Maximilian Schmidt
Die Schwanjungfrau
Maximilian Schmidt

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III.

Da klopfte es an die Thüre. Auf das einladende »Herein« erschien Berchtold Perlacher in Weyerzisks Werkstatt.

»Grüaß Gott!« rief der junge Mann. »'s is mir gsagt worn, i kunnt da an' Pfeifenstopfer kaafn, – an' extrigen, mit der Schwanjungfrau – sehgts, so oan, wie der da, den i von mein Vatan, Gott hab 'n seli, erirbt und halt scho' ganz z' schandn gmacht hon.« Er zeigte ihm dabei den defekten Stopfer.

Der Schnitzerwastl hatte sich auf seinem beweglichen, hölzernen Lehnstuhl gegen den Ankommenden gedreht und blickte ihn erst gleichgültig an; nachdem er aber den ihm dargereichten Pfeifenstopfer einigemale in der Hand gedreht, faßte er den jungen Mann scharf ins Auge.

»Den Stopfer hon i gschnitzt,« sagte er, »'s mag a lange Zeit her sein, es is oaner von die viele tausend.«

»Dös is nacha wohl aa von Enk?« fragte jetzt Berchtold, indem er dem Alten den Griff seines Stockes zeigte.

»Dös is der Jaga Berchtold mit 'n Schwan!« rief der Alte. »Den Stock hon i Freundschafts halber 'n Förster Perlacher gebn – Gott tröst 'n! Und du – du bist sei' Suhn! Is 's nit a so?« Und diesem erfreut 45 die Hand reichend, setzte er hinzu: »Du bist mir freudi willkomma!«

Berchtold schlug in die dargereichte Hand ein. Er bestätigte dem Alten, daß er sich nicht geirrt, erzählte ihm dann von seinen Eltern, und wie er hierher gekommen, sein Glück zu suchen, und sich bei dem Förster in Bartlmä, welcher einst zu gleicher Zeit mit seinem Vater Jagdgehilfe war, um eine Stelle zu bewerben. Er erzählte dem Schnitzer auch, daß ihn die Rapelleni hergeschickt habe, um sich einen Stopfer zu kaufen und wie ihn das verrückte Weib plötzlich für den wilden Jäger gehalten habe und entflohen sei.

Der Alte nahm das lebhafteste Interesse an der Erzählung des jungen Burschen, welcher neben ihm auf der Bank Platz genommen hatte. Er klärte ihn vor allem dahin auf, daß die alten Leute hierzulande noch sehr abergläubisch seien, und daß der wilde Jäger in ihrer Meinung noch unter dem Namen Berchtold in der Gegend, besonders am Königssee, seinen Spuk treibe.

Der Bursche lachte und fragte, auf die Schnitzerei an seinem Stocke deutend: »Is das 's Bildnis vom wilden Jäger? Ös habts vorhin g'sagt, es is der Berchtold mit 'n Schwan.«

»Dös is der Berchtold, der durch den Schwan Berchtesgaden begründet hat. Mei', die Gschicht is schier vergessen und außer mir denken wohl wenig mehr dran. I hon woltern nit drauf vergeßn kinna, weil i mei' Lebn lang den Jaga da und die Schwanjungfrau gschnitzelt hon, gschnitzelt und gmeißelt. Sitta etli Jahr hat si der Absatz aufg'hört mit die Stopfer, d' Leut rauchen Cigarrln und wenger aus Tubakspfeifn – no' ja, da hat mir der Verleger absagen lassen – was willst machen? So hon 46 i halt a anders Fach glernt no' in meine altn Täg und so schnitzl i halt furt, so lang 's geht.«

»An' anders Fach?« fragte Berchtold. »Ös seids wohl a Bildhauer worn? Jeß! wie schön! Dös is ja unser Kini, der Maxl – zum Reden treu.«

»Ja, ja,« entgegnete der Alte, »dös is nur so a Nebngschäft, woaßt, dös tragt mir nix. Kochlöffeln muaß i machn und Teller – mochst ja glei a Hirsch wern – i, der Weyerzisk!«

Der Alte verhüllte sein Gesicht, dann wischte er sich über die Stirne und sagte wieder freundlich und gefaßt.

