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Die große Gaststube beim Marderbräu. Niedriger, gewölbter Raum, dessen Wände von Ofen- und Tabakqualm dunkel gefärbt sind. Tische und Stühle mit guter Ordnung verteilt. Rechts eine Türe auf den Flur. Daneben ein Weihwasserkessel aus Porzellan. Links baut sich der große Schenktisch mit Kupferplatte, Bierkrügen und einem Bierbanzen aus einem Gewölbe heraus. Darüber an der Wand ein Bildnis König Ludwigs I. in einfachem Holzrahmen. Neben dem Schenktisch in der hinteren Ecke eine Türe, die zu den Wohnräumen und zu einem Seitenausgang führt, neben ihm vorn ein Kneiptisch. Die rückwärtige Wand birgt in der dem Schenktisch zugeneigten Hälfte eine weitere Türe, den Eingang zur Kneipe der Cherusker. Über ihr das Wappen der Cherusker in den Farben Hellgrün, Weiß, Gelb, mit dem gut sichtbaren Wahlspruch: In virtute honos. Die weitere größere Hälfte der Wand wird ausgefüllt durch einen sehr großen Erker, dessen mittleres Fenster den Blick auf den Hof freiläßt. Heller Nachmittag. Hinter dem Schenktisch sitzt Genoveva Lunglmayer in der Tracht der Münchner Bürgermädchen, mit goldener Riegelhaube und buntem Schaltuch. Sie hat ihr Gesicht dem Zuschauer zugewendet, beide Arme übereinandergelegt und ist eingenickt. Im Erker sitzt hinter einem Maßkrug Glaser Hemersbacher, vorn rechts Partikulier Wammerl, der mit aller Gemütsruhe Geselchtes zerschneidet. Nach einer kleinen Pause erscheint Lola Montez am Erkerfenster. Sie trägt gewöhnliche Kleidung und ein Umschlagtuch. Als sie Genoveva gewahrt, lächelt sie und geht um den Erker herum. Gleich darauf tritt sie ein durch die rechte Türe.
Lola Bon soir, Mademoiselle Veverl!
Genoveva fährt jäh auf: Mar . . . und Joseph!
Lola Nun, warum so erschrecken?
Genoveva reibt sich die Augen: Mein Gott, i hab' so fest g'schlafn.
Lola lachend: C'est ce que j'ai vu.
Genoveva Was?
Lola Nichts.
Genoveva Wer bist denn du, oder wer san denn Sie?
Lola schaut sich fortwährend um: Geduld, chère enfant, Geduld.
Genoveva Wollen S' a Bier hab'n, oder was wollen S' sonst?
Lola Was ich will? Ich will den Senior der Cherusker, ich will deinen Bräutigam, den Xaver Singlspieler, den will ich.
Genoveva aufspringend: Was hab'n Sie mit'm Xaverl z'tun?
Lola C'est mon affaire, geht dich gar nichts an.
Genoveva Oho, da müßt i scho' bitt'n!
Lola auf das Wappen deutend: Eh voilà son emblème und da . . . seine Zimmer, n'est-ce pas?
Genoveva Na, da drin schlaft der Herr Eisenkopf.
Lola E-isenkopf?
Genoveva Der älteste Student von de Cherusker! Siebenunddreißig Semester hat er aufm Buckel.
Lola Und er schläft?
Genoveva Ja, weil er heut erst zurück'kommen is von Amerika.
Lola indem sie öffnen will: Tant mieux, da wird auch der Xaverl . . .
Genoveva Händ' weg! I bin a rechtschaffens Bürgermadl und der Xaver a rechtschaffener Bürgerssohn, der nix z'tun hat mit herg'laufene Frauenzimmer. Übrigens is er gar net da.
Lola So? Wo ist er?
Genoveva Auf d' Polizei is er vorg'lad'n, weil er saudumme G'schicht'n ang'fangt hat.
Lola setzt sich: Fi donc! Erzählen Sie!
