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Straße in Bologna. Die Straße läuft gegen den Hintergrund zu, von rechts nach links. Links ein Eckhaus, rechts desgleichen. Vor diesen Häusern ist gleichfalls eine quer über die Bühne verlaufende Straße gedacht, so daß die vordere Mitte der Bühne eine Straßenkreuzung vorstellt. Vor den Häusern sind durchaus Säulengänge, und ein Teil der Personenbewegung spielt sich unter den Bogen ab. In den Häusern Kaufläden mit Auslagetischen davor. In dem Eckhause rechts befindet sich, der Straßenkreuzung näher, der Kaufladen des alten Nardi, neben demselben, mehr gegen die Coulisse gerückt, der Laden des Capponi, eines Händlers mit Spezereien und Wohlgerüchen. Vor dem Laden des Nardi ein leerer Tisch, vor dem des Capponi zwei Tischchen mit kleinen Flaschen, Schachteln u. s. w. Abenddämmerung. Mäßige Bewegung in den Straßen. Von links kommen Bürger im Gespräch, welche dann die Straße nach hinten zu einschlagen. Ihnen begegnen, aus dem Hintergrund kommend, einige Soldaten, ungeordnet; sie gehen über die Bühne nach rechts. Dann kommen von links junge Mädchen, junge Leute, welche den Soldaten folgen. Frau Nardi und Rosina sind auf kurze Zeit in der Thüre ihres Ladens zu sehen und verschwinden bald. Capponi steht vor seinem Laden, begrüßt einige vorbeigehende Leute. Von rechts kommen Claudia und Caterina, zwei Bologneser Frauen.
Claudia. Hier ist's. – Guten Abend.
Capponi. Guten Abend, meine Damen. Was steht zu Diensten?
Claudia. Ich möchte ein Fläschchen von Euerm Rosenwasser kaufen.
Capponi. Welche Art von Rosenwasser? Wir haben etwa 25 oder 30 verschiedene. Ach Gott! Das gewöhnliche Paduaner Rosenwasser, das neapolitanische, das cyprische –
Claudia ungeduldig. Ich weiß nicht, wie es heißt, ich hab' es im vergangenen Winter gekauft. Allerdings stand ein ganz anderer da, der es verkaufte, ein hübscher Knabe.
Capponi. Bennozzo, mein Sohn! Ach Gott!
Claudia. Warum seufzt Ihr? Ist er gestorben?
Capponi. Was fällt Euch ein! Daß ich seufze, ist eine Angewohnheit, eine üble Angewohnheit, wenn Ihr wollt, oder auch eine philosophische Angewohnheit. Aber, um auf das Rosenwasser zurückzukommen, so könnte es immerhin auch das persische gewesen sein.
Claudia. Ja, so nannte es Euer Sohn!
Capponi. Gleich wird es zu Eurer Verfügung sein, werte Frau! Ich hab' es da hinten aufbewahrt. Stünd' es hier vorn mit den andern, so hätt' ich den ganzen Tag alle jungen Mädchen und Frauen von Bologna vor dem Laden stehen und die jungen Leute natürlich dazu. Ach Gott! Und ein jeder möchte sich eine Nase voll nach Hause bringen, ohne was dafür zu zahlen.
Claudia zu Caterina. Nimm doch auch ein Fläschchen!
Caterina. Wozu? Ich brauche nichts dergleichen. Ich thue nichts Anderes, als jeden Morgen den Saft einer sizilianischen Orange in mein Bad träufeln lassen, das genügt vollkommen.
Claudia. Mein Mann liebt es, wenn meine Haut nach Blüten duftet, nicht nach Früchten.
Capponi mit der Flasche, hält sie den Damen entgegen.
Claudia. Ja, das ist sie! Rieche doch daran, Caterina! Nun, was sagst Du?
Caterina. Nun ja, wenn ein Mann nicht mehr ganz jung ist –
Claudia. Da habt Ihr Euer Geld.
Capponi. Um Vergebung, schönste Frau! Ihr gebt mir gerade den zehnten Teil von dem, was ich zu bekommen habe!
Claudia. Ich weiß doch, was ich im Winter dafür bezahlte.
Capponi. Ja, das waren andere Zeiten! In ein paar Tagen wird man mir das Hundertfache für diese Flasche bezahlen. Alles wird teurer. Es giebt ja keine Möglichkeit mehr, die Waaren in die Stadt zu bringen! Alle Verbindungen sind abgeschnitten! In acht Tagen haben wir die Hungersnot, wenn wir überhaupt noch am Leben sind, was mir höchst zweifelhaft ist – womit ich die Damen aber nicht beleidigen will!
Claudia. Dann giebt man Euch keinen Groschen mehr für Euer Rosenwasser. Nun sagt mir aber ehrlich: was ist denn darin enthalten? Es kann nicht nur der Saft von Rosenblättern sein.
Capponi. Was sollte es Anderes sein?
Claudia. Ist es nicht irgend etwas, was man sonst Liebestränken beizumischen pflegt? Ich habe Grunde, das anzunehmen.
Capponi. Was fällt Euch ein! Ich heiße Capponi, wohlgemerkt: Capponi! Und gebe mich nicht mit den sonderbaren Mischungen ab, wie andere Leute, wie Basini zum Beispiel!
Caterina. Was giebt's bei Basini?
Capponi. Gott behüte mich, davon zu reden! Ich könnte ihn an den Galgen bringen und die Damen, die bei ihm kaufen, nicht minder! Ach Gott!
Caterina. Was sagt Ihr? Zu Claudia. Gestern erst habe ich Deine Schwester in seinen Laden treten sehen.
