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Da stand ihr Mann einmal an dem Gartenzaun und sah trübe der Sonne zu, welche hinter dem Walde versank, und die einzelnen Halme, welche auf den geschnittenen Feldern stehen geblieben waren, die Gräser, die Blätter der Bäume, mit flüssigem Roth überzog. Unerwartet schlang sie den Arm um ihn und hatte seine warme, trockene Hand gefaßt, welche in demselben Augenblicke eisig kalt wurde.
»Warum bist du nicht bei mir?« sprach sie, sich ganz hingebend, »du weichst mir aus. Bin ich dir so nicht recht? Wie willst du mich haben? Liebst du mich noch?«
Mihael streichelte ihre Wange und blickte wieder in die Landschaft. Olga umfaßte ihn leidenschaftlich und preßte ihren Mund auf den seinen. Ihr Mann machte sich sanft los. »Du reitest morgen zum Grundherrn von Zawale auf die Hetzjagd. Willst du, daß ich dich begleite?«
Olga sah ihn erschreckt an. »Das war es nicht.«
»Das war es,« sprach er lächelnd, »komm, es wird kühl, gehen wir hinein.« Und drinnen zog er Olga auf seinen Schooß und bedeckte ihren Nacken, ihre Lippen, ihre Brust mit Küssen; ihr Herz stand still von Jubel. Plötzlich sagte er: »Zünde die Lampe an und bringe mir die Zeitung.« Sein Weib ballte die kleine Faust und weinte die Nacht durch bis zum Morgen.
Ihre Augen tropften noch, als er ihr in den Sattel half, sie sah ihn seltsam an, peitschte ihr Pferd und sprengte voran.
Der Tag war klar und milde. Fröhlich brauste die Jagd über das Blachfeld. Im Walde waren die Schützen vertheilt, ihr Mann erhielt seinen Stand tief im Dickicht. Die schöne, siegreiche Frau mit dem blutenden Herzen, den Augen voll Thränen führte die Hetzjagd an. Sie entdeckte den ersten Hasen, der sich aus dem Gehölze in das Freie zu retten suchte, und wies mit der kleinen zitternden Hand auf ihn, die Windhunde wurden losgekoppelt, die Hörner schallten, mit wildem Hurrah folgten die Reiter dem verzweifelten Thiere. Sie setzte mit lachender Lebensverachtung über Gräben, Bach und Zäune, jeder Nerv bebte an ihr jetzt von grausamem Vergnügen, sie lachte wie ein Kind, das den Ball fliegen sieht, als endlich die Windhunde das vor Todesangst weinende Thier in die Luft emporwirbelten. In allen Blicken leuchtete die Bewunderung für die tollkühne Reiterin, ihre Eitelkeit feierte eine neue Orgie und es war ja nur ein elender Hase, der zu ihren Füßen aushauchte; die Cavaliere küßten ihre verschwitzten Handschuhe und schwenkten die Mützen. Sie blickte mit hochgerötheten Wangen, funkelnden Augen in dem Kreise umher.
Da stand seitwärts am Waldrande ein junger Mensch, den sie bis jetzt nicht beachtet hatte. Er betrachtete sie mit einem eigenthümlichen Ernste und schwieg.
»Nun, mein Herr,« rief sie ihm übermüthig zu, »wie gefalle ich Ihnen?«
»Mir nicht,« antwortete er trocken.
Olga brachte ihr Pferd durch eine rasche Wendung näher zu ihm. »Und weshalb, wenn ich Sie belästigen darf?« fragte sie, mehr neugierig als verletzt.
»Ein Weib, das sich an der Todesangst eines Thieres ergötzt, muß sehr herzlos sein, oder sehr – gedankenlos.«
In diesem Augenblicke faßte die Seele des armen eitlen Weibes etwas wie Haß, dämonisch, furchtbar, unbezwingbar; aber es war ein anderes Gefühl. Sie sah den jungen Menschen stumm an.
Der war bedeutend genug, ihren Mann zu quälen. Das wußte sie jetzt. Mehr brauchte sie ja nicht. Und er wagte es, sie mit Gleichgültigkeit zu behandeln, das mußte er büßen. Sie fragte nicht weiter.
Er war der erste Mann, der so mit ihr sprach, der ihr schroff, beinahe feindlich begegnete.
Und doch lag so viel Güte in seinem Auge.
Sie fieberte von Rachlust, während er sie kurze Zeit darnach kaum mehr beachtete und sich an der Tafel, sowie im Tanzsaale mit Anderen lebhaft unterhielt. Sie war für ihn nicht auf der Welt und sie sah, daß er in der Gesellschaft eine Rolle spielte. Noch nie hatte sie sich so unbehaglich gefühlt.