Genoveva Hab'n Sie in Ihrem Leben scho' amal was g'hört von derer Person da, von der Lola Montez?
Lola lachend: Niemals.
Genoveva Hab'n S' s' auch no' nie g'sehgn, wie s' 'rumkutschiert 'n ganz'n Tag auf der Straß'n, in Samt und Seid'n?
Lola Hast du sie schon einmal gesehen?
Genoveva Tat mi bedanken dafür.
Lola lacht laut.
Genoveva Ja, Sie, des is eine! De hat unsern armen König verzaubert. Jetz' regiert s' scho' zwei Jahr im Land. Am liebsten möcht s' uns unsern heiligen Glaub'n a no' nehm'n, und weil des do' net geht, hat s' mit de Studenten anbandelt. Da is s' aber falsch an'kommen; de hab'n s' 'nausg'schmiss'n. Was tut die Person? Sie ruft aus lauter Rachsucht a eigene Verbindung ins Leben: die Alemannia.
Lola Est-ce possible? Eine Dame? Eine Verbindung mit Couleurs und mit Schläger?
Genoveva Und denken S' Eahna, da is sogar einer von de Cherusker dazu 'gangen, der Peißner.
Lola Qu'est ce que vous dites?
Genoveva Des hat eb'n 'n Xaverl so rabiat g'macht. Und wie er gestern den Peißner trifft auf der Ludwigstraß'n . . . was tut er? Er haut eahm eine 'runter.
Lola Dein Xaverl ist un heros, ein Held.
Genoveva Kann scho' sein, aber unser Liab geht z'grund bei dem Handel.
Lola Wie das?
Genoveva weist zum Erker hinaus: Da schau'n S' 'nüber: des großmächtige Anwesen, was S' da seh'n, des g'hört sei'm Vater, 'm Sporerbräu. Der tut grad so viel einsied'n wie mir, eher no' was mehr. Nun is der Xaverl 's einzige Kind aufm Haus, wie i's selber bin aufm unsern. Also, warum greift er denn net zu?
Lola C'est ça! Er soll werden brasseur, Bierbra-uer?
Hemersbacher Des glaub i. De Alten könna nur no' net eini' wer'n!
Wammerl Zwoazwanz'gtausend Gulden hat der Singlspieler scho' boten fürs Veverl, aber d' Lunglmayerin verlangt fünfazwanz'g.
Hemersbacher Und a sonst streit'n de Alt'n mitanand.
Wammerl Weg'n 'm Bier!
Hemersbacher Freili! A abg'feimter Gauner is er, der Singlspieler.
Wammerl mit erhobenem Zeigefinger: Sechsahalb Kreuzer möcht er für d' Maß; jetz' in derer gottverlass'nen Zeit, aber d' Marderbräuin is rechtschaffen, sie bleibt bei de sechs.
Hemersbacher hämisch: Hat s' g'sagt, de Marderbräuin, ha ha! Wart'n ma's amal ab.
Lola zu Genoveva: Eh bien, grüß deinen Xaverl, sag' ihm, er soll sechseinhalb Kre-uzer für den Maß verlangen oder gleich sieben oder zehn, sag' ihm, er soll fünfundzwanzigtausend Gulden für dich lassen bieten, tout ce qu'il veut. Sie will rechts ab.
Genoveva Sie, halten S'n Augenblick. Von wem soll ich eahm des ausricht'n?
Lola Von mir. Ich hab' es auf ihn, er gefällt mir, ja, er gefällt sogar sehr gut mir.
Genoveva Schämen S' Eahna net, mir so was in's G'sicht z' sagn, mir, der, wo er zug'hört?
Lola Zu-ge-hört? Sie lacht unbändig. Ça n'existe pas. Wenn ich befehle – er liegt morgen zu meine Füße, er schwört mir ewige Liebe, als Sklave wie die ganze Welt.
