudr' ich selbst vor mir.
In seinen Armen seh' ich mich und fühle
Die Küsse glüh'n auf Hals und Lipp' und Wange –

Cyprian. Es ist nicht wahr! Der Zaub'rer –

Justina.                                                       Ja, ihm dankst Du,
Daß Du die Wahrheit weißt.

Cyprian.                                       Es ist nicht wahr!
Noch einmal wend' ich mich an Euch – ich weiß –
Beleidigt hab' ich Euch, verdammter Lump,
Und thu' es noch – ich glaub' an Eure Macht,
Ihr seht, ich muß dran glauben – aber nun
Laßt es genug sein! Endet diese Qual.
Ich lass' Euch ledig zieh'n – noch mehr – ich rühme
Allorten Eure ganz besond're Kunst,
Nur fügt es endlich, daß mein Weib erwacht!

Justina. Ich bin ja wach. Wie sonderbar Du sprichst –
Um Himmelswillen! Wenn Dir meine Schuld
Die Sinne trübte – Paracelsus, helft!

Cyprian. Nun flehst Du ihn an, daß er mich –

Justina.                                                           Verzeihe!
O Cyprian, verzeih! 's ist ja vorbei.
Ich will Dir nun die beste Gattin sein –
Ein Augenblick der Schwäche ist's gewesen,
Er wird nicht wiederkommen, sei gewiß.
Doch damals schien der Mond so seltsam hell. –
Der Duft von unsern Fliederbüschen wehte,
Und ich war ganz allein im Gartenhaus.

Paracelsus . . . . Nur weiter –

Cyprian.                                   Schweig!

Justina.                                                     Laß' Alles Dir erzählen!
So wird es gut.

Cyprian.                 Ich will's nicht hören!

Paracelsus.                                                 Laßt sie!
Wer weiß, was Ihr erfahrt!

Cyprian ist sehr betreten.

Justina.                                     Ich war allein
Im Gartenhaus – und Du gingst in die Schenke.

Paracelsus. Habt ihr das nie gethan?

Cyprian.                                           Wer that das nie?

Justina. Und da kam er – und nahm mich bei der Hand
Und küßte mich – und sprach so heiße Worte –
Und dann – und dann – oh Cyprian, verzeih!

Cyprian. Es giebt nichts zu verzeihn! Du träumst!

Paracelsus mit Bedeutung.                                     Wer weiß?

Cyprian. Ihr wißt's – wie ich!

Paracelsus.                             Ist sie nicht eine Frau?
Anselm kein Mann –? Und giebt's kein Gartenhaus?

Cyprian tief erschrocken.
Ihr – sagt –

Paracelsus.       Und wenn es doch die Wahrheit wäre,
Die ich nur aufgerüttelt ihr im Herzen?

Cyprian. Ihr gabt ihr doch den Wahn – und zweifelt selbst!

Paracelsus. Ich bin ein Zaub'rer nur – sie ist ein Weib!

Cyprian. Ihr macht mich toll –

Paracelsus.                               Wer giebt uns jemals an,
Ob dies, wovon sie träumt, nicht auch erlebt ward?

Cyprian. Ihr glaubt – Justina – Er eilt zu ihr.

Paracelsus für sich.                 Schlägt mir über'm Haupt
Des eig'nen Zaubers Schwall mit Hohn zusammen?
Und wirren sich die Grenzen selbst für mich –?

Neunter Auftritt.

Cyprian. Justina. Paracelsus. Anselm kommt.

Justina schreit auf. Anselm erschrickt, sieht alle an; Cyprian und Paracelsus beobachten ihn; Pause – er will auf Justina zu.

Cyprian vor Anselm hintretend.

Sie hat gestanden –

Anselm.                   – Was?

Paracelsus.                         Wie er erschrickt.

Justina. Mir aus den Augen!

Anselm.                                 Was hab' ich verschuldet?

Cyprian. Gestanden hat sie. Hütet Euch zu leugnen.

Anselm. Justina!

Justina.               Geht! ich will Euch nicht mehr sehn,
Den Frieden meiner Seele nahmt Ihr mir,
Habt uns'res Herdes Glück zerstört für immer,
Für kurze Seligkeit zu viel vernichtet!
Wie brennt vor Scham die Seele mir, daß ich
Das Opfer Eurer kecken Jugend ward
Und meiner unbewachten Sinne. Weh mir,
Daß jemals ich das Gartenhaus betreten!

Anselm erschrickt. Um Gotteswillen, schweigt, Ihr redet irr!

Cyprian zieht das Schwert.
Gesteht!

