Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
Der Eisenbeton in der höheren Zaunarchitektur
Der Eisenbeton kann ein paar Centimeter breit sein, und er ist sehr bequem als Zaun zu verwerten. Wenn der Eisenbeton künstlerisch mit Email, Glasmosaik oder plastischer Ausmeißelung mit Niello ansehnlich gemacht wird, so können die Zäune, wie schon gesagt, auch leicht zu Wandelgängen umgebildet werden.
In der Zaunarchitektur wird der Eisenbeton ebenfalls eine große Rolle spielen.
Die Terrassen
Die Terrassenformation ist bei höheren Glasbauten und bei mehreren Etagen zweifellos eine Notwendigkeit, da ja sonst die Glasflächen nicht an die freie Lichtluft gelangen können, wo sie doch hinwollen, da sie ja im Dunkeln ihren Zweck nur des Nachts erfüllen können – und nicht am Tage.
Diese Terrassenformation der Etagen wird natürlich die langweilige Frontarchitektur der Backsteinhäuser rasch verdrängen.
Die Aussichtspunkte
Man stelle sich die Aussichtspunkte vor, von denen aus wir heute ein Stadt- oder Landbild überschauen können.
Diese Aussichtspunkte werden uns ganz andere Bilder zeigen, wenn die Glasarchitektur allgemeiner geworden ist und alle Vehikel (auch die fliegenden) farbiges Glas in der Fülle zeigen.
Man muß sich nur Mühe geben, solche Aussichtspunkte sich greifbar vorstellbar zu machen. Es ist nicht leicht, macht aber die Phantasie bald geschmeidig, daß sie schließlich mehr gibt als einzelne Details.
Das Glas in den Fabrikgebäuden
Will man ein umfassendes Bild der Glasarchitekturwelt haben, so ist auch nötig, sich die Fabrikgebäude in Glas zu denken. Man wird ja hier nicht gleich überall backsteinzerstörend vorgehen, sondern zunächst den Backstein mit Glasmaterial und Glasuren umkleiden – und auf den Dachgärten Pavillons aus Glas anbringen usw.
Markthallen ganz aus Glas und Eisen
Daß die Markthallen heute bereits ganz aus Glas und Eisen hergestellt werden, ist bekannt. Es fehlt nur die Doppelwandigkeit und das farbige Ornament. Es ist aber nicht phantastisch, wenn man annimmt, daß beides bald kommen wird. Diese Vervollständigung einer Glas- und Eisenarchitektur wird nicht lange auf sich warten lassen.
Die Kirchen und Tempel
Größere Kirchenbauten werden in Europa durch die unnatürliche Ansammlung von Menschen in den größeren Städten sehr wohl geplant und auch ausgeführt.
Ob es hier in einzelnen Fällen möglich sein wird, reine Glas- und Eisenarchitektur unter Ablehnung des Backsteins durchzusetzen, weiß ich nicht.
Wohl aber weiß ich, daß die größere Billigkeit des Glas- und Eisenbaues diesem zum Erfolge verhelfen muß; diese größere Billigkeit haben wir natürlich erst dann, wenn eine größere Zahl von Firmen einander Konkurrenz machen – was zu erwarten ist.
Die freien Sekten in Amerika werden mit dem Bau von Glastempeln wohl die ersten sein, die auf religiösem Gebiete die Glasarchitektur einen guten Schritt vorwärts bringen.
Es wäre nötig, hier zu betonen, daß die ganze Glasarchitektur von den gotischen Domen ausgeht. Ohne diese wäre die Glasarchitektur garnicht denkbar; der gotische Dom ist ihr Präludium.
Die Klub- und Sporthäuser
Klub- und Sporthäuser werden heute in großer Anzahl erbaut. Da es sich in diesen fast immer um kapitalkräftige Gesellschaften handelt, so täten die Glasarchitekten gut, diesen näherzutreten; die Vorzüge der Glasarchitektur in Räumen, die hauptsächlich der Geselligkeit dienstbar sind, lassen sich leicht deutlich machen.
Der Militarismus und die Backsteinarchitektur
Man hat so häufig immer nur auf die Schädlichkeit des Militarismus hingewiesen; er hat auch seine gute Seite. Und diese besteht darin, daß er bei der Bedeutung der dirigeablen Lufttorpedos auf die Gefährlichkeit der Backsteinarchitektur hinweisen muß; ein Kirchturm ist, wenn er aus Backstein ist und unten von einem Torpedo getroffen wird, in jedem Falle umzustürzen, vernichtet viele Menschenleben und macht einen ganzen Gebäudekomplex zum Trümmerhaufen.
