Heinrich Schaumberger
Glückliches Unglück
Heinrich Schaumberger

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»Und du, Schülzle, was wird mit dir?« fragte der Zimmerdick, ein wohlbeleibter, gutmütiger Alter, das Oberhaupt der Bergheimer Musikanten, in dessen Haus sie sich zur Musikprobe versammelt hatten, einen schönen schlanken Burschen, der nur etwas bleich aussah. »Gehst du mit nach Dammsbrück, oder willst du lieber in Mühldorf spielen?«

»Ist auch 'ne Frag,« lachte Hansaden, der seine Posaune zusammenschraubte. »Das kannst du dir doch an der Nase abfingern, daß der Schülzle nach Dammsbrück rennen wird!«

»Ist freilich 'ne Frag,« sagte der Angeredete mit einem verdrießlichen Seitenblick auf Hansaden, während er sich, wie in großer Bedrängnis und Unentschlossenheit, heftig sein kurzes, dunkelblondes Haar kraute. »Ist freilich 'ne Frag, eine sakermentische Frag! Liegt mir schon die ganze Nacht, den langen Tag wie ein Stein im Gemüt!«

»Was? – Du weißt nicht, ob hott oder har?« schrie der kleine, lustige Schneidersnikel und wollte sich ausschütten vor Lachen. »Na, ich sag's ja, wunderliche Kostgänger hat unser Herrgott auf seiner Welt herumlaufen! Haha!«

»Und was liegt schon wieder vor?« fragte der bedächtige Michelslang, gewöhnlich Wasserfuchs genannt, tief aufatmend, und wischte sich den Schweiß von dem roten, erhitzten Gesicht. Der Alte hatte einen Hornstimmbogen, der »ausging« (Luft bekommen hatte), mit Wasser gefüllt, das eine Ende mit dem Daumen verschlossen und nun mit solcher Anstrengung zu dem andern Ende hineingeblasen, daß ihm fast die alten dünnen Backen geplatzt wären, ihm alles Blut nach dem Kopf schoß und das Wasser noch immer aus den Augen lief. Danach untersuchte er den Bogen und hatte eben die kleinen Wasserperlen entdeckt, welche die wunde 4 Stelle des Stimmbogens verrieten, als ihn Schülzles Rede unterbrach. Kopfschüttelnd fuhr er fort: »ha, was hast schon wieder mit dem Mädle? Was liegt schon wieder vor? – 's ist 'ne wunderliche Welt heutzutage, keine Treu und kein Glauben mehr unter den Leuten, und das junge Volk gar, das taugt schon lang durch die Bank keinen Schuß Pulver mehr. – Schülzle, Schülzle, – wenn ich deine Mutter wär, ich wollt anders gegen – – –«

»He, Langer,« unterbrach ihn der Bergkasper, der neben ihm am Tisch saß, eifrig beschäftigt, einige abgegangene Lederdecken an den Klappen seiner Klarinette mittelst eines Stümpfchens Siegellack provisorisch zu befestigen, »he, guckt lieber auf Euren Bogen statt zu schwätzen. Der Schülzle tut doch, was er will, Euer Horn aber macht sich nicht selber!«

»'s Dunnerwetter,« schrie nun auch der Schmiedsjakob, der dem Bergkasper und dem Michelslang zu ihrem Geschäft mit einem brennenden Kienspan leuchtete, »mach voran, Wasserfuchs! Der Span geht zu Ende, – siehst du's nicht? Meinst vielleicht, weil ich ein Schmied bin, meine Finger sind feuerfest?«

»Ha, Schwenselens auch, werd doch noch ein Wort reden dürfen!« knurrte der Lange. »Aber, daß dich die Pest, jetzt sind die Tropfen weg, – rein weg. Potz Himmeltausend, da möcht man doch gleich ein Hirsch werden!«

»Geschieht Euch jeecht,« nickte der Bergkasper, der das R nicht gut aussprechen kann, vergnügt. »Hab mir lang gedacht, so wird's kommen!«

Während sich der arme Michelslang abermals aufblies wie ein Frosch, meinte der Mühljohann, der auf dem Ofensims ein Töpfchen Leim aufmerksam beobachtet hatte und nun daran ging, einen großen Riß in seiner Geige zu heilen: »ja aber, Schülzle, so tu doch 's Maul auf! Liegt wirklich was vor, mit dem Wasserfuchs zu reden?«

