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Szene: Ein großer, festlicher erleuchteter Saal, in der Mitte desselben und nach der Tiefe des Theaters eine reich ausgeschmückte Tafel, an welcher acht Generale, worunter Octavio Piccolomini, Terzky und Maradas, sitzen. Rechts und links davon, mehr nach hinten zu, noch zwei andere Tafeln, welche jede mit sechs Gästen besetzt sind. Vorwärts steht der Kredenztisch, die ganze vordere Bühne bleibt für aufwartende Pagen und Bedienstete frei. Alles ist in Bewegung, Spielleute von Terzkys Regiment ziehen über den Schauplatz um die Tafel herum. Noch ehe sie sich ganz entfernt haben, erscheint Max Piccolomini; ihm kommt Terzky mit einer Schrift, Isolani mit einem Pokal entgegen.
Terzky. Isolani. Max Piccolomini.
Isolani.
Herr Bruder, was wir lieben! Nun, wo steckt Er?
Geschwind an Seinen Platz! Der Terzky hat
Der Mutter Ehrenweine preisgegeben,
Es geht hier zu, wie auf dem Heidelberger Schloß.
Das Beste hat Er schon versäumt. Sie teilen
Dort an der Tafel Fürstenhüte aus,
Des Eggenberg, Slawata, Lichtenstein,
Des Sternbergs Güter werden ausgeboten
Samt allen großen böhm'schen Lehen; wenn
Er hurtig macht, fällt auch für Ihn was ab.
Marsch! Setz' Er sich!
Colalto und Götz (rufen an der zweiten Tafel).
Graf Piccolomini!
Terzky.
Ihr sollt ihn haben! Gleich! – Lies diese Eidesformel,
Ob dir's gefällt, so wie wir's aufgesetzt.
Es haben's alle nach der Reih' gelesen,
Und jeder wird den Namen drunter setzen.
Max (liest).
»Ingratis servire nefas.«
Isolani.
Das klingt wie ein latein'scher Spruch – Herr Bruder,
Wie heißt's auf deutsch?
Terzky.
Dem Undankbaren dient kein rechter Mann!
Max.
»Nachdem unser hochgebietender Feldherr, der
Durchlauchtige Fürst von Friedland, wegen vielfältig
empfangener Kränkungen, des Kaisers Dienst zu verlassen
gemeint gewesen, auf unser einstimmiges Bitten aber
sich bewegen lassen, noch länger bei der Armee zu verbleiben,
und ohne unser Genehmhalten sich nicht von uns
zu trennen; als verpflichten wir uns wieder insgesamt,
und jeder für sich insbesondere, anstatt eines körperlichen
Eides – auch bei ihm ehrlich und getreu zu halten, uns
auf keinerlei Weise von ihm zu trennen, und für denselben
alles das Unsrige, bis auf den letzten Blutstropfen,
aufzusetzen, so weit nämlich unser dem Kaiser geleisteter
Eid es erlauben wird.
(Die letzten Worte werden von Isolani nachgesprochen.)
Wie wir denn auch, wenn einer
oder der andre von uns, diesem Verbündnis zuwider, sich
von der gemeinen Sache absondern sollte, denselben als
einen bundesflüchtigen Verräter erklären, und an seinem
Hab und Gut, Leib und Leben Rache dafür zu nehmen
verbunden sein wollen. Solches bezeugen wir mit Unterschrift
unsers Namens.«
Terzky.
Bist du gewillt, dies Blatt zu unterschreiben?
Isolani.
Was sollt' er nicht! Jedweder Offizier
Von Ehre kann das – muß das – Dint' und Feder!
Terzky.
Laß gut sein, bis nach Tafel.
Isolani (Max fortziehend). Komm' Er, komm' Er!
(Beide gehen an die Tafel.)
Terzky. Neumann.
Terzky (winkt dem Neumann, der am Kredenztisch gewartet, und tritt mit ihm vorwärts).
Bringst du die Abschrift, Neumann? Gib! Sie ist
Doch so verfaßt, daß man sie leicht verwechselt?
Neumann.
Ich hab sie Zeil' um Zeile nachgemalt,
Nichts als die Stelle von dem Eid blieb weg,
Wie deine Exzellenz es mir geheißen.
Terzky.
Gut! Leg sie dorthin, und mit dieser gleich
Ins Feuer! Was sie soll, hat sie geleistet.
