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Gekröntes Brustbild Christinas auf einer 6-Dukaten-Goldmünze aus dem Jahr 1644
Bildquelle: de.wikipedia.org

II.
Christina's Regierung.

Als Christina den Thron bestieg, herrschte überall Verwirrung und Kampf. Sie selbst schildert uns in wenigen treffenden Zügen den Charakter jener Zeit: »In dem Jahrhundert,« sagt sie, »in welchem wir leben, gibt es weder Krieg noch Frieden; alle Welt ist bewaffnet; man droht einander, man fürchtet sich wechselseitig. Niemand thut, was er möchte, noch was er könnte; man weiß nicht, wer gewonnen, noch wer verloren, allein man weiß nur zu gut, daß alle Welt in Furcht ist, ohne zu wissen, vor wem und warum.« Schweden hatte bei Christina's Regierungsantritt nur zu guten Grund zu vielfachen Besorgnissen: der protestantische Bund war zerfallen und überdies die schwedischen Waffen, außer den alten Feinden, noch in einen neuen dänischen Krieg verwickelt. Das Volk war im allgemeinen unwissend und roh, es verstümmelte sich freiwillig, um nicht zu dem ewigen Kriegsdienste gezwungen zu werden. Der Adel vermehrte von Tag zu Tag seine hohen Vorrechte. Befreiung von Steuern und Zöllen, Jagd und Fischereirecht und Alleinbesitz der einträglichsten Aemter gehörten zu seinen Privilegien. Der Bauernstand war arm und seufzte unter dem Drucke des Adels. Um seine Lage zu erleichtern, erregte er Aufstände und Unruhen. Die Staatskassen waren erschöpft, die Einkünfte gering und unsicher und der Credit der Krone gänzlich gesunken. Der Kostenaufwand für das Heer und die Besoldung der Reichsräthe waren auffallend groß. Künste und Wissenschaften standen auf einer niederen Stufe, und während Katholiken und Protestanten auf den Schlachtfeldern einander gegenüberstanden und die Franzosen ihr Geld treulos unter die Feinde ihres Glaubens ausstreuten, stritten auf den Lehrstühlen und Kanzeln lutherische und calvinische Theologen, in ihren Controversen einander verdammend. Unter diesen Umständen war es für die achtzehnjährige Königin nicht leicht, die Zügel der Regierung zu ergreifen und mit fester Hand zu lenken. Allein sie erkannte ihre große Aufgabe und suchte sie mit allem Eifer zu lösen. Hatte ihr Vater sich durch Kriegsruhm einen Namen erworben, so suchte sie ihren Ruhm darin, ihrem Reiche und Europa den ersehnten Frieden zu geben, ihr Volk durch einen neu belebten Wohlstand, durch Handel und Wandel, durch Gesittung und höhere Bildung und durch das Blühen von Kunst und Wissenschaften zu beglücken. Diesem Ziele strebte sie mit der männlichen, wahrhaft bewunderungswürdigen Energie ihres Charakters nach. Es war aber ein schwerer und harter Sieg; denn sie hatte dabei die Einsprüche ihres großen Meisters Oxenstierna zu überwinden. Er, der allmächtige Reichskanzler, wollte den Frieden nur um den höchsten Preis, und es ist ergreifend, zu sehen, wie dem gegenüber Christina nach ihrem Ziele strebte und durch ihre persönliche Bedeutung dem großen Staatsmanne vollkommen das Gleichgewicht hielt. Zunächst wünschte die Königin den Frieden mit Dänemark, gegen welches Schweden seit 1643 im Felde stand. Schon lange hatte die Feindschaft zwischen beiden Reichen einen hohen Grad angenommen und war durch die von Dänemark unterstützte Flucht der Königin-Mutter noch bedeutend gestiegen. Nun fingen die Dänen an, den Sundzoll ungemein zu erhöhen; selbst schwedische Schiffe, die früheren Verträgen gemäß zollfrei waren, wurden genau untersucht und sogar drei confiscirt. Das steigerte die Erbitterung aufs höchste, und als die Verhandlungen hierüber resultatlos blieben, rückte der schwedische Feldherr Leonhard Torstenson ohne Kriegserklärung ins feindliche Gebiet. Der Krieg war für Schweden ungemein glücklich und reich an Eroberungen. Da aber der Handel und andere Interessen durch denselben große Nachtheile erlitten, so legten sich Frankreich und Holland ins Mittel und suchten den Frieden herbeizuführen. Auch hatte der dänische Reichsrath schon früher Unterhandlungen angeboten, und da auch Christina diesem Frieden geneigt war, so begannen im Februar 1645 zu Brömsebro die Verhandlungen, welche der Reichskanzler selbst leitete. Die Königin ließ sich fortwährend über den Verlauf derselben Bericht erstatten und äußerte in den einzelnen Punkten mit großer Klarheit und Umsicht ihre Willensmeinung. Sie verlangte den Frieden nicht anders, als wenn er mit völliger Sicherheit verbunden wäre, anderseits sollten aber die Bedingungen nicht zu hoch gestellt werden. Als endlich die Dänen günstige Bedingungen angeboten, drang Christina ganz entschieden auf die Annahme derselben. Sie könne, schreibt sie, vor ihrem Gewissen, vor Gott und der Welt es nicht verantworten, wenn sie solche billige Vorschläge zurückweise; sie habe nicht einmal so große Vortheile erwartet und sei derselben Ansicht wie der Kanzler, daß man die Conjunkturen benutzen müsse, um sich einer so schlimmen Angelegenheit zu entledigen, bevor die bösen Anschläge der Nachbaren und Verbündeten reif würden; sie glaube wenigstens, daß der Kanzler gleicher Meinung sei; man müsse dem unbeständigen Glücke nicht zu viel vertrauen und den Feind nicht zur Verzweiflung bringen und dadurch einen zweifelhaften Ausgang veranlassen; sie danke Gott für das bisher verliehene Glück und demnächst ihm, dem Reichskanzler, dessen Eifer, Geschicklichkeit und Sorge sie an ihm und seinem Hause belohnen wolle. Noch sind diese in schwedischer Sprache verfaßten Schreiben der jungfräulichen Königin an den Kanzler in Brömsebro erhalten und gehören zu den schönsten Urkunden ihrer Geschichte, weil darin ein Geist weht, der in einer blutigen Zeit eine Sprache der Menschlichkeit spricht. Zugleich geben sie Zeugniß von ihrem politischen Scharfblicke, von ihrer Schonung und ihrem feinen Takte, womit sie in schwierigen Lagen zwischen streitenden Parteien ihre Meinung geltend zu machen verstand.

So war der Friede von Brömsebro die erste That, welche Christina's Regierung mit Glanz und Ruhm krönte. Allerdings gebührt ein Theil dieser Erfolge den ausgezeichneten Talenten und der unermüdlichen Thätigkeit Oxenstierna's. Die Königin zollte ihm auch die volle Anerkennung seiner Verdienste und ihre ausgezeichnete Hochachtung und Dankbarkeit. Sie erhob ihn in den Grafenstand und schenkte ihm beträchtliche Ländereien mit dem Titel einer Grafschaft; allein das Geschenk selbst macht ihr nicht so viele Ehre, als die schöne Rede, mit welcher sie dies in der Versammlung des Reichsrathes bekannt machte. Trotz dieser Gewogenheit, welche Christina gegen den Reichskanzler bezeigte, unterhielt sie doch bereits einiges Mißtrauen gegen ihn. Während der Minderjährigkeit Christina's hatte das Ansehen und die Macht des Adels sich bedeutend erweitert und die Macht des Reichsrathes eine sehr hohe Stufe erstiegen. In letzterem war das Haus Oxenstierna gleichsam das regierende Haus von Schweden geworden. Der Reichskanzler war die Seele von Allem und daheim wie im Auslande gefürchtet und geehrt. Leicht konnte man daher Christina überreden, er strebe nach der Herrschaft im Staate. Ein anderer Grund dieser Abneigung lag in den beiderseitigen Verhältnissen zu dem pfälzischen Hause. Der Reichskanzler war gegen dasselbe stets schroff und abstoßend gewesen; Christina aber war demselben in herzlicher Liebe zugethan. Von der Pfalzgräfin war sie erzogen und mit deren Kindern in vertrauten Verhältnissen aufgewachsen. Dazu kamen endlich die Mißhelligkeiten und verschiedene Anschauungen in Betreff des deutschen Krieges. Christina wünschte sehnlichst, denselben zu beendigen. So lange sie lebte, hatte sie keine Ruhe genossen. Unter dem Geräusche der Waffen war sie geboren und unter dem Donner der Kanonen aufgewachsen. Ihr Volk und ihre Mittel waren erschöpft; der innere Zustand Frankreich's, ihres Bundesgenossen, zeigte immer mehr Gährung. Die Last des Krieges konnte daher leicht dem schwedischen Volke allein aufgewälzt werden und eine einzige unglückliche Schlacht die Früchte jahrelanger Sorgen und Mühen vernichten. Ferner stand Schweden mit seinen Nachbarn Dänemark und Polen noch immer in zweideutigen Verhältnissen. Auch wünschte Christina den Künsten und Wissenschaften wieder so viel Zeit widmen zu können, wie sie in den Jugendjahren zu thun pflegte. Ihr schien es daher hinreichend, wenn sie einen ehrenvollen und einigermaßen vortheilhaften Frieden schließen könnte. Anders dachte aber ihr Minister. Er sah auf die großen Opfer, die sein Vaterland gebracht, und glaubte, allen möglichen Ersatz dafür erringen zu müssen. In diesem Sinne wirkte auch sein Sohn Johann, der sich als Friedensunterhändler in Osnabrück befand, während der zweite Bevollmächtigte, Joh. Adler Salvius, im Sinne Christina's thätig war. In Folge dieser ungleichen Gesinnung und der Schwierigkeit der Verhältnisse gingen die Verhandlungen langsam von statten. Die Königin war hierüber sehr unzufrieden, und da man ihr einflüsterte, der Reichskanzler suche den Frieden in die Länge zu ziehen, weil er nur bei der Fortdauer des Krieges seine Macht behaupten könne, auch gehe er damit um, eine Heirath zwischen ihr und seinem jüngsten Sohne Erich zu Stande zu bringen, so suchte sie das Haus Oxenstierna immer mehr in den Hintergrund zu drängen und sich dadurch gegen dasselbe eine sichere Stütze zu schaffen, daß sie andere Personen zu Ehren beförderte. Dazu gehörte vor Allen der Graf Magnus de la Gardie, das ihr verwandte pfälzische Haus, der Adler Salvius und Chanut, der französische Gesandte zu Stockholm. Durch diese Anhänger, wie auch durch ihre ausgezeichneten Eigenschaften gewann sie bald entschiedenes Ansehen im Reichsrathe. »Es ist unglaublich,« schrieb Chanut an den französischen Hof, »welche Macht Christina im Rathe behauptet. Sie verbindet mit königlicher Würde Huld, Ansehen, Wohlthun und die Gewalt der Ueberredung, so daß die Reichsräthe sich selbst über den Einfluß wundern, den sie während der Versammlung für ihre Ansicht ausübt.« Ebenso stieg bei ihren Unterthanen immer mehr ihre Hochachtung. Auf dem Reichstage im Anfange des Jahres 1647 sprach sie mit bewunderungswürdiger Anmuth und Festigkeit; sie beherrschte die Versammlung so vollkommen, daß sie ihren Willen gänzlich durchsetzte, und die Versammlung unter den deutlichsten Bezeugungen der Ehrfurcht für die junge Königin auseinanderging, obgleich man sich vorgenommen hatte, eine Opposition gegen sie zu bilden.