Der Militarismus wird also, wenn er logisch vorzugehen wagt, der Backsteinkultur abhold sein müssen; das ist die gute Seite des Militarismus. Das wird noch öfters betont werden – besonders von denen, die es müde sind, als »Backsteinhäusler« weiterzuleben.
Ein Glasturm ist, wenn er von mehr als vier Grundpfeilern aus Eisen getragen wird, nicht durch ein Lufttorpedo umzuwerfen; es werden nur ein paar Eisen verbogen, und eine Anzahl Glasscheiben werden platzen oder Risse bekommen; dieser Schaden ist leicht wieder zu reparieren.
Die Parlamentsgebäude
Was soeben von den Glastürmen gesagt ist, gilt auch für die Parlamentsgebäude, die ganz aus Stahl und Glas gebaut sind. Auch diese sind zu Kriegszeiten viel widerstandsfähiger als die alten Parlamentsgebäude aus Backstein mit Sandsteinumkleidung.
Diese Behauptung wird vielen sehr paradox erscheinen, sie ist aber ganz logisch. Das Dynamit kann ein Glashaus immer nur partiell schädigen, dem Ganzen gegenüber ist es ziemlich machtlos; es gehört schon ein ganzer Hagel von Dynamitbomben dazu, wenn es gilt, einen größeren Gebäudekomplex zu vernichten, der nur aus Glas und Eisen besteht.
Restaurants, Cafes, Hotels und Sanatorien
Zweifellos erscheint mir, daß sich zunächst die Restaurants, Cafés und Hotels geneigt zeigen werden, durch Glasarchitektur ein größeres Publikum anzuziehen. Dieses hat für alles Neue immer sehr viel übrig.
Aber auch die Sanatorien werden Glasbauten haben wollen; der Einfluß einer prächtigen Glasarchitektur auf die Nerven ist doch nicht zu bestreiten.
Transportable Bauten
Es lassen sich auch transportable Glasbauten herstellen.
Sie eignen sich besonders für Ausstellungszwecke. Derartige transportable Bauten sind ja nicht grade leicht herzustellen. Man vergesse aber nicht, daß bei einer neuen Sache manches Mal grade das Schwierigste zuerst in Angriff genommen wird.
Der Zukunftserfinder und die Stoffe, die dem Glase Konkurrenz machen könnten
Mit Erfindungen sehr viel Geld zu verdienen, ist nicht grade leicht. Trotzdem wird, wie man mir ohne weiteres zugeben dürfte, die Zahl der Erfinder täglich größer; es schreckt garnicht ab, wenn viele Erfinder all ihr Hab und Gut verlieren und garnichts erobern. Schließlich ist der total verarmte Erfinder trotz allem ein ganz vereinzelter Ausnahmefall. Mißerfolge produzieren auch Humor. Und solange der da ist, ist alles noch nicht so schlimm. Dies nur nebenbei.
Doch ist es wohl nicht zu bezweifeln, daß die Zukunftserfinder, da ihre Zahl, wie gesagt, täglich größer wird, wohl eine große Zukunft haben könnten oder müßten.
Und man wird auch Stoffe erfinden wollen, die dem Glase Konkurrenz machen können. Ich denke dabei an Stoffe, die elastisch wie Gummi und lichtdurchlassend sind. Derartiges ist ja schon in dem erwähnten Tektorium mal erfunden worden; es geht nur zu leicht kaputt–und das ist immerhin ein Mangel.
Aber – es kann auch anders kommen. Man kann auch Stoffe erfinden, die Lichtdurchlässigkeit mit Haltbarkeit vereinen. Bei der immer größer werdenden Zahl der Erfinder ist schließlich alles Mögliche möglich.
Das durch die Zeit nicht zu überwindende Glasornament und Glasmosaik
Indessen – solange wir das Bessere noch nicht haben, müssen wir uns mit dem immerhin Guten begnügen. Und dieses ist das Glas und das Glasornament in Bleifassung und das Glasmosaik und das Email. Diese herrlichen Materialien sind durch die Zeit nicht überwunden worden; Jahrhunderte und Jahrtausende haben sie überstanden. Daß sie vor ruchlosen Händen nicht geschützt sind, ist beklagenswert, aber auch der harte Granit ist nicht vor diesen Händen geschützt. Und der Granit, der zur Bekleidung der ägyptischen Pyramiden verwandt wurde, ist auch gestohlen worden Darüber aber wollen wir nicht in Klagen ausbrechen. Hoffen wir, daß die Glasarchitektur den Menschen auch in ethischer Beziehung bessert. Mir erscheint dieses grade als ein Hauptvorzug der glänzenden, bunten, mystischen, großartigen Glaswände zu sein. Und dieser Vorzug scheint mir nicht nur eine Illusion, sondern etwas sehr Veritables zu sein; ein Mensch, der täglicb Glasherrlichkeiten sieht, k a n n keine ruchlosen Hände mehr haben. Dixi.