Genoveva Jetz' geben S' a Antwort und sagen S', wer S' san!
Lola Wer ich bin? Eh bien. Ich bin die, von der du gesprochen hast, ich habe verzaubert den König, habe vertrieben die Pfaffen, ich bin Komtesse Landsfeld, bin der Schrecken der Bourgeois, das Entsetzen des Landes, en somme, ich bin Lola Montez. Sie stürzt rechts ab.
Genoveva bekreuzigt sich, indem sie laut aufschreit: Jessas Maria! Zu Hemersbacher, der laut aufmeckert: Herr Hemersbacher! Zu Wammerl, der ruhig weiterkaut: Herr Wammerl! Zu Eisenkopf, der aus der Tür zum Kneipzimmer tritt: Herr Eisenkopf!
Eisenkopf Was ist denn los?
Genoveva Was los is? Der leibhaftige Gottseibeiuns! De Lola is da in der Stub'n g'wesn.
Eisenkopf Hier im Haus der Cherusker?
Genoveva zieht ihn beim Arm an das Fenster: Da schaun S' naus! Grad sehgn S' s' no . . . jetz', jetz' . . . is s' scho' um d' Ecken.
Eisenkopf laut brüllend: Tod und Verdammnis!
Genoveva noch immer ganz perplex, auf einen Stuhl fallend: Na, so was, na, so was!
Hemersbacher meckert laut weiter.
Wammerl wie oben: Ja, es san schauderhafte Zuständ' bei uns im Land, schauderhafte Zuständ'.
Eisenkopf Hätt' ich die Dirne erwischt, oh . . . oh . . . Er zeigt den Bizeps.
Genoveva wie oben: De Lola, bei uns!
Eisenkopf Zum ersten- und letztenmal! Das Maß ist voll, ihr Bürger, ich bin bereit. Deswegen kam ich über das große Wasser herüber, und jetzt werd' ich den Krieg erklären, ihr und dem alten König, in dessen Namen sie regiert.
Genoveva Pst, net so laut!
Eisenkopf Ist's schon so weit, daß man nirgends mehr sicher ist? Aber der Thomas Eisenkopf läßt sich das Maul nicht verbinden; er war fünf Jahre in Amerika, im Lande der ungemessenen Freiheit, drum redet er, wie ihm der Schnabel gewachsen ist.
Wammerl Weg'n meiner können S' scho' red'n, Herr Nachbar.
Hemersbacher Weg'n meiner erst recht. I reiß 's Maul selber großmächti' weit auf, i könnt Eahna was verzähl'n von G'schicht'n und Sach'n, i könnt Eahna sag'n, was des Weibsbild scho' Geld verbraucht hat.
Wammerl Dabei . . . 's Bier . . . 's Bier . . . sechs Kreuzer kost't d'Maß, und der Singlspieler möcht s' jetz' gar no' auf sechsahalb aufitreib'n.
Hemersbacher Der Knallprotz! Aber des bal er tuat, Herr Nachbar, i sag' Eahna bloß so viel, des bal er tuat, nacher kann er no' was derleb'n.
Wammerl Ja, es san schauderhafte Zuständ' bei uns im Land, schauderhafte Zuständ'! Er trinkt fest.
Eisenkopf Ganz richtig, ihr wackren Bürger. Aber daß einer von euch auf den Tisch haut, das gibt's nicht.
Wammerl Mei', was hilft's?
Hemersbacher Herr Nachbar, i bin a Glaser und sag' Eahna bloß so viel . . .
Eisenkopf Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit, das hab' ich drüben gelernt, das sei auch hier die Devise, das sei . . .
Genoveva winkt hastig ab: I hör' d' Mutter kommen.
Frau Lunglmayer in Hauskleid und Schürze, einen großen Schlüsselbund am ledernen Gürtel, von links rückwärts: Gut'n Abend.
Wammerl Gut'n Abend.