»So, das wird's tun,« schnaubte der dicke Hanshenner aufstehend und wischte sich den Schweiß von der Stirne. Hammer, Zange und Nägel legte er beiseite, dann hob er eine uralte, vom vielen Flick- und Stückwerk ganz scheckige Baßgeige vom Boden, brachte sie in die gehörige Stellung, ließ sie langsam kreisen und betrachtete das unförmliche alte Ding mit Blicken voll Liebe und 5 Bewunderung. »So, das wird's tun,« wiederholte er noch einmal selbstzufrieden, »die alte Base ist wieder so gut wie neu!«

»Ja, Hanshenner,« fragte der Zimmerdick schelmisch, indem er Hammer und Zange wegräumte, »was war denn das mit dem Baß? – Wie bist du mit ihm verunglückt?«

»Nu, Gott sei gelobt und gepfiffen, daß ihr doch glücklich wieder auf die Geschichte 'kommen seid,« brummte Hanshenner, während seine kleinen Augen lustig leuchteten.

»'s wär auch schad drum, käm der Spaß in Vergessenheit,« lachte der Schneidershenner, der aus einem Haufen zerrissener, schmutziger Notenblätter, – Hefte konnte man die Fetzen nicht nennen, – das Zusammengehörige, soweit es noch vorhanden, zu sondern bemüht war.

»'s Dunnerwetter, – erzählt,« schrie der heißblütige, ungeduldige Schmiedsjakob.

»Jetzt paß auf und leucht ordentlich,« schrie ihn der ernstlich verdrießliche, atemlose Michelslang an, der endlich die beschädigte Stelle wieder entdeckt hatte und nun ganze Massen gelben, ungereinigten Wachses darauf tropfte, die Löcher zu verstopfen. »Dir aber, Kasper, schlag ich alle fünf Finger hinter die Ohren, läßt du das Feixen und Lachen nicht. Darfst dich an der eigenen Nase zupfen! Ist das auch 'ne Art, das Leder auf die Klappen zu siegeln, du leichtfertiger Windsack, du?«

Unterdes hatte der Schneidersnikel seine Erzählung begonnen. »Also an Neujahr spielen wir in Unterneubrunn. Läßt sich gut an, die Geschichte. Leute gibt's wie Heu um Johanni, Geld wie Fliegen im August! Dazu ein Bier, – Gottseindunner, ein Bier sag ich, – mild wie Muskatwein, stark wie der Teufel, und dabei läuft's einem wie Öl ganz von selbst den Hals hinunter – –«

»Nur nicht grrrrand getan,« unterbrach ihn zornig der Eckenpeter, der mit einem umwickelten Rohrstock in das Innere seiner Trompete zu gelangen suchte, um einige allzu tiefe Krüppel und Narben, Zeugen mühseliger Heimfahrten oder männererregender Schlachten, zu entfernen. »Nur nicht grrrrrrrand getan,« wiederholte er wehmütig und leckte die Lippen.

»Ja, ein Bier sag ich,« fuhr Nikel fort und schnalzte mit den Fingern, »ein Bier, – heute noch läuft mir das Wasser im Mund zusammen, denk ich daran. Na, – wie gesagt, wir machen 6 Geschäfte! Schon um Zehn müssen wir die Büchse leeren, da sie nichts mehr aufnimmt, – was mir seit Jahr und Tag nicht begegnet ist, – und noch immer regnet's Sechser, Zwölfer, Vierundzwanziger und Siebenbätzner! Das macht uns natürlich lustig, und wir lassen uns das Bier schmecken, – wir konnten's ja! So scheint der lichte Tag zu den Fenstern 'rein, eh wir es uns versehen, und es war uns wahrhaft leid, daß wir nun Feierabend machen mußten, – ich wenigstens wäre am liebsten gleich für immer auf dem Orchester sitzen 'blieben. Allein, –›es kann ja nicht immer so bleiben hier unter den Wechseln des Monds‹, – wir mußten zuletzt eben doch an Aufbruch denken. Weiß der Kuckuck, war's das viele Geld in unsern Taschen, oder das Bier in den Köpfen, oder beides zusammen? – kurzum das Gehen zeigte Schwierigkeiten, auf die wir nicht gerechnet hatten: nicht Hanshenner?«