Ausstellungsbauten in Amerika und Europa
Fabelhafte Berichte über amerikanische Glasbauten haben wir in den letzten zwanzig Jahren öfters in Europa zu lesen bekommen. Teilweise wars sicherlich nur müßige Reporterphantasie. Doch »etwas« Wahres mag wohl dahinter gesteckt haben. Tiffany spielt in Amerika eine große Rolle. Und die Amerikaner kommen wohl den Glassachen sehr entgegen. Es wäre darum sehr interessant, zu erfahren, was in Glas auf der Weltausstellung zu San Francisco 1915 geplant ist.
Ich bin der Meinung, daß sich die Ausstellungsbauten in Amerika von denen in Europa sehr erheblich unterscheiden müssen. Die amerikanischen Brückenkonstruktionen am Niagarafall sind jedenfalls so großartig daß auch ein Ausstellungshallenbau, wenn er nur aus Eisen und Glas bestehen sollte, imposante Dimensionen zeigen dürfte. Ob doppelwandig mit Farbenornamenten – das weiß man ja noch nicht.
Aber – Amerika ist auch das Hauptland für imposante Riesenbauten. Die panamerikanische Bahn, die Nord und Süd gegen militärische Angriffe von 0st und West schützen soll, ist ja wohl momentan das größte Ingenieurwerk der Erde.
Da ist Hoffnung, daß Amerika auch das größte Architekturwerk der Erde in Angriff nehmen könnte. Hoffen wir, daß es aus Eisen mit Glas in allen Farben besteht.
Europa ist zu konservativ und zu langsam.
Experimentierterrain für Glasarchitektur
Die Glasmaler verbleien die Glasstücke nie, ohne vorher experimentell die Wirkung festgestellt zu haben. Dieses geschieht bei allen neuen Kompositionen. In der Phantasie ist die Wirkung des Ganzen nicht zu übersehen.
Es ist darum für Glasbauten ebenfalls das Experiment nötig. Wir brauchen ein Experimentierterrain für Glasarchitektur. Es wäre nun sehr empfehlenswert, wenn durch Private und nicht durch den Staat das Terrain zur Verfügung gestellt würde; der Staat bringt seine Regierungsarchitekten hinein, die Künstler leider zumeist nicht sind und auch nicht von heute bis morgen werden können.
»Permanente« Glasarchitektur-Ausstellung
Mit dem Experimentierterrain müßte sich natürlich eine Glasarchitektur-Ausstellung verbinden. Die aber müßte eine »permanente« sein.
Nur dann ist die Glasarchitektur wirksam zu fördern, wenn jede neue Idee auf der Ausstellung immer gleich zur Schau gestellt werden kann – und dort alle Interessenten immer wieder das Beste oder das Neueste bestellen oder ankaufen können.
Das Kristallzimmer, vom lichtdurchlassenden Fußboden aus beleuchtet
Auf der Ausstellung würden besonders Beleuchtungsproben veranstaltet werden müssen.
Man weiß noch nicht, wie ein Saal wirkt, der nur vom lichtdurchlassenden Fußboden aus beleuchtet wird.
Man könnte da auf dem Lichte gehen. Derartiges und vieles Andre müßte ausprobiert werden.
Meines Erachtens müßte hier eine »Glasbaugesellschaft« Kapitalien für Terrain und Ausstellung zur Verfügung stellen. Ist das Interesse erst allgemein, so wäre die Gesellschaft wohl bald gebildet.
Filigranmetall mit Emaileinlagen frei vor der rohen Eisenbetonwand
Es ist hier an sehr viele Experimente zu denken; sie sind beinahe unübersehbar.
Besonders wird an die Überwindung der rohen Eisenbetonwand gedacht werden müssen. Da ist vielleicht an Filigran mit Emaileinlagen zu denken. Derartiges würde wie ein Schmuckstück wirken – wie Pretiosen en gros. Es läuft manches in der Glasarchitektur auf den Juwelier hinaus. Die Juwelen sollen von Hals und Arm in die Wände.
Damit werden vorläufig die Damen noch nicht einverstanden sein, weil sie fürchten, im Schmuck zu kurz zu kommen. Das ist überhaupt bei manchen Sachen so unsäglich unangenehm berührend, daß alle Menschen immer zunächst nur fragen: Kann mir diese Neuerung nicht schädlich sein?
Die alte Furcht vor Konkurrenz ist überall eine recht wenig erfreuliche Erscheinung – auch in der Kunst.
Die Ölfarbenfabrikanten sind zweifellos Gegner der Glasmalerei, weil sie an dieser nichts verdienen können.
Das Luftschifferhaus mit Luftschiffmodellen an der Decke
Wenden wir uns zu Erfreulicherem!
