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Eines Tages hatte ich Robot im Herrenhofe und traf sie, wie sie aus dem Hause kam. Unser Gutsherr lag im Fenster, so im Schlafrock, versteht ihr, und rauchte seinen Tschibuk. Katharina machte sich neben mir etwas zu schaffen, ich beachtete sie nicht.
»Ich gehe jetzt, Balaban,« sagte sie nach einer Weile.
»Es ist gut, daß Ihr geht,« sprach ich so mit halber Stimme.
»Was sucht Ihr in Herrenhofe? Hier gibt es wenig Gutes für ein junges, hübsches Ding, wie Ihr seid.«
Katharina wurde roth, ich weiß nicht ob vor Zorn oder Scham.
»Was liegt Euch denn daran?« fragte sie, so beiseite.
Ich wurde euch verlegen, ganz verlegen.
»Was mir an Euch liegt?« sagte ich dann ernst. »Der Teufel hat überall sein Spiel und mir ist es leid um jede gute Menschenseele, die unserem Herrn Gott gehört.«
»Ich bin ein armes Mädchen,« sagte sie. »Wer gibt mir was? wer wird mich heirathen? und ich muß doch leben und mich freut doch auch, was andere Frauen freut. Ich möchte mir im Herrenhofe etwas schön verdienen, ein neues Kopftuch allenfalls, oder solche schöne Korallen, oder gar einen Pelz.«
»Was brauchst du Korallen,« sagte ich, »oder –«
»So gefall' ich Niemandem,« rief sie.
»Das lügt, wer das sagt,« schrie ich hitzig.
Ich war schon ganz verliebt in das Ding, sag' ich euch. Nun wußte ich euch, was ich zu thun hatte. Ich dachte an die alten Geschichten und Lieder, wie der Czar die Czarewna und der arme Fischer das Fischerweib zuerst gewinnt mit schönen Geschenken, und legte den Groschen zum Groschen, bis der heilige Dreikönigstag kam.
Da war ich am Abende der Erste, mich schwarz anzustreichen. Ich hatte eine rothe Altardecke vom Diak bekommen, das gab einen Mantel ab, und eine große spitze Krone aus Goldpapier. Ich war der schwarze König und ich hatte zwei gute Kameraden, den Iwan Stepnuk und den Pazorek, die waren die beiden weißen Könige, gut herausstaffirt, und mein Vetter, der Jusef, den die Blattern genommen haben, war unser Diener, ein ganzer Mohr.
Der trug euch die Geschenke. So machten wir uns denn auf den Weg, wir Weisen aus dem Morgenlande, sangen tapfer unser Lied und Pazorek trug den Stern auf einer langen Stange.
Wie wir bei Katharina eintraten, flogen die Mädchen wie eine Kette Rebhühner auf und schrieen, der Alte aber, ihr Vater, lächelte und holte den Branntwein vom Brette herab, uns schön zu bewirthen. Während die Anderen mit ihm tranken, wie es sich gebührt, nahm ich Katharina artig bei der Hand, verneigte mich und sprach: »Ich segne dich, Blume des Abendlandes. Wir Könige des Ostens, folgend dem Sterne, der uns den Weg zu unserem Heiland weist, zogen in dieses Land, wo uns deine Schönheit und Rechtschaffenheit zu Ohren kam. Wir sind in deine Hütte getreten, um uns vor dir zu neigen und dir Geschenke zu bringen.«