Dieses Ansehen behauptete Christina auch bei der Abschließung des westfälischen Friedens. Voll Sehnsucht nach dem Frieden und erbittert über die langsamen Verhandlungen schrieb sie an ihre Gesandten einen Brief voll ernster Mahnungen, den Frieden möglichst bald herzustellen und die Sache nicht, wie bisher, in die Länge zu schieben. »Lassen Sie sich von diesem Ziele nicht abwenden durch die Einbildungen einiger ehrgeizigen Personen, wenn Sie nicht meine äußerste Ungnade sich zuziehen und mir mit Erbleichen und Erröthen zur Rechenschaft stehen wollen. Sie können darauf rechnen, daß dann weder Ansehen noch Unterstützung großer Familien mich hindern werden, der ganzen Welt den Verdruß zu zeigen, den ich über unvernünftiges Verfahren empfinde. Denn ich bin völlig überzeugt, daß, wenn es mit dem Tractate schlecht geht, ich durch Ihre Schuld in ein Labyrinth gerathen werde, aus dem weder Sie, noch der Verstand derer, die solche Pläne schmieden, mich herausziehen würden. Daher sehen Sie sich wohl vor. Ich zweifle nicht, daß Sie es thun werden, und ich schreibe Ihnen dies nur zur Nachricht, indem ich auf Ihr vorsichtiges Benehmen gnädigst vertraue, so daß ich mit Gottes Beistand einen glücklichen Abschluß des so lang ersehnten Friedens erwarte. Wenn Sie mir auch fernerhin, wie bisher, Beweise von Ihrer Treue geben, so können Sie versichert sein, daß Sie bei Ihrer Zurückkunft mich beide und stets finden werden als Ihre wohlgeneigte – Christina.« – Dieser Brief sollte eigentlich nur Joh. Oxenstierna gelten, wie sie dem Hofkanzler Salvius in einem besonderen Schreiben mittheilte, indem sie von ihm nur Gutes glaubte. Der Reichskanzler empfand über die Vorwürfe, welche die Königin seinem Sohne machte, einen lebhaften Verdruß und bat um seine Entlassung aus dem Amte. Christina ertheilte ihm dieselbe; allein da der Reichsrath ihr vorstellte, Oxenstierna sei bei den Friedensverhandlungen unentbehrlich, so ersuchte sie ihn wieder, in ihrem Dienste zu bleiben. Die Einigkeit wurde wieder hergestellt; im Verlaufe des Gespräches mit dem Kanzler erklärte sich Christina offenherzig über die Ursachen ihres bisherigen Mißvergnügens und drang namentlich auf die Verheirathung seines Sohnes Erich, damit das Gerücht einer Verbindung mit ihr zum Schweigen gebracht werde.

Aber nicht nur die Mißhelligkeiten unter den schwedischen Gesandten, sondern auch die der französischen Gesandten verzögerten den Friedensabschluß bedeutend. Eine Schwierigkeit folgte auf die andere und wegen erbärmlicher Ursachen zerschlugen sich manche Versuche, dem erschöpften Europa den Frieden zu geben. Auch hier griff Christina vermittelnd ein. Sie bestand zwar darauf, daß man den Franzosen, ihren Bundesgenossen, die gebührende Genugthuung nicht versage, aber sie ermahnte dieselben auch dringend, daß sie ihre Forderungen nicht zu hoch stellten und diejenigen, welche von weniger Bedeutung seien, gänzlich fallen ließen.

Je eifriger die Königin den Abschluß des Friedens betrieben hatte, desto größer war ihre Freude, als sie die Nachricht von dessen wirklichen Unterzeichnung erhielt. Dem Courier, der die Friedensbotschaft überbrachte, schenkte sie eine goldene Kette im Werthe von 600 Dukaten, und dem Gesandtschafts-Sekretär, der mit dem Friedens-Instrument kam, außer anderen Geschenken das Adels-Diplom. Ihren Günstling Salvius erhob sie aus Dankbarkeit zum Range eines Reichsrathes. »Wenn man guten Rath und weise Entschließungen bedarf,« sagte sie in der Reichsversammlung, »so fragt man nicht nach den sechszehn Ahnen, sondern nach dem, was zu leisten ist. Salvius würde ohne Zweifel ein fähiger Mensch sein, wenn er von großer Familie wäre. Indessen kann er es für einen Vorzug ansehen, daß man ihm nichts anderes vorzuwerfen hat. Es liegt mir daran, fähige Männer zu haben. Wenn die Kinder von Familie Fähigkeiten besitzen, so werden sie ihr Glück machen, wie die anderen; doch will man sich nicht an eine kleine Anzahl von Familien oder Personen binden.« Ferner ließ die Königin ein Dankfest in den Kirchen feiern, Bälle und mancherlei Feste geben. Indessen war die Freude über den Frieden in Schweden doch nicht allgemein; manche glaubten, er sei sehr übereilt, man habe bessere Bedingungen erlangen können. Es sei unverantwortlich, daß Schweden die Glaubensfreiheit in den kaiserlichen Erblanden nicht ausgewirkt habe. Als man ihr sogar ins Gesicht sagte, der Friede werde nicht von Dauer sein, antwortete sie: Sie wisse wohl, daß es auf der Welt keinen ewigen Frieden gebe; aber dieselbe Vorsehung, welche die Freiheit Deutschlands durch die Waffen der benachbarten Könige hergestellt habe, werde ihnen auch beistehen, sie zu erhalten. Wenn Schweden auch größere Vortheile erhalten konnte, so waren die gewonnenen doch nicht gering. Durch die Besitzungen, welche es erhielt, sowie durch den Eintritt in die deutschen Verhältnisse im Fürstenrathe gewann es so bedeutend, daß es sich zum Range einer der ersten Mächte Europa's aufschwang, den es über ein halbes Jahrhundert behauptet hat. Anderseits hatte es den Protestanten die Glaubensfreiheit mit Ausnahme in den österreichischen Erblanden erkämpft und sie so in Deutschland eigentlich zur Mündigkeit gebracht.

Auf den Abschluß des Friedens folgte auch bald die Vollziehung desselben. Zur Ausgleichung der noch vorhandenen Streitpunkte kamen der kaiserliche General Piccolomini und der schwedische Oberbefehlshaber Karl Gustav in Nürnberg zusammen. Aber die Verhandlungen stießen wieder auf viele Schwierigkeiten, so daß Christina fürchtete, es möchte ein neuer Krieg ausbrechen. Sie schrieb daher an Karl Gustav und legte ihm den Frieden dringend ans Herz, damit sie nicht länger in Furcht zu leben brauche und die christliche Welt nicht länger der ersehnten und nothwendigen Ruhe entbehre. So wurde in Folge von Christina's Sorgfalt und Entschiedenheit im Jahre 1650 die äußere Ruhe vollständig hergestellt. Die Freude darüber war allgemein und die Abgesandten des römisch-deutschen Reiches erließen an die Königin ein Glückwunschschreiben, worin sie den herzlichsten Dank für ihre Bemühungen am allgemeinen Frieden und ihre Nachgiebigkeit und Humanität aufs ehrenvollste aussprachen.

Bevor wir die glorreiche und glückliche Regierung der Königin Christina weiter verfolgen, müssen wir uns kurz mit ihren Anschauungen und Regierungsmaximen bekannt machen. Neben der größten Entschiedenheit in ihrer Gesinnung, neben einer ungemeinen Festigkeit und Beharrlichkeit in ihren Plänen, wie wir sie bisher an Christina bewundert haben, besaß sie bis zu einem hohen Grade Beherrschung ihres lebhaften Geistes, um Gedanken, denen sie Jahre lang unermüdet nachhing, so geheim zu halten, daß kein Wort, keine Miene sie verrieth. Schon jene dänischen Briefe geben davon Zeugniß; während sie in der That für den Frieden war, stellte sie sich der Form nach auf Seite des Kanzlers. Ebenso schrieb sie bei dem westfälischen Friedenscongreß an Salvius: »Ich kenne die Art der Franzosen und weiß, daß der wesentlichste Theil ihrer Sitten in Complimenten besteht. Aber durch Höflichkeit verliert man nichts und man bezahlt sie mit der gleichen Münze, womit sie andere bezahlen.« Und so finden sich unter ihren Regierungsmaximen folgende Grundsätze: »Sich zum Meister seiner Zunge und seines Gesichtes zu machen, daß sie nie die Geheimnisse des Herzens verrathen, dies ist eine Kunst, die man wissen muß. Man ist wohl verpflichtet, die Wahrheit zu sagen, aber nicht alle Wahrheiten.« Auch andere Grundsätze finden sich darunter, die, wenn auch später aufgeschrieben, ihr doch schon frühe, weil sie in ihrem ganzen geistigen Charakter wurzeln, zur Richtschnur dienten. So sagt sie: »Man muß sich ein würdiges Ziel vorsetzen, ohne es aus dem Auge zu verlieren. Menschen, die sich leicht selbst genügen, leisten wenig Erhebliches. Man muß die großen Urbilder der vorigen Zeit zu seinem Muster erwählen; man muß Tag und Nacht wirksam sein, sich hundert Arbeiten und hundert Gefahren aussetzen, und so Tod und Leben für nichts achten: allein durch diese Arbeit muß man nur Gott und sich selbst genug zu thun suchen, ohne etwas weiter zu verlangen. Das einzige Geheimniß, damit ein Fürst nicht von seiner Umgebung beherrscht werde, besteht darin, wenig zu glauben und viel zu arbeiten. Große Fürsten sind gute Minister. Auf die Menschen kann man sich selten verlassen, sehr oft aber auf ihr Interesse. Das Interesse ist ein Gott, den gar Viele nicht kennen, obschon sie ihm Alles opfern. Wenn große Männer ohne Amt sind, so ist dieses ein Unglück für den Staat, nicht für sie.«