»Es war a schöne Zeit, wie dei' Vata no' hiersig war. Da aaf der Bank, wo du iatzt sitzt, is er oft gsessn und hat mir zuagschaut, wier i so oa' Stückl nach 'n andern gschnitzelt hon. I woaß's no' wier heunt, wie'r eam den Stock da gschnitzt und dabei die Gschicht erzählt hon vom Berchtold und 'n Schwan.«

»Gehts zua,« bat Berchtold, »erzählts mir 's aa und schnitzelts mir die Schwanjungfrau dabei. Sie is mir vorhin erschiena, wier i unter der Eschen g'schlafn hon, so schön, so zauberhaft, daß i 's nimmer aus 'n Kopf bring. Ös wißts mehr davon, hat die Rappelleni gsagt. Erzählts mir's, was 's wißts.«

Der Alte lächelte.

»Vorhin is 's dir erschiena – mit ara blaun Schärp'n?«

»Ja, – lange guldene Lockn, mit Almarausch gschmückt; da – da hon i no' a Zweigl davon; sie hat's verlorn und is verschwundn. Was moanst, is dös gwen?«

47 »Ah so!« lachte der Alte. Es war ihm klar, daß der junge Mann seine Enkelin, 's Regerl, vorbeihuschen sah, da sie als Prangerin vom Empfange des Königs zurückkam, daß der Jäger dies mit der Schwanjungfrau in Verbindung brachte und sich aus Begeisterung für diese einen neuen Pfeifenstopfer mit ihrem Bilde kaufen wollte. Das ergötzte den alten Schnitzer höchlich. Aber man soll dem Kinde nicht vor der Zeit seinen Glauben an das Christkind nehmen und dem Jäger wollte er den Glauben an eine gütige Fee mit tausend Freuden lassen, so lange, bis Regerl selbst, zufällig eintretend, dieses Traumbild, einer Seifenblase gleich, zerstäuben ließe.

»So lang mir halt so a runds Stück Buachas her, – woaßt, i kann nit gehn, mei' Fuaß is krank.«

»Habts Enk ebbas einitreten?« fragte Berchtold und reichte dem Alten das Verlangte hin.

»Dös nit,« entgegnete Wastl, »aber mei' Kopf is mir aufn Fuß gfalln und hätt mir schier a paar Zehen daquetscht.«

»Enker Kopf?« fragte Berchtold. Er glaubte, falsch gehört zu haben. Fast überkam ihn wieder dasselbe Gefühl, das er empfand, als er beim Erwachen unter der Esche die hexenähnliche Rappelleni neben sich sitzen sah. Die Schwanjungfrau, der wilde Jäger, jetzt der herabgefallene Kopf des so eigentümlich, so übergeistigt blickenden Alten: – es war doch etwas sonderbar!

»Es is schon so!« bestätigte jetzt der Alte noch zum Überflusse, »aftn zoag i dir 'n schon. Lang ma no' den Stichel her, so – gelts Gott! Und iatz schnitz i dir dei' 48 Jungfrau und erzähl dir, was d' so gern hörn möchst.« Und während er zu schnitzen begann, erzählte er:

»Der Jaga mit der Armbrust an dein' Steckn is der Berchtold. So hat' 'n schon mei' Urödl gschnitzt. Und woaßt, wer der Schwan is? Neamd anders is 's, als d' Schwanjungfrau oder d' Wallkürn, der wir alles verdankn, was in unserem Berchtesgadenerlandl Schöns und Guats is. Längst ham d' Menschn drauf vogessn, i bin der oanzi, der dran denkt hat schier alle Tag, so oft i's gschnitzt hon, und no' iatz. Und da traamt mir gar oft, der Schwan wird lebendi, kriegt silberne Federn und verwandelt si' in a schöne Jungfrau, die mi no' reich macht in meine altn Tag, nit zwegn mir, bei Leib nit! i verlang mir nix mehr – nur zwegn meine Deandln, zwegn dene, sunst zwegn nix.«

»Und was hats mit dem Jaga und dem Schwan für a Bewandtnis ghabt?« fragte Berchtold, neugierig gemacht, indem er die Schnitzerei seines Stockes aufmerksam betrachtete.