Capponi. Er könnte zwar sagen, es ist Zufall, daß man ihn nachts in der Nähe des Friedhofs umherstreichen sieht; aber ist auch das Zufall, daß er neben der Friedhofsmauer um Mitternacht mit den Nägeln die Erde aufkratzt? Nun, ich will nicht mehr sagen, um so mehr, als Basini nichts Anderes thun kann, wenn er sich seine Kunden erhalten will. Denn bei ihm kaufen eben nur Frauenzimmer, die Ungeheuerlichkeiten nötig haben, um ihre Liebhaber zu entflammen; zu Eurem ergebenen Diener hingegen kommen die schönsten Frauen von Bologna, die nur zu lächeln brauchen, um aus jedem Mann zu machen, was sie wollen!
Basini ist langsam die Straße von rückwärts nach vorn gekommen. Es ist ein langer. hagerer, ältlicher Mann, der die anderen mit Überlegenheit behandelt. Guten Abend!
Capponi. Das ist er. Er macht den Frauen Zeichen. Eben hab' ich von Deinen vorzüglichen Gewürzen und Seifen gesprochen, mein teurer Basini.
Basini. Hat er gesagt, daß ich ein Giftmischer bin?
Caterina. So was Ähnliches!
Basini. Thut nichts, morgen sind ja doch alle Menschen gleich in Bologna, Giftmischer wie ich und Ehrenmänner wie Du!
Capponi. He, Basini, bist Du so verzagt? Ich nicht! Unsere Mauern sind stark, und unser Herzog ist ein Held!
Basini. Was hilft das alles gegen einen Teufel wie Borgia?
Caterina. Teufel, sagt Ihr? Er soll so schön sein!
Capponi. Der Borgia ist noch weit – hehe!
Basini. Nicht so weit, als Ihr glaubt. Wie wär' es sonst zu erklären, daß man hier weiß, was er gestern geschworen hat?
Capponi. Nun, was hat er denn geschworen?
Basini. Daß er ein fürchterliches Gericht über diese gottlose Stadt halten wird.
Capponi erschrickt zuerst; dann schlägt er Basini auf die Schulter. Immer erzählt er Schnurren! Zu den Frauen. So ist er – hab' ich's nicht gesagt?
Basini. Nun, was mich anbelangt, ich habe meinen Laden gesperrt und thu' ihn nie wieder auf.
Soldaten ziehen vorbei.
Claudia. Warum thut Ihr Euern Laden nie wieder auf?
Basini. Für wen? Glaubt Ihr, daß die Leute, die morgen unsere Straßen füllen werden, gute Käufer sind? – Die werden sich nehmen, was ihnen gefällt!
Capponi. Aber was redest Du denn? Spricht er nicht, als wäre morgen der jüngste Tag, als wäre morgen der Borgia in der Stadt? Und die Franzosen und die Spanier dazu?
Basini auf die Soldaten weisend. Seht nur, seht!
Claudia. Woher kommen die? Das sind keine Bolognesen!
Basini. Nein, das sind sie auch nicht; das sind die Leute des Ribaldi, sie kommen aus Mailand. Von der anderen Seite kommen auch Soldaten. Aber schaut Euch diese an.
Capponi. Ist das nicht Rocca?
Basini. Ja. Und dort kommt Fontana, der Drechsler aus meiner Gasse.
Capponi. In Waffen!
Basini. Ja, die ziehen alle Morgen hinaus in's Feld!
Capponi. Morgen? Wer sagt das?
Claudia. Morgen, das ist ja nicht möglich!
Basini. Es ist gewiß. Der Herzog zögert nicht länger, verlaßt Euch drauf!
Capponi. Rocca! Rocca! Er tritt auf einen Soldaten zu und spricht mit ihm.
Basini. Nun, haben die Damen auch einen Mann oder Vettern oder Freunde unter diesen?
Claudia. Zwei Vettern sogar, aber mein Mann bleibt hübsch zu Hause. Er sagt, es wird nicht so gefährlich sein, als es aussieht.
Basini zu Caterina. Und Ihr, gnädige Frau?
Caterina. Ich habe nur einen Mann, keinen Vetter, und werde auch niemals Vettern haben.
Capponi kommt zurück. Nun, siehst Du, daß man Dir nicht glauben darf! Es ist durchaus nicht bekannt, daß bereits für morgen etwas bevorsteht; es muß nur Alles auf dem Posten sein.
Zwei Bürger sind herzugetreten.
Erster Bürger zum zweiten. Nun, hört Ihr?
Zweiter Bürger. Ich weiß, was ich weiß! Drei Söhne hab' ich, nur einer ist daheim geblieben!
Capponi. Wo sind die anderen?
Zweiter Bürger. Die sind zum Valori gelaufen, stehen am Thore von Vitale, fuchteln mit dem Degen und schreien: Nieder mit dem Papst!
Capponi. Sie haben sich werben lassen?
Zweiter Bürger. Freiwillig sind sie hin. Nieder mit dem Papst! haben sie geschrieen, wir wollen Euch schützen!
Capponi. Eure Söhne wollen uns schützen? Gegen die Hunderttausend, die gezogen kommen? Niemand kann uns schützen! Nein, nein, der Herzog wird Eure Söhne nicht hinopfern für nichts und wieder nichts! So ist unser Herzog nicht.
Basini. Gieb acht, Du redest Dich um Deinen Kopf.
Capponi in Angst. Was sagt' ich denn? Ist es ein Verbrechen, wenn man ein friedlicher Bürger ist? Deswegen ruf' ich doch: Nieder mit Borgia! Nieder mit Mariscotti!