Die Luftschiffahrt wird meines Erachtens dafür sein, daß im Restaurant-Park der Ausstellung auch ein Luftschifferhaus gebaut wird, in dessen hoher Kuppelwölbung Luftschiffmodelle mit kleinen Scheinwerfern anzubringen wären, die sich bewegen können.
Das wäre eine Variante des Bremer Seeschifferhauses.
Die Luftvehikelmodelle auf diese Art zu verewigen, wäre wohl für die Luftschiffahrt von großem Interesse und ihr sehr angelegentlich ans Herz zu legen.
Die gedämpfte Beleuchtung
Es ist zu wiederholen, daß das Streben nicht nach einer größeren Helligkeit des Lichtes hingeht. Diese haben wir bereits.
Darum ist bei der Farbenwahl immer wieder an »Dämpfung« des Lichtes zu denken.
Zwielichteffekte
Und – es ist daran zu denken, auch während des hellen Sonnenscheins in einigen Winkeln Licht hinter farbigem Glase leuchten zu lassen.
Das ergäbe dann in den Dämmerungsstunden wundervolle Zwielichteffekte.
Da muß man natürlich sehr viele Beleuchtungsproben veranstalten.
Die Leuchttürme und die Seeschiffahrt
Wo neue Leuchttürme für die Seeschiffahrt gebaut werden sollen – da hat der Glasarchitekt dafür zu sorgen, daß da in allernächster Zeit Glasarchitektur im großen Stile durchgesetzt wird. Diese ist, da die Leuchttürme zumeist auf hohen Bergen stehen sollen, zweifellos billiger als die Backsteinkultur. Das fürchterliche Hinauffahren der Backsteinziegel fällt fort.
So wird der Bau, wenn die Eisen- und Glasmaterialien durch ein paar Hebelvorrichtungen hinaufgebracht werden, zweifellos billiger. Dieses ist immer wieder zu betonen.
Lufthäfen als Glaspaläste
Für den Bau der Lufthäfen ist der Glaseisenbau ebenfalls sehr zu empfehlen, da sich ja die Lufthäfen auf weite Entfernung bemerkbar und kenntlich machen sollen – was eben durch farbige Glasornamentik am ehesten zu erreichen ist. Diese wird grade in der Nacht, wenn der ganze Bau durch Scheinwerferdiademe gekrönt ist, am besten zur Geltung kommen und nicht nur die Luftschiffer erfreuen, sondern auch die Menschen, die ein Luftschiff nicht zur Verfügung haben.
Die Lichtnächte, wenn die Glasarchitektur da ist
Leicht scheint es, zu sagen, daß etwas »unbeschreiblich« ist. Von den Lichtnächten, die uns die Glasarchitektur bringen muß, bleibt uns aber nichts andres übrig, als zu sagen, daß sie wahrhaftig »unbeschreiblich« sind. Man denke an die Scheinwerfer auf allen Glastürmen und in allen Luftvehikeln, und man denke sich die Scheinwerfer in allen Makartfarben. Man denke die Bahnzüge alle ganz bunt. Und man füge die Fabriken hinzu, in denen auch des Nachts das Licht durch farbige Scheiben leuchtet. Und dann denke man an die großen Paläste und Dome aus Glas und an die Villen desgleichen–und auch an stadtartige Anlagen – auf dem festen Lande und im Wasser – hier oft in Bewegung–und immer wieder andres Wasser in immer wieder anderen Farben.
Auf der Venus und auf dem Mars wird man große Augen machen und die Erdoberfläche garnicht mehr wiedererkennen.
Vielleicht leben dann die Menschen viel mehr in der Nacht als am Tage.
Und die Astronomen werden in stillen Bergschluchten und auf Anhöhen ihre Observatorien erbauen, weil das übergroße Farbenlichtmeer störend für die Beobachtung des Himmels sein könnte.
Und alles dieses hat man nicht nur heute zusammengedacht– das taten schon die großen Baumeister der Gotik; das wollen wir nicht vergessen.
Der Brillanteffekt in der Architektur
Der Brillant wird an den Händen und am Halse geschätzt, in der Architektur wird aber der Brillanteffekt ganz und gar nicht geschätzt.
Ich vermute, daß das nur geschieht, weil der Brillant zu klein und die Architektur zu groß ist.
Es lassen sich aber auch größere Glasbrillanten in Kürbisgröße herstellen. Und die sind garnicht teuer.
Ob die Architektur, wenn das Glas in größeren Mengen überall zu sehen ist, auch noch den Brillanteffekt verschmähen wird? Das scheint mir nicht wahrscheinlich.
Daß auch die Neger und die kleinen Kinder so begeistert am farbigen Glase hängen, spricht doch noch lange nicht gegen dieses.