Eisenkopf Guten Abend, Mutter Lunglmayer, geben Sie mir die Hand. Es ist ein alter Bekannter, besinnen Sie sich nur. Ja, ja, Sie haben meinen Namen oft auf die schwarze Tafel geschrieben, buchstabierend: Tho-mas Ei-sen-kopf.
Frau Lunglmayer nicht gerade sonderlich erfreut, aber auch nicht unfreundlich: So? So? Der Herr Eisenkopf? Richtig, jetz' kenn' i Eahna erst wieder. Allerdings, den Namen hab' ich oft auf die Tafel g'schrieben, steht no' dran, wollen S' wissen, wie hoch?
Eisenkopf Danke, hab' kein Verlangen.
Frau Lunglmayer Brauchen kei' Angst net hab'n, i sag's net. Was dahin is, is dahin, und d' Lunglmayerin war jederzeit no' a Herbergsmutter, die sich net hat lump'n lass'n.
Eisenkopf Das weiß der liebe Himmel.
Frau Lunglmayer Aber Sie sitzen ja trocken. Veverl, warum bringst d' ihm denn kei' Bier?
Eisenkopf Nein, danke, keinen Tropfen mehr.
Frau Lunglmayer Was? Der Eisenkopf? Der größte Lump von der ganzen Universität, vor dem koa Mädel, koa Fenster und koa Faßl net sicher war – der trinkt koa Bier mehr?
Hemersbacher Wie halten S' denn des aus?
Eisenkopf Ja, Mutter Lunglmayer, ich bin überhaupt ein anderer Mensch geworden. Ich habe Lebensschule durchgemacht. Die alten Vorurteile unseres verstaubten Kontinents hab' ich über Bord geworfen, kurz und gut: gelernt hab' ich etwas.
Frau Lunglmayer No', Sie werd'n was G'scheits gelernt haben.
Eisenkopf Hab' ich auch drüben! Vom Straßenarbeiter hab' ich mich 'raufgerackert, Tierbändiger war ich, Zirkusreiter, Schlangenmensch und Redakteur. Jetzt aber will ich die Früchte dieser Schule genießen. Ich werde arbeiten, ich werde handeln.
Frau Lunglmayer Mit was denn, wenn ma' fragen darf?
Eisenkopf Mit dem Kopf, dem Herzen und, wenn's not tut, mit der Faust.
Frau Lunglmayer Und für wen wollen S' denn arbeiten?
Eisenkopf Für euch alle, wie ihr da seid, für das ganze Land, für die Welt. Ja, ihr guten Leute, ich will euch herausreißen aus dem Sumpf, in dem ihr steckt. Ich will den Finger in die offene Wunde legen, aber ich will euch auch das Öl geben, mit dem ihr sie heilen könnt.
Frau Lunglmayer I woaß net, i versteh koa Wort von dem Zeugs.
Eisenkopf Dann will ich deutlicher werden, Mutter Lunglmayer: die große Babylonische hat Einzug in München gehalten. Seit zwei Jahren springt sie euch auf den Köpfen herum, diese ehemalige Tänzerin, die jetzige Gräfin, die Lola Montez.
Frau Lunglmayer Pfeift der Wind aus dem Loch? No', da werd'n S' schlechte G'schäft'n machen, wenigstens bei mir.
Hemersbacher höhnisch: Bei der Lunglmayerin ist nämlich jede Ruhestörung polizeilich verboten.
Frau Lunglmayer Aus dem einfachen Grund, weil die ganz' G'schicht koan Zweck hat.
Hemersbacher So? Und wenn 's Geld no' lang so zum Fenster 'nausfliegt?
Frau Lunglmayer Des geht uns nix an.
Wammerl Erlauben S', wer derf's denn zahl'n?
Hemersbacher 's Volk, 's notleidende Volk derf's zahl'n.
Wammerl Mir, mir derfa's zahl'n.