(Neumann legt die Kopie auf den Tisch und tritt wieder zum Schenktisch.)
Illo kommt aus dem zweiten Zimmer. Terzky.
Illo.
Wie ist es mit dem Piccolomini?
Terzky.
Ich denke, gut. Er hat nichts eingewendet.
Illo.
Er ist der einz'ge, dem ich nicht recht traue,
Er und der Vater – Habt ein Aug' auf beide!
Terzky.
Wie sieht's an Eurer Tafel aus? Ich hoffe,
Ihr haltet Eure Gäste warm?
Illo.
Sie sind
Ganz kordial. Ich denk, wir haben sie.
Und wie ich's Euch vorausgesagt – Schon ist
Die Red' nicht mehr davon, den Herzog bloß
Bei Ehren zu erhalten. Da man einmal
Beisammen sei, meint Montecuculi,
So müsse man in seinem eignen Wien
Dem Kaiser die Bedingung machen. Glaubt mir,
Wär's nicht um diese Piccolomini,
Wir hätten den Betrug uns können sparen.
Terzky.
Was will der Buttler? Still!
Buttler zu den Vorigen.
Buttler (von der zweiten Tafel kommend).
Laßt Euch nicht stören.
Ich hab Euch wohl verstanden, Feldmarschall.
Glück zum Geschäfte – und was mich betrifft,
(geheimnisvoll)
So könnt Ihr auf mich rechnen.
Illo (lebhaft).
Können wir's?
Buttler.
Mit oder ohne Klausel! gilt mir gleich!
Versteht Ihr mich? Der Fürst kann meine Treu'
Auf jede Probe setzen, sagt ihm das.
Ich bin des Kaisers Offizier, solang ihm
Beliebt, des Kaisers General zu bleiben,
Und bin des Friedlands Knecht, sobald es ihm
Gefallen wird, sein eigner Herr zu sein.
Terzky.
Ihr treffet einen guten Tausch. Kein Karger,
Kein Ferdinand ist's, dem Ihr Euch verpflichtet.
Buttler (ernst).
Ich biete meine Treu' nicht feil, Graf Terzky,
Und wollt' Euch nicht geraten haben, mir
Vor einem halben Jahr noch abzudingen,
Wozu ich jetzt freiwillig mich erbiete.
Ja, mich samt meinem Regiment bring ich
Dem Herzog, und nicht ohne Folgen soll
Das Beispiel bleiben, denk ich, das ich gebe.
Illo.
Wem ist es nicht bekannt, daß Oberst Buttler
Dem ganzen Heer voran als Muster leuchtet!
Buttler.
Meint Ihr, Feldmarschall? Nun, so reut mich nicht
Die Treue, vierzig Jahre lang bewahrt,
Wenn mir der wohlgesparte gute Name
So volle Rache kauft im sechzigsten! –
Stoßt euch an meine Rede nicht, ihr Herrn.
Euch mag es gleichviel sein, wie ihr mich habt,
Und werdet, hoff ich, selber nicht erwarten,
Daß euer Spiel mein grades Urteil krümmt –
Daß Wankelsinn und schnell bewegtes Blut
Noch leichte Ursach' sonst den alten Mann
Vom langgewohnten Ehrenpfade treibt.
Kommt! Ich bin darum minder nicht entschlossen,
Weil ich es deutlich weiß, wovon ich scheide.
Illo.
Sagt's rund heraus, wofür wir Euch zu halten –
Buttler.
Für einen Freund! Nehmt meine Hand darauf,
Mit allem, was ich hab, bin ich der Eure.
Nicht Männer bloß, auch Geld bedarf der Fürst.
Ich hab in seinem Dienst mir was erworben,
Ich leih es ihm, und überlebt er mich,
Ist's ihm vermacht schon längst, er ist mein Erbe.
Ich steh allein da in der Welt und kenne
Nicht das Gefühl, das an ein teures Weib
Den Mann und an geliebte Kinder bindet;
Mein Name stirbt mit mir, mein Dasein endet.
Illo.
Nicht Eures Gelds bedarf's – ein Herz, wie Euers,
Wiegt Tonnen Goldes auf und Millionen.
Buttler.
Ich kam, ein schlechter Reitersbursch, aus Irland
Nach Prag mit einem Herrn, den ich begrub.