Dabei winkte ich dem Vetter Jusef, unserem schwarzen Diener, zog ein schönes großes rothes Kopftuch aus seiner Torba und brachte es ihr dar und zog dann drei Schnüre schöner großer rother Korallen hervor und brachte sie ihr gleichfalls dar. Ich hatte Beides für meine guten Groschen in Kolomea gekauft. Meine Katharina bückte sich vor Verlegenheit, wurde euch roth wie Blut und verbarg beide Hände zwischen ihren Knieen, aber mit den Augen verschlang sie euch gleichsam das Tuch und gar die Korallen, und ich zog sie sachte auf die Ofenbank, legte ihr meine Geschenke freundlich in den Schooß. Dann sprachen wir euch so schön. Ich sagte: »Schöne Czarewna, über's Jahr bringe ich Euch einen schönen Pelz von Zobelfellen, oder weißen Hermelinen, wie ihr es befehlt,« und sie sagte: »Majestätischer König der Mohren! ich bin keine Czarentochter, nur ein armes Bauernkind und mir ist ein Schafpelz genug.« Darauf ich wieder: »Schön bist du wie eine Czarentochter, das ist die feste Wahrheit. Bei uns ist eine andere Welt, ein anderes Volk, eine andere Erde. Ein jeder Mann hat hundert Frauen und ein König tausend, doch weiß ich nur ein Weib, das ich möchte für mein ganzes Leben.«
Die Anderen wurden lustig, sprangen und schrieen, und Pazorek hob meine Katharina kuraschirt von der Bank und drehte sich mit ihr wie ein Kreisel, ich aber saß still und sah ihnen zu und damals begann mir das Herz so seltsam zu schmerzen. Die ganze Welt bekam ein anderes Aussehen für mich, so kurios. Wie es euch Leute gibt, die nur bei Nacht ihr Augenlicht verlieren,Tagseher in Kleinrußland. so war ich euch auf einmal wie blind bei hellem Tage; die Welt, die ich sah, war nicht diese unsere Welt, ich blickte gleichsam nur in mich hinein und Nachts wurde ich auf einmal sehend und sah rings um mich wunderbare Gesichte in Busch und Feld. Ich sah in Luft und Wasser, im Mondlicht, was kein Anderer sah, und hörte auch was Niemand hörte, und fühlte – es sind viele, viele Jahre vergangen seitdem, aber ich habe noch immer keine Worte gefunden, mit denen ich euch sagen könnte, was ich damals fühlte. Mein Herz wurde so weit und wieder so eng, flog jetzt und stand jetzt still. – Ach! Dummheit!«
Der Capitulant lächelte wehmüthig und wiegte dann den Kopf langsam hin und her.
Zwei Tage nach dem Dreikönigstage traf ich Katharina unterwegs.
»Hast du dich mit Lauge gewaschen?« rief sie schon von weitem und lachte euch dabei so spitzbübisch.
Ich wollte sie haschen, aber sie entkam mir noch dießmal.
Wir hielten jetzt immer lange Gespräche, wo wir uns begegneten und ich kam auch zu ihr, in ihre Hütte. Die Nachbaren machten schon ihre Rumarken.
»Weißt du, was die Leute sagen?« sprach ich zu Katharina.
»Wie soll ich das wissen?«
»Sie sagen, daß du meine Geliebte bist.«
»Bin ich's denn nicht?« fragte das arme Kindchen und machte große Augen. »Habe ich nicht ein Kopftuch von dir bekommen und Korallen?«
Ich war stille.
»Wirklich sagten es die Leute, und Jeder hielt sich ferne. Bald war es auch die Wahrheit,« sagte der Capitulant leise, und sah wie verschämt vor sich in die glimmende Asche, sein Antlitz zeigte einen ruhigen Glanz, seine Augen schienen durchsichtig von innen erleuchtet.
Ich warf einen Blick auf die Bauern, Kolanko lauschte mit zusammengezogenen Brauen und übereinander gepreßten Lippen, der Pappendeckelmann und Jur, der hinter seinem Rücken saß, lehnten wie Garben an einander, Mongol lag in der Asche wie ein Fisch am Sand, vor lauter Spannung vergaß er Athem zu holen und schnappte nur von Zeit zu Zeit nach Luft.