Hemersbacher Haben S' vielleicht net g'hört, was da draußen für a Pracht is, in dem Palais von dera Gräfin? I woaß, i kann's Eahna sagen, denn a G'schwisterkind von meiner Frau ihrer Basen is Bedienter g'wes'n bei der Frau Gräfin. Der kann reden. Sehr wichtig: Alles von Gold, Spiegel bis auf d' Deck'n, und Bett'n, daß ma' si' ausstreck'n kann mit die Füß so lang, als ma' will.
Wammerl Ja, es san schauderhafte Zuständ' bei uns im Land, schauderhafte Zuständ'!
Hemersbacher Hi, hi, so kimmt's, wenn die alt'n Bäum' no' amal ausschlagen.
Frau Lunglmayer Herr Hemersbacher, Eahna geht's glei' gar nix an.
Hemersbacher Was? I zahl' mei' Steuer grad so guat, als wie Sie, i laß mir von Eahna net 's Maul biet'n, i geh'.
Wammerl Mir is 's zwar wurscht, weil's eh nix hilft, wenn ma' si' auflehnt. Aber schlecht anschaug'n laß i mi a net von der Lunglmayerin.
Eisenkopf Nur ruhig, meine Bürger, ich sage euch: Er wird sich durchringen, der Geist der Wahrheit, der Unabhängigkeit und der Freiheit.
Frau Lunglmayer A was, die Welt bleibt alleweil am selben Fleck steh'n.
Eisenkopf mit großer Gebärde: Und sie bewegt sich doch, Mutter Lunglmayer! Jawohl, geben Sie's zu oder nicht: die Studenten sind unerhört provoziert worden.
Genoveva Frau Mutter, des is scho' wahr, die Lola hat ang'fangt.
Frau Lunglmayer Sei du stad, du verstehst von so was no' gar nix.
Eisenkopf heftig einfallend: Mit anderen Worten: die Lola darf ungeniert hier aus und ein gehen.
Frau Lunglmayer Die Lola? Wieso?
Eisenkopf Stand hier auf dem Fleck, wo Sie jetzt stehen.
Frau Lunglmayer N . . . naa?
Genoveva Ka Viertelstund' is 's her.
Frau Lunglmayer haut laut lachend auf den Schenkel: Ah, des is guat, des hat si' g'wasch'n.
Wammerl Warum lachen S' denn so?
Hemersbacher Schama S' Eahna gar net a bißl?
Eisenkopf da Frau Lunglmayer ununterbrochen weiterlacht: Wer zuletzt lacht, lacht am besten, drum auf, meine Bürger, auf zum Tyrannensturz, auf . . .
Polizeikommissär Zäpf der während der letzten Reden von rechts geräuschlos eingetreten ist: Zu was noch?
Hemersbacher Jessas, der Polizeispitzel, der Schandi!
Zäpf Guten Abend.
Kurat Abel der zu gleicher Zeit wie Zäpf aber durchs Haus, durch dieselbe Türe wie Frau Lunglmayer, kam: Gelobt sei Jesus Christus.
Genoveva und Wammerl In Ewigkeit, Amen.
Eisenkopf Spitzel und Pfaff – ich danke für so was.
Zäpf Allerdings Zeit, daß Sie sich empfehlen. Zu Hemersbacher und Wammerl: Ihr könnt gleich mitgehn.
Wammerl No . . . no . . .! Er bleibt ruhig sitzen.
Hemersbacher Halb so g'schwoll'n! Er steht langsam auf.
Eisenkopf Ruhig, ruhig, ihr wackren Bürger. Ich will für euch handeln, jawohl, ich werde meine Mütze aufs Haupt setzen, werde den Schläger wieder zur Hand nehmen und dann – mit verächtlichem Blick auf Zäpf — wehe jedem besoldeten Knecht! Ab ins Kneipzimmer mit Hemersbacher, der sich an seine Seite drängt.