Vom niedern Dienst im Stalle stieg ich auf,
Durch Kriegsgeschick, zu dieser Würd' und Höhe,
Das Spielzeug eines grillenhaften Glücks.
Auch Wallenstein ist der Fortuna Kind,
Ich liebe einen Weg, der meinem gleicht.
Illo.
Verwandte sind sich alle starken Seelen.
Buttler.
Es ist ein großer Augenblick der Zeit,
Dem Tapfern, dem Entschloßnen ist sie günstig.
Wie Scheidemünze geht von Hand zu Hand,
Tauscht Stadt und Schloß den eilenden Besitzer.
Uralter Häuser Enkel wandern aus,
Ganz neue Wappen kommen auf und Namen;
Auf deutscher Erde unwillkommen wagt's
Ein nördlich Volk sich bleibend einzubürgern.
Der Prinz von Weimar rüstet sich mit Kraft,
Am Main ein mächtig Fürstentum zu gründen;
Dem Mansfeld fehlte nur, dem Halberstädter
Ein längres Leben, mit dem Ritterschwert
Landeigentum sich tapfer zu erfechten.
Wer unter diesen reicht an unsern Friedland?
Nichts ist so hoch, wornach der Starke nicht
Befugnis hat die Leiter anzusetzen.
Terzky.
Das ist gesprochen wie ein Mann!
Buttler.
Versichert euch der Spanier und Welschen,
Den Schotten Leßly will ich auf mich nehmen.
Kommt zur Gesellschaft! Kommt!
Terzky.
Wo ist der Kellermeister?
Laß aufgehn, was du hast! die besten Weine!
Heut gilt es. Unsre Sachen stehen gut.
(Gehen, jeder an seine Tafel.)
Kellermeister mit Neumann vorwärts kommend. Bediente gehen ab und zu.
Kellermeister.
Der edle Wein! Wenn meine alte Herrschaft,
Die Frau Mama, das wilde Leben säh',
In ihrem Grabe kehrte sie sich um! –
Ja! Ja! Herr Offizier! Es geht zurück
Mit diesem edeln Haus – Kein Maß noch Ziel!
Und die durchlauchtige Verschwägerung
Mit diesem Herzog bringt uns wenig Segen.
Neumann. Behüte Gott! Jetzt wird der Flor erst angehn.
Kellermeister.
Meint Er? Es ließ' sich vieles davon sagen.
Bedienter (kommt). Burgunder für den vierten Tisch!
Kellermeister. Das ist
Die siebenzigste Flasche nun, Herr Leutnant.
Bedienter.
Das macht, der deutsche Herr, der Tiefenbach,
Sitzt dran. (Geht ab.)
Kellermeister (zu Neumann fortfahrend).
Sie wollen gar zu hoch hinaus. Kurfürsten
Und Königen wollen sie's im Prunke gleichtun,
Und wo der Fürst sich hingetraut, da will der Graf,
Mein gnäd'ger Herre, nicht dahintenbleiben.
(Zu den Bedienten.)
Was steht ihr horchen? Will euch Beine machen.
Seht nach den Tischen, nach den Flaschen! Da!
Graf Palffy hat ein leeres Glas vor sich!
Zweiter Bedienter (kommt).
Den großen Kelch verlangt man, Kellermeister,
Den reichen, güldnen, mit dem böhm'schen Wappen,
Ihr wißt schon welchen, hat der Herr gesagt.
Kellermeister.
Der auf des Friedrichs seine Königskrönung
Vom Meister Wilhelm ist verfertigt worden,
Das schöne Prachtstück aus der Prager Beute?
Zweiter Bedienter.
Ja, den! Den Umtrunk wollen sie mit halten.
Kellermeister (mit Kopfschütteln, indem er den Pokal hervorholt und ausspült).
Das gibt nach Wien was zu berichten wieder!
Neumann.
Zeigt! Das ist eine Pracht von einem Becher!
Von Golde schwer und in erhabner Arbeit
Sind kluge Dinge zierlich drauf gebildet.
Gleich auf dem ersten Schildlein, laßt mal sehn!
Die stolze Amazone da zu Pferd,
Die übern Krummstab setzt und Bischofsmützen,
Auf einer Stange trägt sie einen Hut,
Nebst einer Fahn', worauf ein Kelch zu sehn.
