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Als noch auf Erden ging Christus
Und auch mit ihm wanderte Petrus,
Eins Tags aus einem Dorf mit ihm ging,
Bei einer Wegscheid' Petrus anfing:
»O Herre Gott und Meister mein,
Mich wundert sehr der Güte dein.
Weil du doch Gott allmächtig bist,
Läßt es doch gehn zu aller Frist
In aller Welt, gleich wie es geht.
Wie Habakuk sagt, der Prophet:
Gewalt und Frevel geht vor Recht!
Der Gottlose übervorteilt schlecht
Mit Schalkheit den Gerechten und Frommen,
Auch kann kein Recht zu End' mehr kommen.
Da siehst du zu und schweigest still,
Als kümmre dich die Sach' nicht viel. . . .
O sollt' ich ein Jahr Herrgott sein,
Und sollt' Gewalt haben wie du,
Ich wollte anders schauen dazu,
Führ'n ein viel besser Regiment
Auf dem Erdreich durch alle Ständ'.
Ich wollte steuern mit meiner
Hand Wucher, Betrug, Krieg, Raub und Brand;
Ich wollt' anrichten ein ruhig Leben!«
Der Herr sprach: »Petre, sag mir eben,
Meinst, du wolltest besser regieren,
All' Ding' auf Erden baß ordinieren,
Die Frommen schützen, die Bösen plagen?«
Sankt Peter tät hinwieder sagen:
»Ja, es müßt' in der Welt baß stehn,
Nicht also durch einander gehn.
Ich wollt' viel beßre Ordnung halten.«
Der Herr sprach: »Nun, so magst verwalten,
Petre, die hohe Herrschaft mein;
Heut den Tag sollst du Herrgott sein.
Schaff und gebeut all's, was du willt,
Sei hart, streng, gütig oder mild,
Gib aus den Fluch oder den Segen,
Gib schön Wetter, Wind oder Regen;
Du magst strafen oder belohnen,
Plagen, schützen oder verschonen:
In Summa, mein ganz Regiment
Sei heut den Tag in deinen Händ.«
Petrus war des gar wohlgemut,
Deucht' sich der Herrlichkeit sehr gut.
Indem kam her ein armes Weib,
Ganz mager, dürr und bleich von Leib,
Barfuß in einem zerrißnen Kleid,
Die trieb ihre Geiß hin auf die Weid'.
Da sie mit auf die Wegscheid' kam,
Sprach sie: »Geh hin in Gottes Nam!
Gott hüt' und schütz' dich immerdar,
Daß dir kein Übel widerfahr'.
Gott hüte dich mit seiner Hand!
Mit dem die Frau sich wieder wandt'
Ins Dorf; so ging die Geiß ihre Straß',
Der Herr zu Petro sagend was:
»Petre, hast das Gebet der Armen
Gehört? Du mußt dich ihrer erbarmen,
Weil ja den Tag bist Herrgott du,
So stehet dir auch billig zu,
Daß du die Geiß nehmst in dein' Hut,
Wie sie von Herzen bitten tut,
Und behüte sie den ganzen Tag,
Daß sie sich nicht verirr' im Hag,
Nicht fall', noch mög' gestohlen werden,
Noch sie zerreißen Wolf' und Bären;
Daß auf den Abend wiederum
Die Geiß heim unbeschädigt kumm'
Der armen Fraue in ihr Haus.
Geh hin und richt die Sach' wohl aus!
Petrus nahm nach des Herren Wort
Die Geiß in sein' Hut an dem Ort
Und trieb sie an die Weid' hindann.
Da fing Sankt Peters Unruh an.
Die Geiß war mutig, jung und jäh
Und blieb drum gar nicht in der Näh',
Lief auf der Weide hin und wieder,
Stieg den Berg auf, den andern nieder,
Schlupft' hierhin, dorthin durch die Stauden,
Petrus mit Ächzen, Blasen, Schnauden
Mußt' immer nachtrollen der Geiß;
Und schien die Sonn' gar überheiß,
Der Schweiß über seinen Leib abrann.
Mit Unruh verzehrt' der alte Mann
Den Tag, bis auf den Abend spat
Verdurstet, kraftlos, müd und matt
Die Geiß er wied'rum heim gebracht.
Der Herr sah Petrum an und lacht',
Sprach: »Petre, willst mein Regiment
Noch länger behalten in deiner Händ?«
Petrus sprach: »Lieber Herre mein,
Nimm wieder hin die Herrschaft dein
Und deine Gewalt; ich begehr' mit nichten
Forthin dein Amt mehr auszurichten.
Ich merk', daß meine Weisheit kaum töcht',
Daß ich eine Geiß regieren möcht'
Mit großer Angst, Müh und Arbeit.
O Herr, vergib mir meine Torheit!
Ich will fort der Regierung dein,
Weil ich leb', nicht mehr reden ein.«
Der Herr sprach: »Petre, dasselbe tu,
So lebst du fort mit stiller Ruh,
Vertraue mir in meine Händ'
Das allmächtige Regiment.« |