Auch ihrer großmüthigen Milde begegnen wir in diesen Grundsätzen: »Einen entwaffneten Feind ziemt es sich zu umarmen. Man muß nur diejenigen strafen, die man nicht bessern kann. Man muß weder im Zorne strafen, noch in der Freude belohnen. Fürsten sollen als Fürsten und nicht als Henker strafen. Grausamkeit entspringt einer niederen und feigen Seele. Edle Seelen empfinden beinahe eben so großen Schmerz über den Tod eines Feindes, wie über den eines Freundes.«

Zu gleicher Zeit tritt uns auch ihr heroischer Geist entgegen: »Furcht und niederer Sinn gewinnen nichts als Schande und Verachtung. Wer des Muthes ermangelt, wird nie etwas Tüchtiges leisten. Wer nichts fürchtet, macht Alles zittern. Tapferkeit gewährt größere Sicherheit, als Feigheit. Die Wahrheit beleidigt nur Schwächlinge und Thoren. Im Glücke zeige Klugheit und Herablassung, im Unglück Klugheit und Selbstgefühl. Kraft und Muth lügen nie. Schwäche und Unwissenheit machen die Menschen zu Feinden der Wahrheit. Die Gerechtigkeit und Wahrheit muß man wie sein Leben lieben. Schwäche ist das größte Unglück und der größte Fehler. Unser Gleichmuth, unsere Geduld sei eine heroische, keine stupide. Ziert die auf dem Throne Geborenen ein großes Herz und eine große Seele, so sind sie zweifach König. Ohne ein königliches Herz ist man auch kein König. Dienste und Wohlthaten muß man mit Wucher vergüten. Fürsten dürfen nichts abschlagen als solche Bitten, die unmöglich zu erfüllen und unbillig sind. Man muß seine Schuldigkeit beobachten, es mag gleich kosten, was es wolle. So beschäftigt ein Fürst sein mag, er muß sich doch täglich einige Stunden der Einsamkeit vorbehalten; diese Stunden muß er anwenden, über sein Betragen nachzudenken, sich von seinen Fehlern zu heilen, und Gott, ohne den man nichts Gutes thun kann, um Gnade und Kraft zu bitten. Es ist Pflicht eines Fürsten, einige Augenblicke seiner Zeit dem Lesen guter Bücher zu widmen: diese Augenblicke sind für das gemeine Wesen nicht verloren, denn sie bessern und unterrichten ihn. Man muß diese Augenblicke seinem Schlaf, seinen Mahlzeiten, seinen Belustigungen, seinem Vergnügen abzubrechen wissen, nicht aber seinen Geschäften oder seiner Pflicht. Kunst und Wissenschaft erblühen zu machen, ist das Amt der Fürsten. Und so gütig soll sich gegen alle Welt ein Fürst erweisen, daß jeder sich überzeuge, es sei sein Glück, ihm unterthan zu sein. Fürsten sind reich, wenn es ihre Unterthanen sind. Völker und Reiche glücklich machen, das heißt Ruhm erwerben. Die Erziehung der Jugend sollte eine von den Hauptsorgen eines Fürsten sein; davon hängt der Wohlstand, das Glück und der Ruhm eines Staates ab.«

Eine Königin von solchen Anschauungen und Eigenschaften mußte nothwendig zum Glücke ihres Volkes regieren. Mit welchem Eifer sie dieses Ziel verfolgt und in welchem Maße sie es erreicht hat, wird uns das Folgende zeigen. Nachdem die Kriege, in welche Schweden verwickelt war, beigelegt waren, suchte Christina mit den Nachbarmächten in freundschaftliches Verhältniß zu treten. Für Frankreich hatte sie stets große Neigung, da sie von dessen Verbindung die meiste Unterstützung und die Aufrechthaltung des Friedens erwartete. Anderseits war dieses Verhältniß auch für Frankreich wichtig und die französischen Minister unterließen nichts, sich Christina's Zuneigung zu erhalten. Sie arbeiteten besonders dahin, mit Schweden ein förmliches Bündniß zu schließen. Allein die Königin wich demselben aus mehreren Gründen beständig aus und der Reichskanzler war darin mit ihr einverstanden. Frankreich konnte das aber nicht verschmerzen und sein Unmuth stieg in dem Grade, als Christina sich auch Spanien und England freundlich zeigte. Es war die größte Behutsamkeit nothwendig. Während die Königin nicht abließ, Frankreich durch Artigkeit und Gefälligkeiten sich geneigt zu erhalten, unterließ sie es aber auch nicht, Spanien für sich zu gewinnen, einmal wegen der engen Verbindung Spanien's mit dem römisch-deutschen Kaiser, sodann wegen der Vortheile, welche Schweden aus dem Handel mit Spanien zog. So schloß sie 1651 mit Spanien einen Handelsvertrag, welcher Schweden große Vortheile brachte. Einem Bündnisse mit Spanien und England gegen Holland und Dänemark zum Nachtheile Frankreichs wich sie aber geschickt aus, um Frankreich nicht noch mehr zur Abneigung und Eifersucht zu entflammen.

Einen gleichen vortheilhaften Vertrag schloß sie 1654 mit England. Die Hauptabsicht der Vereinigung war die Erhaltung der Handels- und der Schifffahrtsfreiheit in den europäischen Meeren.

Mit Portugal hatte sie schon 1641 ein Handelsbündniß geschlossen. Ein Defensiv-Bündniß zu gegenseitiger Hilfeleistung, welches der König ihr 1647 anbot, kam nicht zu Stande. Jedoch blieb das gegenseitige Verhältniß ein freundschaftliches, bis 1654 Christina auffallender Weise, wahrscheinlich aus Gefälligkeit gegen Spanien, erklärte, sie halte den Herzog von Braganza für einen unwürdigen Usurpator; Portugal gehöre dem Könige Philipp IV. und seinem Nachfolger.

Mit Polen, welches immer feindlich gestimmt war und seit 1635 mit Schweden einen Waffenstillstand hatte, suchte Christina einen förmlichen Frieden zu schließen. Es kam auch endlich durch französische Vermittlung ein Congreß 1651 zu Lübeck zu Stande, aber auch Joh. Casimir konnte nicht wie sein Vorgänger der thörichten Hoffnung entsagen, verlorene Rechte auf Schweden geltend zu machen. Die Verhandlungen zerschlugen sich dieses Mal, wie auch auf einem zweiten Congresse im Jahre 1652.

Ebenso wenig Glück hatte sie, ein gutes Einverständniß mit Dänemark und Holland zu schaffen, während sie mit dem römisch-deutschen Kaiser, dessen Sohn sie den Fürsten zum Thronfolger empfahl, sowie mit Brandenburg in ein freundschaftliches Verhältniß trat.

So hatte Christina überall den Frieden geschaffen und ihre Aeußerung: sie wünsche den Frieden unter allen Fürsten der Christenheit, auch durch die That bekräftigt.

Aber auch für das Innere ihres Reiches wirkte Christina mit Eifer und Sorgfalt. Nach Beendigung des deutschen Krieges machte sie eine Reise durch das Land, um sich ihren Unterthanen zu zeigen und ihre Liebe zu gewinnen. Ueberall auf ihrem Wege empfing sie ihre Bitten und hörte ihre Beschwerden. Sie wollte überall helfen und eine Landesmutter für Alle sein.

Was zuerst das Verhältniß der Stände betrifft, so hat man Christina vorgeworfen, den Adel zu sehr begünstigt zu haben. Allein ihr Thun und Handeln zeigt das gerade Gegentheil. Als der Adel 1649 die Bitte aussprach, die Königin möchte Adelige an der königlichen Hof-Kanzlei anstellen, erhielt er zur Antwort, sie werde gerne adelige Personen zu den passenden Aemtern befördern, wenn sie tüchtige Studien gemacht und von niedern Stufen zu höheren aufsteigen wollten; da übrigens Dienste und Aemter kein Erbgut seien, so wolle die Königin sich dieselben vorbehalten; verdiente Personen würden stets bei ihr in gutem Andenken bleiben. In derselben Absicht, um nämlich die Macht des alten Adels zu schwächen, erhob sie viele Bürgerliche in den Adelstand, wobei sie freilich das Maß überschritten hat: dahingegen machte sie auch manche Adelige zu Freiherren und Grafen. So gern sie bereit war, dem Adel manche Vergünstigungen zu gewähren und seine rechtmäßig erworbenen Privilegien zu schützen, so suchte sie aber auch anderseits die übrigen Stände gegen seine Anmaßungen sicher zu stellen. Da sich in der Urkunde, in welcher die Rechte des Adels bestätigt waren, der Ausdruck fand, daß die fünf höchsten Aemter keinem Wanbyrding, d. i. keinem schlecht Geborenen, ertheilt werden sollten und die neu geadelten Familien, sowie die übrigen Stände dies auf sich bezogen, so erklärte die Königin diesen Ausdruck in einer besonderen Verordnung. Unter einem Wanbyrding, sagt sie, solle nur der verstanden werden, welcher seine Familie und Herkunft durch Schlechtigkeit entehre, sei er vom Adel oder nicht; wer aber tugendhaft sei und seinem Vaterland gute Dienste leiste, möge er vom Bürgerstande, von der Geistlichkeit oder vom Adel herstammen, solle von keiner Ehrenstelle im Reiche ausgeschlossen sein. Ferner erließ sie mehrere Verordnungen zu Gunsten des Bauernstandes. Durch den Verkauf und die Verschenkungen der Krongüter war die Lage der zinspflichtigen Bauern besonders schlimm geworden. Sie wurden von den Adeligen mit drückenden Auflagen belegt oder gar vertrieben. Christina bestimmte daher, daß die Bauern ihren Herren nur die Abgaben leisten sollten, die sie früher der Krone entrichtet hätten; sie verbot jede Erhöhung der Leistungen und warnte ernstlich vor Unbilden.