Könnt Ihr mir sagen, was das all bedeutet?
Kellermeister.
Die Weibsperson, die Ihr da seht zu Roß,
Das ist die Wahlfreiheit der böhm'schen Kron'.
Das wird bedeutet durch den runden Hut
Und durch das wilde Roß, auf dem sie reitet.
Des Menschen Zierat ist der Hut, denn wer
Den Hut nicht sitzen lassen darf vor Kaisern
Und Königen, der ist kein Mann der Freiheit.
Neumann.
Was aber soll der Kelch da auf der Fahn'?
Kellermeister.
Der Kelch bezeugt die böhm'sche Kirchenfreiheit,
Wie sie gewesen zu der Väter Zeit.
Die Väter im Hussitenkrieg erstritten
Sich dieses schöne Vorrecht übern Papst,
Der keinem Laien gönnen will den Kelch.
Nichts geht dem Utraquisten übern Kelch,
Es ist sein köstlich Kleinod, hat dem Böhmen
Sein teures Blut in mancher Schlacht gekostet.
Neumann.
Was sagt die Rolle, die da drüber schwebt?
Kellermeister.
Den böhm'schen Majestätsbrief zeigt sie an,
Den wir dem Kaiser Rudolf abgezwungen,
Ein köstlich unschätzbares Pergament,
Das frei Geläut' und offenen Gesang
Dem neuen Glauben sichert wie dem alten.
Doch seit der Grätzer über uns regiert,
Hat das ein End', und nach der Prager Schlacht,
Wo Pfalzgraf Friedrich Kron' und Reich verloren,
Ist unser Glaub' um Kanzel und Altar,
Und unsre Brüder sehen mit dem Rücken
Die Heimat an, den Majestätsbrief aber
Zerschnitt der Kaiser selbst mit seiner Schere.
Neumann.
Das alles wißt Ihr! Wohl bewandert seid Ihr
In Eures Landes Chronik, Kellermeister.
Kellermeister.
Drum waren meine Ahnherrn Taboriten
Und dienten unter dem Prokop und Ziska.
Fried' sei mit ihrem Staube! Kämpften sie
Für eine gute Sache doch – Tragt fort!
Neumann.
Erst laßt mich noch das zweite Schildlein sehn.
Sieh doch, das ist, wie auf dem Prager Schloß
Des Kaisers Räte Martinitz, Slawata
Kopf unter sich herabgestürzet werden.
Ganz recht! Da steht Graf Thurn, der es befiehlt.
(Bedienter geht mit dem Kelch.)
Kellermeister.
Schweigt mir von diesem Tag, es war der drei-
Undzwanzigste
des Mais, da man eintausend-
Sechshundert
schrieb und achtzehn. Ist mir's doch,
Als wär' es heut, und mit dem Unglückstag
Fing's an, das große Herzeleid des Landes.
Seit diesem Tag, es sind jetzt sechzehn Jahr,
Ist nimmer Fried' gewesen auf der Erden –
(An der zweiten Tafel wird gerufen:)
Der Fürst von Weimar!
(An der dritten und vierten Tafel:)
Herzog Bernhard lebe!
(Musik fällt ein.)
Erster Bedienter.
Hört den Tumult!
Zweiter Bedienter (kommt gelaufen).
Habt ihr gehört? Sie lassen
Den Weimar leben!
Dritter Bedienter.
Östreichs Feind!
Erster Bedienter.
Den Lutheraner!
Zweiter Bedienter.
Vorhin, da bracht' der Deodat des Kaisers
Gesundheit aus, da blieb's ganz mäuschenstille.
Kellermeister.
Beim Trunk geht vieles drein. Ein ordentlicher
Bedienter muß kein Ohr für so was haben.
Dritter Bedienter (beiseite zum vierten).
Paß ja wohl auf, Johann, daß wir dem Pater
Quiroga recht viel zu erzählen haben;
Er will dafür uns auch viel Ablaß geben.
Vierter Bedienter.
Ich mach mir an des Illo seinem Stuhl
Deswegen auch zu tun, soviel ich kann,
Der führt dir gar verwundersame Reden.
(Gehen zu den Tafeln.)
Kellermeister (zu Neumann).
Wer mag der schwarze Herr sein mit dem Kreuz,
Der mit Graf Palffy so vertraulich schwatzt?