Einige Bürger die sich unterdessen angesammelt haben. Der Hund Mariscotti! Tod dem Mariscotti!
Capponi. Es lebe unser Herzog! –– Nun, Basini, warum rufst Du nicht mit? Du schweigst Dich um Deinen Kopf! He he!
Rosina Nardi ist aus ihrem Gewölbe getreten. Es sind wieder Bürger, Mädchen und Frauen dazugekommen, so daß eine ansehnliche Gruppe versammelt ist.
Rosina. Nun, Basini, wißt Ihr was Neues zu erzählen?
Basini. Mancherlei! Wer weiß, was Dir heute noch bevorsteht, Rosina!
Rosina. Was soll das bedeuten?
Erstes Mädchen. Was steht Rosina bevor?
Basini. Ihr oder Dir – oder Dir – oder Dir – zu den verschiedenen Mädchen.
Einige. Nun was?
Basini. Ein hohes Glück und eine hohe Ehre!
Rosina. So rede doch endlich!
Basini. Als ob Ihr es nicht besser wüßtet als ich!
Viele. Was? Was?
Basini. Ihr solltet nicht wissen, daß der Herzog heute Nacht – ah nein, nie werdet Ihr mir sagen, daß Euch das nicht bekannt ist! Geht nur! Er macht Miene, sich zu entfernen.
Die Mädchen dringender. Nichts ist uns bekannt! Was ist mit dem Herzog?
Rosina. So quält einen doch nicht, Basini!
Basini. Ihr wißt nicht, daß der Herzog die Schönste von Euch – wenn ich sage von Euch, mein' ich natürlich nicht nur die, die eben da um mich herumstehen, denn es ist ja natürlich ein Zufall, daß gerade Ihr hier steht, sondern alle schönen Mädchen von Bologna – ja, so ist es!
Die Mädchen. Was denn? Was denn? Ihr habt ja noch nichts gesagt! Was will der Herzog?
Rosina. Daß der Herzog die Schönste –
Basini. Die Schönste von Euch heut' Abend in sein Schloß bescheiden wird! – Aber Ihr wißt es ja längst!
Ein Mädchen. Nun, ich will eben nicht sagen: wissen.
Zweites Mädchen. Ich hab' es schon gewußt!
Capponi. Nun, was ist's weiter? Dergleichen ist schon vorgekommen.
Rosina. Basini, ist es wahr? Ist es wahr?
Basini. Gewiß, Rosina.
Capponi. Oh, wie billig hab' ich mein Rosenwasser verkauft!
Erstes Mädchen. Aber sag', Basini, wie will der Herzog denn die Schönste von uns herausfinden?
Zweites Mädchen. Es wird wohl notwendig sein, daß man in's Schloß geht, sich melden!
Rosina zu Basini. Ist es wirklich wahr? Oder habt Ihr's nur für mich erzählt, um mich ganz toll zu machen?
Basini. Was fing' ich mit Eurer Tollheit an, Rosina?
Rosina. Wo mag er in diesem Augenblicke sein? Basini, guter Basini, kann ich's nicht sein in dieser Nacht, so will ich die umbringen, die es wird!
Basini. Kommen ja andere Nächte!
Rosina. Nein, keine andern, das weiß ich gut, Basini, so gut als Ihr!
Basini. Ich dachte, Eure Liebe wäre vergangen, während der Herzog fort war? Man sah Euch doch mit so manchem andern hübschen jungen Mann da und dort. –
Rosina. Jeder gab mir nichts als neue Sehnsucht nach ihm!
Bennozzo ganz junger Bursch; kommt rasch von links.
Capponi. Woher kommst Du so atemlos, Du Schlingel? Wo treibst Du Dich denn herum?
Bennozzo. Ich komm' vom Thurm!
Einige. Von welchem?
Bennozzo. Denk', wo ich war, Rosina! Auf dem Thurm des Asinelli!
Rosina. Was geht das mich an? Soll ich Dich vielleicht bewundern, weil Du auf einen Thurm geklettert bist?
Bennozzo. Und was ich sah!
Einige. Nun, was denn?
Bennozzo. Wie eine rote Schlange glänzt es fern
Und regt und windet sich und schleicht herbei
Wie aus den letzten Nebeln! – Das sind Helme
Und Schild' und Lanzenspitzen, die im Schein
Der Abendsonne glüh'n, so sagten mir
Die Wachen auf dem Thurm. Und wißt, von Rom
Und von Siena kommen sie, und unter ihnen
Ist Cesar Borgia selbst.
Bewegung.
Capponi. Wer sagt, daß der Borgia unter ihnen ist?
Bennozzo. Sie alle sagen's!
Capponi. Hat ihn einer gesehen? Der Borgia selbst ist wohl noch in Rom!
Basini. Oder hier und dort!
Capponi. Was heißt das?
Basini. Wißt Ihr denn nicht, daß der Borgia die Gabe hat, an zwei Orten zugleich zu sein?
Capponi. Was sagt Ihr?
Erster Bürger. An zwei Orten zugleich! Das ist ja eine völlige Unmöglichkeit! Er lacht. Einige lachen mit.
Zweites Mädchen. Nein, lacht nicht, es ist wahr, meine Mutter hat es mir auch erzählt!
Erstes Mädchen. Und mir hat's der Pater Marco gesagt!
Rosina zu Bennozzo. Nun, wenn das alles ist, was Du gesehen hast –
Bennozzo. Und um die Mauern selbst, ganz nah, nicht weiter
Als wir spazieren wandeln, wenn es dämmert,
Da liegen sie zu Tausend auf der Erde,
Und and're drauß' in Feld und auf den Hügeln,
Und immer neue kommen, und es ist,
Als wäre jedem schon der Platz bestimmt;
So reiht sich Schar an Schar und lagert still,
Kein Laut kommt zu uns her. Was mag dies sein?