Was ferner die Lasten der gesammten Unterthanen angeht, ein Punkt, der das Glück und die Zufriedenheit derselben bedingt, so war dieser Zustand allerdings nicht erfreulich. Nicht bloß unter ihrem Vater und in den folgenden 16 Jahren des dreißigjährigen Krieges hatten die Stände große Abgaben entrichtet, sondern auch während Christina's Regierung bedeutende außerordentliche Steuern und Aushebungen bewilligt. Dazu kam mehrmals Mißwachs, so daß namentlich die Bauern sehr gedrückt waren. Die Königin half, wo sie konnte. Sie gebot Pommern, Bremen, Ingermann- und Livland so viel Korn als möglich nach Schweden einzuführen und gab den Zoll und den Zehnten für das ganze folgende Jahr frei. Um dem Getreidemangel und der Theuerung für die Zukunft vorzubeugen, legte sie 1651 dem Ständeausschusse einen Plan zur Errichtung eines Kornhauses vor. In demselben Jahre gab sie eine allgemeine Fuhr- und Gasthaus-Ordnung, für deren vortreffliche Abfassung der Ausschuß der Stände ihr verbindlichst dankte.

Die schlimmste Seite an dem Zustande des schwedischen Reiches war die schlechte Lage der Finanzen. Die dürftigen Hilfsquellen und die geringen Einkünfte Schwedens, noch vermindert durch schlechte Verwaltung, standen im grellen Contraste zu den hohen Ausgaben des Staates, welche theils der Krieg, theils die übermäßige Besoldung der Beamten erforderte. Die Mittel, welche man gegen die Geldnoth ergriff: Verkaufung, Verpfändung und Verschenkung der Krongüter, halfen nur für den Augenblick, erhöhten aber das Elend für die Zukunft. Diese Ursachen der Verarmung dauerten unter Christina's Regierung fort: auch nach Abschluß des westfälischen Friedens mußten noch fast zwei Jahre die schwedischen Heere zur Vollziehung desselben in Deutschland unterhalten werden. Dazu kam der Kostenaufwand, welchen die königliche Hofhaltung verursachte. So einfach Christina lebte, so mußte sie sich doch mit einem Glanze umgeben, der gegen die politische Bedeutung des Reiches nicht zu auffallend abstach; die vielen Fremden, Fürsten und Gesandten, welche den schwedischen Hof besuchten, die verschiedenen Congresse und die Gesandtschaften bei den europäischen Mächten machten große Kosten. Ueberdies veranlaßte das Streben, verdienten Männern sich erkenntlich zu beweisen, Christina ebenfalls zur Verschenkung mancher Krongüter, während sie anderseits einen großen Theil von den fünf Millionen, welche Schweden dem westfälischen Frieden gemäß erhalten sollte, in ihrer Güte nachließ. Aber deshalb die schlimmen finanziellen Verhältnisse Schweden's der Königin allein zuzuschreiben, wie es in vielen Geschichtsbüchern geschieht, ist höchst ungerecht, indem man ihr selbst aufbürdet, was unter ihrem Namen, den die Regierung trug, Andere verschuldet haben. Die Veräußerung der Krongüter und überhaupt das Elend der Finanzen fällt in hohem Grade der Regentschaft unter Christina's Minderjährigkeit und vorzüglich Oxenstierna zur Last. »Christina hat,« sagt Rühs, »die letzten Monate abgerechnet, die Regierung mit Würde und auch nicht ohne Weisheit geführt: nur in einzelnen Fällen kann ihr Betragen getadelt werden: die ungeheuere Verwirrung in der Staatsverwaltung und in den Finanzen kommt nur zum Theil auf ihre Rechnung: der Grund dazu war unter der Vormundschaft gelegt, und wie war zu erwarten, daß sie diesen Mängeln abhelfen sollte? Was sie an Geschenken, Belohnungen, Büchern, Kunstsachen, Festen u. dgl. verschwendete, ward auf der anderen Seite durch die spartanische Einfachheit ihrer Lebensweise erspart.« Außerdem hat die Königin auch nicht versäumt, mancherlei Maßregeln zur Regulirung und Verbesserung der Finanzen zu ergreifen. Zu dem Zwecke schloß sie mit verschiedenen Ländern vortheilhafte Handelsverträge und ertheilte zu Gunsten des Handels manche Privilegien. Um den Schiffbau zu befördern, bewilligte sie den von Inländern gebauten Schiffen geringere Abgaben, als den fremden, und Vortheile im Salzhandel. Besondere Sorgfalt legte sie auf den Bau von guten Landstraßen und auf die Errichtung zweckmäßiger Gasthäuser. Zur bessern Regulirung des Postwesens setzte Christina einen Reichsrath als General-Reichs-Postmeister ein.

Gleich eifrig beförderte die Königin das Gewerbs- und Fabrikwesen. Sie verbot den Lehrlingen und Gesellen, vor Ablauf der Lehrjahre zu entlaufen und in Anderer Dienste zu treten. Sie ertheilte 1649 Karl Gustav den Auftrag, in Deutschland eine Anzahl Handwerker, besonders Leineweber, Schmiede und Metallarbeiter, anzuwerben, die in Schweden den Gewerbefleiß heben sollten. Auch dem Landbau wandte sie große Aufmerksamkeit zu und sorgte besonders für die Erhaltung der Wälder. Für die Bearbeitung der Bergwerke und der damit verbundenen Gewerbe wurden neue Instruktionen gegeben und viele Privilegien und Vortheile gewährt.

Was das Justizwesen angeht, so traf sie auch hier viele Verbesserungen; namentlich suchte sie die Justiz im ganzen Lande gleichförmig zu machen, da ja eben aus der Ungleichheit viele Unordnungen entstehen mußten. Hexenprozesse, welche unter Gustav Adolf noch sehr häufig waren, kommen unter Christina's Regierung nicht mehr vor. Sie befahl einem Gerichte in ihren deutschen Provinzen, alle fernere Inquisition und Prozesse in dem Hexenwesen einzustellen, weil am Tage sei, daß man sich in dergleichen Sachen je länger, je mehr vertiefe und in ein nicht zu entwickelndes Labyrinth gerathe.

Die Zeitgenossen heben besonders Christina's Gerechtigkeitsliebe hervor und sagen: sie sei gleich groß in strenger Befolgung der Gesetze und in Milde und Wohlwollen, wo die Gesetze sie gestatteten; Ansehen der Person und Familie, Reichthum und persönliche Verhältnisse hätten den Lauf ihrer unparteiischen Gerechtigkeit nie gehemmt, so herzliche Theilnahme sie dem Schuldigen gewidmet.

Auch in kirchlicher Beziehung zeigte sich Christina als Landesmutter und Fürstin. Sie gab verschiedene Verordnungen für Erziehungs- und Waisenhäuser, Schulen und Universitäten. Sie ließ mehrere Kirchen erbauen und für die Prediger Wohnungen herrichten. Den Prediger-Witwen wurden Unterstützungen zugesagt, und die Geistlichkeit überhaupt in ihren Rechten und Besitzungen geschützt. Im übrigen war sie im Confessionellen sehr duldsam, und wenn sie auch, durch die orthodoxen Prediger genöthigt, einige Bestimmungen gegen die Katholiken und Calvinisten erließ, z. B. daß sie nicht zu Aemtern gelassen, nicht als Zeugen bei Taufen und Beerdigungen genommen würden, so waren dieselben doch sehr gemäßigt, und sie persönlich den Katholiken stets günstig gesinnt.

Selbst auf das Privatleben erstreckte sich Christina's Einfluß. Schon 1644 gab sie ein strenges Gesetz gegen den damals übergroßen Aufwand des Adels in Kleidern und Gastereien. Im Jahre 1649 legte sie den Ständen Bestimmungen vor über dieselben Gegenstände, über Abschaffung der Duelle, über Errichtung von Findel- und Zuchthäusern und über Bevormundung der Waisen. Ferner wirkte sie gegen Bettelei und Landstreicherei und befahl, daß jedes Kirchspiel seine Armen und Krüppel selbst unterhalten sollte.

Aus der einfachen Uebersicht dieser Thatsachen ergibt sich, wie Christina mit ernstem Willen und regem Eifer für das Wohl ihres Volkes gearbeitet und unendlich viel Gutes gewirkt hat. Allerdings hatten sowohl an der äußern als innern Verwaltung die Minister großen Antheil, allein es wäre höchst ungerecht, der Königin ihren Theil zu entziehen. Ihre Regierung charakterisirt große Selbständigkeit, und außerordentliche Thätigkeit, selbst durch Krankheit nicht unterbrochen, wird ihr von Allen zugestanden. Daß aber trotzdem noch Manches zu wünschen übrig blieb, gesteht Christina selbst mit der ihr eigenen Bescheidenheit: »Ich bekenne, schlecht regiert zu haben, und wenn ich so glücklich gewesen bin, meine Unterthanen zu befriedigen, so war ich nicht so glücklich, mich selbst zu befriedigen.« Zugleich erweist sich durch diese Uebersicht die Beschuldigung als sehr ungerecht, daß Christina in der letzten Zeit die Geschäfte vernachlässigt und sich gänzlich den Vergnügungen hingegeben habe. Freilich konnte sie in den letzten Monaten ihrer Regierung den Staatsgeschäften nicht denselben Eifer und dieselbe Zeit widmen, wie früher, da sie außer dem bunten Getreibe an ihrem Hofe, welches sie in Anspruch nahm, auch mit ihrer Thronentsagung und ihrer Religionsveränderung unablässig beschäftigt war. Die geheimen Conferenzen mit den Jesuiten und die diesbezüglichen Verhandlungen mit Rom, Spanien und Frankreich waren fortwährend ihre angelegentlichsten Sorgen.