Dieser hatte unterdes die Saiten auf seine Baßgeige gespannt, strich sie prüfend an und leuchtenden Angesichts begleitete er die rasselnden, schnarrenden Töne mit zufriedenem Kopfnicken. »Das geht ja wie geschmiert! – Sag ich's nicht allzeit, solchen Baß trifft man nimmer Land auf Land ab, der ist gar nicht tot zu machen,« lobte er sich und sein Instrument, strich liebkosend an dem alten Gehäuse herum, stellte es äußerst vorsichtig in eine Ecke, und wendete sich nun erst zu seinen Kameraden. »Was sagt er, der alte Aufschneider? Glaubt ihm doch nicht! Ich sage euch, ich war so nüchtern wie mein Baß!«

»Ei jawohl,« lachte der Hansaden. »Das kann zuletzt jeder von uns behaupten, denn ans Frühstück hatte keiner gedacht!«

Während sich's nun Hanshenner auf der Ofenbank bequem machte, eine Pfeife stopfte, heimlich lachend liebevolle Blicke auf seine Baßgeige richtete, fuhr Nikel fort: »ja, es war ein mühseliges Marschieren, und um das Unglück voll zu machen, hatte es die Nacht geregnet, Glatteis gesetzt, – Weg und Steg weit und breit war ein Spiegel! Gab viele Hinfälle, doch ging noch alles gut ab, weder Menschen noch Instrumente kamen zu Schaden. So hatten wir mit Ach und Krach den schlimmsten Teil des Weges überstanden, und der Hanshenner, der, ob ihm gleich der schwere Baß auf dem Rücken hing, bis jetzt der Einzige war, den noch kein Unfall betroffen, fing eben an, uns auszulachen, als wir uns 7 anschickten, nach Lindental hinabzusteigen. Ich sagte grade: ›Hanshenner, berede nichts! – Guck auf den Weg und nimm dich in acht!‹ – Da gab es einen argen Krach, und der Hanshenner samt dem Baß war verschwunden. ›Ach du lieber Gott, Hanshenner,‹ schrie der Wasserfuchs in tausend Ängsten, ›diesmal holt der Teufel den Baß!‹ – Eben kam aber der Hanshenner hinter einem Busch zum Vorschein und lachte: ›diesmal noch nicht, – vorderhand sitz ich drin!‹ Und so war's auch! Als wär der Baß ein Schlitten, sauste der Hanshenner, – hast du nicht gesehen, – im Baß die Höhe hinab, – er kam besser drunten an als wir alle!«

Hanshenners lustige Äuglein verschwanden fast hinter den lachenden Backen, und nach seinem Baß hinüberrückend schmunzelte er: »ja, 's war eine Mordgeschichte! – Dennoch brummt die alte Base wieder, als wäre nichts vorgefallen, und hat doch weder Schreiner noch Instrumentenmacher Hand an sie gelegt! – Ich sag's ja, nicht tot zu machen ist mein Baß!«

Als sich das Gelächter gelegt, meinte der mit seinem Werk zufriedene Wasserfuchs. »ja, 's ist überall so mit dem Altertum, bei Instrumenten, Geziefer und Leuten! Das hält aus! – Aber die neue Welt, – hm, – Da guckt nur den Schülzle an, steht er nicht da, als hätten die Hühner sein Kalb gebissen? – Daß dich der Geier, Bursch, schäme dich was! So dumm hätt sich keiner von uns in deinem Alter gestellt!«

»Es ist ihm zu wohl, ihr seht's doch?« schalt Hansaden, der eben seinen Posaunenzug einfettete. »Weil kein Unglück kommen will, macht er sich eins!«

»So red doch,« schrie der Mühljohann, während er seine frisch geleimte Violine leise anstrich. »Liegt wirklich was Ernstliches vor?«

»Braucht's noch was Besonderes?« fuhr nun auch der Schülzle auf. »Ist's nicht genug an den alten Geschichten?«

»Du, Paule, du weißt wirklich nicht, was dir fehlt,« sagte der Zimmerdick ernsthaft. »Was willst du doch? – Hast du ein Untädele an dem Mädle auszusetzen? – Nein! Ist sie dir untreu? – Du lieber Gott, ihr Leben ließe sie eher als dich! Ist sie dir nicht reich, nicht schön, nicht gescheit genug?«

»Das ist ja ein dummes Geschwätz,« unterbrach ihn Schülzle.