Sie leben doch wie wir und sind so nah –
Was ist es, das sie alle schweigen macht
Und ihre Schritte lautlos?
Staunen. Flüstern.
Erster Bürger erklärend. Das kommt daher, weil sie eben noch viel weiter sind, als Du glaubst. Die Dämmerung täuscht Deine Augen. Auch wird von sonderbaren Spiegelungen in der Luft erzählt, und es giebt Abende, wo man Dinge sieht, die tausend Meilen weit sind. Wer weiß, ob das ganze Heer, das Bennozzo zu sehen glaubte, nicht irgendwo in der Ebene draußen rastet, näher von Rom als von Bologna?
Dritter Bürger. Wie meint Ihr das? Spiegel in der Luft? Das wär' ja ein Wunder!
Basini. Wozu an Wunder denken, wenn sich die Sache auf die einfachste Weise erklären läßt?
Einige. Wie denn? Wie?
Basini. Nun, ihre Schritte sind lautlos, weil ihre Füße nicht den Erdboden berühren. Wie hätten sie denn auch so geschwind da sein können, wenn sie nicht fliegen könnten?
Einige. Ja, ja!
Andere. Glaubt ihm doch nicht! Er hält Euch zum Narren!
Die Ersten. Aber dem hier möchtet Ihr glauben, der sagte, daß die Luft ein Spiegel ist!
Einer. Ein Spiegel – haha! Er haut mit der Faust in die Luft. Seht Ihr, wie er Sprünge kriegt?
Durcheinander. Die Gruppe löst sich auf. Freiere Bewegung. Es ist beinahe dunkel.
Vittorino kommt von hinten sehr rasch. Er geht auf Rosina zu, zieht sie nach vorn; in großer Aufregung. Wo ist Beatrice?
Rosina. Ich weiß es nicht. Was geht's mich an?
Vittorino sehr rasch. Es ist der dritte Abend, Rosina, daß Beatrice, ehe die Sonne untergeht, verschwindet! Der dritte Tag, daß sie kein Wort an mich gerichtet, als wenn ich sie eben fragte. Was ist gescheh'n?
Rosina. Der dritte Abend? Sind's nicht eben erst drei Abende, daß wir alle zusammen auf dem Fest vor den Thoren waren?
Vittorino. Und damals verschwand sie zum ersten Mal! Weißt Du's nicht mehr? Wir kamen allein nach Hause, und Beatrice kam spät in der Nacht.
Rosina. Sie hatte sich verirrt – oder auch nicht! Was geht's mich an?
Vittorino. Wo ist Francesco? Wann kommt er?
Rosina. Vielleicht gar nicht mehr! Er steht wohl auf Wache. Wer weiß, ob sie ihn auch nur noch auf eine Stunde fortlassen.
Capponi. Nun, Vittorino, wann wird Hochzeit gemacht?
Junge Männer, einige in voller Rüstung, andere nur mit Waffen, und Mädchen gehen lachend vorüber.
Basini. Heut' machen Viele Hochzeit, auch ohne Kardinal!
Vittorino. Was meint Ihr, Basini? Mit neuer Angst zu Rosina. Wo ist Beatrice?
Basini. Beatrice – vielleicht ist sie ihm schon in die Arme gelaufen!
Vittorino. Wem?
Basini. Dem Herzog!
Vittorino. Seid Ihr verrückt, Basini? Wer ist dem Herzog in die Arme gelaufen?
Basini. Ist sie nicht das schönste Mädchen in Bologna?
Vittorino. Was redet Ihr da? Was bedeutet das?
Capponi. Das bedeutet, daß der Herzog heute Nacht das schönste Mädchen von Bologna in sein Schloß führen wird.
Vittorino zuerst betreten, lacht dann. Was für Unsinn! Wer erzählt dergleichen? Wer glaubt daran?
Rosina. Es ist wahr! Es ist wahr! Siehst Du nicht? Wir Alle warten auf ihn, wir gehen ihm entgegen!
Bennozzo aufschreiend. Rosina!
Alle gegen den Hintergrund zu.
Capponi. Wer sind diese vornehmen Leute?
Basini. Kennt Ihr sie nicht? Das ist ja der Graf Fantuzzi und seine Schwester!
Capponi. So schwarz gekleidet?
Erster Bürger. Die alte Gräfin ist gestorben.
Zweiter Bürger. Darum war ja das mächtige Glockengeläut heut' Nachmittag.
Basini. Seht Euch das Fräulein da an, es ist die Braut des Dichters Filippo Loschi.
Einige. Des Filippo Loschi? Einige grüßen die eben Auftretenden und zerstreuen sich dann gleichfalls.
Andrea und seine Schwester Teresina sind langsam die Straße nach vorn gekommen. Zwei Fackelträger vor ihnen. Teresina verrät durch keine Miene, daß sie die Anrede des Andrea versteht.
Andrea. Nun, liebste Schwester, sprich ein einzig Wort!
Seit ich der Väter Haus betrat und Dich
Zu Häupten uns'rer toten Mutter fand,
Hab' ich die teure Stimme nicht gehört!
Was ist Dir, Teresina? Keine Thräne
Und nicht ein Laut? Ich habe nicht gefragt,
Eh' aus der Gruft empor zum Licht wir stiegen;
Nun führ' ich in bewegte Straßen Dich,
Daß diese fürchterliche Schweigsamkeit
Im Rauschen der lebend'gen Stadt sich löse;
Du folgst mir wie ein Kind. Ich fragte Dich,
Und wieder frag' ich Dich: Wo ist Filippo?