»Es war ein hübsches gutes Mädchen, diese Katharina,« bemerkte der Pappendeckelmann eifrig zu mir herüber, »und was das für ein stolzes Weib gegeben hat, eine rechte Herrin. Einen Gang hat sie Ihnen, mein Wohlthäter, wie eine Czarin, und schön ist sie wie der Teufel.«
»Heute noch?«
»Das will ich meinen.«
»Ich habe einmal ihre Hand geküßt,« rief der Bube mit leuchtenden Augen. »Sie zog den Handschuh herauf und ließ mich küssen, eine Hand wie eine gnädige Frau, so weiß, so rund, ein feines Händchen.«
»Es war ein hübsches gutes Mädchen,« wiederholte der Capitulant, »fleißig, heiter, sang euch bei der Arbeit und tanzte wie eine Majka. Auf jedes Wort fand sie eine Antwort und hatte zuweilen Gedanken gleich einer Wissenden.«
Sie war mehr groß als klein und hatte braunes Haar und so gute blaue Augen, dämmernde Augen, wißt ihr, und wieder erstaunte, blöde, so zu sagen, Thieraugen. Wenn sie mich ansah, fühlte ich es bis in die Fußspitzen. Ihr Kopf war – so edel, möchte ich sagen. Bei dem Gutsherren im Garten stand ein altes Weib von Stein, ich will sagen ein Weib von Stein, so eine alte Göttin. Sie hatte denselben edlen Kopf, dieselben strengen Züge. Ein schönes Weib und fröhlich wie im Sommer das Wasser auf der Czernahora.« Es war schwer, sie nicht zu lieben. Sie war mir wahrhaftig die liebste Seele auf der Welt. Ich konnte zu ihr sprechen wie zu meiner Mutter, ich konnte ihr alles sagen, alles vertrauen, vor ihr hatte ich keine Furcht keine Scham, keinen Hochmuth. Manchmal saß sie wie eine Heilige in der Kirche, still und ernst und mir war es feierlich zu Muthe, wie wenn ich beten sollte und ich beichtete ihr so zu sagen alles, was ich auf dem Herzen hatte. Sie kannte jeden Winkel in meiner Seele, ihr und Gott dem Herrn war nichts in mir verborgen. Und sie – sie war wie mein Kind, wie ein Thier, das ich aus dem Nest genommen und mir aufgezogen. Ich sah sie nur an, sie wußte schon meinen Gedanken, meinen Willen.
Es war, als hätte mich die Mutter in Honig gebadet, so küßte sie mich ab, und biß mich oft wie eine Schlange.
»Ich war glücklich. »Er lächelte. »Das heißt, wenn ich jetzt daran denke, war ich damals glücklich, dort wußte ich es nicht. Aber daß es je anders sein könnte, das hätte ich mir wahrhaftig nicht vorstellen können.
Nun, daß ich euch sage, so kam denn wieder das Frühjahr. Ich merkte seit einiger Zeit eine Veränderung. Katharina hob mir den Kopf etwas hoch.
Da geschah es eines Abends, daß ich die Pferde zur Tränke führte. Dort war es bei dem Ziehbrunnen hinter den Weiden, versteht ihr. Sie ließ mich warten. Es war das erstemal, daß das geschah. Und so kam sie denn auf einmal über die Wiese, zierlich wie eine Bachstelze, die Kannen auf der Schulter wiegend und sang ein ausgelassenes Lied:
»Nicht beten geh' ich in die Kirche, Ne toho jdu cerkowci Bohn se molyty, Kleinrussisches Volkslied aus dem Huzulenlande.
Nur in die Kirche den Geliebten sehen,
Trete zu den Heiligenbildern,
Blicke einmal auf den Priester,
Dreimal auf den Liebsten hin.«
Lys toho jdu do cerkowci, na lubka dywyty:
Oj pydu ja do cerkowci, stanu pid obrazy
Podywliu se raz na popa, na lubka try razy.
Sie sang so fröhlich, sie jubelte wie eine Lerche, und ich war so traurig. Ich küsse sie schön und umarme sie hübsch, und sage ihr kein böses Wort, und sie weiß mir nichts Gutes zu sagen, bückt sich eifrig, füllt ihre Kannen, ich reiche sie ihr, sie hängt sie an ihre Stange und sie setzt sie wieder nieder.
»Was wird das sein,« begann sie, mit der Fußspitze im Wasser spielend. »Ich muß es dir doch sagen. Der Gutsherr verfolgt mich.«
»Der Gutsherr?« sagte ich, beinahe erschrocken.
Sie nickte leicht mit dem Kopfe.
»Er nennt mich sein Liebchen, nimmt mich um den Leib, er hat mich auch schon einmal geküßt.«
Ich wurde zornig und stampfte mit dem Fuße.
»Schlage mich nur nicht,« rief sie. »Er verspricht mir schöne Kleider, theure Steine, und jetzt habe ich oft nicht so viel, um mir ein Band zu kaufen; ich könnte in seinem Wagen fahren mit vier Pferden, wie eine gnädige Frau, aber ich will nicht.«
Sie wagte noch immer nicht aufzublicken.
