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VIII.
Der König soll Burgemeister werden.

In der Mitternacht nach ihrer Bestattung ließ der König den Schloßhauptmann Torbern Oxe im Bett ergreifen und vor sich führen. Er dachte durch die Ueberraschung – denn Furcht kannte Torbern nicht – ein Geständniß von ihm zu erhalten, vollends in dieser ersten Nacht nach dem Begräbniß, wo der Schmerz um einen dahin geschiedenen Lieben am größten ist, die Welt uns am wenigsten werth, und die Seele wunderbar gestimmt, zu Aufopferungen jeder Art, wie zur Wahrheit geneigt und bereit, immer aber weich und der sonstigen Stärke baar. Für die Voraussetzung aber, daß die Königin Isabella, ihre entfernten Anverwandten oder ihre nahen Diener und Liebediener Etwas oder Alles um Düvecke's Hinopferung wüßten, hatte der König seiner Gemahlin befohlen, ungesehen gegenwärtig zu sein; und sie saß auf seinem Bett hinter den grünseidenen, langen Vorhängen desselben verborgen in stiller Angst.

Als Torbern in des Königs Schlafzimmer getreten, das nur eine Kerze mehr zu verdüstern schien als erleuchtete, blieb der König mit dem Rücken gegen ihn gewandt am Fenster lehnen, mit den Augen unter dem gestirnten Himmel suchend und forschend. So blieb er lange, Torbern zu lange, und dieser schüttelte unwillig seine Ketten an den Händen.

»Nur Geduld!« sprach der König, kehrte sich endlich um, trat ihm bis unter die Augen und frug ihn streng und eintönig: »Was hast Du gethan?«

»Ich meinte es hier zu erfahren, warum ich, als Mitglied des Reichrathes und vom alten privilegirten Adel, ohne Anklage, ohne Untersuchung, gegen alles Gesetz schon in Ketten ....«

»Was Gesetz!« fuhr der König auf. »Ich kann sie aufheben und geben – Ich bin alle Gesetze!« Torbern lächelte und sprach dann wie sich bescheidend und achselzuckend: »Freilich, statt aller.«

»Das wird sich finden!« trotzte der König, seinen Kopf in den Nacken zurückwerfend.

»Indeß, Torbern, Du hast mir immer treu und aufrichtig gedient, ich will wieder aufrichtig sein ... Du hast die Kirschen vergiftet, woran meine Düvecke gestorben!« – Er mußte eine Zeit lang schweigen vor der ihn überkommenden Wehmuth, aber er hörte doch Torbern's entschiedenes »Nein! – Das hätte in Bergen geschehen sollen – meinetwegen! .... jetzt war das ja mir ganz überflüssig!«

»Aber der arme Narr Faaburg hat mir gesagt: Du habest Düvecke geliebt?«

»Ja,« antwortete Torbern gelassen.

»Wie? Du hast Dich unterstanden!« donnerte ihn der König an. »Sie war ja mein.«

»Niemals;« sagte Torbern sicher, aus Düvecke's Seele. »Sie hat Euch gehaßt – wie die Sünde. Dem König Gehorsam! und dieser treibt sehr Viele in seinen Kreis – aber Liebe ist frei, selbst in seinen Armen.«

Der König fuhr auf vor Zorn; aber er mäßigte sich, als Torbern hinzu setzte: »Beruhige sich Eure Hoheit – Düvecke hat auch mich nicht geliebt, sondern fortwährend verstoßen – bis ans Ende.«

»Also Neid! Rache!«

»Die kenne ich gegen keinen – Menschen!«

»Menschen? – Mensch! Du hast sie heirathen wollen, mit ihr in ein anderes Land gehen – aus meiner Schule – wo ich kein Schulmeister mehr sei und keinen Knaben mehr schlagen – ihm den Kopf abschlagen könne! Mensch! Frau Sigbritte hat mir das gesagt, leugne also nicht erst!«

»Und wenn es wahr wäre, hätte sich Frau Sigbritte wohl gehütet das zu sagen! Ich aber sage zu meiner und meines Geschlechtes ...«

»... derer von Oxe ...«

»... zu meines Geschlechtes, des alten mächtigen, verbreiteten Geschlechtes derer von Oxe Ehre, daß ich nie eine Entehrte ...«

Der König verstand, aber sprach in höchster Entrüstung: »Ich ehre blos, auch wenn ich schlage;« und schlug Torbern auf den Mund und seine Lippen bluteten.