Neumann.
Das ist auch einer, dem sie zu viel trauen,
Maradas nennt er sich, ein Spanier.
Kellermeister.
's ist nichts mit den Hispaniern, sag ich Euch,
Die Welschen alle taugen nichts.
Neumann.
Ei! Ei!
So solltet Ihr nicht sprechen, Kellermeister.
Es sind die ersten Generale drunter,
Auf die der Herzog just am meisten hält.
(Terzky kommt und holt das Papier ab, an den Tafeln entsteht eine Bewegung.)
Kellermeister (zu den Bedienten).
Der Generalleutenant steht auf. Gebt acht!
Sie machen Aufbruch. Fort und rückt die Sessel.
(Die Bedienten eilen nach hinten, ein Teil der Gäste kommt vorwärts.)
Octavio Piccolomini kommt im Gespräch mit Maradas, und beide stellen sich ganz vorne hin auf eine Seite des Proszeniums. Auf die entgegengesetzte Seite tritt Max Piccolomini, allein, in sich gekehrt und ohne Anteil an der übrigen Handlung. Den mittlern Raum zwischen beiden, doch einige Schritte mehr zurück, erfüllen Buttler, Isolani, Götz, Tiefenbach, Colalto und bald darauf Graf Terzky.
Isolani (während daß die Gesellschaft vorwärts kommt).
Gut' Nacht! – Gut' Nacht, Colalto – Generalleutnant,
Gut' Nacht! Ich sagte besser, guten Morgen.
Götz (zu Tiefenbach).
Herr Bruder! Prosit Mahlzeit!
Tiefenbach.
Das war ein königliches Mahl!
Götz.
Ja, die Frau Gräfin
Versteht's. Sie lernt' es ihrer Schwieger ab,
Gott hab' sie selig! Das war eine Hausfrau!
Isolani (will weggehen).
Lichter! Lichter!
Terzky (kommt mit der Schrift zu Isolani).
Herr Bruder! Zwei Minuten noch. Hier ist
Noch was zu unterschreiben.
Isolani.
Unterschreiben,
Soviel Ihr wollt! Verschont mich nur mit Lesen.
Terzky.
Ich will Euch nicht bemühn. Es ist der Eid,
Den Ihr schon kennt. Nur einige Federstriche.
(Wie Isolani die Schrift dem Octavio hinreicht.)
Wie's kommt! Wen's eben trifft! Es ist kein Rang hier.
(Octavio durchläuft die Schrift mit anscheinender Gleichgültigkeit. Terzky beobachtet ihn von weitem.)
Götz (zu Terzky).
Herr Graf! Erlaubt mir, daß ich mich empfehle.
Terzky.
Eilt doch nicht so – Noch einen Schlaftrunk – He!
(Zu den Bedienten.)
Götz.
Bin's nicht im Stand.
Terzky.
Ein Spielchen.
Götz.
Excusiert mich!
Tiefenbach (setzt sich).
Vergebt, ihr Herrn. Das Stehen wird mir sauer.
Terzky.
Macht's Euch bequem, Herr Generalfeldzeugmeister!
Tiefenbach.
Das Haupt ist frisch, der Magen ist gesund,
Die Beine aber wollen nicht mehr tragen.
Isolani (auf seine Korpulenz zeigend).
Ihr habt die Last auch gar zu groß gemacht.
(Octavio hat unterschrieben und reicht Terzky die Schrift, der sie dem Isolani gibt. Dieser geht an den Tisch, zu unterschreiben.)
Tiefenbach.
Der Krieg in Pommern hat mir's zugezogen,
Da mußten wir heraus in Schnee und Eis,
Das werd ich wohl mein Lebtag nicht verwinden.
Götz.
Jawohl! Der Schwed' frug nach der Jahrszeit nichts.
(Terzky reicht das Papier an Don Maradas; dieser geht an den Tisch, zu unterschreiben.)
Octavio (nähert sich Buttlern).
Ihr liebt die Bacchusfeste auch nicht sehr,
Herr Oberster! Ich hab es wohl bemerkt,
Und würdet, deucht mir, besser Euch gefallen
Im Toben einer Schlacht als eines Schmauses.
Buttler.
Ich muß gestehen, es ist nicht in meiner Art.
Octavio (zutraulich näher tretend).