Justina.         Gesteht!

Paracelsus.                 Gesteht!

Anselm.                                     Nichts hab' ich zu gestehn.

Cyprian. Hat Euer feiges Herz nicht mehr an Kühnheit,
Als hinreicht, einem Weibe sich zu nahn?

Anselm. Justina! . . . Diese Rache war nicht schön!

Cyprian. Wie?! Rache nennt Ihr, daß sie reuig ist?
Elender!

Anselm mit edler Haltung.
              Eurem Schwerte stell' ich mich
Zu jeder Frist, doch laßt vorerst mich sagen,
Daß meine Schuld gering. Nicht mehr verbrach ich,
Als daß ich Eure schöne Gattin liebte,
Und daß ich's wagte, ihr davon zu reden.

Cyprian. Und weiter – weiter!

Anselm.                                     Dies ist alles!

Justina.                                                             Nein.
Er will mich schonen . . . Oh begreift doch endlich,
Daß alles dies vergeblich, da ich selbst
In tiefster Reue dem Gemahl gestand.

Anselm plötzlich zu Paracelsus.
Verdammter Hexenmeister, das seid Ihr!

Cyprian. Laßt mir den Mann in Ruh! Ihm dank ich viel,
Er brachte Wahrheit in dies Haus der Lügen,
Er ist mein Freund, ihm bitt' ich alles ab.

Paracelsus. Gemach! Wie ein Gewirr von Edelsteinen,
Die einen falsch, die andern echt, so liegt
Der letzten Stunde Fülle ausgebreitet.
Was zu verwerfen ist, und was Gewinn,
Ich weiß es jetzt so wenig – als ihr selbst.
Und wahrlich! mehr für mich, als Euch zuliebe,
Will ich die Wirrnis lösen, die ich schuf.
Justina! schlummert ein!

Anselm.                                 Wo bin ich denn?

Paracelsus stark. Schlaft ein!

Cyprian.                                 Was wollt Ihr?

Paracelsus.                                                     Tief schlaft ein, Justina,
Sehr tief . . . ganz tief . . . schlaft ein . . . . so ist es gut!
        Justina ist regungslos auf den Sessel gesunken.
Justina, hört Ihr mich?

Justina schlafend.               Ich höre Euch.

Paracelsus. So merkt wohl auf! Vergessen habt Ihr alles
Von jenem Augenblick, da ich zuerst
In Schlaf Euch senkte, bis zum nächsten, da ich
Euch wach sein heiße – diese letzte Stunde
Jag' ich aus Eurem Sinn – als nie erlebt!
Und nun –

Cyprian.           Was nun? Was nützt uns alles dies,
Wenn sie erwacht, und diese Stunde schwindet
Aus dem Gedächtniß ihr? Was weiß ich dann?
Wenn sie im Traum vielleicht die Wahrheit sprach!

Paracelsus. Da schaff' ich Rath. – Merkt auf, Justina: Eins
Gebiet' ich Euch: Seid wahr, wenn Ihr erwacht,
Wahr, wie Ihr nie gewesen – seid so wahr,
Nein! wahrer als Ihr pflegt gen Euch zu sein,
So daß wie klare Flut im Sonnenglanz
Die Seele daliegt, bis zum Grunde leuchtend –
Bis Euch der Abend dieses reichen Tages
Von diesem letzten Zauberspruch erlöst.

Cyprian. Warum bis Abend nur?

Paracelsus.                                   Es ist genug.
Ihr werdet froh sein, daß die Sonne sinkt, –
Und wenn sie aller Frauen beste wäre.

Anselm. Wie sich dies Räthsel löst, harr' ich vergebens.

Paracelsus. Wacht auf, Justina . . . und seid wahr . . . wacht auf!

Justina öffnet die Augen und spricht gleich, als wäre nichts geschehen.
Nun sagt – wie lang' noch starrt Ihr mich so an!
Vergeblich! – Euer Zauber will nicht wirken.
Ja! hätte Euer Blick noch so viel Kraft,
Wie zu der Zeit, da Hohenheim Ihr hießt
– Ich mein' – für mich – – doch damit ist's vorbei.
Oh – Junker Anselm? – Wie kamt Ihr herein?
Ich hört' Euch gar nicht! Sagt Ihr uns Lebwohl?

Anselm. Ihr wißt . . . Justina . . .

Justina.                                       Gut ist's, daß Ihr scheidet,
Und frei wird mir erst sein, wenn Ihr daheim
Auf Eures Vaters Schloß.

Anselm.                                   Ihr . . . meint –?