Wie kommt's, daß er an solchem Tage fehlt?
Und nur ins Leere starrst Du und Du schweigst.
Nahm Schmerz die Sprache Dir? Ist Deine Stimme
In ungeweinten Thränen ganz ertränkt?
Giebt's etwas, das, dem Bruder zu gesteh'n,
Dich mächtig treibt, doch das gestehn zu müssen,
Dich so erzittern macht, daß Du verstummst?
Vergieb, doch rede! Mit neuer Hoffnung. Thatst Du ein Gelübde,
Das Dich für heut', für sieben Tag' und Nächte,
Für ewig schweigen heißt? Wär's das? Du dürftest
Das Haupt doch neigen! Aber immer noch
Kein Blick, nicht die Gebärde des Versteh'ns!
Ist, was Dir widerfuhr, so ohnegleichen,
Daß jede ird'sche Art, Dich mitzuteilen,
Als zu gering und schwächlich Dir erscheint?
Mit steigender Angst.
Ist dies ein Wahnsinn, wie er nie erhört ward?
Doch ist es das, so ruf' ich ja in Dich,
Wie man ins Meer nach einem Leichnam schreit,
Der fern auf allzu stillen Fluten hintreibt.
Wie schauervoll ist dies, zu Dir zu reden,
Und ohne Nachricht sein, ob Du's begreifst!
Doch zehnfach schauervoll, da ich auf's Neue
Allein, unsichern Losen preisgegeben,
Zurück Dich lass' in der verlor'nen Stadt!
Nun werd' ich diese Stirn mit meinen Lippen
Zum letzten Mal berühr'n und fürchten müssen,
Es ist nicht mehr für Dich, als Hauch der Luft!
Und in Verzweiflung jenen letzten Trost –
Das Lebewohl aus Deinem Mund – entbehren!
Er wartet auf Antwort.
So komm! Ich will nach Hause Dich geleiten.
Und zwingt mich Deine fürchterliche Stummheit,
So nütz' ich meines Hierseins letzte Stunde
Zu einem Gang, vor dem ich jetzt noch schaud're,
Da betteln meinen Lippen so verhaßt,
Als töten meinen Händen, – und weiß doch:
Nur eins von diesen endet meine Qual!
Sie gehen beide ab, von den Fackelträgern begleitet.
Während der vorhergehenden Scene sind der alte Nardi und Frau Nardi vor ihrem Gewölbe erschienen, an dem Auslagetisch beschäftigt.
Nardi hat einen Ring an der Hand. Wo ist der kleine Vittorino? Ich will ihn loben. Sieh nur, mein liebes Weib, wie schön dieser Kopf geschnitten ist! Keiner kann das so gut wie er! Nie wird Francesco das zusammenbringen. Vittorino ist der Erbe meines Ruhms. – Wo bleibt er nur? Wo bleibt er?
Fr. Nardi. Gieb her, gieb her, ich will ihn zu den andern thun.
Nardi. Zu welchen andern? Warum sperrst Du alles in die Truhen? Und warum sperrst Du die Truhen in den Keller? Was soll das bedeuten?
Fr. Nardi. Es muß so sein, lass' mich nur machen.
Nardi weinerlich. Nein, lass' mir den Ring! Wir wollen ihn noch heute verkaufen.
Fr. Nardi. Wer denkt heute daran, Ringe zu kaufen? Gieb her!
Nardi. Herr Chiaveluzzi wird den Ring kaufen. Er giebt hundert Dukaten dafür, ganz gewiß! Da wollen wir den Kindern Kleider kaufen! Wo sind sie denn?
Fr. Nardi. Sie sind spielen gegangen.
Nardi. Warum sind sie noch nicht zurück? Es ist dunkel – warum sind sie noch nicht zu Hause? Beatrice wird sich wieder verirren, wie gestern.
Der alte Chiaveluzzi und sein Neffe Orlandino treten auf.
Chiaveluzzi. Ei, was Ihr sagt! Die reizende Beatrice hat sich gestern verirrt?
Fr. Nardi. Ihr wißt ja – vor sieben Jahren!
Chiaveluzzi. Nun, auch erwachsene Mädchen verirren sich zuweilen. Wo sind die reizenden Töchter, liebe Frau?
Fr. Nardi. Denkt Ihr heute auch an nichts Anderes?
Chiaveluzzi. Niemals an etwas Anderes – niemals! Ah, hier kommt die entzückende Rosina!
Rosina tritt auf.
Orlandino. Guten Abend, herrliche Rosina!
Fr. Nardi. Warum hast Du die Haare gelöst?
Nardi. Wo läufst Du denn herum, Rosina? Die Augen wein' ich mir aus! Wo ist Francesco? Wo ist Beatrice?
Fr. Nardi. Geh' ihnen entgegen, dann wirst Du sie finden.
Nardi im Fortgehen. Nun, ich will Euch zeigen bis in den späten Abend hinein, bis in die finstere Nacht hinein – wartet nur, wartet nur! Ab.
Chiaveluzzi lachend. Wie komisch ist der Alte!
Fr. Nardi. Lacht nicht über ihn!
Chiaveluzzi. Was habt Ihr denn? Warum soll ich nicht lachen? Ist es nicht ein köstlicher Gedanke, daß gerade wir zwei ihn zu dem gemacht haben, was er ist?
Fr. Nardi. Schweigt davon, um Gottes willen! Heut' wird es uns heimgezahlt!
Chiaveluzzi. Wieso heimgezahlt? Was habt Ihr denn? Ihr seid ja blaß wie der Tod!