Das plastische und das flache Ornament in der Architektur
In der Alhambra finden wir hauptsächlich plastische Ornamentik – allerdings aus vergänglichem Gipsschnitt.
Die Glasarchitektur kann auch plastisches Ornament bringen–aus unvergänglichen Glasmaterialien.
Die feinsten Glasbläsereien lassen sich auch aus Glas herstellen – und auch aus Eisglas und Filigranglas.
Derartige Plastik in der ornamentalen Glaswand dürfte allerdings zuerst nur für Prunkräume in Betracht kommen; dort ist aber diese neue Ornamentplastik durchaus möglich und keineswegs nur ein phantastisches Hirngespinst. Venedig ist noch lange nicht der Gipfel der Glaskultur, obschon es viel gebracht hat, daß man später noch öfters auf Venedig zurückkommen dürfte. Damit will ich nicht Nachahmungen empfehlen; wohl aber scheint mir die venezianische Glaspracht, wie sie hauptsächlich die Paläste der Isola bella zeigen, als Anregungsfaktor sehr empfehlenswert.
Man vergißt oft, daß das heutige Italien ohne Glas eigentlich sehr wenig Anziehungskraft hat. Und dabei ist im heutigen Italien noch so wenig Glas vorhanden.
Die Umwandlung der Pyrotechnik
Die Pyrotechnik wird sich, wenn überall mehr Glas da ist, auch umwandeln; man kann ja mit tausendfältiger Spiegelung wirken.
Doch dieses Kapitel sei zum weiteren Ausbau den Pyrotechnikern überlassen.
Die farbig beleuchteten Teiche, Fontänen und Wasserfälle
Und dieses Kapitel sei dem Gartenarchitekten überlassen. Er wird die Geschichte wohl mit großem Eifer in Angriff nehmen und bemüht sein, noch mehr zu bieten – als die Rokokozeit uns bot.
Die Entdeckung des Backsteinbazillus
Backstein fault.
Daher der Schwamm.
Und die Entdeckung des Backsteinbazillus ist gar keine »große« Entdeckertat.
Jetzt hat aber auch der Arzt ein großes Interesse daran, daß die Backsteinkultur endlich an die Seite geschoben wird.
In den Kellerräumen der Backsteinhäuser ist die Luft immer von Backsteinbazillen erfüllt; die Glasarchitektur braucht keine Unterkellerung.
Der nervöse Einfluß des vollen hellen Lichtes ohne farbige Dämpfung
Dem vollen hellen Lichte verdanken wir zum Teile die Nervosität unsrer Zeit.
Das farbig gedämpfte Licht wirkt nervenberuhigend. Es wird daher auch in vielen Sanatorien von den Nervenärzten als Heilfaktor empfohlen.
Die Bahnhofsanlagen in Glasarchitektur
In den Bahnhofsanlagen, die doch zum Teil bloß gegen Wind und Regen schützen sollen, ist die Glasarchitektur so am Platze, daß darüber Weiteres nicht gesagt zu werden braucht.
Die gleichartigen Straßenlaternen und deren Beseitigung
Wenn etwas abscheulich genannt werden soll, so sind es nach meiner Meinung die gleichartigen Straßenlaternen, die in allen Städten der Sternrinde einander so ähnlich aussehen, daß man verwundert sein muß, daß eine »derartige« Wiederholung bei den Menschen überhaupt möglich war.
Die Wiederholung ist glücklicherweise rasch zu beseitigen durch farbige Glasampelkompositionen, die unsäglich viele Formen gestatten.
Diese »Beseitigung« wird natürlich kommen – und zwar sehr bald.
Das heutige »Reisen«
Heute reist man aus purer Nervosität.
Man will etwas Andres haben.
Und obschon man weiß, daß alle Hotels und Stadtanlagen, Hochgebirgsdörfer und Badeorte eine verzweifelte Ähnlichkeit miteinander haben, reist man doch hin. Man reist, obschon man weiß, daß man wo anders nichts Besseres hat.
Das zukünftige »Reisen«
In der Zukunft wird man »reisen«, um sich neue Glasarchitektur anzusehen, die an allen Orten der Erde immer wieder anders aussehen wird.
Der »Glasarchitektur« wegen zu reisen, hat doch jedenfalls einen Sinn; man darf doch an anderen Orten sehr wohl neue Glaseffekte »erwarten«. Es ist ja auch anzunehmen, daß neun Zehntel der Tagespresse nur von neuen Glaseffekten berichten werden.
Die Tagespresse »braucht« das Neue – darum wird sie dem Glase nicht feindlich gesinnt sein.
Man hat öfters gesagt, daß das Glas eine »edle« Sache nicht sei.
Demgegenüber sei nur an die Frauenhoferschen Linien des Glasspektrums erinnert.
