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Die Tatsachen, welche diesen Band füllen, entheben mich jeder Vorrede über die theoretische Berechtigung der Frauenbewegung Ich habe die theoretische Seite in einer Broschüre des »Deutschen gemeinnützigen Vereins« Prag erörtert.. Von jeher hat der Mann diejenige, die ihm Genossin, Kamerad sein sollte, zu beherrschen versucht. Auf Grund des Faustrechts ist ihm das meist gelungen. Jeder Protest gegen dieses Faustrecht war – »Frauenbewegung«.
Die Geschichte kennt viele solcher Proteste. Die moderne Frauenbewegung nun ist der erste organisierte und internationale Protest dieser Art. Deshalb ist er auch ein aussichtsvoller und erfolgreicher. – Den Frauen weißer Rasse ist hierbei die Führerschaft zugefallen, und unter diesen wiederum den Amerikanerinnen der Vereinigten Staaten. Sie haben angeregt:
den »Internationalen Bund der Frauenvereine«,
den »Weltmäßigkeitsbund christlicher Frauen«,
den »Internationalen Bund für Frauenstimmrecht«.
In vielen, selbst von der weißen Rasse bewohnten, Ländern sind jedoch erst ganz schwache Anfänge der Frauenbewegung vorhanden. Die Sklaverei der Frau im Orient, äußersten Orient und in Afrika besteht noch fast ganz ungebrochen. In jenen Gegenden werden wir gut tun, sozusagen mit »geologischen Entwickelungsperioden« zu rechnen und jenen Glauben zu bewähren, der Berge versetzt.
In allen Ländern ist die Frauenbewegung bürgerlichen Ursprungs. Das ist eine rein historische Tatsache, die an und für sich keinerlei Gegensatz zwischen Frauenbewegung und Arbeiterinnenbewegung bedingt. Einen solchen Gegensatz kennen auch weder Australien, noch England, noch die Vereinigten Staaten. Hingegen scheiden bürgerliche und nichtbürgerliche Frauenbewegung sich scharf in Ländern, deren Sozialdemokratie mit dem »Klassenhaß« als Propagandamittel arbeitet. Ob Frauenbewegung auch Arbeiterinnenbewegung, ob Arbeiterinnenbewegung, Frauenbewegung oder Sozialismus, hängt daher in jedem Einzelfalle von nationalen und historischen Umständen ab.
Die internationale Organisation der Frauenbewegung ist folgende: Der »Internationale Bund der Frauenvereine« ( International Council of Women) besteht aus den Vorsitzenden der verschiedenen National Councils of Women, deren es heute 19 gibt. Die bisherigen Vorsitzenden des International Council waren: Lady Aberdeen und Mrs Wright Sewall; Lady-Aberdeen ist soeben wieder für 5 Jahre zur Vorsitzenden gewählt Zu einem National Council können alle Frauenvereine eines Landes gehören, die sich auf ein gewisses allgemeines Programm hin einigen. Die Programme sowie die Organisationen sind nationaler Natur, stimmen aber in ihren Grundzügen alle überein, da die Frauenbewegung ja eine internationale Bewegung und in allen Ländern aus den gleichen Grundbedingungen hervorgegangen ist. Der erste National Council wurde in den Vereinigten Staaten gegründet. Ihm folgten der kanadische, deutsche, schwedische, englische, dänische, holländische, die fünf australischen, der schweizerische, italienische, französische, österreichische, norwegische, ungarische usw.
Eine Statistik der im International Council vertretenen Frauen gibt es noch nicht. Ich schätze seine Mitgliedschaft auf etwa eine Million. – Ein nationaler Bund nimmt nur Vereine, keine Einzelpersonen auf, und die Vorsitzenden der verschiedenen National Councils bilden eben nur in ihrer Eigenschaft als »Vorsitzende« den International Council of Women.
Dieser »Frauen-Welt-Bund« ist die dauernde Vertretung der organisierten, internationalen Frauenbewegung. Er wurde 1889 in Washington gegründet.
Ein besonderer Teil der Frauenbewegung, die Frauenstimmrechtsbewegung, hat sich gleichfalls international und zwar unabhängig für sich organisiert. Das Frauenstimmrecht ist die radikalste Frauenforderung, sie wird daher in allen Ländern von den »radikalen« Frauenrechtlerinnen vertreten. Die verschiedenen National Councils, deren Hauptkontingente aus »gemäßigten« Vereinen bestehen, und deren Hauptaufgabe es ist, diese konservativeren Elemente zum Fortschritt zu erziehen, haben daher das Frauenstimmrecht nicht immer in ihr Programm aufnehmen können. Der International Council hat diese Aufnahme am 9. Juni 1904 in Berlin vollzogen.
Wenige Tage vorher hatten acht Länder, die einen nationalen Frauenstimmrechtsverein besitzen, sich, gleichfalls in Berlin, zu der International Alliance for Woman Suffrage, (Weltbund für Frauenstimmrecht) vereinigt. Es traten bei als Landesvereine: die Vereinigten Staaten, die Kolonie Viktoria, England, Deutschland, Schweden, Norwegen, Dänemark, Holland. Mangels einer nationalen Stimmrechtsorganisation traten dem »Weltbund« durch Einzelmitglieder bei: Schweiz, Österreich, Ungarn. Ehrenpräsident ist Susan B. Anthony, erste Vorsitzende Mrs. Chapman Catt, zweite Dr. Augspurg
Die Grundforderungen der Frauenbewegung sind in allen Ländern die gleichen Es sind ihrer vier.
Ein richtiges und beglückendes Verhältnis der Geschlechter beruht auf Gegenseitigkeit, Gleichordnung und Ergänzung, nicht auf Unterordnung der Frau und Vorherrschaft des Mannes. Die Frau, in ihrer Eigenart, ist dem Manne, in seiner Eigenart, durchaus gleichwertig. Daß diese elementare Wahrheit auf der ganzen Welt übersehen wurde, ist der Ursprung der internationalen Frauenbewegung.
Das Gebiet, das ich in diesem Büchlein zu behandeln hatte, ist ein sehr weites. – Es ist daher fast unvermeidlich, daß meine Angaben teils Lücken, teils Irrtümer enthalten. Jede sachverständige Ergänzung und Berichtigung wird mir sehr willkommen sein.
Die Verfasserin.