Auch nicht in meiner, kann ich Euch versichern,
Und mich erfreut's, sehr würd'ger Oberst Buttler,
Daß wir uns in der Denkart so begegnen.
Ein halbes Dutzend guter Freunde höchstens
Um einen kleinen, runden Tisch, ein Gläschen
Tokaierwein, ein offnes Herz dabei
Und ein vernünftiges Gespräch – so lieb ich's!
Buttler.
Ja, wenn man's haben kann, ich halt es mit.
(Das Papier kommt an Buttlern, der an den Tisch geht, zu unterschreiben. Das Proszenium wird leer, so daß beide Piccolomini, jeder auf seiner Seite, allein stehen bleiben.)
Octavio (nachdem er seinen Sohn eine Zeitlang aus der Ferne stillschweigend betrachtet, nähert sich ihm ein wenig).
Du bist sehr lange ausgeblieben, Freund.
Max (wendet sich schnell um, verlegen).
Ich – dringende Geschäfte hielten mich.
Octavio.
Doch, wie ich sehe, bist du noch nicht hier?
Max.
Du weißt, daß groß Gewühl mich immer still macht.
Octavio (rückt ihm noch näher).
Ich darf nicht wissen, was so lang dich aufhielt? (Listig.)
– Und Terzky weiß es doch.
Max.
Was weiß der Terzky?
Octavio (bedeutend).
Er war der einz'ge, der dich nicht vermißte.
Isolani (der von weitem achtgegeben, tritt dazu).
Recht, alter Vater! Fall ihm ins Gepäck!
Schlag die Quartier' ihm auf! Es ist nicht richtig.
Terzky (kommt mit der Schrift).
Fehlt keiner mehr? Hat alles unterschrieben?
Octavio.
Es haben's alle.
Terzky (rufend). Nun! Wer unterschreibt noch?
Buttler (zu Terzky).
Zähl nach! Just dreißig Namen müssen's sein.
Terzky.
Ein Kreuz steht hier.
Tiefenbach.
Das Kreuz bin ich.
Isolani (zu Terzky).
Er kann nicht schreiben, doch sein Kreuz ist gut
Und wird ihm honoriert von Jud und Christ.
Octavio (pressiert, zu Max).
Gehn wir zusammen, Oberst. Es wird spät.
Terzky.
Ein Piccolomini nur ist aufgeschrieben.
Isolani (auf Max zeigend).
Gebt acht! Es fehlt an diesem steinernen Gast,
Der uns den ganzen Abend nichts getaugt.
(Max empfängt aus Terzkys Händen das Blatt, in welches er gedankenlos hineinsieht.)
Die Vorigen. Illo kommt aus dem hintern Zimmer, er hat den goldnen Pokal in der Hand und ist sehr erhitzt, ihm folgen Götz und Buttler, die ihn zurückhalten wollen.
Illo.
Was wollt ihr? Laßt mich.
Götz und Buttler.
Illo! Trinkt nicht mehr.
Illo (geht auf den Octavio zu und umarmt ihn, trinkend).
Octavio! Das bring ich dir! Ersäuft
Sei aller Groll in diesem Bundestrunk!
Weiß wohl, du hast mich nie geliebt – Gott straf' mich,
Und ich dich auch nicht! Laß Vergangenes
Vergessen sein! Ich schätze dich unendlich,
(ihn zu wiederholten Malen küssend)
Ich bin dein bester Freund, und, daß ihr's wißt!
Wer mir ihn eine falsche Katze schilt,
Der hat's mit mir zu tun.
Terzky (beiseite).
Bist du bei Sinnen?
Bedenk doch, Illo, wo du bist!
Illo (treuherzig).
Was wollt Ihr? Es sind lauter gute Freunde.
(Sich mit vergnügtem Gesicht im ganzen Kreise umsehend.)
Es ist kein Schelm hier unter uns, das freut mich.
Terzky (zu Buttler, dringend).
Nehmt ihn doch mit Euch fort! Ich bitt Euch, Buttler.
(Buttler führt ihn an den Schenktisch.)
Isolani (zu Max, der bisher unverwandt, aber gedankenlos in das Papier gesehen).
Wird's bald, Herr Bruder? Hat Er's durchstudiert?
Max (wie aus einem Traum erwachend).
Was soll ich?
Terzky und Isolani (zugleich).
Seinen Namen drunter setzen.