»... Mitleid aber und Erbarmen habe ich herzliches mit ihr gefühlt!« fuhr Torbern unbewegt fort. » Mein Geschlecht aber ist das alte stolze Geschlecht derer von Oxe! – Mehr weiß ich nicht, und mehr sage ich nicht; denn meine Vermuthungen sind mein – und ich wünsche den Tod bald ...«

»Er steht schon hinter der Thür!«

»... damit viele leben.« So schloß Torbern und sprach kein Wort mehr als höchstens zu allen Androhungen und Bitten, Versprechungen und Fragen dasselbige Wort: »Ich habe Alles gesagt, mir kann nichts geschehen, als was mir lieb ist, und am liebsten der Tod. Denn freilich, so bald ich begraben bin – steht Düvecke wieder auf! So glauben die Menschen bei allen Hinrichtungen!«

Und so blieb nichts übrig, als daß der König ihn ins Gefängniß führen ließ. Darauf mußte sein anderer Geheimschreiber Steffen Hopfenstein nebst seinem vertrautesten Rathe Klaus Holst vor ihm erscheinen. Beide aber wußten oder hatten richtig vermuthet, was im Werke sei, und hatten sich dahin vereinigt, Torbern's Todesurtheil zu hintertreiben, damit sie ihren Gebieter vor dieser gesetzlosen Gewaltthat bewahrten, wodurch er, bei Mangel an allen Beweisen, sich seine wenigen Freunde im Lande, besonders alle, die sich noch für mächtig und frei, für selbstständig oder doch für sicher hielten, zu Feinden machen mußte. Auf seine Frage um ihren Rath antworteten sie also, daß es nach reiflicher Ueberlegung am besten gethan sei, Torbern vor dem Reichsrath als Verletzer des königlichen Ehebettes anzuklagen.

Da stöhnte es leise hinter dem Vorhang, und er zitterte. Die beiden Räthe sahen sich nur betroffen um; doch es blieb still, und sie glaubten, sie hätten sich getäuscht. »Indeß,« meinte Klaus Holst, »könnten Unsinnige die Anklage so verstehen, als wenn die Königin gefehlt hätte, und die Unschuldige für schuldig halten!«

Es stöhnte wieder; und er brach ab.

Der König aber ergriff den Gedanken und befahl ihn auszuführen. Steffen Hopfenstein aber freute sich innerlich, daß der Reichsrath den Torbern auf diese Anklage freisprechen werde und müsse.

Die Freude der beiden rechtschaffenen Männer war edel und wurde nicht zu Wasser oder – Blut, sondern ging wohl aus wie ein Kindertraum; denn die Reichsräthe sprachen Torbern von dem angeschuldeten Verbrechen frei – weil es keines wäre, heirathen wollen; und da die Königin des Königs Ehefrau sei, könne und dürfe er keine zweite gehabt haben.

Darauf aber war ein wunderlicher Aufzug zu sehen: zwölf Bauern kamen in zwölf königlichen Staatswagen aus zwölf Dörfern um zwölf in die Stadt und auf das Schloß gefahren, wohin sie der König hatte als Richter pressen lassen, um Torbern zu richten, der ihm tödtlich verhaßt war. Seinen Feinden und Verleumdern war durch den Haß des Königs – die Zunge gelöst worden; Frau Sigbritte war nur besorgt, sich selbst zu erhalten; denn ihrer Tochter konnte Torbern nichts mehr nützen, ihr selbst aber nur schaden, wenn er verriethe, daß sie ihm Düvecke wirklich habe zum Weibe geben wollen. Sie war auch überzeugt, daß nur seine Verwandte deshalb ihr die Tochter aus den Händen in die Hand des Todes gespielt – und sie durfte dem Könige nur klagen, daß ihre arme Düvecke so nicht geachtet, so ungerächt dahingegangen; selber nur leise durchschimmern lassen, daß sie selbst sich nun auch zurückziehen wolle – um sicher zu bleiben. Denn der König zählte den zwölf halbversteinerten armen Schelmen von Bauern – die alle reiche Freibauern werden sollten – eine Menge Thaten von Torbern vor, und sie hielten sich dadurch über den Reichsrath gesetzt und für sehr spitzfindig, als sie das Urtheil sprachen: »Den Oxen verdammen seine Thaten.« Und dieses unbestimmte Urtheil ließ der König – durch die schnellste Enthauptung Torbern's vollziehen – während die Königin an der Spitze des Adels und der Reichsräthe sammt dem Legaten Archembold in corpore vor ihm auf den Knieen lagen und baten.