Die umfassenden Regierungsgeschäfte, denen Christina sich mit Eifer hingab, waren indessen nicht im Stande, eine Aenderung ihres Privatlebens hervorzubringen und sie von den Wissenschaften und Studien abzuhalten. Vom frühesten Morgen bis tief in die Nacht widmete sie alle freie Zeit dem Studium, und die Bitten, sich, da sie ohnehin häufig kränkelte, zu schonen, ließ sie unerhört. Sie glaubte, daß sie auch aus Rücksicht auf den Staat dazu verpflichtet sei, denn sie würde sich wenig aus dem Studium machen, sagte sie, wenn die Menschen dadurch nur gelehrter, nicht aber besser und tüchtiger würden. Sie las viel und äußerte gegen Freinsheim, den sie von der Universität Upsala als ihren Bibliothekar berufen: »Ich verwende gern meine Zeit auf das Lesen trefflicher Bücher; denn von meinem eigenen Leben geht mir dadurch nichts verloren und von dem Leben Anderer kommt mir viel zu Gute, wenn ich ihre herrlichen Thaten, Aussprüche und Rathschläge betrachte, sie leihen mir dann ihr Leben.« Sie hatte sich hierin, wie auch in der Freigebigkeit gegen die Gelehrten und Künstler, den großen Alexander zum Vorbild genommen, der trotz der genauen Erfüllung seiner Standespflichten »sich mit dem Lesen guter Bücher fast ebenso stark beschäftigte, als Jemand, der sonst nichts zu thun hat«. Ihre Studien bezogen sich hauptsächlich auf Theologie, Philosophie und klassisches Alterthum. »Sie ist sehr religiös,« sagt Freinsheim, »und hegt für das Christenthum die höchste Verehrung, wie ihr ganzes Leben, ihre täglichen Gebete, das häufige Anhören, Lesen und Nachdenken über Gottes Wort und die fortwährenden Gespräche über diesen Gegenstand beweisen und jeder von uns weiß.« Sie hatte die meisten Kirchenväter gelesen und liebte vor allen Gregor von Nazianz. Ihre Kenntnisse in den Sprachen und in der Literatur waren erstaunlich. Das Schwedische und Deutsche, worin sie die gesammte Literatur kannte, rechnete sie nicht einmal zu ihren Studien. Die holländische und französische Sprache verstand sie so vollkommen, daß man einen Holländer oder Franzosen zu hören glaubte. Die Frau von Motteville, Hofdame der Königin von Frankreich, sagt, die Briefe, welche Christina damals an die königlichen Personen und die Minister in Frankreich geschrieben, seien dort bewundert worden wegen der geistreichen Gedanken, der Schönheit des Stils und der Leichtigkeit im französischen Ausdrucke. In der lateinischen Literatur hatte sie die vorzüglichsten Schriftsteller mit so viel Sorgfalt und Verständniß gelesen, daß die schönsten Gedanken aus denselben ihr gegenwärtig, Seneca aber, Sallust, Cäsar, Livius und Tacitus ihr ebenso leicht verständlich waren, wie ausgezeichneten Gelehrten. Ebenso las sie auch das Griechische mit großer Leichtigkeit, war mit Plato ganz vertraut und liebte vorzüglich Sophokles und Euripides. Die Gelehrten ihrer Zeit wissen nicht Worte genug zu finden, um Christina's Gelehrsamkeit und edle Eigenschaften zu preisen. In dem Briefe, in welchem Freinsheim den in der griechischen Sprache ausgezeichneten I. Vossius auf Geheiß der Königin nach Schweden einladet, erhebt er ihre edle Gesinnung, ihr reifes und richtiges Urtheil und ihren Geist, ihre Gelehrsamkeit und große Freigebigkeit mit den höchsten Lobsprüchen; obgleich er schon länger als ein Jahr mit ihr umgehe, sagt er, so entdecke er doch täglich neue Ursachen, ihren Geist und ihr Gemüth zu bewundern; zugleich ersucht er ihn, drei Exemplare des kürzlich erschienenen Antoninus Philosophus (röm. Kaiser von 161-180) mitzubringen, mit dem Zusatze: »Sie können meiner Königin kein angenehmeres Geschenk aus der alten Literatur darbringen; den trefflichsten aller Fürsten liebt sie so, daß sie ihm nacheifert, und sie eifert ihm so nach, daß sie ihn zu übertreffen sucht, was man, sagt sie, von ihr fordern könne, da sie eine Christin sei.«

Als I. Vossius den Nic. Heinsius, einen durch Charakter und Gelehrsamkeit ausgezeichneten Holländer, auf Christina's Befehl an ihren Hof einlud, schrieb er: »Wenn Sie diese Fürstin kennen, werden Sie reichern Stoff für Poesie haben, als Sie je erlangen können; denn es gibt, glaub' ich, auf Erden nichts Größeres, nichts Liebenswürdigeres, nichts Göttlicheres.« Ein anderer Gelehrter, G. Naudé, Leibarzt Ludwigs XIII., der mit Christina in naher Verbindung stand, versichert seinem Freunde, dem berühmten Gassendi, in den Unterredungen mit Bochart und andern Gelehrten behaupte die Königin ihren Platz besser als einer von ihnen; ihr Verstand sei ganz außerordentlich, sie habe Alles gelesen und gesehen, sie wisse Alles und gebe davon die wunderbarsten Proben mit der erstaunlichsten Leichtigkeit und Scharfsinnigkeit, sie sei bei den Gesprächen stets in der besten Laune und lege alle Gravität ab; sie sei nicht bloß in Büchern gelehrt, sondern ebenso in Malerei, Architektur, Sculptur, Münzen, Alterthümern, in allem Wissens- und Sehenswerthen. Der Jesuit P. Mannerschied, ein Mann, dessen Gelehrsamkeit und Benehmen sehr gerühmt wird und der sich einige Zeit als Beichtvater des spanischen Gesandten am schwedischen Hofe aufhielt, versichert, Christina habe 10 bis 11 Sprachen verstanden und nennt unter diesen auch Hebräisch und Arabisch. Ebenso sagt der wohlunterrichtete Herzog von Guise: »Sie spricht acht verschiedene Sprachen und besonders die französische, als ob sie in Paris geboren wäre. Sie weiß mehr als unsere Akademien mit sammt der Sorbonne. Sie versteht sich auf Gemälde, wie auf andere Dinge sehr wohl. Ihr sind die Streiche, welche an unserem Hofe gespielt werden, besser als den Hofleuten selbst bekannt. Mit einem Worte, sie ist eine ganz außerordentliche Person.«

Aus dieser Liebe für die Wissenschaften ging ihre Sorge für die Verbesserung der einheimischen Lehranstalten hervor. Außer der Errichtung von sechs Gymnasien widmete sie besondere Aufmerksamkeit der Universität Upsala, die sie häufig besuchte, um akademische Reden und Disputationen anzuhören. Ebenso begünstigte sie Dorpat, Albo und Greifswald, führte in erster Stadt ein schönes Universitätsgebäude auf und legte eine Bibliothek an. Sie gab jungen Schweden Jahrgelder, um sich auf in- oder ausländischen Universitäten auszubilden, und schickte sogar einige nach Arabien, damit sie die Sitten und Sprachen des Orients kennen lernten. Auch in Deutschland schützte sie die flüchtigen Musen vor der Gewalt des Krieges und begünstigte die Universität Wittenberg und die hohen Schulen zu Rinteln und Marburg. Der schwedische Hof war ein den Musen geweihter Sitz und der friedliche Aufenthaltsort der gelehrtesten Männer. Es verweilten hier der treffliche Freinsheim, auf dessen Bitten Christina der Stadt Ulm einen großen Theil Kriegscontributionen erließ; der durch Scharfsinn und umfassende Kenntnisse gleich ausgezeichnete I. Vossius und der als Philologe rühmlichst bekannte J. H. Boeckler, den sie von der Universität Straßburg nach Upsala berief. Nicolaus Heinsius rühmt es als sein erstes Glück, daß er zur Zeit der Königin geboren, als das zweite, daß er mit ihr bekannt geworden, als das dritte und vornehmste, daß die Nachwelt erfahren, er habe ihr nicht ganz mißfallen. Er sammelte ihr viele Handschriften. Im Jahre 1650 erschien der in der klassischen Philologie ausgezeichnete C. Salmasius, Professor an der Universität Leyden. Die Königin hatte ihm sagen lassen, komme er nicht zu ihr, so werde sie genöthigt sein, zu ihm zu kommen. Sie gab ihm eine Wohnung auf ihrem Schlosse, damit sie mehr in der Nähe sein möchte, sich mit ihm zu unterhalten. Zu erwähnen ist ferner H. Conring, ein berühmter Mediciner und Staatsrechtslehrer, der eine Widerlegung der päpstlichen Protestationsbulle gegen den westfälischen Frieden versuchte und Christina's königliche Würde vertheidigte; der Orientalist Bochart und der französische Arzt G. Naudé. Mit diesen und noch vielen Anderen pflegte Christina sich gern über wissenschaftliche Dinge zu unterhalten. Besonders interessant und wichtig für die Königin war der Umgang mit dem großen Philosophen Descartes, der im J. 1649 auf ihre dringende Einladung nach Stockholm kam. Er war gleich für Christina eingenommen und schrieb in den ersten Tagen hierüber an die Prinzessin Elisabeth von der Pfalz: »Ich bin erst seit vier bis fünf Tagen hier und habe die Königin nur erst zweimal gesehen; aber ich glaube sie schon hinlänglich zu kennen, um sagen zu dürfen, daß sie nicht weniger Verdienste und mehr Vorzüge besitzt, als der Ruf ihr zuschreibt. Mit der Würde und Majestät, welche in allen ihren Handlungen hervorglänzen, sieht man eine Milde und Güte an ihr, die Alle, welche die Tugend lieben und die Ehre haben, ihr zu nahen, nöthigen, sich gänzlich zu ihren Diensten zu verpflichten. – Sie widmet sich im höchsten Maße den Studien – dieser große Eifer für die Wissenschaften spornt sie gegenwärtig vor allem an, die griechische Sprache zu studiren und viele alte Bücher zu sammeln.« Christina schenkte diesem großen Philosophen ihre Zuneigung so sehr, daß sie, da die Geschäfte ihr keine andere Tageszeit gestatteten, jeden Morgen von fünf Uhr an, und zwar zur Winterszeit, in ihrer Bibliothek philosophische Unterredungen mit ihm hielt. Er ertheilte ihr auch manchen Rath in Regierungssachen und »trug viel zu ihrer ruhmreichen Bekehrung bei«. Leider starb er nach wenigen Monaten und wurde von Christina sehr betrauert. Auch mit vielen gelehrten und geistreichen Personen in anderen Ländern stand Christina in Verbindung und freundschaftlichem Briefwechsel. Selbst mit Basilides, dem König von Abyssinien, knüpfte sie Verbindung an, weil sie gehört hatte, daß dieser Fürst sich zur christlichen Religion bekännte und die Wissenschaften liebte.