(Man sieht den Octavio ängstlich gespannt den Blick auf ihn richten.)
Max (gibt es zurück).
Laßt's ruhn bis morgen. Es ist ein Geschäft,
Hab heute keine Fassung. Schickt mir's morgen.
Terzky.
Bedenk' Er doch –
Isolani.
Frisch! Unterschrieben! Was!
Er ist der jüngste von der ganzen Tafel,
Wird ja allein nicht klüger wollen sein
Als wir zusammen? Seh' Er her! Der Vater
Hat auch, wir haben alle unterschrieben.
Terzky (zum Octavio).
Braucht Euer Ansehn doch. Bedeutet ihn.
Octavio.
Mein Sohn ist mündig.
Illo (hat den Pokal auf den Schenktisch gesetzt).
Wovon ist die Rede?
Terzky.
Er weigert sich, das Blatt zu unterschreiben.
Max.
Es wird bis morgen ruhen können, sag ich.
Illo.
Es kann nicht ruhn. Wir unterschrieben alle,
Und du mußt auch, du mußt dich unterschreiben.
Max.
Illo, schlaf wohl.
Illo.
Nein! So entkömmst du nicht!
Der Fürst soll seine Freunde kennenlernen.
(Es sammeln sich alle Gäste um die beiden.)
Max.
Wie ich für ihn gesinnt bin, weiß der Fürst,
Es wissen's alle, und der Fratzen braucht's nicht.
Illo.
Das ist der Dank, das hat der Fürst davon,
Daß er die Welschen immer vorgezogen!
Terzky (in höchster Verlegenheit zu den Kommandeurs, die einen Auflauf machen).
Der Wein spricht aus ihm! Hört ihn nicht, ich bitt euch.
Isolani (lacht).
Der Wein erfindet nichts, er schwatzt's nur aus.
Illo.
Wer nicht ist mit mir, der ist wider mich.
Die zärtlichen Gewissen! Wenn sie nicht
Durch eine Hintertür, durch eine Klausel –
Terzky (fällt schnell ein).
Er ist ganz rasend, gebt nicht acht auf ihn.
Illo (lauter schreiend).
Durch eine Klausel sich salvieren können.
Was Klausel? Hol' der Teufel diese Klausel –
Max (wird aufmerksam und sieht wieder in die Schrift).
Was ist denn hier so hoch Gefährliches?
Ihr macht mir Neugier, näher hinzuschaun.
Terzky (beiseite zu Illo).
Was machst du, Illo? Du verderbest uns!
Tiefenbach (zu Colalto).
Ich merkt' es wohl, vor Tische las man's anders.
Götz.
Es kam mir auch so vor.
Isolani.
Was ficht das mich an?
Wo andre Namen, kann auch meiner stehn.
Tiefenbach.
Vor Tisch war ein gewisser Vorbehalt
Und eine Klausel drin von Kaisers Dienst.
Buttler (zu einem der Kommandeurs).
Schämt euch, ihr Herrn! Bedenkt, worauf es ankommt.
Die Frag' ist jetzt, ob wir den General
Behalten sollen oder ziehen lassen?
Man kann's so scharf nicht nehmen und genau.
Isolani (zu einem der Generale).
Hat sich der Fürst auch so verklausuliert,
Als er dein Regiment dir zugeteilt?
Terzky (zu Götz).
Und Euch die Lieferungen, die an tausend
Pistolen Euch in einem Jahre tragen?
Illo.
Spitzbuben selbst, die uns zu Schelmen machen!
Wer nicht zufrieden ist, der sag's! Da bin ich!
Tiefenbach.
Nun! Nun! Man spricht ja nur.
Max (hat gelesen und gibt das Papier zurück).
Bis morgen also!
Illo (vor Wut stammelnd und seiner nicht mehr mächtig, hält ihm mit der einen Hand die Schrift, mit der andern den Degen vor).
Schreib – Judas!
Isolani.
Pfui, Illo!
Octavio, Terzky, Buttler (zugleich).
Degen weg!
Max (ist ihm rasch in den Arm gefallen und hat ihn entwaffnet, zu Graf Terzky). Bring ihn zu Bette!
(Er geht ab. Illo, fluchend und scheltend, wird von einigen Kommandeurs gehalten, unter allgemeinem Aufbruch fällt der Vorhang.)