»Ihr kommt einzige fünf Minuten zu spät!« sagte er ihnen, »und leider wird aus Euch allen keine Düvecke – und kein Torbern mehr! Und im Himmel freien sie nicht und lassen sich nicht freien – nicht wahr, so heißt es irgendwo, Herr Legat? Denn ihr Päpstlichen glaubt das neue Testament nicht mehr, oder erst halb ... um nicht ganz zu fallen.«

 

Mit diesem Morde des Königs aus Liebe zu Einer war nur die Liebe Aller zu ihm aus. Wer und was nicht mehr in der Meinung der Menschen als geglaubt oder gebilligt, für wahr gehalten oder doch da, als wünschenswerth und erhaltungswürdig besteht, Das und Der darf nicht erst fallen – er ist schon gestürzt. Christian II. hatte Torbern's Enthauptung 1517 den 29. November. S. Jo. Svaningi Christianus II. Daniae rex, speculum regis magni crudelis, indfelicis exulis exemplum ceteris. Francof. 1658. 12. gerade während des Reichstages – zum heilsamen Schrecken – vollziehen lassen und wirklich die Absicht erreicht, alles Vertrauen zu Vorstellungen und Einreden dabei stumm zu machen. Dafür wurde von den heimkehrenden Mitgliedern desselben die ingrimmigste Unzufriedenheit wie eine Drachensaat in das ganze Land gesäet, das sie, gleich dem Acker, still und stumm und lange nur keimend und schwellend in sich behielt – bis zu günstiger Witterung vom Himmel. Gehaßtsein ist Allen unerträglich, aber die Mittel dagegen sind bei dem Bösen und Guten verschieden. Der König wandte den Aberglauben dawider an, und zwar den, daß auf dem Haupte der Unschuldigen und Märtyrer Flammen erscheinen. Und so erschienen mehrere Nächte hintereinander auf des noch am Galgen hängenden Hans Faaburg Haupte Flämmchen, die Frau Sigbritte gerathen und vermittelst Stangen und Werg und Pech selbst in finsterer Nacht im Galgen allein – des Geheimnisses wegen, auflodern lassen. Hans Faaburg war also im Wahne des Volkes unschuldig hingerichtet worden, und nun war Torbern durch das über Faaburg gefällte Urtheil schuldig! Faaburg ward also feierlich abgenommen und fast königlich begraben; auf Torbern's Hügel aber warf das Volk einen großen Haufen Steine, zum Zeichen, darunter liege ein schwerer Verbrecher, nicht werth, daß ihn die Hunde ausscharren.