»Dös kannst scho' hörn,« entgegnete der Alte; »kent nur 's Pfeiferl an, du irrst mi nit im Schnitzln. I selm rauch nit, aber schmeckn thua i's gern; es is so hoamli wenn 's Pfeiferl qualmt. Siehgst, es brennt scho' – stopf nur mit 'n altn Stopfer, bald kriegst an' nuia. No' ja, es raucht schon! und also erzähl i dir's halt, so wier i 's woaß.

Vor uralters Zeit, wo d' Gegend rings umatum no' lauta Wildnis war, wo d' Wölf, d' Bärn und d' Drachen und 's wildst' Gflüg da ghaust und neamd sie hat einatraut, is draust im Salzachthal an' alta Jaga gwen, der hat a wunderschöns Deandl zur Tochter ghabt. Dös 49 Deandl hat a frischer Jagasbua, Berchtold oder BarthelDie alten Bayern wußten nichts von Bartholomäus, sondern tauschten denselben für ihren Barthel, Berthold oder Berchtold nach dem Beinamen Wodans ein, wie im Salzburgischen noch der wilde Jäger heißt. Ihm zu lieb findet auch das jährliche Berchtlaufen in den Rauhnächten in Salzburg und Tirol statt, was förmlich einer wilden Jagd gleicht. Ebenso steht Berchtold zum Wasser in Beziehung am Bartholomä- oder Königssee. (Dr. Sepp.) mit Namen, von Herzen gliabt und hätt 's gern gheirat, aber mei', alle zwoa hams nixi ghabt, als d' Liab, wie 's heuntigen Tags aa no' oft der Fall. Wier aftn der Alte gstorbn is, hat 's Deandl furt müassn in Deanst und dem frischen Jagasbuam is aa nix anders über bliebn, als furt z'roasn, er hat selm nit gwußt, wo aus und wo an. So is er voll Gram und Kümmernis eini in Forscht und in d' Wildnis und hat sei' Gschick 'n Himmi vertraut und alle guatn Geister. No' ja, dös Ding is guat – da stroaft er amal durch 'n Wald und sei' Hund schlagt an auf an' Edelhirsch, der in raschen Sätzen durchs Waldgstrüpp bricht. Der Berchtold eam nach durch Wald und Busch und über Felsen und Sturzbach. Oft vermoant er, sei' Pfeil kunnt 'n dareichn, aber 's Edelwild verschwind', taucht wieder auf, verschwind' aufs neue, so geht die Hetz dahin an' etli Stund. Auf oa'mal steht er vor an' See, von dem no' neamd ebbas gwußt, mitten zwischen himmelhohen, glanzeten Marmelwänden – dunklgrea' glanzt 's Wasser, der Watzmann spiegelt si z' tiafest drin und auf 'n Wasser kimmt a weißer Schwan herzogn mit silberweiße Federn und grad zum Jaga Berchtold zuari. Der schaut und schaut, und wie der wunderschöne Schwan bei eam am Ufer halt, so grüaßt er 'n freundli.

50 »Mei' schöner Schwan«, sagt er, »wie kimmst du da in dö Wildnis eina?«

Da taucht der Schwan gachs unter in der Flut und statt seiner taucht in an' guldan Schifferl a wunderschöne Jungfrau auf im schneeweißen, silbern' Gwand mit guldane, lange Haar, mit Edelstoa' und Perln gschmückt und a silbers Ruader in der Hand.