»Sieh' mich an,« sagte ich.
Sie gehorchte, aber ihr Auge war so scheu, so fremd.
»Ich höre nicht, wenn er zu mir spricht,« fuhr sie lebhaft fort; »auch drohe ich, ihn zu schlagen, wenn er mich küßt.«
»Und er hat dich doch geküßt,« sagte ich, »und du hast ihn nicht geschlagen.«
»Ich will ihn nicht,« rief sie wieder; »er weiß es und rächt sich dafür. Mein Vater kann ihm jetzt nichts recht machen, er wird ihm noch die Wirthschaft nehmen und uns wie Bettler, wie Diebe aus dem Dorfe jagen.«
»Das darf er nicht,« setzte ich dem blöden Ding auseinander. »Sei nur recht kuraschirt,« sagte ich. »Wenn Gott uns segnet, mag der Teufel dabei ministriren. Aengstige dich nicht, mein Seelchen, meine Süße, meine kleine Wachtel. Liebst du mich noch? – Halte dich. Bleibe fest.«
Da begann sie zu weinen, so jämmerlich, daß Einem das Herz bersten konnte.
»Ich werde nicht können!« rief sie.
Eine Lerche stieg eben aus dem grünen Saatfeld empor.
»Die Lerche fliegt,« sprach sie, »sie fliegt in den Himmel – O! könnt' ich mit.«
»Ich bitte dich, rede keinen Unsinn,« rief ich. »Bleib' bei mir.«
»So wird es nicht gehen,« erwiederte sie und seufzte und wischte sich die Thränen aus den Augen. »Ich werde nicht widerstehen können.«
Mein Pferd zupfte mich so, als wollte es mir was sagen, ich streichelte es traurig und mir kamen die Thränen.
»Was sollst du auch?« sprach ich. »Niemand kann etwas gegen seine Natur.«
Katharina hatte indeß aufmerksam ihr Bild im Wasser betrachtet. O, wie schön sie war! Ihr Antlitz blickte wie das einer Russalka, der keine Menschenseele widerstehen kann, aus dem leise schaukelnden Spiegel.
»Wirst du mir treu bleiben?« fragte ich leise.
Ich fürchtete mich. Eine entsetzliche Angst faßte mich, sie zu verlieren, von ihr getrennt zu werden. Ich hätte sie kniefällig bitten können: Bleib' bei mir! – Nun – Gott verzeih' es ihr.
»Ich lasse dich nicht!« rief sie und fiel mir an die Brust. »O! wäre ich so schön wie die helle Morgenröthe, würde ich über alle Felder scheinen, nie verlöschen – und so weiß ich nicht, was ihm an mir gefällt, und wir passen besser zusammen, ich und du. Nicht wahr, Balaban?«
Ich nickte und ging mit den Pferden bei Seite und sprach kein Wort.
Der Capitulant hielt inne, beim Erzählen war ihm die Pfeife ausgegangen, er klappte den Deckel auf, stieß mit dem Messer hinein, daß die Asche aufflog, und schob frischen Tabak nach. Dann legte er bedächtig ein kleines Stückchen Schwamm auf den Feuerstein, welchen er am Gürtel trug, und schlug Feuer mit dem Messer. Die Funken flogen, den glimmenden Schwamm, der einen angenehmen herben Geruch gab, warf er in die Pfeife und that dann einige leichte Züge.
»Ich sprach sie noch einmal,« fuhr er dann fort. »Damals kam ich in ihre Hütte. Der Alte war auf Robot. Wir waren allein. Wie ich sie so in meinen Armen hielt, zitterte sie und küßte mich, daß mir die Lippen bluteten. Auf einmal lächelte sie.
»Denke, wenn ich so einen Herrn, einen gnädigen mächtigen Herrn da hätte, wie jetzt dich,« sprach Katharina zu mir. »Wenn er so seufzen würde vor mir und die Augen verdrehen wie du. Wäre das nicht hübsch?«
Sie legte euch beide Hände auf den Nacken, wenn sie so sprach, bog sich zurück und starrte zur Decke empor, wie im Traum, sag' ich euch. »Es ist ein stolzes Vergnügen,« murmelte sie, »so ein Herr! – Er schlägt nach den anderen Weibern mit der Peitsche, wie nach Hunden und mir – mir küßt er die Hände. Du glaubst es wohl nicht?«
O! ich glaubte es wohl. Sie sah, daß mir das Weinen nah' war, und da war ihr wohl leid; sie strich mir langsam die Haare aus der Stirn und lächelte. Da ich lange nichts sprach, stand sie auf und kämmte ihr Haar.