Sie erfuhr, daß es ein gewisser Wladimir Podolew sei, von dem damals viel die Rede war und vor dem alle einen großen Respekt hatten.
»Wladimir ist gegen Sie unartig gewesen,« sagte ihr die Hausfrau, ein schönes, kluges Weib, das aus einem Bauermädchen die Frau des Grundherrn von Zawale geworden war; »es ist so seine Weise, er hat ungewöhnliche Manieren, dafür ist er auch ein seltener Mensch, er sieht alles anders an wie wir, tiefer, durchdringender; seinem Geiste, so scheint es, kann nichts verborgen bleiben. Sie werden noch besser von ihm denken lernen, sprechen Sie nur mit ihm.«
Und die stolze Frau, die für Schwüre und Anbetung kaum mehr als ein verächtliches Zucken der Brauen hatte, ging auf ihn zu und sprach ihn an.
»Sie haben mich beleidigt,« begann sie mit bebenden, bleichen Lippen. Dann mußte sie Athem holen.
»Die Wahrheit thut immer weh,« entgegnete Wladimir, »aber sie ist gesund und hat eine unschätzbare Heilkraft für kranke Seelen.« Seine Augen stachen ihr dabei in das Herz.
»Sie haben die Bemerkung gemacht,« fuhr Olga mit gedämpfter Stimme fort, »daß ich wenig zu denken scheine. Ich habe über Ihre Worte nachgedacht, erklären Sie mir dieselben, ich verstehe sie nicht.«
»Auf welche Weise soll ich mich Ihnen erklären?« sagte Wladimir gleichgültig.
»Sie finden, daß der Mensch kein Recht hat, die Thiere zu tödten?« fragte Olga mit spöttisch zuckenden Augenlidern.
Wladimir lächelte. »Eine echt weibliche Logik,« sprach er; »von tödten war ja gar nicht die Rede, nur von hetzen und quälen. Ueberhaupt sollte in dieser Welt vom Rechte gar nicht die Rede sein, nur von der Nothwendigkeit, die alles beherrscht. Der Mensch muß am Ende leben und tödten, um zu leben. Wenn er sich von Pflanzen nährt, so tödtet er ja gleichfalls; denn auch die Pflanzen haben Leben. Er muß die Thiere tödten, aber er soll nicht mehr thun, als nothwendig ist, er soll sie nicht quälen, denn die Thiere haben einen Willen, ein Gefühl und einen Verstand wie wir; sie denken, wenn auch nicht so weit wie wir, und sich an ihren Qualen ergötzen, ist nicht viel besser, als im Circus Gladiatoren schlachten. Eine Frau, welche ein Thier zu Tode hetzen kann, erscheint mir nicht anders, als eine jener grausamen Vestalinnen, an deren Hand Tod und Leben hing und die so gerne den Daumen umdrehten. Eine solche Frau wird auch mit der Zeit keine Menschenopfer scheuen; denn das Bischen Vernunft mehr oder weniger, das uns vom Thiere unterscheidet, gilt beim Weibe ohnehin nicht viel.«
»Ich danke Ihnen,« sagte Olga, nachdem sie kurze Zeit starr vor sich hingesehen hatte. »Jetzt aber wollen wir uns unterhalten.« Sie nahm ohne weiteres Wladimirs Arm und ließ sich von ihm in den Saal zurückführen. Wenn er dann an der Thüre stand, während sie in dem Arme eines Anderen vorüberflog, traf ihn jedesmal ein warmer, sonniger Blick aus ihren schmachtenden braunen Augen. Jedesmal, wenn sie zu wählen hatte, wählte sie ihn, sie suchte ihn immer wieder in den Maschen des Gespräches zu fangen, er aber blieb stets ruhig und wortkarg.
Beim Nachhausefahren wickelte sich Olga mürrisch in ihren Pelz und zog sich wie eine Spinne zusammen, der das Netz zerrissen worden ist.
»Wer ist denn eigentlich dieser Bursche, dieser Wladimir Podolew?« warf sie nach einer Weile mit einer unbeschreiblichen Geringschätzung hin.
»Das ist einmal ein Mann, damit habe ich alles erschöpft,« erwiederte Mihael – er war keines Neides fähig –; »er hat ein Gut an der russische Grenze im Zloczower Kreise und hat hier jetzt eine große Pachtung übernommen. Er strebt immer weiter, war im Auslande, hat viel gelernt, ist kein Faulenzer, auch kein Planmacher, und vor allem kein Geck, kein Frauenknecht, wie unsere jungen Herren.« Er sah Olga dabei an.