Diese Verbindung Christina's mit fast allen ausgezeichneten Männern Europa's war die Veranlassung zu den vorzüglichsten Werken der Wissenschaft und Kunst. So wurden durch ihre bewunderten Eigenschaften der Philologe Heinsius, der Dichter Balzac, der Franzose Ménage und viele Andere zu den vortrefflichsten Gedichten angeregt; ihr Bibliothekar Freinsheim, der italienische Gelehrte Ferrarius, der Philologe Valesius und der Numismatiker Spanheim zu klassischen Mustern der Beredsamkeit. Auf ihr bestimmtes Verlangen schrieben Descartes und Freinsheim philosophische Abhandlungen, machte der gelehrte Bischof Terserus eine neue Uebersetzung des Alten Testaments, arbeitete Freinsheim seine durch Gelehrsamkeit und Darstellung ausgezeichneten Supplemente zum Livius aus und Heinsius seine sehr verdienstlichen Ausgaben des Ovid und Claudian; auf ihr Geheiß gab später der Philologe und Historiker Scheffer mehrere gelehrte Werke heraus, Heinsius den Virgil und der schwedische Historiograph Chemnitz seine übrigens nicht unparteiische Historia belli germanici. Christina war den Gelehrten eine glänzende Sonne, deren milde Wärme die Früchte ihres Geistes hervortrieb und zeitigte und deren Licht ihnen einen bezaubernden Schein verlieh. Aber nicht nur dieses oder jenes Lieblingsstudium förderte sie, sondern alle Zweige der Kunst und Wissenschaft; namentlich hatte sie ein sehr großes Interesse für das Alterthum, für die Geschichte und Sprache ihres eigenen Volkes. Sie vernachlässigte und verachtete ihre Muttersprache und ihr Mutterland nicht über dem Französischen, wie Friedrich II. Es ist dies besonders zu betonen gegenüber dem Vorwurfe Ranke's, daß Christina ihr Vaterland nicht geliebt und von seiner Vergangenheit keine Ahnung gehabt habe.

Die Königin Christina zeigte ihre große Liebe für Kunst und Wissenschaft auch durch außerordentliche Freigebigkeit gegen die Jünger derselben. Die Geschichte hat kein zweites Beispiel aufzuweisen, daß die Verdienste ausgezeichneter Männer so wahrhaft königlich mit Titeln, Erhebungen in den Adelstand und Geldspenden belohnt worden sind, als von Christina. Freilich läßt sich nicht leugnen, daß sie dabei manchmal das Maß überschritten und zuweilen an unwürdige Menschen ihre Huld verschwendet hat, allein bei welchem Fürsten kommt wohl nicht Aehnliches vor? Wenn man aber Christina den Vorwurf machen will, sie habe durch ihre Freigebigkeit die Finanzen des Staates erschöpft, so bedenkt man nicht, daß die Königin die Jahrgehälter und Geschenke aus ihrem Privatvermögen bestritten hat. Wer möchte es ihr aber verargen, daß sie das Geld, das Andere auf einen prächtigen Hofstaat und unnützen Flitter verwenden, den vorzüglichsten Männern zur Belohnung und Ermunterung gab?

Ebenso wenig darf man es ihr verdenken, daß sie ihr Privatvermögen zum Ankauf trefflicher Bücher und Kunstwerke verwendete. Bei ihrer großen Vorliebe für solche Seltenheiten und Kostbarkeiten schickte sie die tüchtigsten Gelehrten in Europa umher, damit sie die besten und seltensten Werke der Literatur und Kunst für sie aufsuchten. Ihre Bibliothek war in der That außerordentlich reichhaltig und werthvoll. Obgleich zur Zeit von Christina's Thronentsagung und während ihrer Reise nach Italien eine wahre Plünderung ihrer Bücher und Kunstschätze vor sich gegangen war, so wurden doch noch 2145 alte Handschriften mit nach Rom gebracht. Man sagt, daß sie ursprünglich 8000 Handschriften und darunter allein 700 hebräische vom Alten Testament besessen habe. Auch von den Werken der bildenden Kunst besaß sie eine sehr große und kostbare Sammlung: Eine herrliche Gemälde-Gallerie, Statuen von Marmor und Bronze, Arbeiten von Elfenbein, Korallen, Krystallen, Spiegel aus Stahl u. s. w., so daß Naudé versichert, er habe in Italien keine reichere Sammlung gesehen.

Sehen wir auf das Gesagte zurück, so ist leicht zu begreifen, daß es wenige Männer mit Krone und Scepter gibt, welche dieser Jungfrau zur Seite treten dürfen. Sie hat nicht nur selbst eine hohe Stufe der geistigen und gelehrten Bildung erreicht, sondern auch bei ihrem Volke für die Hebung derselben mit allen Kräften und Mitteln gesorgt. Sie hat zuerst in Kunst und Wissenschaft eine engere Verbindung zwischen dem Norden und Süden geschaffen und dadurch das Band vorbereitet, welches jetzt die Gelehrten aller Länder unseres Erdtheils umschlingt. Diese Bestrebungen zur Beförderung der Künste des Friedens sind um so ehrenwerther, wenn man erwägt, wie tief diese damals in ganz Europa in Verfall gerathen waren. Kein Wunder also, wenn Christina's Namen bald in allen Ländern mit Bewunderung genannt wurde, und wenn die vorzüglichsten Geister wetteiferten, ihre Größe zu feiern. Es ist kaum möglich, auch nur alle Lobreden in Versen und Prosa und alle Ehrentitel anzuführen, welche der Königin in den verschiedenen Sprachen gegeben wurden. Fürsten wie Gelehrte suchten ihre Gunst und selbst der große Cardinal Barberini war der wärmste Verehrer Christina's und wünschte ihr Bildniß.