Fr. Nardi. Ich habe Angst! Hunderttausend liegen vor der Stadt. An allen Ecken werden sie sie anzünden, dann werden sie hereinkommen, uns töten, uns die Augen ausstechen!
Chiaveluzzi. Ei was denn noch alles!
Fr. Nardi. Die Scharen des Borgia sind fürchterlich! Es wird sein wie das jüngste Gericht!
Chiaveluzzi. Wer sagt Euch das?
Fr. Nardi. Ich war heut' Morgen in der heiligen Beichte, der Pater Macario hat es mir gesagt!
Chiaveluzzi. Hört doch nicht auf den! Die Pfaffen schwatzen ja alle dem Borgia zu Gefallen.
Fr. Nardi. Könntet Ihr denn nicht zum Herzog gehen und ihn bitten?
Chiaveluzzi Bitten? Um was denn?
Fr. Nardi. Ich weiß, Ihr seid angesehen am Hof. Wenn Ihr es thätet und noch einige so edle Herren, wie Ihr, und den Herzog anflehtet, er möge sich und uns und die Stadt der Gnade des Borgia empfehlen, so lang' es Zeit ist –
Orlandino. Schönste Rosina, fragt nur meinen Oheim! Denkt doch, Oheim, sie will es nicht glauben daß ich eine Truppe von zweihundert Armbrustschützen anführe und wahrscheinlich schon morgen früh ins Feld ziehe.
Chiaveluzzi. Ja, wer jung ist, muß mit! Auch ich ginge mit, wenn ich nicht diese sonderbare Schwäche im linken Bein hätte.
Fr. Nardi. Uns werden sie auf der Straße, in den Häusern ermorden!
Orlandino. Wenn wir sie hereinlassen!
Fr. Nardi. Francesco geht auch fort. Heut' früh hat er unser Haus verlassen.
Orlandino. Fort gehen Viele, aber wer wird wiederkommen? Rosina, wer weiß, ob nicht eben die letzte Nacht anhebt, die Eurem zärtlichen Orlandino geschenkt ist!
Rosina. Sagt, wenn der Herzog durch die Straßen zieht – wie viele Fackelträger begleiten ihn?
Orlandino. Die Sitte des Hofes fordert ein halbes Dutzend, aber Seine Hoheit hält sich leider nicht immer nach den Sitten des Hofes. Rosina, hört mich an! Ich bitte Euch! Zehn Schritte weit vom Thor von Garisenda steht mein kleines Haus – gewiß, Ihr kennt es! Welchem Mädchen in Bologna wär' es noch nicht gezeigt worden! Wollt Ihr nicht die letzte Gelegenheit benützen, es von innen zu besichtigen? Ich habe nur diesen einen Wunsch mehr auf Erden! Denkt, es ist eine vaterländische That, einem jungen Helden die letzte Nacht zu versüßen! Rosina, vielleicht schon morgen um diese Stunde bleichen meine Gebeine auf dem Sand vor Bologna!
Rosina. Orlandino, hättet Ihr nur das nicht gesagt! Es ist ein abscheulicher Gedanke! Ich müßte immer an Eure Gebeine denken! Nein, nein, laßt mich! Ich hätte nicht das geringste Vergnügen!
Orlandino. Herzlose, o höchst herzlose Rosina!
Francesco kommt in Waffen.
Chiaveluzzi. Ei, was seh' ich, der junge Herr Francesco – so wohl gerüstet!
Orlandino. Guten Abend, Francesco! Wie schmuck siehst Du aus!
Francesco nicht laut. Fort mit Euch!
Orlandino. Wie? Was sagst Du?
Chiaveluzzi. Wie so ein Degen an der Seite gleich kühn machte
Orlandino. Man könnte beinah' glauben, daß Du einen Schnurrbart hast. Wie sagtest Du doch?
Francesco. Habt Ihr mich nicht verstanden? Fort mit Euch!
Fr. Nardi. Was fällt Dir denn ein, Francesco? Was für Späße erlaubst Du Dir gegen diese vornehmen Herren?
Francesco. Schweigt, Mutter, ich bitt' Euch!
Orlandino. Sage, kleiner Francesco, sie haben Dir wohl einen Rausch angetrunken?
Chiaveluzzi. Nur vor diesem wilden Blick werden die Romagnesen scharenweise davonlaufen.
Orlandino. Kommt, schönste Rosina, wir wollen Euern närrischen Bruder seiner tollen Laune überlassen und den herrlichen Abend, den letzten, der mir auf Erden gegönnt ist, zum Spazierengehen benützen.
Francesco. Den letzten, sagt Ihr? Soll ich's auf der Stelle wahr machen?
Orlandino. Ei, wie? soll dieser Ton ernsthaft gemeint sein? Nun, dann wollen wir anders sprechen! Er greift nach dem Degen.
Francesco hat seinen Degen gezogen.
Rosina sieht Francesco mit Bewunderung an. Prächtig steht ihm das!
Orlandino. Ah, ich will meinen Degen am Vorabend großer Thaten nicht durch einen läppischen Streit entweihen! Mein Leben gehört nicht mehr meiner Laune, sondern meinem Vaterlande! Kommt, Oheim, entfernen wir uns.
Chiaveluzzi. Jawohl, ich entferne mich. Aber im Fortgehen keineswegs, ohne über diesen drolligen Jungen herzlich zu lachen. Lacht mühselig, in kurzen, leisen Stößen. Mit Orlandino ab.
Francesco. Wo ist Beatrice?
Fr. Nardi ängstlich, aber absichtlich stark. Was fällt Dir denn ein? Bist Du verrückt geworden?