»Wladimir ist wohl kein Pole?«
»Wie kannst du nur glauben! Hat je ein Pole etwas Ordentliches gelernt, ein Russe ist er. Das versteht sich von selbst.«
Und dieselbe Nacht noch brütete ein armes hochmüthiges Weib, wie es den verächtlichen Burschen fangen könnte. Am Morgen stieg Olga mit dem Entschlusse aus dem Bette, auf ihn Jagd zu machen. Ob er dabei leiden würde, fragte sie nicht. Ihr machte es Vergnügen und so sollte er mit Netzen umstellt und dann wie ein Fuchs gehetzt werden.
Das war aber nicht so leicht.
Wenige Tage darnach kam Wladimir zu ihrem Manne. Olga schmeichelte sich, er komme um ihretwillen und ging ihm mit einem siegesgewissen Lächeln entgegen. »Mein Mann ist im Dorfe und wird spät zurückkehren,« sagte sie und erwartete, daß Wladimir sein Vergnügen darüber irgendwie verrathen würde. Indeß sagte er ganz dürr: »Dann komme ich morgen.«
»Warum bleiben Sie nicht bei mir?« fragte sie erstaunt.
»Ich ritt herüber, seine Wirthschaft zu sehen; die können Sie mir doch nicht zeigen,« erwiederte Wladimir.
»Nun, so leisten Sie mir Gesellschaft,« meinte sie.
»Das vermag ich nicht,« gab er zur Antwort. »Ihnen würde ich gewiß nicht amüsant erscheinen und mir ist meine Zeit zu kostbar, um Phrasen aufzublasen. Das Leben ist so kurz und man hat immer genug zu arbeiten und zu lernen. Ich falle Ihnen zu Füßen.« Damit ging er.
Am nächsten Nachmittag kam er wieder. Olga las in einem neuen französischen Romane und rührte sich nicht von ihrem Schaukelstuhl. Er sprach im Nebenzimmer mit ihrem Mann. Die Thür war angelehnt, sie wollte nicht zuhören, sie starrte in das Buch, aber ihr entging kein Wort. Mit Aerger nahm sie wahr, wie klug und klar, wie stets nur zur Sache Wladimir sprach; er erörterte nichts, worüber er nicht unterrichtet war, in seiner Rede erschienen Dinge und Menschen gleichsam durchsichtig. Ihr Mann sagte wiederholt: »Von dir kann man Etwas lernen, Freund!« Sie wußte, was das aus seinem Munde sagen wollte.
Es war ganz dunkel geworden, als Mihael ihren Namen rief, worauf sie mit einer Art Hast in die erleuchtete Thür trat. Sie sah nur die Cigarren der Männer wie kleine feurige Kreise in der Finsterniß schwimmen, aber sie bemerkte doch, daß Wladimir sich erhob, um sie zu begrüßen, denn seine Cigarre schwebte rasch wie ein Leuchtkäfer empor.
Mihael bat um den Thee. Als der Kosak den kleinen Tisch gedeckt, die Lampe und den brummenden Samowar aufgepflanzt hatte, erschien Olga, erwiederte Wladimirs Gruß mit einem leichten Kopfnicken und versank in dem nächsten kleinen Fauteuil. Der Kosak bediente mit kalter Küche. Olga füllte die Tassen, ließ ihre Papiercigarrette über der Lampe Feuer fangen und lehnte sich zurück. Die Männer setzten hierauf ihr Gespräch unbekümmert fort, während sie dem blauen Rauch zusah, der, in immer weiteren Kreisen, langsam zerfloß, und durch die halbgeschlossenen Augen, die langen dunklen Wimpern Wladimir beobachtete.