8 »So, und auf was trotzest du denn eigentlich?«

»Ei, so fragt auch,« rief Schülzle unmutig, »ihr wißt so gut als ich, wo mich der Schuh drückt. Was? Seit Jahren bin ich daheim mein eigener Herr, führe die Wirtschaft ganz allein, daß niemand etwas daran tadeln kann; ich halte auch meine Mutter in Ehren, und keinerlei Schande liegt auf mir, – und nun soll ich mir von dem Mädle und ihrem Alten Vorschriften machen lassen, mich schon vor der Hochzeit binden und knebeln lassen? – Oho, da hat's geschnappt! Bin ich ihnen als Musikant nicht gut genug, mir auch recht; setzen sie den Kopf auf, habe ich auch einen! Und, potz Blitz und Hagel, sie sollen einmal spüren, daß mir die Musik noch lieber ist, als sie alle miteinander!«

»Du, Schülzle, mach dich mit dem Maul nicht so groß,« sagte der Schneidershenner nachdenklich. »Hab gerade gedacht wie du, meinte auch, mein Kopf müsse zuletzt durchdringen, – bin aber bald anders belehrt worden, – heiliger Gott nochmal!«

»Ja, 's Freien hat allerwegen seinen Haken,« knurrte der Eckenpeter verdrießlich und betrachtete sehr zweifelhaft seine restaurierte Trompete. »Hab auch ein Haar drin gefunden und viel von meinen Gedanken bei der Gelegenheit fahren lassen müssen! Nur nicht grrrand getan!«

»Bin zwar selber Musikant,« mischte sich der Wasserfuchs wieder ins Gespräch, indem er näher trat, »aber nach dem, was vorliegt, kann ich's den Weibern so arg nicht verübeln, wenn sie die Musik nicht leiden wollen. Möcht selber keinen Musikanten zum Schwiegersohn!«

»Ja, leider Gottes, es ist ein liederliches Leben, das Musikantenleben,« seufzte der Hansaden. »Der Verdienst dabei wäre so übel nicht, obgleich er auch von Jahr zu Jahr geringer wird, – aber bei dem Geld ist weder Glück noch Segen. – So leicht's verdient ist, so leicht fliegt's davon!«

»Das ist mir aber doch ein widerwärtiges Gejed,« zankte der Bergkasper. »Musikanten wollt ihr sein? – Schämen solltet ihr euch vor eujen Instjumenten! – Jecht hast du, Schülzle! Halt nur die Ohjen steif und laß dich nicht jumkjiegen!«

»Das ist nun ein besonderer Ruhm für den Schülzle, wenn du ihn lobst, du Grünspecht,« zankte der Zimmerdick. »Will dir sagen, was ich von deinem Handel denk, Schülzle! Nimm's krumm 9 oder grad, – mir gleich! Nummer eins hat der Dammsbrücker Simesbauer ganz recht, wenn er verlangt, daß du das Spielen ganz läßt. Deine Güter sind zu groß, sie vertragen die Musikantenbummelei nicht. Vor allem aber bist du selbst nicht Kerls genug für einen Musikanten. Siehst du nicht immer aus wie Buttermilch beim Gewitter? Hast's vergessen, wie du uns schon zweimal durch deinen Bluthusten auf den Tod erschreckt hast?«

»Ich sag's ja: ich wollt weiter nichts, als ich wäre vierzehn Tage seine Mutter,« schrie der Wasserfuchs erbost. »Nach dem, was vorliegt, wollt ich ihm den Kopf bald zurechtsetzen!«

»Und ich wollte, sein Vater lebte noch,« sagte der Zimmerdick bekümmert. »Paul, Paul, – was würde der zu deinem Treiben sagen? – Sieh, zum ersten hat der Simesbauer ganz recht, wenn er verlangt, du sollst die Musik ganz aufgeben. Zum andern aber, hast du denn selber einmal vernünftig mit dem Alten geredet? Hast du ihm sanftmütig und bedächtig, wie es einem rechtschaffnen Burschen zukommt, Vorstellungen gemacht? – Nein! – Da hat man's. Und es kommt noch besser! Du beklagst dich über seine Barschheit, über sein hartes, grobes Wesen, und was du von ihm weißt, hast du erst aus dritter, vierter Hand. Pfui doch, auf Klatschen und Hetzen, auf Zuträgerei loser Leute hin läßt du dich gegen die Simesleute aufbringen? Stellst dich wild und ungebärdig, stößt selber wieder unüberlegte Reden vor den Leuten aus, damit ja das Klatschen in Ewigkeit kein End nimmt? – Schülzle, Schülzle, sieh wohl zu, was du tust!«