Eine Verbindung mit einer so gefeierten Königin mußte natürlich den Ehrgeiz vieler Fürsten wecken und reizen. Zuerst hatte der König Christian von Dänemark den Gedanken, einen seiner Söhne mit ihr zu vermählen. Im Jahre 1641 hielt der Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg um ihre Hand an. Auch Philipp IV. und Johann, die Könige von Spanien und Portugal, sogar der römisch-deutsche Kaiser Ferdinand III. soll an eine Verbindung seines Sohnes mit Christina gedacht haben. Die größte Hoffnung auf ihre Hand machte sich jedoch der Pfalzgraf Karl Gustav. Christina nährte und begünstigte dieselbe, verweigerte aber jede bestimmte Erklärung. Das Volk wünschte lebhaft ihre Vermählung, um wegen der Nachfolge beruhigt zu sein: einige Stände ersuchten sie 1647, sich einen Gemahl zu wählen; sie verschob aber ihren Entschluß auf eine spätere Zeit. Christina schickte Karl Gustav nach Deutschland und verschaffte ihm Gelegenheit, seine ausgezeichneten Talente unter Torstenson auszubilden, konnte ihm aber kein anderes Versprechen geben, als wenn sie heirathe, ihn zum Gemahle wählen zu wollen. Er reiste ab und schrieb die rührendsten Briefe an seinen Vater und seinen Freund, den Bischof Matthiä, allein er gewann immer mehr die Ueberzeugung von ihrer Abneigung und beschloß endlich, alle Bewerbung aufzugeben. Auf dem Reichstage 1649 wiederholten die Stände ihre Bitte, auch dieses Mal gab Christina keine bestimmte Erklärung, dagegen schlug sie unerwartet dem Senate den Prinzen Karl Gustav zum Nachfolger vor; dadurch würde allen Unruhen im Falle ihres Todes vorgebeugt, zur Ehe könne sie sich aus mehreren Gründen nicht entschließen. Dieser Antrag überraschte die Staatsräthe sehr; alle fingen an, ihn zu bekämpfen. Die Königin fuhr fort: »Ich weiß sehr wohl, wie einige mich für die Letzte meines Stammes halten und hoffen, nach meinem Abgange Anspruch auf die Krone zu machen. Andere suchen eine aristokratische Verfassung zu gründen, aber die Monarchie ist für Schweden durchaus nothwendig.« Nach mehreren Debatten suchten die Reichsräthe sie mit dem Versprechen zu befriedigen, daß sie, wenn Christina stürbe, alle ihre Stimmen dem Prinzen geben würden. Darüber verlangte die Königin eine schriftliche, in authentischer Form verfaßte Urkunde. Man setzte die Mißverhältnisse entgegen, die ein muthmaßlicher Thronerbe herbeiführen könnte, namentlich für Ihre Majestät. Sie antwortete, dies würde sie zu verhüten wissen. Wenn sie sich aber, warf man weiter ein, mit einem Andern, als dem Prinzen Karl Gustav vermähle, so könne das einen innern Krieg verursachen. Hierauf versicherte die Königin, wenn sie heirathe, so werde sie nie einen Anderen heirathen als Karl Gustav. Als die Räthe dabei verharrten, nur eine mündliche Erklärung über die Thronfolge geben zu wollen, sagte Christina: »Wenn ich mich mit ihm vermähle, werden Sie ohne Zweifel die Kinder als Könige anerkennen; aber wenn ich eher sterbe, wette ich meine beiden Ohren, daß er nie den Thron besitzen wird.« Torstenson meinte, der Prinz werde nie heirathen, wenn er Christina nicht gewinnen könne. »O doch,« antwortete sie, »die Liebe brennt nicht allein für Einen; eine Krone ist ein reizendes Mädchen, welches leicht über den Verlust eines andern trösten kann.« Indessen waren bei dem Reichsrathe alle Vorstellungen vergebens. Christina wandte sich nun an die Stände. – Hier gelang es – nur Oxenstierna blieb unerschütterlich; nach langem Kampfe setzte er endlich mit zitternder Hand seinen Namen unter das verhaßte Dokument. Nie war Christina's Macht über die Stände und den Reichsrath so hervorgetreten, wie in dieser Angelegenheit. »Das muß ich bekennen,« schrieb der Sekretär und spätere Hofkanzler Tungel an Karl Gustav, »daß Ihre K. Majestät durch diese höchst bedeutende und schwierige Sache mit der größten Vorsicht, Kraft und Eifer sich hindurchgearbeitet und nicht durch Gegenreden, wie stark sie auch sein mochten, sich in ihren Plänen hätte stören lassen.« Und wohl durfte Christina später behaupten, daß sie die Stände genöthigt habe, Karl Gustav als König anzunehmen. Bei diesem ersten Schritte blieb jedoch die Königin nicht stehen. Karl Gustav war die Thronfolge nur für seine Person bewilligt; starb er, so hatte Christina umsonst gearbeitet. Ungesäumt brachte sie dies auf dem nächsten Reichstage zur Sprache und setzte es durch, daß dem Prinzen auch die erbliche Thronfolge zugestanden wurde. Dann wurde berathen, welche Rechte der Erbprinz erhalten und welche Versicherungen er der Königin und den Ständen geben sollte. Er bekam den Titel: »Königliche Hoheit«, und zu seiner Hofhaltung ein Jahrgehalt von 50,000 Thlrn. Man wollte ihm dazu ein besonderes Fürstenthum anweisen, allein die Königin sagte, es sei eine Grundregel, nach der sich die königliche Familie stets gerichtet hätte, einem Erbprinzen keines von den schwedischen Ländern zu geben. Eben deshalb versagte ihm auch die Königin zwei Jahre darauf die Statthalterschaft über die schwedischen Provinzen in Deutschland, welche er begehrte. Von der Staatsverwaltung wurde er vollständig ausgeschlossen. Ferner wollte die Königin sich auch nicht verbindlich machen, den Erbprinzen bei Reichsangelegenheiten zu befragen, wohl aber wollte sie ihm Manches nach Gutbefinden mittheilen. So vermied Christina mit kluger Vorsicht die schlimmen Folgen, welche früher aus den Verhältnissen der Erbfürsten hervorgegangen waren. Karl Gustav versprach der Königin Gehorsam und Treue, der Königin-Mutter Liebe und Schutz. Er gelobte, keine wichtigen Staatssachen ohne der Königin und des Reichsrathes Willen und ohne ihren Befehl vorzunehmen: wenn er aber die Krone einst erlangte, die Rechte und Freiheiten aller Stände zu erhalten.

Erst nachdem die Königin die Thronfolge geordnet hatte, konnte sie dem Wunsche der Nation nachkommen und sich krönen lassen. Dem alten Gebrauche gemäß sollte die Krönung zu Upsala vollzogen werden; da diese Stadt aber für die Feierlichkeit zu klein schien, so verlegte man sie nach Stockholm. Sie fand am 20. Oktober 1650 mit einer Pracht und einem Glanze statt, wie man nie zuvor im Reiche gesehen hatte. Einige Tage vorher begab sich die Königin in feierlichem Zuge in die Residenz, begleitet von allen Reichsräthen und dem ganzen Adel, den Prinzen Gustav und Adolph, der Königin-Mutter mit ihrem Gefolge, vielen Gesandten und einer unabsehbaren Menge von Hofbedienten, Pagen, reichdekorirten Sattelpferden und Staatskarossen. Beim Eingange der Stadt hatte der Reichsrath einen kostbaren Triumphbogen errichten lassen, der allein 16,000 Thlr. kostete. Der Donner der Geschütze verkündete zwei Stunden lang das freudige Ereigniß. Die zwei folgenden Tage brachte man zu mit Vorbereitungen für die Krönung, während dessen der Königin Geschenke überreicht wurden. Am Sonntage den 20. Oktober fand die Krönung statt. Der Bischof Matthiä, Christina's Lehrer, hielt die Festrede; die Königin leistete den Eid der Könige von Schweden, welchen der Kanzler ihr vorlas. Darauf salbte sie der Erzbischof von Upsala und setzte ihr die Krone aufs Haupt; die Großwürdenträger überreichten ihr das Schwert, das Scepter, den goldenen Reichsapfel und den goldenen Schlüssel. Darauf verkündete ein Herold dem Volke mit lauter Stimme: »Die großmächtigste Königin von Schweden ist gekrönt worden, sie und Niemand anders.« Sie setzte sich dann auf einen Thron, dem Altar gegenüber, unter einem Baldachin, welcher von berühmten Generalen, wie Königsmark und Wittenberg, getragen wurde, zu ihrer Linken Prinz Karl Gustav, ringsum alle Kriegsräthe, so daß sie ihr den Eid leisten konnten, in welchem der Thronfolger einbegriffen wurde. Als man aus der Kirche trat, setzte sich die Königin auf einen prachtvollen Triumphwagen, der ganz vergoldet war und von vier weißen Rossen gezogen wurde. Drei Tage lang wurden glänzende Feste gegeben, am dritten huldigten der Königin alle Stände. Auch vom Auslande her bezeigte man Christina die ehrfurchtsvollste Theilnahme und wünschte ihr Glück und Heil.

Doch nicht lange mehr wollte die Königin die Krone tragen. Schon ein Jahr nachher erklärte sie dem Reichsrathe, daß sie entschlossen sei, die Regierung an den Prinzen Karl Gustav zu übergeben. Sie habe, sagte sie, reiflich über eine so wichtige Sache nachgedacht und keinen besseren Weg gefunden, für die Sicherheit des Staates und die Beruhigung des Volkes zu sorgen: Da sie fest entschlossen sei, nie zu heirathen, so würde der Prinz, der einmal zum Nachfolger ernannt wäre, verpflichtet sein, eine Gemahlin zu nehmen, und die ihm geborenen Kinder würden die Nation von der Furcht vor denjenigen Uebeln befreien, welche Königswahlen gewöhnlich zu begleiten pflegten. Sie sprach hierauf weitläufig von den Tugenden des Prinzen und den Hoffnungen, die man auf seine Regierung setzen dürfe. Auf diese Rede antworteten der Droste, der Reichsmarschall und der Kanzler: Sie würden nie einen anderen Herrn anerkennen als sie; es sei erst ein Jahr seit ihrer Krönung verflossen, diese Ceremonie habe den Schatz so sehr erschöpft, daß er die Kosten für eine zweite Krönung nicht so bald aufbringen könne, zumal die Vermählung des Prinzen in kurzem wieder eine große Ausgabe erfordern würde. Sie beschworen Christina im Namen des Reichsrathes und aller Stände, die Zügel der Regierung nicht aus der Hand zu geben. Allein Christina war nicht zu bewegen; sie sagte: die Kosten für die Krönung würden nicht so beträchtlich sein, daß der Staat sie nicht tragen könnte, und sie selbst besitze dazu noch Mittel genug; um die doppelten Ausgaben zu vermeiden, müsse man die Krönung und die Vermählung zusammen nehmen. Nichtsdestoweniger gaben die Stände die Hoffnung nicht auf. Die Großen, die Günstlinge und die ausgewählten Abgeordneten der Stände mußten sich zu ihr begeben und ihr neue Vorstellungen machen. Der Kanzler Oxenstierna führte das Wort. Er begann mit der Versicherung, er habe dem hochseligen Könige heilig versprochen, seiner Tochter das Reich mit aller Kraft zu erhalten; dann dankte er ihr im Namen der Nation für Alles, was sie bis jetzt für die Ehre und Ruhe des Reiches gethan. Er stellte ihr vor, daß es unmöglich sei, daß sich das Reich in seinem blühenden Zustande erhalte, wenn sie zu regieren aufhöre; daß der Prinz von Schweden entschlossen sei, die Regierung nicht anzunehmen, so lange Gott I. M. Kräfte und Leben schenke; daß es ihr selbst äußerst empfindlich fallen müßte, wenn sie nach ihrer Entfernung die Früchte so vieler Bemühungen und Nachtwachen verderben sähe. Er fügte hinzu: Der Ruhm bestehe nicht so sehr im Gewinnen, als im Erhalten des Gewonnenen; es wäre besser gewesen, wenn ihre Regierung weniger beglückt gewesen wäre, als daß sie dieselbe jetzt verlasse, nachdem sie eine Höhe erreicht hätte, auf welcher alle Völker der Erde sie nicht ohne Bewunderung und Erstaunen sehen könnten. Die vornehmsten Beamten wären von der Wahrheit dessen, was er gesagt, so sehr überzeugt, daß sie alle ihrem Beispiele folgen und ihre Stelle niederlegen würden, wenn sie sich durch ihr Flehen nicht rühren ließe.

Hierauf fragte sie der Kanzler noch besonders: Ob sie mit ihren Unterthanen unzufrieden wäre, ob diese ihr nicht genug Ehrfurcht und Hochachtung erwiesen hätten; sie wollten ihr jede Genugthuung leisten; sie wollten Alles aufbieten, um ihre Größe, ihre Rechte und ihr Ansehen aufrecht zu erhalten und gern Gut und Blut dafür hingeben; alle Schulden der Krone wollten sie aus ihrem Vermögen bezahlen und für ihre Hofhaltung so beträchtliche Fonds zusammenschießen, daß sie glänzender leben könnte, als irgend ein König des Nordens.