Rosina. Aber hübsch siehst Du aus! Das muß man sagen.
Francesco. Wo ist Beatrice?
Fr. Nardi. Sie ist noch nicht zu Hause. Was willst Du denn von ihr?
Francesco. Abschied von ihr zu nehmen komm' ich nur,
Und sie in gute Hut zu übergeben.
Fr. Nardi. Was bedeutet das?
Rosina. Schläfst Du heute Nacht nicht mehr zu Hause?
Francesco. Verstandet Ihr mich nicht? Von Beatrice,
Von niemand Anderm will ich Abschied nehmen!
Von meinem Vater auch, wenn er's verstünde!
Fr. Nardi. Wo kommst Du her, Francesco?
Rosina. Der junge Chiaveluzzi wird wohl Recht gehabt haben: der Wein redet aus ihm.
Francesco hat seine Mutter beim Arm gefaßt; nur zu ihr.
Du weißt, warum ich von Euch gehe, Mutter!
Nur ein willkomm'ner Anlaß ist der Tag:
Denn selbst, wenn Gott mein Haupt beschützt: – dies Haus
Betret' ich niemals wieder!
Fr. Nardi. So wagst Du zu Deiner Mutter zu sprechen?
Francesco. Mutter!!
Bald hoff' ich zu vergessen, daß Du's warst!
Zu viele Niedrigkeit hab' ich geseh'n
Und sehe neue Schmach sich vorbereiten.
Da ich ein Kind war, konnt' ich's nicht versteh'n,
Nur ahnen. Aber jetzt verging ein Jahr,
Daß ich die Augen aufthat, und ich weiß,
Was meinen Vater irr und elend machte;
Und das, was Du gewesen, wird aus der!
Bereit, sich zu verkaufen, herzuschenken,
Dem, der sie will! Drum segn' ich Tag und Stunde,
Da ich dies schmutz'ge Haus verlassen darf
Und Euch nicht kennen.
Beatrice kommt.
Rosina. Nun, da hast Du Deine Beatrice.
Francesco ihr entgegen; mit tiefer, beinahe angstvoller Zärtlichkeit. Meine Schwester!
Beatrice. Francesco!
Francesco zu Frau Nardi und Rosina. Laßt mich mit ihr allein!
Fr. Nardi in den Laden, Rosina in die Straße ab.
Francesco milde, in ganz anderem Ton als früher. Woher kommst Du?
Beatrice. Von weit her. Doch wer darf mich fragen?
Francesco. Ich!
Dein Bruder, Beatrix!
Beatrice. Nein doch, niemand.
Wie siehst Du aus? So schön! ach ja, wie anders
Seit gestern Abend!
Francesco. Beatrice, hör' mich!
Ich gehe fort, Du weißt; doch hab' ich Angst
Um Dich! Ich möchte Dich geborgen haben,
In guter Hut, bevor ich geh'.
Beatrice. Was willst Du?
Francesco. In diesem Haus darfst Du nicht länger weilen!
Ich habe so viel Angst um Dich! Mir ist,
Als wär' in Dir ein Feuer aufgeloht,
Das seinen Strahl in's Ungewisse sendet,
Und ich kann nicht mehr wachen über Dich!
Ich wollt', Du bliebest gut, und fühle sehr,
Dies steht nicht so bei Dir, wie sonst bei Menschen –
Und ich kann nicht mehr wachen über Dich!
Doch weiß ich, was auch immer Dir bestimmt,
Fänd' ich Dich anders wieder, als ich will,
Vor Ekel stürb' ich oder spie' Dich an!
Ich wollt', Du bliebest gut und nähmst den Besten,
Nähmst Vittorino, der Dich liebt, zum Mann.
Beatrice. Ich weiß, daß Du das willst.
Francesco. Laß' mich für ihn
Zu Deinem Herzen sprechen, Beatrice.
Und auch für mich, daß ich in Ruhe zieh'n kann,
Wohin es Gott gefällt. Nimm ihn zum Mann.
Beatrice. Wo soll ich mit ihm leben?
Francesco. Nicht bei diesen
Und nicht in dieser Stadt!
Beatrice. Sie sagen Alle,
Daß keiner mehr die Stadt verlassen kann.
Francesco. Dies mag schon morgen wahr sein, heute nicht;
Noch sind die Straßen gegen Osten frei.
Wenn Hundert oder Tausend dorthin zögen,
Wär's ihr Verderben; doch vertrau' mir nur,
Euch Beiden weis' ich einen sichern Weg.
Beatrix. Was soll dies? Heute noch?
Vittorino Monaldi kommt.
Vittorino. Teure Beatrice, seh' ich Euch endlich wieder!
Beatrice. Guten Abend, lieber Vittorino!
Francesco. Ich sprach mit meiner Schwester, Vittorino.
Vittorino. Hast Du's gethan? Nun wird mich Beatrice für einen rechten Knaben halten, daß ich's nicht selber gewagt habe. Und was sagte Beatrice? – Nein, sprich nicht, Beatrice, nicht gleich, nicht, so lang' Du mich mit diesem fremden Augen ansiehst!
Francesco. Mein guter Vittorino, 's ist nicht Zeit,
Die Antwort aufzuschieben, wie sie sei.
In kurze Frist ist heute viel gedrängt,
Und Stunden gelten Tage, Tage – Jahre.
Beatrice. Francesco, ja, so ist's!
Francesco. Drum, Beatrice,
Gieb Vittorino schnell Dein Ja, wenn Du
Gewillt bist, ihm's zu geben.