»Grüaß Gott,« sagts, »liawa Jagersmann, von wannen kommst du und wodannen zeihst du? Steig eina und schenk mir dei' Vertraun, auf mei' Hilf kannst du baun!«

No' ja, der Jaga is nit dumm, nimmt glei Platz im guldan Schiffl und dierweil d' Jungfrau einifahrt in See, klagt er ihr sei' Load und wier er arm und trauri is, daß er sei Deandl nit als Ehfrau hoamführn kann.

Da sagt die Jungfrau freundli: »Dir soll gholfn wern: i fahr di hin ins Reich vom Elfenkönig, der unverschuldet Unglück endet.« Und dreimal tauchts ihr Ruader in d' Flut, da teiln si wier a Blitz so schnell die Welln und 's Elfenreich thuat si aaf. Wie schö' dös gwen muaß sei', dös laßt si nit dasagn, halt wier im Himmi selber. Der Elfenkini, der Wodan, sitzt aaf an' guldan Thron, sei' Gwand dös strotzt von Edelstoa' und Gold und Bleamlwerk, und freundli sagt er zu der Jungfrau:

»Zeig ihm die Schätze mein,
Und was er will, sei sein!«

Dös wird wohl a Wort gwen sei! Der Jaga macht sein Servus und d' Jungfrau führt 'n nacha donni zur a Felsenwand. Auf ihren Wink springt a Thür auf, die in a großmächtige Marmorhalln führt, die über und über voll is mit Edelstoa' und gediegna Gold.

51 »Da nimm, was d' brauchst und gründ' dei' Glück. In neuer Not komm wieder zrück!« sagt's zu eam.

Der Jaga laßt si dös nit zwoamal sagn, schoppt si d' Säck glei voll und d' Weidtaschn und 'n Huat strotzat voll und aftn fahrt 'n d' Jungfrau wieder zruck im guldan Schiffl ans Ufer hin. Freudi springt er ans Land und will sie just bedankn, da is dös Schiffl mit der Frau verschwunden und nur der Silberschwan gleit' langsam überm Spiegl hin vom See. An' Juchaza schreit er eam nach, daß 's vielfach wiederhallt und aftn stürmt er furt, zur Salzach außi, wo sei' Deandl is – und gheirat wird, a prächtigs Gschloß wird baut und glebt in Glück und Freud, in Saus und Braus! –

No' ja, dös Ding is guat, so lang dös Gerstl (Geld) ghaltn hat, aber halt an' Brunn kannst daschöpfn, und bist no' so reich, findst nit dei' Glück am eigna Herd und in der treuen Liab, und suachst es außahalb bei Trunk und Spiel, und gehst bloß müaßi, no' ja, so geht's halt abwärts, und aus 'n reichsten Mo' kann bal a Bettler wern. Grad so is 's ganga mit 'n Berchtold. Nit hat er ghört aufs Bitten und aufs Woan von sein' braven Wei' – Haus und Hof – ft! – furt is 's gwen und zruck hams müassen in die hölzer Hüttn im Wald, wo 's z'erst san gwen, und wo eam d' Reu am Herzen nagt und wo 'n umasunst sei treus, bravs Weibl tröst. Er traut si nimmer zu der Jungfrau hin zum See um Hilf, dös schlecht Bewußtsei' druckt 'n – leicht kannst dir 's denkn!

Da is 's amal, das d' Frau vom Berchtold im Wald drin kniet und halt so recht frumm bet' um Hilf. Da kimmt a schöne Jungfrau zuawi, d' Schwanjungfrau is 's gwen, und sagt, grad wier a Engel so guat und mild, 52 zum arma Wei', daß 's grührt is durch die Reu vom Berchtold, und kemma is, eam zu verzeihn und a neus Glück z' bringa, dös der Elfenkini eam hat vomoant. Der Berchtold soll um Mitternacht am Platz sei', aftn wird er 's ander hörn.