Außerdem: Charles Doppler entdeckte, daß das Licht, wenn es sich nähert oder entfernt, die Frauenhoferschen Linien zum Infrarot oder zum Ultraviolett verschiebt.
Nach Anwendung der Photographie ist es gelungen, diese Verschiebung zu messen. Aus diesen Messungen wissen wir selbst von lichtschwachen Sternen ganz genau, ob sich diese uns nähern oder von uns entfernen – und zwar auch den Grad ihrer Geschwindigkeit.
Ohne Glas wäre der Doppler-Effekt nirgendwo erkennbar; ich dächte, daß auch dieses Bände für die Bedeutung des Glases spricht.
Der Zeeman-Effekt entsteht durch die Einwirkung eines Magnetfeldes auf eine Flamme; das Spektrum zeigt dann die Frauenhoferschen Linien plötzlich verdreifacht. Aus diesen Triplets kann man auf das Dasein magnetischer Felder schließen, die in den Sonnenwirbeln nachgewiesen sind und die Konstitution der Sonnenflecke erklären.
Ich glaube, daß auch der Zeeman-Effekt für die Bedeutung des Glases Bände spricht.
Es ist darum nicht mehr gestattet, das Glas als minderwertige Sache zu bezeichnen; wer das tut, scheidet aus den Kreisen der Gebildeten einfach aus.
Maurer und Zimmermann sind nach dem bislang Gesagten zweifellos in ihrer Existenz bedroht – auch die gesamte Holzindustrie, Tischler, Drechsler usw.
Aber – so schnell entwickelt sich die Sache nicht, daß eine Umwandlung der Geschädigten unmöglich wäre; diese haben durchaus Zeit, in die Metall- und Glasindustrie überzugehen – hier werden sehr viele neue Kräfte verlangt, und dem Ubergange steht nichts im Wege.
Allerdings sagt mancher Schlosser, daß ein Maurer niemals Schlosser werden könnte; das sagt der Schlosser aber nur, weil er die Konkurrenz fürchtet.
Die Kreise aber, die durch die Glasarchitektur gefördert werden müssen, sind hauptsächlich die Schwerindustrie, die chemische Farbenindustrie und die Glasindustrie.
Die Schwerindustrie
Die Einführung des Eisens in den Hausbau bringt der Schwerindustrie zweifellos so viele neue Aufträge, daß diese Industrie weiter bestehen könnte – auch wenn der ganze Kanonenbau eingestellt würde.
Es hätte demnach die Schwerindustrie ein Interesse daran, die in diesem Buch erörterten Ideen nicht so leicht zu nehmen; es werden durch diese der Industrie große pekuniäre Vorteile gebracht.
Jedenfalls sollte man doch von seiten der Schwerindustrie diejenigen Kreise auf die »Glasarchitektur« aufmerksam machen, die als Bauherren in Betracht kommen könnten.
Die chemische Farbenindustrie
Dasselbe gilt für die chemische Farbenindustrie. Die »Glasarchitektur« wird ungeheuerliche Mengen von Farbe konsumieren.
Die Glasindustrie
Die Glasindustrie hat den Löwenanteil an der »Glasarchitektur«. Das wird Niemand in Abrede stellen. Die Glasindustrie ist in ihrem heutigen Umfange garnicht der größeren Nachfrage gewachsen; die Industrie muß sich also entsprechend vergrößern.
Die pekuniären Erfolge, die dabei der Glasindustrie zufallen, sind vorläufig ganz unüberschaubar.
Der Einfluß des farbigen Glases auf die Pflanzenwelt
Auch auf die botanischen Gärten wird die Glasarchitektur einen Einfluß ausüben; man wird von dem ganz hellen Glase, das ohne Farbe ist, allmählich abkommen. Man wird das farbige Glas erst äußerlich dort anbringen, wo es nicht allzu viel Licht verschluckt.
Dann aber wird man die Pflanzen versuchsweise dem farbigen Licht aussetzen. Und da könnten die Wissenschaftler »vielleicht« Uberraschungen erleben. Die Versuche dürfen nur nicht in Eile ausgeführt werden.
Die Kunst im Brückenbau
Der Ingenieur hat zeitweilig ein zu großes Ubergewicht gehabt – dem Architekten gegenüber. Das war natürlich, denn der Ingenieur war notwendiger.
Heute hat der Ingenieur nicht mehr die Neigung, den ganzen Verdienst allein in die Tasche zu stecken; er gönnt schon gern die Hälfte dem Architekten.
Das wird man bald im Brückenbau gewahr werden. Dort existieren bereits große künstlerische Absichten. Es wäre zu wünschen, daß diese der Glasarchitektur verwandte Absichten sind.