»Sei gescheit, Paule,« bat Hansaden. »Ein Mädle wie das Evebärble findest du nicht wieder!«

Der Bergkasper wollte dreinfallen, aber ein Blick des dicken Alten ließ ihn verstummen. »Ja, Paule, um deines Vaters willen, der mein bester Freund war, bitt ich dich herzlich, laß ab von deiner Tollheit! Denk doch, was kann zuletzt herauskommen als Jammer und Herzeleid hüben und drüben? – Nicht vergebens fragte ich, ob du in Mühldorf oder Dammsbrück spielen willst. Dem Evebärble wär's vielleicht lieb, du kämst mit nach Dammsbrück, aber um des Alten willen solltest du mit nach Mühldorf. Es könnte dem Faß den Boden ausstoßen, setztest du dich ihm so recht vor die Nase aufs Orchester. Sei gescheit, Paule, folge mir; mit dem Evebärble will ich selber reden!«

10 Mit ihren verschiedenen Vorbereitungen zu Ende, waren nun auch die übrigen Musikanten aufmerksam geworden, traten näher und blickten neugierig auf Schülzle. Dieser hatte sich halb abgewendet und kraute unmutig die Haare. Plötzlich fuhr er herum und schrie wild: »ich dank euch, Dicker. Ihr habt mir ein Licht aufgesteckt, jetzt weiß ich, was ich zu tun habe! – Grade um des Alten willen muß ich nach Dammsbrück; er soll einmal sehen, daß ich mich nicht ins Bockshorn jagen lasse!«

Die Musikanten waren erschrocken, nur der Bergkasper lärmte: »So ist's jeecht! – Laß dich nur nicht jumbjingen, bleib auf deinem Kopf! – Ich macht's gjad so!«

»Du wirst's auch weit bringen in der Welt,« sagte der Zimmerdick verächtlich; bekümmert wendete er sich dann an den Schülzle. »Ich kann dich nicht abhalten, du Tollkopf! Du bist dein eigner Herr! So renne denn mit dem Kopf wider die Wand, – vielleicht hat dennoch der Herrgott ein Einsehen und wendet deine Torheit zum Besten! – Jetzt zur Probe, wir haben nicht viel Zeit übrig!«

Da der Schneidersheiner endlich doch noch einige zusammengehörige Fetzen aus dem Papierwust herausgefunden, wurden die Stimmen verteilt, die Instrumente gestimmt, und die Probe begann. Ein Direktor existierte nicht, war auch nicht nötig. Jeder machte seine Sache, so gut er konnte, was wollte man mehr? Auf künstlerisch vollendete Leistungen war es nicht abgesehen; wenn es nur recht lärmte und schmetterte, wenn nur der Takt streng eingehalten wurde, dann war man schon zufrieden. Da lauter alte, längst bekannte Stücke vorgenommen wurden, sprach der Hanshenner nur eine große Wahrheit aus, als er nach einiger Zeit mit freudestrahlendem Gesicht und heimlichem Blinzeln auf seinen Baß behauptete: »das geht heint wie geschmiert! – Wie ein heiliges Donnerwetter saust's und braust's!« Diese Erklärung veranlaßte den Wasserfuchs, sein Mundstück abzuschrauben; während er das Wasser feierlich aus seinem Horn goß, sprach er selbstbewußt: »ja, was vorliegt, wird gemacht! Drum ist's auch genug probiert! Besser als wir's schon können, wird's doch nicht, und was vorliegt, das wird eben gemacht!«

»Hast recht, Langer,« lachte der dicke Alte, in dem es ein wenig wie Spott um seine lustigen, ehrlichen Augen zuckte. »Besser als wir's schon können, werden wir's wohl nimmer lernen, drum 11 mag's genug sein. Es wird auch Zeit, daß wir uns auf den Weg machen. – Holla, holla, – so laßt einen doch erst ausreden. In einer Viertelstunde kommen wir Dammsbrücker Spielleute droben am Bergbauernhof zusammen, – verstanden?«

Es blieb im Zweifel, ob er gehört worden. Lachend und lärmend stürmten die Musikanten ins Freie.

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