»Was hast du?« rief sie dann. »Bringe mich nicht auf, sonst –«
Ihre Augen funkelten im Zorn.
»Katharina!« sprach ich, »denke an die Ewigkeit!«
Kolanko rückte unruhig hin und her und blickte mitleidig auf den Capitulanten.
»Eben daran denk' ich,« entgegnete sie. »Wir sind hier sehr kurz, dort aber ewig.«
»Du hast ihr doch nicht geglaubt?« unterbrach der Alte den Erzähler.
»Sie setzte sich zu mir,« fuhr der Capitulant fort.
»Was würdest du sagen, Balaban,« begann sie«,wenn ich hier dem Herrn gehören würde und drüben immer nur dir. Dort sind wir reine Geister. Dort werde ich auch ein reiner Geist sein. Hier bin ich's nicht. Hier bin ich ein Weib, wie alle anderen.«
Ihre Augen zogen sich dabei zusammen, wißt ihr, und ihr rother Mund lachte so tückisch, daß mir ein Schauer über den Rücken lief.
»Hättest du einen Hof,« meinte sie euch, »könntest du mir Mägde halten und Knechte, einen Wagen, vier Pferde, könntest du mir aus der Stadt theure Steine bringen und einen Zobel bringen, wie ihn die Edelfrauen tragen, ja, wärst du nur ein rechter Bauer, der seine guten Groschen hat, ich würde Keinen lieben als dich, dich allein. Du bist mir in der ganzen Welt der liebste Mann.«
Sie nahm mich um den Hals, weinte und küßte mich. Mir stand in der Brust Alles stille vor Trauer. Ich dachte euch nach wie einer, der in Ketten liegt und gehängt werden soll und keine Rettung weiß.
»Weißt du was,« sagte ich endlich, »ich will zu den Hajdamaken, ich will Räuber werden, damit du theure Steine haben kannst und Gold und Silber, Zobelpelze, Hermeline.«
»Wozu?« sprach sie und schüttelte das Haupt. »Sie werden dich doch zuletzt gefangen nehmen und dich an den Galgen hängen, und von dem Herrn bekomme ich Alles, ohne daß ihm ein Härchen weh thut; was meinst du? Ist das nicht besser?«
»Du bist überaus gut,« erwiderte ich.
»Freilich,« rief sie, »ich will nicht, daß du meinetwegen sterben sollst.« Dabei nahm sie mich um den Hals und küßte mich leise auf meine nassen Augenlider. Dann schritt der Vater herein, sah uns an, stellte den Dreschflegel in die Ecke. Ich redete noch aus Artigkeit ein Wort um das andere mit ihm, ging dann hinaus; es war ein milder Abend, der Himmel funkelte, Katharina ging neben mir, wir schwiegen Beide, dann ging ich schneller, sie blieb zurück und ich pfiff mir so, aber nicht von Herzen.
Das Alles war lange vor dem Jahre 1848, müßt ihr wissen. Noch war die Unterthänigkeit und die Robot, der Bauer mußte viel aushalten von dem Herrn.
Damals wurde ich mit einer Salzfuhre fortgeschickt über mehrere Tage. Es war gegen das Patent,Robotpatent Kaiser Josephs II., das die Rechte der Gutsherren festsetzte und zugleich in vielem minderte und beschränkte. gegen alles Recht, ich wußte es, aber ich duldete es, das war nicht gut. Seht ihr, das war das Unglück, da begann mein Elend. Man soll nichts thun aus Schwäche. So ein Mensch, der sich fügt gegen seine Einsicht, seinen Willen, sein Gefühl, der wird euch dann nachlässig in seiner Pflicht, ein rechter Schuft. Nun, Gott sei Dank, ich habe mich noch bei Zeiten gebessert. Seine Schuldigkeit soll man thun, das ist es.«
»Nun, was hättest du aber thun sollen?« meinte mit mürrischem Augenzucken der Pappendeckelmann.