Die Umwandlung der Erdoberfläche
Immer wieder klingt uns manches so märchenhaft, während es garnicht phantastisch oder utopisch ist. Vor achtzig Jahren kam die Dampfbahn und wandelte tatsächlich, wie Niemand leugnen wird, die ganze Erdoberfläche um.
Nach dem bislang Gesagten soll also die Erdoberfläche umgewandelt werden – und zwar durch die Glasarchitektur. Kommt sie, so »wandelt« sie die Erdoberfläche »um«. Dazu gehören natürlich noch andre Faktoren, die hier nicht erörtert werden sollen.
Durch die Dampfbahn ist die heutige Backsteingroßstadtkultur erzeugt, an der wir alle leiden.
Die Glasarchitektur wird erst kommen, wenn die Großstadt in unsrem Sinne aufgelöst ist.
Daß diese Auflösung kommen muß, ist allen denen, die eine weitere Entwicklung unsrer Kultur im Auge haben, vollkommen klar. Darüber zu reden, lohnt sich nicht mehr.
Wir wissen alle, was die Farbe bedeutet; sie bildet nur einen kleinen Teil des Spektrums. Aber den wollen wir haben. Infrarot und ultraviolett ist von unsern Augen nicht wahrnehmbar – wohl aber ist das Ultraviolett von den Sinnesorganen der Ameisen wahrnehmbar.
Wenn wir nun auch vorläufig nicht annehmen können, daß unsre Sinnesorgane sich von heute bis morgen weiterentwickeln, so werden wir doch berechtigt sein, anzunehmen, daß wir zunächst dasjenige erreichen dürfen, was wir erreichen k ö n n e n – eben den Teil des Spektrums, den wir mit unsern Augen zu fassen vermögen – eben die Farbenwunder, die wir in uns aufzunehmen imstande sind.
Dazu aber verhilft uns ganz allein die Glasarchitektur, die unser ganzes Leben – das Milieu, in dem wir leben – umwandeln muß.
So ist zu hoffen, daß die Glasarchitektur unsre Erdoberfläche tatsächlich »umwandelt«.
Die Umwandlung der Regierungsarchitekten
Wenn ein Privatmann bauen will, sucht er sich den besten Architekten aus.
Wenn der Staat bauen will, so stehen ihm die Regierungsarchitekten zur Verfügung – nicht die besten Architekten, da diese zumeist als freie Künstler leben. Das ist ein beklagenswerter Zustand. Zu beklagen ist hauptsächlich der Staat.
Die Regierungsarchitekten, die immer gleichzeitig in ihren Bewegungen gehemmte Beamte sind (woraus Trägheit und Konservatismus resultieren), müssen wieder zu freien Künstlern werden; im andern Falle stehen sie der weiteren Entwicklung der Architektur nur im Wege.
Den Bauten, die von Regierungsarchitekten hergestellt sind, sieht man an, daß man sich vor der Farbe »fürchtet«; man fürchtet, sich zu blamieren.
Diese merkwürdige Farbenscheu stammt noch vom alten Peter Cornelius; der wußte auch nichts mit der Farbe anzufangen.
Im Botanischen Garten zu Dahlem fehlt ein Orchideenpalast. Ein Glas-Palazzo muß es schon sein. Regierungsarchitekten muß der Bau schon übertragen werden.
Ich bin neugierig, was dabei herauskommt.
Man hat Ofenheizung vorgeschlagen, da die Öfen den Orchideen bekömmlicher sein sollen als die Centralheizung; ich weiß nicht, ob die Konstruktion der Öfen einem Regierungstöpfermeister anvertraut werden wird.
Die psychischenWirkungen des Glasarchitektur-Milieus
Der seltsame Einfluß des farbigen Glaslichtes ist bereits von den alten Priestern Babyloniens und Assyriens erkannt worden; sie waren die ersten, die die farbige Glasampel in den Tempeln anbrachten.
Und die farbige Glasampel fand später über Byzanz auch in Europa Eingang in die Kirchen.
Aus diesen farbigen Glasampeln wurden zur Zeit der Gotik die farbigen Glasfenster; daß diese also einen besonders feierlichen Eindruck machen, wird nicht weiter verwunderlich sein.
Dieser feierliche Eindruck des farbigen Glases muß aber auch der Glasarchitektur anhaften; ihr Einfluß auf die menschliche Psyche kann demnach nur ein guter sein, da er doch dem Eindruck, den gotische Domfenster und babylonische Glasampeln hervorbrachten, entsprechend ist.
Die Glasarchitektur macht die menschlichen Wohnstätten zu Kathedralen und muß wirken wie diese.