Justina.                                                             's ist Zeit!
Wär't Ihr nur eine Nacht noch hier geblieben,
So wären minder schuldlos wir geschieden.
Noch fühl' ich meiner Jugend letzte Schauer,
Der Frühling schmeichelt und die Schönheit lockt.
Drum ist es gut, Ihr geht, so schnell Ihr könnt,
Denn ach, was wär' von alledem das Ende?
Ein bißchen Glück und sehr viel Angst und Reu.
All dies ist mir erspart. Als treues Weib
zu Cyprian. Kann ich Dir ferner in die Augen schauen,
Wenn Du mich hütest, kannst Du mir vertrauen.

Cyprian. Bei Gott! das will ich thun!

Justina.                                               Ein friedlich Glück,
Ist's auch nicht allzu glühend, bleibt das beste.

Zehnter Auftritt.

Cyprian. Justina. Paracelsus. Anselm. Cäcilia tritt ein.

Anselm sehr froh, wie Cäcilia kommt.
Mein edles Fräulein, daß ich Euch noch sehe,
Ist mir höchst angenehm; ich nehme Abschied
Ich nehm' auf immer Abschied heut von Basel.

Cäcilia lächelnd.
So ist es ernst.

Justina.                   Du lächelst – so ist's recht.
Ein Kindertraum vergeht. Du siehst's an mir.

Cäcilia. Was spricht sie da –

Justina.                                   Mein liebes Kind, Du wirst
Den hübschen Junker bald vergessen haben.

Anselm. Cäcilia . . . Ja . . . wie ist mir?

Paracelsus.                                           Lauscht ihr gut!

Cäcilia. Justina . . . . Bruder! Hilfeflehend.

Cyprian.                                 Schweig! sie ist erleuchtet!

Justina. Seht auf Paracelsus. diesen hab' ich wirklich lieb gehabt,
Ach, lange noch . . . . Oh, Cyprian, wie lang!
Als Ihr von dannen gingt, vor dreizehn Jahren,
Ohn' Abschied und ein Wort von Wiederkommen,
Ich meint', ich müßte sterben. Wärt Ihr damals
In jener Nacht, da Ihr die Stadt verließt,
Nochmals zurückgekehrt – ach Alles hätt' ich,
Was Ihr verlangt, Euch freudig hingegeben,
Ob ich auch wußte, daß der nächste Morgen
Für ewig mir Euch nahm – so liebt' ich Euch!
Wer weiß, wie viele Fenster in der Stadt
Allnächtlich offenstehn für Einen, der – nicht kommt!

Cyprian. Was hör' ich noch! – O sänke bald die Sonne!

Cäcilia. Justina!

Justina.             Theophrastus, denkt Ihr's noch? –
Doch seht, wie Alles sich zum Guten fügt;
Heut dank' ich Gott, daß Ihr die Stadt verließt
In jener Nacht, und Euch die Kühnheit fehlte.
Was wär' ich heute! – Während Euch die Welt,
Die unbegrenzte, und mit Ruhm, gehört,
Wär' ich zu Haus in Schand und Spott verdorben.
Ja, Cyprian! so leicht verlorst Du mich!
Doch hast Du's nicht geahnt – wie's Deine Art.
Du dachtest, war ich Dir erst angetraut,
So war Dir meine Zärtlichkeit gewiß.
Und doch! in mancher Nacht, hätt'st Du gefühlt,
Wie fern ich Dir war – wahrlich! minder stolz
Wärst Du der Frau gewesen, Dir im Arm!
Doch stark ist Gegenwärt'ges und besiegt
Mit leichter Müh' den größten Feind, der fern. –
Und so gewannst Du mich, mein Cyprian,
Und ich bin Dein – und will es gerne bleiben.

Cyprian. Jetzt aber ist der Ferne wieder da . . . .

Justina. Ja . . . er ist da – doch ist's nicht er . . . Fast scheint
Von ihm mich mehr und Tieferes zu scheiden,
Als mich von irgend einem Andern trennt,
Wie Einer, der bedeutet . . . . doch nicht ist,
Steht er vor mir – ein Schatten meiner Jugend.
Und also, Schwester, sei gewiß, wird's Dir
Mit unserm Junker Anselm auch ergehn.
Du wirst der Thorheit lächeln, die Dir heut
Des Lebens Inhalt scheint –

Anselm ergriffen.                         Nicht Thorheit, nein –
Der Thor war ich . . . . doch wag' ich sonst kein Wort –
Höchst wunderlich erscheint mir diese Stunde,
Von tiefer Wahrheit leuchtet sie und sprüht.
Wer das gewirkt – ich ahn' es! Wie er's that –
Vermag ich nicht zu fassen – doch ich weiß,
Daß auch in mir sich ein Verstehen regt,
Und daß ich schwer gefehlt, mein keckes Aug'
Zu einer edlen Frau emporzuheben.
Verzeiht es meinem jungen Stolz in Gnaden,
Mein edler Meister – und reicht mir die Hand.
Verwirrung war in mir, sie löst sich mählig –
Und viel begreif' ich, und die Nebel schwinden.