Er war nicht schön, aber was man so interessant nennt – häßlich auch nicht –, noch recht jung, vielleicht jünger als sie selbst, von mittlerer Größe, mager, beinahe schwächlich, mit schmalen Händen und Füßen, aber seine Haltung und seine Bewegungen hatten etwas äußerst Energisches. Sein langes hageres Gesicht zeigte nicht den geringsten Schimmer von Roth, aber es war mehr von der Sonne aufgezogen, gallig, braun, als bleich. Die mehr niedere Stirn zeigte auffallende Erhöhungen über der starken gebogenen Nase und den Augen. Olga fühlte sich versucht, in Galls Schädellehre nachzuschlagen. Ueber dem spitz geschnittenen Kinn wies ein voller, aufgeworfener Mund zwei Reihen blitzender Zähne. Wladimir trug keinen Bart, dafür aber dichtes braunes Haar, das schlicht zurückgekämmt war, beiläufig so, wie man es bei deutschen Pastoren und Lehrern sieht. Während Olga das Alles bemerkte, vermied sie seinen Blick, denn eigentlich mußte man ihm immer in die Augen sehen, so anziehend waren diese Augen mit ihrem ruhigen, klaren, magnetischen Blick. Große tiefe braune Augen, deren Ausdruck immerfort wechselte. Bald zuckte ein teuflischer Spott aus den halbgeschlossenen Lidern hervor, bald schwammen sie unter den langen seidenen Wimpern in feuchtem warmen Glanz, bald schnitten sie Einem in die Seele mit ihrer kalten geistigen Schärfe, immer aber sprach jene Ehrlichkeit der Erkenntniß, jene Wahrheit des Herzens aus ihnen, die keinen Zweifel aufkommen läßt.
Sein ganzes Wesen umfloß, trotz der Nüchternheit und Bedächtigkeit desselben, eine gewisse Poesie.
So war der Mann, der über das schönste Weib hinwegsah, wie über einen Zaunpfahl.
Er sprach mit ihrem Manne sehr ernsthaft von dem Ackerbau, der Pferdezucht, der Pflege des Waldes; später von den Angelegenheiten des Landes. Olga warf ihre Cigarrette weg und hörte zu.
»Wir langweilen Sie, gnädige Frau?« sagte Wladimir spöttisch.
»Nein,« entgegnete Olga, »ich habe mehr Vergnügen, Ihnen zuzuhören, als bei unsern sogenannten Unterhaltungen. Wir vergessen so gerne, wie arm und zerbrechlich unser ganzes Dasein ist, wie schwer wir zu arbeiten und zu kämpfen haben. Der Ernst, mit dem Sie Alles nehmen, thut mir so wohl. Mir ist so – wie soll ich mich gleich ausdrücken – so, als wenn ich aus meinem parfümirten Boudoir in den Nadelwald komme, in dessen frischem, herben Duft sich meine Brust erweitert.« Die eitle Frau sagte dies Alles ohne jeden Hochmuth, einfach, beinahe zutraulich.
Wladimir sah sie das erstemal lange und scharf an und beim Fortgehen gab er ihr die Hand; aber wie kalt war sie, diese Hand, und wie fest, eine Hand aus Eisen. – –«
Olga erzählte so fließend, ihre Rede hob und senkte sich melodisch wie eine murmelnde Quelle, daß es den Eindruck machte, als würde sie ihre Geschichte mit anmuthigem Tonfall vorlesen, oder habe sie Wort für Wort auswendig gelernt und sage sie nun her. Sie lebte offenbar Alles noch einmal durch, jeder Zug, Ton und Farbe, jede Bewegung stand wie gegenwärtig vor ihr. Ich schloß die Augen und lauschte nur, ich wagte nicht laut Athem zu holen.
»Wladimir kam nun öfter,« fuhr sie fort, »Olga behandelte ihn ganz anders, als alle andern Männer; ihm gegenüber zeigte sie sich bescheiden, anspruchslos, sie hörte zu, wenn er sprach, fragte um Manches, sprach selbst nur wenig, aber ihre Augen hingen immer an den seinen. Ihr Anzug zeigte eine ausgesuchte elegante Einfachheit, sie trug stets ein Kleid von dunkler Seide, das bis zum Halse geschlossen war, mit einem kleinen weißen Kragen. Das prächtige Haar lag in breiten Flechten wie eine Reihe dunkler Spangen auf ihrem Haupte.
Während die Anderen aus ihren Schuhen tranken, überhäufte sie Wladimir mit hundert kleinen Aufmerksamkeiten und machte ihm förmlich den Hof. Jede Bemerkung von ihm schien ihr wichtig.
Eimal warf er ein paar gewichtige Worte gegen den Schnürleib hin.
Den nächsten Abend erschien sie in einer bequemen Kazabaika von dunklem Sammet, mit Marderpelz gefüttert und besetzt.
»So ist es recht,« sagte Wladimir, indem er sie das erstemal mit einem gewissen Vergnügen betrachtete.
»Ich werde nie mehr ein Mieder nehmen,« erwiederte Olga rasch.