»Das war eine schwere Zeit!« rief Kolanko und seufzte jämmerlich. »Wenn man von seinem Rechte sprach, antwortete der Edelmann mit dem Stocke. Böse Zeiten! Böse Zeiten! Ihr Jungen wißt nicht viel davon.«
»Nun, und was geschah, als man euch mit der Salzfuhre fortschickte?« fragte ich rasch, denn ich wußte, daß unsere Bauern, wenn sie auf die Robotzeit zu sprechen kommen, zu keinem Ende gelangen können.
»Nun, ich blieb lange aus. –
Wie ich zurückkam, hatte der Mandatar immer viel Arbeit für mich und Katharina ging furchtsam mir aus dem Wege. Ich roch euch den Tabak gleich. Zuletzt traf ich meine Geliebte in der Kirche, wir geriethen ganz zufällig an einander. Sie hatte euch ein seidenes Kopftuch, den Hals von unten bis oben mit Korallen umwunden, und einen neuen Schafpelz, der noch auf zwanzig Schritte entsetzlich roch. Sie sah mir kaum ins Gesicht, so war sie auch weiß, wie ein frischgeputztes Riemenzeug.
»Du bist schön,« redete ich sie an. »Wo ist denn mein Kopftuch?«
»Such' dir's!« rief sie, halb zornig, halb furchtsam.
Ich sah sie an.
»Willst du mir was anthun?« schrie sie auf.
»O nein!« sprach ich, »geh' deines Weges!«
Ich wurde auch manchmal zum Holzfällen geschickt in den Wald. Dort war mir gut. Wenn so der Wind brausend durch die Wipfel zog und die Halme neigte, der Specht feierlich an die Stämme klopfte, ein Geier über mir in den Lüften stand, von Zeit zu Zeit leicht die Flügel regte und schrie, dann lag ich auf dem Rücken, blickte in den Himmel und das Herz that mir nicht mehr weh. Oft war mir schlecht zu Muthe; ich grub unter die Wurzeln einer Eiche ein Loch, dort legte ich Groschen zu Groschen; ich wollte eine Flinte kaufen. Es hätte lange gedauert.
Beim Holzfällen traf ich auch die Brigitta, so eine Baba, ein altes Weib aus Tulawa, die sammelte dort Thymian. Sie schlug die Hände zusammen.
»Ihr fällt hier die Bäume, Balaban,« rief sie, »und der Grundherr hat Euch unterdessen Eure Katharina auf eine Mentressa genommen!«
»Was Ihr sagt!« erwiderte ich. »Ist sie bei ihm im Hause?«
»Gewiß, Herr Jesus, war das eine Historie,« erzählte sie weiter. »Die Beschließerin mußte gleich fort, der Herr hat sie gejagt. Diese Katharina commandirt jetzt. Ich bringe Schwämme in die Küche und sie kommt dazu, hat den ganzen Kopf voll papierner Würste, wie eine Dame und ein langmächtiges Kleid, raucht ein Cigarro, wie ein großer Herr. Da seh' ich sie an und küsse ihr nicht die Hand. »Weißt du nicht, was mit meiner Hand anzufangen?« schreit sie gleich. »Da gehört sie hin!« Schlägt mich aufs Maul. Und schlägt mich noch einmal.«
Das erzählte mir die Alte und erzählte mir noch, daß die Katharina jetzt wie eine Herrin wohne und angezogen sei wie eine geborene Fürstin, auf Silber speise, zu Pferde reite und die Leute prügeln lasse, wie ihr Herz es verlange. »Bleibt doch eine Mentressa,« sagte ich.
Damals, wie ich so im Walde allein war, dachte ich auch daran, ein Räuber zu werden, Gott verzeih' mir die Sünde, ein Hajdamak, der die Edelhöfe anzündet und die Edelleute wie Raubvögel mit Händen und Füßen an die Scheunen nagelt. Mein Gewissen wollte aber nicht stille werden und eine Stimme sprach zu mir wo ich ging und stand: »Was willst du, Bauer, eines Bauern Sohn? Was hast du mit der Flinte zu schaffen? Willst du allein Krieg führen mit den Menschen? – Ich wurde dann still und blieb endlich im Dorfe, aber das beschloß ich: Nur meine Schuldigkeit zu thun und nichts zu dulden gegen mein Recht.«