Der Berchtold, no', 's Herz hat eam freili gschlägelt, wier er hin is um Mitternacht, zum See von Elfenkini. Da siehgt er aa beim Herr MannHerr Mann – Mondschein. scho' aaf weit 'n weißn Silberschwan, der donna schwimmt und der si am Ufer in die schö' Jungfrau wandelt. Und außi führts 'n, wo der Albbach rauscht, auf an' enga Steig und bleibt mit eam vorm Salzberg Tuval stehn.

»Da schürf!« sagts, »und Glück auf für alle Zeiten! Auf Gold alloa' kannst 's Glück nit baun, aaf d' Arbet nur und Gottvertraun!«

Und wie 's dös g'sagt hat, winkts eam freundli zua und gachs verwandelt in an' Schwan, steigts hoch in d' Luft und fliegt gen Königssee. Dankbarli schaut der Berchtold nach, und wie der Tag hat graut, fangt er glei 's Schürfen an am Berg und find't an dera Stell dös schönste Salz, dös mehr als Gold dem Menschen vonnöten is. Schnell hat si d' Kund verbreit vom reichen Bergwerk in der Wildnis, und kloa' und groß is herkemma zum neu'n Schacht und wier a goldner Quell is 's Glück 'n Bergherrn gfloßn und hat sein' Fleiß und d' Arbet richti g'lohnt. Den Tann vom Urwald hat er gfällt und Wohn- und Sudhaus baut, wo Moos und Sumpf is gwen, san Feld und Wies' entstanden und da, grad am schönsten Fleckl, hat er baut sein Gaden, wo d' Felsenberg 53 rundumatum hinschaugn, und Berchtoldsgaden hat er's ghoaßn, so wie ma's heunt no' hoaßt.

Der schöne See vom Elfenkönig hoaßt sit der Zeit der Königssee. Ma' kann aa diem von weiten d' Schwanjungfrau no' sehgn, wenn d' Stern hell funkeln und der Herr Mann si spiagelt drin im See. Stand aber hat's seit Berchtolds Zeiten neamd mehr ghaltn, neamd mehr, als mir; i hon's ja in der Hand, da siehgst es, so schaugt's aus.«

Der alte Schnitzer hatte während seiner Erzählung in der That die Schwanjungfrau geschnitzelt, mit prächtigem Gesicht, ganz wie er sie beschrieben; nichts fehlte als die Farbe.

Der Jäger griff staunend nach dem Figürchen.

»Höll Saxendi!« rief er, »i wollt, die waar größer und lebet.«

»Größer kann i dir's zoagn,« sagte der Alte lächelnd, »vielleicht aa lebendi. Thua nur d' Kammerthür durt aaf.«

Berchtold näherte sich fast zögernd der Thüre, auf welche das helle Rot der untergehenden Sonne schien, deren goldene Strahlen die Werkstatt schon einige Zeit wie magisch beleuchteten.

Jetzt öffnete Berchtold mit einem raschen Griffe die Thüre angelweit – ein Ausruf des Erstaunens entfuhr seinen Lippen. Die Schwanjungfrau stand vor ihm. Ähnlich wie beim Alpenglühn umfloß die weiße Marmorstatue purpurrosiges Licht. Der durch das Öffnen der Thüre verursachte Luftzug veranlaßte eine merkliche Bewegung des natürlichen Alpenrosenkranzes und der seidenen Schärpe, und das sonst weiße Marmorantlitz der Walküre schien durch den Glanz der zitternden Lichtwellen lebendig 54 und blickte mit wunderbarer Anmut, einer holden Göttin ähnlich, auf den überraschten jungen Mann.

Dieser stand lange sprachlos, der alte Meister neben ihm. Er war auf einem Fuße zu dem Jäger herangehüpft und staunte nun, an dessen Schulter gelehnt, gleich diesem sein eigenes Kunstwerk an, denn noch niemals hatte die scheidende Sonne ein so intensives Purpurlicht über die Statue ausgegossen.