Frau Lunglmayer Ah, fahr' ab! Sie dreht sich zu den Neuangekommenen, die, ohne voneinander Notiz zu nehmen, der eine rechts, der andere links sich niederlassen. Grüß Gott, Herr Kurat, grüß Gott, Herr Polizeikommissär.
Abel Grüß Gott, Frau Lunglmayer. Sie sind ja ganz echauffiert.
Frau Lunglmayer Hab' mi wieder amal g'ärgert.
Abel So? Worüber denn?
Frau Lunglmayer Über den Menschen, der da grad naus is. Haben S' 'n nimmer kennt? Des war der Eisenkopf Thomas.
Abel setzt sich: Der Eisenkopf? Der Tagdieb? Der Strizzi, der nie was geglaubt hat im Leben, der nie in eine Kirch' gegangen ist? Was will denn der wieder in München?
Zäpf Was der will? Revolution will er machen.
Abel wie verändert, sehr freundlich: Was Sie nicht sagen?
Frau Lunglmayer Ah, des kunnt mir passen, Herr Kurat, wo wir so schon soviel Skandal haben, die letzten zwei Jahr', wo's alle Tag a Hauerei gibt, und wo koa Mensch mehr sicher is, daß er in Ruh über d' Straßen geh'n kann.
Abel Allerdings, nur bedenken Sie auch, was wir erlebt haben in den zwei Jahren. Unsere Priester sind vertrieben worden, unsere heilige Kirche ist mit Füßen getreten worden. Ordnung, Gesetze, alles hat aufgehört, die Minister, die wechselt das Weibsbild noch öfter als wie ihre Hemden . . .
Frau Lunglmayer No', no', so schlimm is's ja do' net.
Abel So? Wissen Sie vielleicht nicht, was wir zu dulden haben?
Zäpf lacht: Sie haben zehn Jahre das Regiment gehabt in Bayern. Jetzt sind andre drangekommen.
Abel Sehr richtig! Unsere Minister haben sich geweigert, das . . . Frauenzimmer anzuerkennen, sie haben ihr den Grafentitel versagt, deshalb sind die andern gekommen, die – willfähriger waren.
Zäpf Nein, deshalb nicht, sondern weil ihr gehaust habt wie die Wilden. Jetzt aber herrscht ein freies Regiment, wir haben die Aufklärung, wir haben die Bildung . . .
Wammerl hält seinen Krug hin: Veverl, bring ma no' a Maß.
Zäpf etwas auseinandergebracht: Jawohl, die . . . Bildung.
Abel Die Sie verdienen. Pause.
Zäpf mißt Abel mit wütenden Blicken.
Frau Lunglmayer Und wer is schuld an alle dene Zuständ'?
Abel hastig: Die Lola!
Frau Lunglmayer Na! Unsere Mannsbilder. Jawohl, Herr Kurat! Wenn s' so dumm san und lassen si' alle d' Köpf verdrehn vom König herunter bis zum letzten Laternanzünder, dann g'schieht's eahna ganz recht.
Abel Da ist nix zu machen. Sie sind halt alle verzaubert.
Frau Lunglmayer Ah, verzaubert! Den Zauber kenn' i, Herr Kurat, besser als wie Sie.
Abel Nein, Sie kennen ihn nicht, denn ich kann Sie versichern, er kommt auf direktem Weg vom leibhaftigen Gottseibeiuns.
Zäpf weist nach der Stirne: Heutzutage so was zu sagen!
Frau Lunglmayer Vielleicht hat er recht, denn 'n Teufel hat die Person im Leib.
Abel Mit solchen Dingen soll man keinen Spaß treiben, Frau Lunglmayer. Was hab' ich Ihnen gesagt, als der Peißner zu der Lola gegangen ist? Lassen Sie Ihr Haus ausweihen, damit die Sünde hinausgeht.
Frau Lunglmayer Herr Kurat, Sie kennen mi jetzt so a fünfazwanzig Jahr'. Hab' i meine Pflichten als Katholikin am End' vernachlässigt? Geh' i net jeden Tag in mei' Meß? Beicht' i net alle sechs Wochen?