Vittorino. Aber wenn's ein Nein ist, sag' es nicht gleich, daß es nicht wie ein Stich in mein Herz fährt. Laß' mir noch ein paar Augenblicke der Hoffnung. Zu Francesco. Ich fürchte ihre Antwort, Francesco! In diesen letzten Tagen schien sie so fern von mir zu sein. Zu Beatrice. Immer, wenn die Sonne sank, Beatrice, warst Du verschwunden. Ich weiß ja, daß Du nur auf den Hügeln und Wiesen vor dem Thor umhergewandelt, – aber bist Du nicht schon weit, wenn Du nur die Augen wendest? Drum hab' ich Furcht vor Deiner Antwort.
Beatrice. Hab' keine, Vittorino!
Vittorino mit plötzlichem Mut und Hoffnung. Liebst Du mich denn?
Beatrice. Nein, Vittorino. Aber ich will thun,
Was Du ersehnst, und was Francesco wünscht.
Mein Bruder ist sehr klug. Und sieh', ich glaube,
Geborgen werd' ich sein an Deinem Herzen
Wie sonst bei niemand. Nicht nach Deinen Küssen
Verlangt's mich, Vittorino. Aber ausruh'n
Möcht ich bei Dir, weil ich so müde bin.
Francesco. Was ist's, das Du erlebtest, Beatrice?
Vittorino angstvoll. Frage sie nicht, frage sie nicht! Es ist an mir, sie später einmal zu fragen. Weißt Du denn auch, Beatrice, daß wir noch heute als Vermählte die Stadt verlassen sollen, wenn es möglich ist?
Beatrice. Heut? –!
Francesco. Nur heut' ist's möglich, und drum muß es sein!
So hört mich: In San Stefano, der Kirche,
Erwartet Euch der Priester, der Euch traut.
Ist dies gescheh'n, geleit' ich Euch zum Thore
Von San Vitale. Dort, auch mir nicht länger
Als seit der heut'gen Früh bekannt, entspringt
Ein Gang, der unter Mauerwerk und Erde
Bis zu der alten Villa des Larangi
Und dort im Garten wieder aufwärts führt.
Nun, aus dem Garten auf den Weg nach Lugo,
Daß Ihr noch Budrio vor Tag erreicht,
Und dann –
Vittorino. Sind wir erst dort, so dürfen wir dem Himmel schon für unsere Rettung danken. Von Budrio fahren wir im hellen Tageslicht nach meiner Vaterstadt, ich führe Dich zu meinen Eltern, und sie werden ihre Tochter mit Entzücken umarmen. Alles ist bereit, daß ich daheim in wenig Tagen meine Werkstatt öffnen kann. Wahrlich, ich seh' ein Leben voll Arbeit und voller Freude vor mir!
Beatrice. Gut habt Ihr's ausgesonnen, wenn es glückt.
Francesco. Nicht ohne Fährlichkeit ist alles dies,
Doch giebt's noch immer vielfach bess're Hoffnung,
Als in Bologna diese Nacht zu weilen.
Beatrice. So werd' ich Vittorinos Gattin! Denk nur!
Wie sich dies endlich fügt! – und spielten doch
Vor einem Jahr noch draußen auf den Wiesen!
Vittorino. Beatrice, wie lieb' ich Dich!
Beatrice. Ja, wahrlich, Zeit ist nur ein Wort, nicht mehr!
Schau ich nur Dich, Francesco, an! Noch gestern
Warst Du ein Kind, und heut' bist Du ein Mann.
Und jenes Märchen –
Francesco. Denkst Du jetzt an Märchen?
Beatrice. Hat's nicht der Vater uns gar oft erzählt?
Von Einem, der den Kopf ins Wasser tauchte
Und träumte da von so viel Abenteuern,
Daß sie im Wachen zwanzig Jahre währten, –
Und taucht' empor, da war's ein Augenblick. Sie fährt sich übers Haar.
Vittorino. Was hast Du Beatrice? Warum greifst Du Dir an die Schläfen?
Beatrice. Ob mir das Haar noch feucht ist.
Francesco. Was flog durch Deine Sinne, Beatrice,
In dieser letzten Abendstunden Schwüle? –
Vittorino. Frage sie nicht, Francesco!
Beatrice. Nein, Vittorino, niemals wollen wir
Um Träum' einander fragen. Wach sein nur
Ist Leben, und gemeinsam ist das Licht.
Bring' mich nach Lugo, lieber Vittorino!
Vittorino. Ja, Beatrice, dahin will ich Dich führen, dort wird Dir ein Heim bereitet sein, wo Du von Deinen Träumen ausruhen, wo Du sie vergessen wirst.
Francesco. So sagst Du ja zu Allem, Beatrice?
Beatrice. Sagt' ich's noch nicht? Ja, Vittorino, ja!
Francesco. So komm'!
Beatrice. Zur Kirche?
Francesco. Doch zuerst ins Haus,
Daß Dich der Vater segne.
Vittorino. Wird er es denn verstehen?
Francesco. Auch eines Kind's Gebet steigt auf zu Gott.
Warum das seine nicht?
Vittorino. Beatrice, ich danke Dir! Ich bin sehr glücklich! Fühle nur, daß Du mir Alles bist. Zwar weiß ich, daß Du Deiner ganzen Art nach zu Anderm geboren bist, als eines einfachen Gewerbsmanns Frau zu sein. Bedenk' aber auch dies, daß Du Dich mit Deinem Worte mir für immer geschenkt hast, daß niemand auf der Welt Dir so viel Liebe geben kann, als ich, und daß ich unfehlbar sterben müßte, wenn Du jemals Deines Worts vergäßest.
Alle drei ab ins Gewölbe.