»Warum nicht?«
»Sie haben es doch gesagt,« rief sie, »und Sie verstehen Alles besser, als wir Anderen.«
Beim Thee streifte sie zufällig seine feine Hand nur mit den äußersten Haarspitzen ihres pelzbesetzten Aermels, aber sie sah, wie es ihn elektrisch berührte; ihre Brust hob sich, ihre Augen blitzten im Triumphe auf.
Er aber wußte in demselben Augenblicke, daß sie ihn erobern wollte und zeigte sich fortan noch zurückhaltender, mied sie so viel als möglich, und schloß sich noch herzlicher an ihren Mann.
Der Zufall brachte in den nächsten Tagen das Gespräch auf eine coquette Edelfrau, für die ein junger Officier im Zweikampf gefallen war.
»Ob so ein Weib kein Gefühl für ihre Ehre, ihre Kinder hat,« meinte Mihael, »wenn sie schon kein Blut scheut?«
»Ach! Die Ehre dieser Gattung Frauen ist die eines Eroberers, sie wird nur nach dem Erfolg geschätzt,« rief Wladimir höhnisch; »so ein Weib opfert ihrer Eitelkeit Glück, Liebe, Achtung, Alles. Aber ein Mann von Ehre und Charakter wird ihr stets fern bleiben; nur Gecken, Dummköpfe, schlechte Wichte sind ihre windige Beute, wie die Katze, die nicht auf edleren Raub ausgehen kann, im Hause Mäuse oder Fliegen fängt. Die Race wird übrigens immer häufiger, denn unsere gebildete Frau ist eine Müssiggängerin, die Romane liest und Clavier spielt; das ist das Unglück.«
»Sie verachten die Künste?« warf Olga hin.
»O nein,« antwortete er lebhaft, »aber ohne Arbeit gibt es kein wahres Vergnügen. Diese Männer, die unsterbliche Werke der Kunst schufen, haben auch gearbeitet, sie haben den Pinsel, die Feder in ihr Herzblut getaucht. Nur wer selbst etwas leistet, ist im Stande, sie zu verstehen und zu genießen.«
»Sie haben Recht,« entgegnete Olga traurig. »Wie oft fühle ich eine entsetzliche Leere, einen Ekel an allem Leben in meiner Brust.« –
»Versuchen Sie zu arbeiten,« sprach Wladimir strenge, »Sie sind noch jung, Sie sind vielleicht noch zu retten.«
Olga wagte nicht, ihn anzusehen. –
Wochen vergingen.
Trübe Nebel wogen um den Edelhof, die weite Ebene ist wieder mit tiefem Schnee, der Teich mit schimmerndem Eise überzogen. Der Schlitten steht indeß noch verstaubt in der Remise, Motten siedeln sich in den glänzenden Bärenfellen an. Olga vergräbt sich ganz in den weichen Polstern ihrer Ottomane und brütet. Je weniger Wladimir an ihren glühenden Blicken Feuer fängt, um so unbändiger verlangt ihr hochfahrender Sinn seine Unterwerfung, sie ist beleidigt, verwundet, erniedrigt vor sich selbst. Sie muß ihn zu ihren Füßen sehen und dann will sie mit Siegesfreude auf ihm herumtreten. Es fällt ihr gar nicht ein, an eine Gefahr für sich zu denken. Sie hat den ersten Mann vor sich, der es werth ist, daß man ihn erobert, und da soll ihr Reiz, ihre Schönheit, ihre Kunst versagen?
Nein, sie muß ihn haben, sie will jeden Preis für ihn zahlen – den höchsten! –
Sie weiß, daß er Achtung vor der Arbeit hat und so beginnt sie zu arbeiten.
»Du übst einen trefflichen Einfluß auf meine Frau,« sagte ihr Mann eines Abends zu Wladimir, während Olga am Stickrahmen sitzt; »sieh, wie sie sich seit einiger Zeit beschäftigt.«
Wladimir sieht sie an. »Habe ich Ihnen gesagt, daß Sie sich die Augen verderben und das Brustblatt eindrücken sollen?« sagt er trocken. »Stehen Sie gleich auf!« Olga gehorcht. »Sie haben Besseres zu thun,« fährt er fort; »so sehr mir Ihre Wirthschaft gefällt, so vermisse ich dagegen in Ihrem Hause jene glänzende Reinlichkeit, welche Holland und einen Theil von Deutschland so sehr auszeichnet. Da haben Sie eine Aufgabe, bei der Sie gesund und schön bleiben.«
Es war die erste Huldigung des ernsten eisernen Mannes. Olga wendete ihr Antlitz, über das sich eine flammende Röthe ergoß, überrascht zu ihm und sah ihn zugleich schüchtern und dankbar an.