Abel Ja, ja, da kann ich gar nichts beanstanden.
Frau Lunglmayer Gut. Dann werden S' mir's a net weiter in Übel nehmen, wenn i Eahna sag': von der Ausräucherei, da halt' i nix. Gar nix. Bei dem Zauber, da zieht so was net, des dürfen S' mir glauben.
Abel So? So? Und das wissen Sie ganz bestimmt?
Frau Lunglmayer Aber natürli'! Die Lola is a Pulverfaßl, wer z'nah hingeht, den z'rreißt's.
Abel Jetzt lassen Sie mich einmal reden . . .
Frau Lunglmayer sehr resolut: Na, na, da können S' net mitred'n. Von an Frauenzimmer verstehen S' nix. A geistlicher Herr – da dürfen S' ja gar nix verstehn.
Abel steht auf: Frau Lunglmayer, Ihre – merkwürdigen Ansichten über die Gräfin Landsfeld sind mir zwar leider nicht mehr ganz fremd, aber so unverblümt haben Sie s' bis jetzt doch noch nicht ausgesprochen. Deshalb richt' ich Ihnen auch nicht aus, was ich auszurichten gehabt hätte, sondern empfehle mich.
Frau Lunglmayer Geh, Herr Kurat, des hab' i net wollen, . . . des tut mir leid. Sagen S' mir, was S' mir auszurichten haben, oder na, sagen Sie's lieber net. I woaß ja scho', 's is wieder vom Singlspieler.
Genoveva die inzwischen am Schenktisch beschäftigt war mit Ordnen und Gläserputzen: Vom Vater Singlspieler?
Frau Lunglmayer Natürli', die kann's ja scho' wieder nimmer derwarten. Die meint, sie muß 'n Xaverl heut no' haben.
Abel Und ich helf ihr. Sein Sie vernünftig, Frau Lunglmayer, geben Sie nach. Der Singlspieler gibt auch nach. Er läßt dreiundzwanzigtausend Gulden bieten.
Frau Lunglmayer sehr schnell: So? Gibt er nach? Aber 's is mir ja net ums Geld allein. Die Heirat mit dem narreten Studenten paßt mir net.
Zäpf Sehr vernünftig, Frau Lunglmayer!
Abel Wissen Sie was? Reden Sie mit ihm selber.
Er hat sich umgesehen und Singlspieler, der während der letzten Worte von links hereinkam, verstohlen zugewunken.
Frau Lunglmayer Soll i vielleicht 'nübergehn? Soll i eahm nachlaufn? Soll i schön bitt'n, daß sei Bua endli' mei' Tochter nimmt?
Abel Brauchen Sie gar nicht. Da ist er ja selber schon.
Frau Lunglmayer dreht sich um: Was? Ah, des is a Überfall, des is hinterlisti, Herr Kurat.
Abel zieht sich mit Genoveva in den Erker zurück.
Singlspieler Muaßt's net so tragisch nehma, Lunglmayerin, es geht net um Tod und Leb'n.
Frau Lunglmayer Woaß scho'. Um mein Geldbeutel geht's.
Singlspieler Brauchst di net gar a so aufspiel'n, schließli' bin i a net auf der Brennsupp'n daherg'schwomma.
Frau Lunglmayer Hab' i a net g'sagt.
Singlspieler Tat a net passen. I bin a ang'sehner Bürger, i hock im Landtag, und wenn i no' amal kommen bin, trotzdem d' mi scho' amal hast abfahr'n lass'n, nacher tu i's bloß weg'n dem Mädel dahinten, weil i's nimmer sehgn ko', wie s' si' abhärmt.
Frau Lunglmayer lachend: Singlspieler, du bist a Gemütsmensch, samt dein dreiazwanz'gtausend Gulden.
Singlspieler I sag' dir d' Wahrheit.