Die Seßhaftigkeit der Bevölkerung, wenn die Glasarchitektur da ist
Wenn die Häuslichkeit so ist, daß in ihr auch die kühnsten Phantasieen realisiert erscheinen, so hört die Sehnsucht nach dem Andern einfach auf; man reist nur noch, um anderswo eine besondere Glaskunstart kennen zu lernen und sie eventuell nach Hause mitzubringen – d. h. sie zu Hause in ähnlicher Komposition herstellen zu lassen.
Dieses aber macht immer wieder seßhaft und unlustig zum nervösen »Reisen«.
Vielleicht entdeckt man irgendwo die Kunst, Glashaare wie Brokat herzustellen, sodaß die Glashaare auch von verschiedenen Seiten betrachtet, verschiedene Farbenwirkungen zeigen.
Vielleicht kann man irgendwo mal Spitzengewebe aus den Glashaaren machen und die auf einer einfarbigen dunkleren Glaswand befestigen; eine intime Wirkung könnte entstehen.
Auch diese macht eine Häuslichkeit so, daß man sie nur ungern verläßt; der Gardineneffekt käme dabei heraus.
Man würde also vielleicht nur reisen, um neue Glaskunstarten kennen zu lernen; es gäbe ja wohl noch manches Neue durch Komposition des Alten. Aber auch ganz Neues ist von großen Erfindern unsrer und einer künftigen Zeit wohl zu erwarten.
Mehr Farbenlicht!
Es ist also nicht eine Erhöhung der Lichtintensität zu erstreben. Die ist heute schon viel zu stark und kann von uns garnicht mehr ertragen werden.
Gedämpftes Licht ist das Erstrebenswerte.
Nicht »mehr Licht!« – »mehr Farbenlicht!« muß es heißen.
Das Portal
Das Portal sollte meines Erachtens in einem größeren Palaste immer eine freie Halle aus mehrfachen Glaswänden sein, die so übereinandergekragt sind, wie bei einer köstlichen Orchidee.
Es sollten sich die besten Architekten besonders auf Hallenkonstruktion legen, und dann sollten sie den Innenarchitekten veranlassen, die komplizierten Wirkungen des Hallenportals zu übertrumpfen.
Dadurch könnte oft ein sehr edler Wettstreit entstehen; es ist nur nötig, daß der Bauherr auch die Kosten dieses Wettstreites zu tragen vermag und nicht zu bald am Ende seiner Leistungsfähigkeit steht.
Das Monumentale
Monumental sind die Pyramiden.
Aber auch der Kölner Dom ist monumental – der Eiffelturm wird heute auch oft so genannt.
Der Begriff des Monumentalen wird sich mit der Glasarchitektur ebenfalls verändern.
Man wird auch Glastürme tief ins Meer hineinbauen; das gibt eine ganz besondere Luxusarchitektur, in der es jedenfalls kühl und sehr still ist.
Auch an riesige Windmühlen, deren Flügel über hundert Meter lang sind, dürften manche Leute denken; die Rathaus- und Pulvertürme dürften aber nicht für Windmühlenzwecke verwendbar sein; Backsteinarchitektur hält einem stärkeren Sturm nicht stand.
Die Straßen und Chausseen als Lichtsäulen-Alleen
Die Flanken der Straßen und Chausseen mit Bäumen zu bepflanzen, wird abkommen. Dazu sind die Bäume nicht hoch genug.
Aber Lichtsäulen, die mit Lichtguirlanden versehen sind und immer wieder anderes Farbenlicht ausstrahlen, sind wohl geeignetes Flankenmaterial zu nennen.
Chemie und Technik im zwanzigsten Jahrhundert
Wir stehen nicht am Ende einer Kulturperiode – sondern am Anfange einer solchen.
Wir haben von Technik und Chemie noch ganz besondere Wunderdinge zu erwarten.
Das wollen wir nicht vergessen.
Es sollte uns immer wieder mutig machen.
Das nicht splitternde Glas wäre hier zu erwähnen, in dem sich zwischen zwei Glasplatten eine Zelluloidplatte mit diesen verbindet.
Die Glaskultur
Nach dem Gesagten können wir wohl von einer »Glaskultur« sprechen.
Das neue Glas-Milieu wird den Menschen vollkommen umwandeln.
Und es ist nun nur zu wünschen, daß die neue Glaskultur nicht allzu viele Gegner findet.
Es ist dagegen zu wünschen, daß die Glaskultur immer weniger Gegner findet.
Am Alten hängen – das ist ja wohl in manchen Dingen eine ganz gute Sache; wenigstens wird das Alte dadurch erhalten.
Wir wollen auch am Alten hängen – die Pyramiden im alten Ägypten sollen ganz bestimmt nicht abgeschafft werden.
Aber auch das Neue wollen wir erstreben – mit allen Kräften, die uns zu Gebote stehen – mögen diese immer größer werden!