Was der Alte in diesem Augenblick fühlte, das war das reinste Glück, so wie es vom Himmel in seltenen Tropfen herniederträufelt, das nur der versteht, nur der empfindet, den die Gottheit ganz besonders würdigt, der den Weihekuß der echten Kunst empfangen und der beim Anblick seiner reinen Schöpfung ein Gottähnlichsein in sich verspürt. Not, Hunger, Kümmernis vergangener Jahre, wie war das alles aufgewogen durch solch einen göttlichen Augenblick!

»Die is 's, die i gsehgn hon,« rief endlich Berchtold; »i hon nit traamt! Is 's denn mögli?«

Der Alte lächelte.

»Aber, na,« meinte dann der Bursche, »jetzt sehg i's schon, daß 's koa' lebendige Gstalt is, daß 's von Marmor is. Aber kann's denn nur mögli sein, dennerst so voll Lebn, daß ma 's anredn möcht! A lebendiger Stoa'! Und dennerst hon i 's gsehgn, dös Zweigl is von ihr – sagts mir dös Gheimnis.«

Der alte Meister fand aber, daß es Zeit zur Trennung sei. Noch während sein Werk von rosiger Glut umflossen, wollte er es den Augen des Staunenden entrücken.

Was mitten im Verlangen entweicht, füllt das Herz mit Sehnsucht, und Sehnsucht nach dem Schönen und 55 Göttlichen entrückt den Menschen der Alltäglichkeit. Das fühlte der alte Schnitzer, er wollte den Zauber seines Kunstwerks nicht erschöpfen lassen und er schloß die Thüre.

»Also war's doch a Traam!« meinte der Jäger wieder. »Dös bedeut' was! Dös bedeut' dös Glück, dös mir mei' Muatta prophezeit hat.«

»Glaub an dös Glück!« erwiderte Weyerzisk, nun wieder in seinem Lehnstuhl sitzend. »Sei brav und froh – und nimmer kann's dir feihn. Fahr eini aaf Bartlmä zum Förster, heunt fahr no' eini, heunt is dei' Glücktag, nutz'n aus und kehr bal wieder zura.«

»Is 's nit z'spat auf Bartlmä?« fragte der Bursche wie träumend. »Wär's nit morgen fruah gscheita?«

»Verschieb nix aaf morgn!« entgegnete der Alte. »Hast schon dein Glauben an d' Schwanjungfrau, so is grad heunt die best' Zeit dazua. Verweil di nimmer, i rat dir's guat.«

Berchtold hing Rucksack und Gewehr um, nahm seinen Stock und reichte dem Alten die Hand.

»Was kost' mei' kloane Schwanjungfrau?« fragte er, den Pfeifenstopfer zu sich steckend.

»Die kost dir nix, als 's Wiederkemma, dös bist mir schuldi und iatz fahr wohl, verhalt die nit, pfüat Gott!«

»Gelts Gott!« antwortete nicht ohne Rührung der junge Mann; »bal kimm i wieder. Moan i dennerst, i muaßt dableibn. Pfüat Gott, pfüat Gott!«

Der Alte lächelte freundlich und winkte dem Abgehenden wie segnend nach. Dann aber erhob er sich und hinkte wieder hin zur Kammerthür, die er öffnete. Er rückte einen Stuhl herzu, und nachdem er sich darauf niedergelassen, blickte er mit Entzücken nach der noch immer magisch beleuchteten Statue. Er atmete tief; er schwelgte 56 im Genusse seiner Schöpfung; ein himmlischer Friede umgab ihn. –

Regerl fand ihn eingeschlummert auf dem Stuhle sitzen. Sie hatte den Jäger aus dem Häuschen gehen sehen und ihm lange nachgeblickt. Er war derselbe, den sie unter der Esche gesehen.

Die freundlichen Worte des Königs, das herrliche Geschenk, der Anblick dieses schönen jungen Mannes, sie wußte kaum, über was sie mehr nachdenken sollte – ein Gedanke überstürzte den anderen und erfüllte sie mit Freude – es war ein wunderbarer Tag. 57


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