Auf dem Reichstage waren aber die Schatzungen und die von Frau Sigbritte gerathenen Einziehungen der Landkirchengüter durchgegangen – das Geld zum Krieg, um Schweden zu unterjochen, war also besorgt. Der beleidigte päpstliche Legat Archembold ging aber nach Schweden. Der König gab ihm eine Liste der ihm dort ergebenen heimlichen Anhänger mit, und ließ den Legaten Verschwiegenheit darüber mit heiligem Eide beschwören. Der Legat aber brach den Eid und übergab das Verzeichniß dem Feinde des Königs, dem Reichsverweser von Schweden, Sten Sture – gegen die Ernennung zum Erzbischof und jährliche 700 Dukaten. Was der König also von nun an that, war untergraben und flog zu seinem Schaden auf. Er wollte Helsingör aus Rache zerstören und vernichten, weil er es nicht den holländischen Bauern einräumen dürfen; er verlegte also den Zoll aus seiner neugegründeten Stadt Engelholm nach Kopenhagen, und Frau Sigbritte ward Reichszolleinnehmerin; dadurch ward auch der Handel beschwert und vernichtet, und die Einnahmen zu Wasser. Er bezahlte also keine Zinsen noch Gelder wieder, zog Anderer Güter ein und erklärte: Er sei Herr des Vermögens aller seiner Unterthanen. Dazu ließ er die schlechteste Münze schlagen, die Jeder bei Lebensstrafe für gute voll annehmen mußte. Aber daran sah er, daß Macht Grenzen habe, und daß nichts Großes geschehen kann, was die Kaufleute nicht wollen. Dagegen erlangte er des Papstes Leo Bannfluch über ganz Schweden, und daß er ihn vollziehen solle. Er vermochte aber nicht Schweden zu bezwingen, so, daß es ihm sicher bliebe, ob er gleich Stockholm erobert, und beschloß auf den Rath der Frau Sigbritte, den Reichsadel daselbst zu ermorden, die Macht der Bischöfe aufzuheben, und Luther's Lehre einzuführen, um Schutz und Anhang und Liebe von der Masse der vernünftigen Schweden zu haben.

Nach einem dreitägigen großen Gastmahl in Stockholm nahm er also die große Hinrichtung im Namen des Papstes als Ausführer des Bannes vor, und der Reichsrath Niels Lykke mußte nachher auf öffentlichem Markte dem Volke nochmals versichern, der König habe nur als verordneter Richter des Papstes gerichtet. Und so erreichte Frau Sigbritte vielleicht ihren alleinigen Zweck: Luther's Lehre in den drei Königreichen auf ewigen Abscheu zu gründen, und sie nun durch ihre eigene Reinheit und Wahrheit sich feststellen zu lassen. Dabei widersprach der Bischof Mathias von Strengnäs der Beschuldigung, daß man den König durch Pulverfässer habe in die Luft sprengen wollen; und wegen dieser Freimüthigkeit ward der Mann, dem der König allein den Besitz von Schweden verdankte, ergriffen und noch redend enthauptet. Darauf ließ der König das Land entwaffnen – selbst Klaus Holst mußte überall darin Galgen errichten. Er schickte den treuen Steffen Hopfenstein nach Worms, um Dr. Luther zu bewegen, in seine Dienste zu treten, und erlaubte den Priestern, ein Weib zu nehmen. Er reiste von Kopenhagen nach Amsterdam zum Kaiser, seinem Schwager, traf dort den ihm verhaßten und verwiesenen Erzbischof Erik Walkendorp an, und hätte ihn ermordet, wenn dieser sich nicht nach Rom gerettet, wo er von der ausgestandenen Angst starb. Der Kaiser aber ließ seinen Schwager so gut wie hülflos gegen die in Schweden ausgebrochene Empörung des Gustav Wasa, dessen Vater der König mit den Andern in Stockholm hatte ermorden lassen. Der König verachtete diesen Mann und seine Macht – und so ward er Reichsvorsteher, und Schweden ging verloren, und durch die Hülfe der Schweden – auch Norwegen. Dänemark hätte er vielleicht erhalten, wenn er nicht auf einem »Tage der Sühne« mit dem Herzoge von Schleswig-Holstein einen Brief vom Kaiser empfangen, der ihm befahl, seine Gemahlin Isabella besser als bisher zu behandeln und sie wirklich dazu anzunehmen. Er dachte an Düvecke, ward ingrimmig und zerschmetterte den vom Kaiser erhaltenen Orden des goldenen Vließes am Boden, und erklärte sich laut für seinen heftigsten ewigen Feind. Die Stadt Lübeck hatte ihm den Krieg erklärt, ihre Flotte zerstörte Helsingör, was Frau Sigbritte lieb war, als Rache dafür, daß sie ihre Bauern nicht aufgenommen. Einige flüchtende Einwohner ergriffen sie aber, und stürzten sie in einen Landsee, woraus sie der König selber errettete und nach der Stadt fuhr, während Schüsse auf sie fielen. Sie ließ aber die Bauern hinrichten. Da nun der König auch den jütländischen Adel wie den schwedischen in Stockholm ausrotten wollte, wählte sich Jütland, auf das Bündniß der Bischöfe gestützt, einen andern König, und kündigte ihm urkundlich den Gehorsam auf, und Magnus Munk ließ ihm bei einem Besuch den Absagebrief in einem – vergessenen – Handschuh zurück.