Er betrachtet Cäcilia.

Elfter Auftritt.

Vorige. Copus.

Copus noch an der Thür.
Ich grüß' Euch alle. Weiß man schon das Neuste
In diesem edlen Kreis?

Cyprian.                               Erlaubt vorerst – vorstellend.
Herr Doktor Copus, unser Stadtarzt hier –

Copus sich verbeugend.
Herr Theophrastus Hohenheim –

Paracelsus.                                         Ich bin's.

Copus. So darf ich Euch die Kunde selber bringen,
Die ich dem edlen Kreise melden wollte.
Ich komme eben aus dem Rath der Stadt.
Ein Antrag ward gestellt und angenommen,
Für Euch, mein Herr, von höchster Wichtigkeit.

Paracelsus. Man weist mich aus?

Copus.                                           O wär' es das! Entschuldigt.

Paracelsus. Verhaftsbefehl ist gegen mich erlassen?

Copus. Was fällt Euch ein?

Paracelsus lächelnd.           Es droht der Scheiterhaufen?

Copus. Wie übel kennt Ihr dieses gute Basel!
So hört: Es will der Rath, um Euch zu ehren,
Neu eine Würde schaffen, und er wählt
Zum zweiten Stadtarzt Euch. Ich bin der erste.
Ihr staunt?

Paracelsus.       Ich sage Dank dem edlen Rath.

Copus. Das heißt – Ihr nehmt die Stelle an?

Paracelsus.                                                   Ich kann nicht.

Copus. O glaubt das nicht. Ihr könnt! Da ich der erste,
So habt Ihr gute Stütz' an mir, mein Freund.
Ich will Euch gern in manchem unterweisen.
In schweren Fällen könnt Ihr Raths erholen,
Bescheid'ne Schüler sieht der Meister gern.

Paracelsus. Vergebt, doch taug' ich kaum zu solchem Amt.
Ihr wär't doch nicht zufrieden, fürcht' ich sehr.
Mein Bleiben ist nicht hier, ich ziehe fort,
Heut abends schon verlass' ich diese Stadt.

Copus. Ist's wahr?

Cyprian.               Ihr geht?

Paracelsus.                         Ich sag' Euch Lebet wohl.

Cyprian. Bevor Ihr geht, erklärt Euch, denn verwirrt
Laßt Ihr uns alle hier zurück. War's Ernst,
War's Spiel?

Justina.               Wie fragst Du sonderbar?

Copus.                                                           Was meint er?

Paracelsus. Es war ein Spiel! Was sollt' es anders sein?
Was ist nicht Spiel, das wir auf Erden treiben,
Und schien es noch so groß und tief zu sein!
Mit wilden Söldnerschaaren spielt der Eine,
Ein And'rer spielt mit tollen Abergläubischen.
Vielleicht mit Sonnen, Sternen irgend wer, –
Mit Menschenseelen spiele ich. Ein Sinn
Wird nur von dem gefunden, der ihn sucht.
Es stießen ineinander Traum und Wachen,
Wahrheit und Lüge. Sicherheit ist nirgends.
Wir wissen nichts von Andern, nichts von uns.
Wir spielen immer, wer es weiß, ist klug. Ab.

Justina wie erwachend.
Was ist denn hier geschehn? – Mich dünkt, ich sagte
So viel von mir, als ich – nie sagen wollte.

Copus. Ich fasse nichts von Allem, was ich höre –
Was trug sich zu? Was that der Gaukler hier?

Cyprian. Ich weiß nicht, ob er Gutes wirken wollte,
Doch war es gut, drum wollen wir ihn loben.
Ein Sturmwind kam, der hat auf Augenblicke
Die Thore unsrer Seelen aufgerissen,
Wir haben einen Blick hineingethan . . . .
Es ist vorbei, die Thore fallen zu. –
Doch was ich heut gesehn, für alle Zeit
Soll's mich vor allzu großem Stolze hüten.
Es war ein Spiel, doch fand ich seinen Sinn;
Und weiß, daß ich auf rechtem Wege bin.

Der Vorhang fällt.


 << zurück