So sprach der Kanzler mit großer Bewegung und Wärme: die ganze Versammlung war tief gerührt; auch Christina war sehr ergriffen. Die eindringenden Bitten und Beweise der Liebe und Hingebung hatten großen Eindruck auf sie gemacht. Sie versprach, die Regierung beizubehalten, aber mit der Bedingung, daß man ihr nie wieder von Heirathen spreche, wogegen sie eine unüberwindliche Abneigung habe. Mit lautem Jubel nahmen die Anwesenden die Erklärung der Königin entgegen, und Christina's bald eintretender Geburtstag wurde mit glänzenden Festlichkeiten begangen.

Es sind jetzt noch Christina's persönliche Verhältnisse zu ihrer nächsten Umgebung ins Auge zu fassen. Ihre Mutter, die verwitwete Königin Maria Eleonore, war im J. 1648 aus ihrem freiwilligen Verbannungsorte wieder nach Schweden zurückgekehrt und hier unter festlichem Gepränge und lauten Freudenbezeugungen begrüßt worden. Sie lebte nun bis zu ihrem Tode in Schweden und wurde von Christina mit großer Freigebigkeit versorgt. Sie sagte ihr außer dem Leibgedinge mit allen Renten und Gerechtigkeiten jährlich noch 40,000 Thlr. zu und veranlaßte die Stände, daß sie alle Versprechungen bestätigten. Als sie Karl Gustav die Krone übergab, ließ sie ihn in seine Versicherung auch ausdrücklich den Punkt aufnehmen, »die Königin-Mutter zu lieben und zu ehren und in allen Benefizien zu schützen«.

Der Prinz Karl Gustav lebte seit Christina's Krönung zurückgezogen auf der Insel Oeland in der Ostsee, wo er sich in einer reizenden Gegend den Vergnügungen ergab. An den Regierungsgeschäften hatte er keinen Antheil, und kam er an den Hof, so erschien er ohne Gefolge und Aufsehen. Die Königin war mit seinem Benehmen so zufrieden, daß sie ihn deshalb öffentlich belobte und ihm die schöne Insel als Eigenthum schenkte, deren Einkünfte sich auf mehr als 100,000 Thlr. beliefen. Die Briefe, welche sie damals in großer Zahl mit ihm wechselte, enthalten sehr viele Aeußerungen der Anhänglichkeit und Sorgfalt. Dagegen machte sie ihm auch wohl seine Stellung zu ihr bemerklich; so schrieb sie ihm, als er sich für seinen Schwager, den in Ungnade gefallenen Magnus de la Gardie, verwandte, bei Ablehnung dieses Gesuches: »Uebrigens, mein Vetter, bin ich verbunden für die ehrerbietigen Gesinnungen, welche Sie mir in Ihren Briefen bezeigen; ich bitte, bewahren Sie dieselben und seien Sie überzeugt, daß Sie nie Ursache haben werden, zu bereuen, daß dieselben Ihrer Pflicht so angemessen sind.« Die Unthätigkeit jedoch war dem Prinzen zur Last, und Klagen darüber mögen denn auch die Veranlassung gewesen sein, daß der Historiograph Adolph Messenius und sein Sohn theils aus Erbitterung über einen verloren gegangenen Prozeß, theils aus Liebe zum Prinzen, den man in Gefahr glaubte, an ihn eine Schmähschrift über die Königin und die Regierung schrieben, und ihn aufforderten, mit Gewalt sich der Krone zu bemächtigen. Karl Gustav schickte die Schrift an Christina und die beiden Messenius wurden hingerichtet. Die Untersuchung ergab, daß im Lande Unzufriedenheit herrschte, jedoch mehr über den hohen Adel und die Unterdrückung der übrigen Stände, als über die Königin, wenngleich das Hofleben bei Manchen Mißvergnügen hervorrief. Dasselbe war nämlich in den letzten Regierungsjahren von Christina sehr bewegt und bunt. Herrliche Feste, Bälle, Concerte und Maskeraden wechselten mit Turnieren, Ringelrennen und Thierkämpfen. Bei einer solchen Gelegenheit, da der Hof den Olymp vorstellte, und Christina selbst den Namen Amaranta annahm, gründete sie den Amarantenorden, dessen Mitglieder, 15 Herren und 15 Damen, sich verpflichten mußten, Tugend und Ehre zu bewahren und zu beschützen und das Recht hatten, jeden Samstag bei der Königin in einem Landhause zu speisen. Die einheimischen Großen, sowie die fremden Fürsten, welche der Ruhm Schwedens und seiner Königin nach Stockholm lockte, entfalteten Pracht und Glanz, und auch Christina glaubte, den Ruhm ihres Reiches in äußerem Glanze darstellen zu müssen. Besonderen Einfluß hatte in dieser Beziehung der französische Arzt Bourdelot, der von Salmasius als ein Mann von Geist und Wissen der Königin empfohlen war. Er hatte das Glück, Christina von einer schweren Krankheit zu heilen, und seitdem sah sie in ihm ihren Wohlthäter. Dabei besaß er sehr angenehme gesellschaftliche Talente, wodurch er sich besonders beliebt zu machen wußte. Christina sagt von ihm, sie kenne recht gut seine Fehler, besonders seine Eitelkeit; aber er habe viele gute Eigenschaften, eine Philosophie ohne Pedanterei, gebildete und angenehme Conversation und große medizinische Kenntnisse. Dieser Mann suchte nun die Königin von dem Studium der Wissenschaften abzuhalten, indem er sich bemühte, die Gelehrten von ihrem Hofe zu entfernen, und Christina selbst zur Stärkung ihrer Gesundheit zu Vergnügungen und Zerstreuungen veranlaßte. Zu dem Zwecke zog er viele Franzosen heran, welche Unterhaltungen, Luxus und Eleganz aller Art aufbrachten und alles Uebrige verdunkelten. Seit der von Christina sehr begünstigte Graf de la Gardie durch seine Eifersucht und Lügenhaftigkeit in Ungnade gefallen war, vermochte Bourdelot Alles. Natürlich haßten alle Großen den Fremdling und boten Alles auf, ihn zu stürzen. Es war ausgesprengt, daß er den religiösen Gesinnungen der Königin gefährlich sei und sie von dem Glauben ihrer Väter abwendig mache. Man fand diese Gerüchte vielleicht dadurch bestätigt, daß sich Christina gerade damals den Katholiken sehr günstig gesinnt zeigte: so sorgte sie für den Gottesdienst ihrer katholischen italienischen Musiker, gewährte mehreren Nonnen im Erzstift Bremen Pensionen und tadelte dem englischen Gesandten Whitelocke gegenüber England's große Strenge gegen die Katholiken. Alles dieses legte die Befürchtung nahe, Christina wolle die lutherische Lehre verlassen. Ihre Mutter mußte ihr deshalb Vorstellungen machen, und auch die Prediger fingen an sich zu regen: man drang auf Bourdelot's Entfernung und Christina entließ ihn reich beschenkt. Er wurde später Priester und durch Christina's Vermittlung Abt von Massay in Berry. Seine Stelle ersetzte der ihm befreundete Don Ant. Pimentel, welcher als spanischer Geschäftsträger im Sommer 1652 nach Stockholm kam. Er war ein verständiger, witziger und überaus angenehmer Mann und Christina's unzertrennlicher Gesellschafter. Dieser Vorzug, den sie ihm gab, erregte nicht nur aufs neue die Unzufriedenheit und Verleumdungssucht der Großen, sondern auch die größte Besorgniß Frankreich's, welches Christina immer mit eifersüchtigen Augen beobachtete. Daß der Hauptgrund von der innigen Freundschaft zwischen Christina und Pimentel ihre beabsichtigte Conversion war, wußte Niemand. Indessen war auch das Verhältniß der Königin zum Reichskanzler Oxenstierna in dieser Zeit wieder ein erfreuliches. Er wurde stets zu Rathe gezogen und war häufig um Christina; sein Sohn Erich wurde zum Reichsrath, zum Gouverneur von Calmar, zum Präsidenten der Rechenkammer und des Handelskollegiums befördert. Dies freute den alten Mann so sehr, daß er sich wirklich zu verjüngen schien. So schrieb sie ihm auch in einem überaus herzlichen Briefe, in dem sie den Tod des Reichsmarschalls Jac. de la Gardie beklagt: »Da Gott dies so gefallen hat, so wünsche ich von ganzem Herzen, daß er den Reichskanzler und einige Andere, von denen ich Beistand in meinen großen Lasten hoffen darf, gnädigst erhalten möge.« Noch ausdrücklicher sprach sie ihm ihre Hochachtung aus in einem Briefe vom 22. November 1653: »Uebrigens mache ich mir ein besonderes Vergnügen, Ihnen bei dieser Gelegenheit zu versichern, daß Niemand in der Welt Ihre großen Gaben und Ihre Verdienste höher als ich schätzet. Glauben Sie gewiß, daß ich niemals anders von Ihnen denken und sprechen werde, als es Ihre Treue verdient.« Aber auch der Reichskanzler war ihr sehr zugethan. Als er auf dem Reichstage 1652 im Namen der Königin den Vortrag hielt, sprach er aufs nachdrücklichste zu ihrem Ruhme: er lobte eifrig ihre Regierung, die durch Gottes Gnade das Reich in tiefem Frieden erhalte und ganz frei von bürgerlichen Unruhen, die jetzt alle Staaten bedrängten. Er stellte die Unbeständigkeit der menschlichen Dinge vor und die geringe Gewißheit, dieses Glück lange zu genießen, wegen der Wirren, die bei den Nachbaren herrschten, und forderte die Stände auf, ihr Möglichstes aufzubieten, um dieses kostbare Gut, das sie nächst Gott dem klugen und weisen Verfahren der Königin verdankten, zu erhalten. Oxenstierna müßte ein Mann ohne allen Charakter gewesen sein, wenn er später über Christina's Regierung und Thronentsagung wirklich die ungünstigen und mißliebigen Bemerkungen gemacht hätte, welche ihm zugeschrieben werden. Dagegen spricht sein großartiger Charakter und die Liebe und Achtung, welche er der Tochter seines inniggeliebten Königs fortwährend widmete.


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