So war denn sein Muth gebrochen; denn aus Schuldbewußtsein und Befürchtung ließ er, ja warf er, seinem Charakter gemäß, gleich Alles, auch Das noch mit Stolz aus den Händen, was vielleicht zu erhalten war. Nur seine Gemahlin Isabella suchte noch Hülfe bei ihrem Bruder, dem Kaiser Karl, und bei Frau Margaretha, Statthalterin der Niederlande. – Umsonst. – Die geduldig liebende Isabella hatte Unsägliches ausgestanden – aber Alles war gut, denn ihr Gemahl schien sie zu lieben, da sie ihm in den wenig Jahren, seit Düvecke todt war, selbst in einem Jahre drei Kinder geboren, seinen Hans im Februar und die Zwillinge Maximilian und Philipp im December – und das Jahr darauf noch eine Tochter. Sie war also doch ein Weib und eine glückliche Mutter, wenn sie auch keine Königin mehr sein sollte. Denn sie hatte den Unterschied zwischen einer bloßen Königin und einem Weibe erfahren, und war nicht in Zweifel, was mehr und beglückender sei.

Als daher der neue König Friedrich, im Bunde mit der Stadt Lübeck, ihrem Manne für seine Person allein Krieg angesagt und das ihm angetragene Reich mit gewaffneter Hand einzunehmen kam und schon nahte, und der Vertriebene sich zur Flucht aus dem Lande mit Hast bereitete – da athmete Isabella auf; denn nun war ihm die Möglichkeit abgeschnitten, verderblich zu wirken und traurige Thaten zu thun, die ihr fast das Herz gekostet.

Zwanzig Schiffe lagen im Hafen segelfertig, und wurden Tag und Nacht mit dem Reichsarchiv und den Kostbarkeiten, selbst mit dem Schloßgeräth, das nun Hausrath werden sollte, auf Befehl des Königs beladen, und es wimmelte von neugierigem lächelndem Volke dabei. Isabella aber, nur in die unentbehrlichsten Reisekleider gehüllt, und durch die gedrängte Reihe von Menschen scheidend, nahm nichts mit als ihre Tochter Dorothea, die sie auf dem Arme trug, und ihren kleinen Sohn Hans an der rechten Hand; links aber neben ihr ging Düvecke's Knabe, der sie »Mutter« nannte, und sie ihn »mein Kind.« Ehe sie aber noch in das Schiff stieg, vertheilte sie noch ihre gewaltsam zerbrochene goldene Kette unter drei arme Weiber, welche sie schmähten, weil ihre Söhne durch den König umgekommen; und Isabella that das aus demselben Gefühl, mit welchem sie das Unrecht ihres Mannes überall still gut zu machen gesucht – so weit ihre Kräfte reichten – was er laut und ungescheut böse gemacht. Dann stand sie im hohen Bord des Schiffes, und sah bei untergehender Sonne an's Land in die Scene.

Sie konnte vor Wehmuth kaum hinsehen. Denn als der Letzte von Allen, allein und mit trotzigen Schritten kam der König , schlicht gekleidet, nur sein Schwert an der Seite und im linken Arme ein verschleiertes Gefäß. Seine wenigen Freunde, die Amt und Würde seinetwegen verlassen, waren schon im Schiffe! nur ungefähr hundert Schritte vor ihm ging der Erzbischof von Lund, Hans Weß, und der Bürgemeister von Malmoe, der das neue Testament in's Dänische übersetzt hatte. Zwischen ihnen und dem Könige trugen vier Männer eine Tonne, in welche er seine unschätzbare Frau Sigbritte verborgen, um sie sicher in's Schiff zu bringen, weil er fürchtete, das Volk möchte sie in Stücken zerreißen, wenn es das Weib sähe, um deren Tochter Düvecke und ihrer selbst wegen der König von Stufe zu Stufe vom Throne herabgestiegen und nun diesen traurigen Gang ging.

Die Tonne aber war den Männern zu schwer geworden; sie setzten sie nieder und rollten sie nun auf dem ebenen Wege zum Strande. Der König sah es, doch er schwieg. In der Tonne aber fing es an gewaltig zu schelten und »halt! halt!« zu rufen – »ich bin weder Wein noch Bier, sondern ein Mensch.« – Die Buben liefen herbei, klopften an die Tonne, und die Schlauern im Volke vermutheten schon die verwünschte Frau Sigbritte darin. Der König aber hatte sein Schwert blank gezogen, kam herbei, und Alt und Jung fürchtete seine letzte Gewaltthat. So kam Frau Sigbritte glücklich ins Schiff, ward droben ausgepackt, und trat dann neben die Königin, froh und zornig, an Bord.

Was der König aber auf seinem linken Arme trug, war eine goldene Urne. Als auch er hinaufgestiegen, übergab er sie seiner Isabella, und sprach gerührt zu ihr: »Sieh hinein! es ist die Asche meiner Düvecke! – Sie hat mich so viel gekostet – bewahre sie kostbar Dir und mir!« – Und das gute Weib ging selbst und bewahrte sie an dem bewachtesten Orte, am Bette zu ihrem Haupte. Und um mit einigem Ansehen zu scheiden, feuerte alles Geschütz von den Schiffen zugleich den Abschiedsschuß, und im Rauche verhüllt zogen sie hin.

Die meisten, und gerade die reichbeladenen, scheiterten aber in einem Sturme, und auch von den wenigen aus dem Lande geretteten Schätzen wurden nur wenige aus der See gerettet, als sie bei ter Veer auf Walchern landeten. Frau Sigbritte aber tröstete den König wieder, wie schon vor der Abreise, und versprach ihm, ihn zum Bürgemeister in Amsterdam zu machen, und versicherte ihn, daß er dem Amte wohl würde vorstehen können, ob es gleich viel schwerer und schwieriger sei, nach den Gesetzen Anderer mit strengvorgeschriebenen kleinen Mitteln große Dinge zu thun; aber sie wolle ihm beistehen.

Er fiel darauf gleichsam innerlich zusammen wie ein Vulkan, und war nur von Außen die hohe schwarze Gestalt eines Berges. Seine Gemahlin Isabella hatte sich in Allem so sehr nach ihm gerichtet, daß sie auch das Evangelium angenommen oder anerkannt hatte, das Luther wieder zu Ehren gebracht. Sie reisten selber zu Luther nach Wittenberg, wo der Kurfürst von Sachsen dem Könige die Pfründe eines Diakonates zum Lebensunterhalte angewiesen hatte, und wo man ihn wirklich für einen Diakonus hielt.

Isabella aber grämte sich über den Gram ihres Mannes, der nun keine treue Seele mehr hatte als sie, und sie fühlte, daß auch sie ihn bald verlassen müßte. Ihre Kraft war erschöpft; ihr Trost langte nicht aus oder schlug nicht an; ihre Hoffnung ging nicht in ihn über; ihr Glaube erquickte nur sie, und ihre Liebe war ihm nicht genug – und so war das Alles auch ihr endlich Nichts oder wenig mehr, wie das Leben. Sie starb in einem kleinen, fast dürftigen Hause bei Gent, als sie eben sich zu sehr angestrengt hatte, um mehrere, von der Statthalterin Margaretha wegen ihres Glaubens zum Tode verdammte Lutheraner zu retten; und schon ohne Regung und ohne Sprache, mußte sie selbst noch die letzte Oelung nehmen, damit ihr ketzerischer Tod nicht den kaiserlichen Hof beschimpfe, und sie ehrlich begraben werden könne. Aber in ganz Dänemark wurden für sie die Glocken geläutet. So war sie am Unrecht, am Unglück und am Leben ihres Gemahls gestorben. Denn:

Für Andr'e fürchten und für And're sorgen,
Statt And'rer leiden und unglücklich sein,
Den bittern Kelch, den ihren Liebenstrafend –
Das Schicksal vollgegossen – heimlich leeren
Und schweigen ... ja statt And'rer selber sterben,
– Das kann ein edles, zartgesinntes Weib!



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