Frau Lunglmayer Setz di amal nieder auf deine vier Buchstab'n und paß auf: also ja, 's is wahr, i hab' mi g'wehrt bis jetzt gegen die Heirat. Warum hab' i mi g'wehrt? Weil dei Bua a überspannt's Mannsbild is, a Gischpel, der mit'm Kopf durch d' Wand möcht'. Des paßt si' aber net für an Bürgerssohn.
Singlspieler Ja, ja, da kannst scho' recht hab'n.
Frau Lunglmayer sehr entschieden: I hab' überhaupts alleweil recht. Will dir's a glei' beweisen. Was braucht dei Bua Skandal z'machen? Ha? Was braucht er dem Peißner eine 'runter z'haun, ha?
Singlspieler Mei', des san halt so G'schichten. Jetz' is die ganze Zeit verruckt, alles steht aufm Kopf.
Frau Lunglmayer Außerdem, woher woaßt denn du, daß er ja sagt ohne weiteres?
Genoveva die vom Erker aus das ganze Gespräch mit Angst verfolgte, kommt nach vorn: Er sagt »ja«, Frau Mutter, wenn Sie's erlauben, er is doch a guter Mensch, er hat mi gern . . .
Frau Lunglmayer Jetzt kommt natürli' die a no' daher.
Abel Und ich auch noch, erlauben Sie's.
Frau Lunglmayer Alle auf amal? Na, i b'halt trotzdem 'n Kopf oben und sag' euch jetzt soviel: der Xaverl soll mir recht sein als Schwiegersohn, wenn er a Probezeit b'steht. Zu Singlspieler speziell: Es is nämli' der Hallodri, der Eisenkopf, wiederkemma. Der Mensch g'fallt mer nimmer, er red't so damisch daher . . ., er trinkt koa Bier mehr, kurz und gut, i fürcht', er hetzt 'n Xaverl auf.
Singlspieler eifrig: Er hetzt 'n nimmer auf! Mei Bua werd a Bierbrauer, er sticht 'n Banz'n an, und . . .
Wammerl Setzt 'n Bierpreis in d' Höh, gel'?
Zäpf Was? Den Bierpreis?
Frau Lunglmayer lachend: Ja, ja, sag' 's nur, was d' denkst, Singlspieler.
Singlspieler No mei', wenn er's tat, was war' weiters dabei?
Zäpf Es wäre der unpassendste Moment für solch eine Aktion.
Wammerl weist auf Zäpf: Des is mei' Mann.
Singlspieler zu Zäpf: Hab'n Sie mir ebba was z'sag'n?
Zäpf Ich nicht, aber die Regierung, die das jetzt niemals erlauben würde.
Singlspieler sehr grob: Pfeif Eahna auf d' Regierung. I tua, was i mag.
Abel Allerdings. Der Herr Singlspieler ist Privatmann, er ist Abgeordneter, und wenn's ihm halt mal paßt, den Bierpreis anders zu machen . . .
Genoveva Psst . . . psst . . . der Xaverl kommt von der Polizei!
Frau Lunglmayer Was? Er kommt scho'?
Singlspieler Gott sei Dank, daß des a so aus'gangen is.
Genoveva springt zur Türe: Xaverl, Xaverl! Sie prallt vor dem Eintretenden zurück.
Xaver erscheint blaß und erregt, geleitet von Wackernagel, Grell und zwei andern Cheruskern.
Genoveva Jessas na, was is denn?
Wackernagel winkt, man möge Xaver nicht zu sehr belästigen.
Abel Muß er am End' doch sitzen?
Wackernagel Das nicht.
Frau Lunglmayer Was gibt's denn nacher? I will's wissen.
Grell Abbitte muß er leisten, drin im Palais der Gräfin Landsfeld.
Wackernagel Dem Peißner vor sämtlichen Alemannen!
Grell Und wenn er's nicht tut, dann wird er relegiert.
Singlspieler Mei', wenn's weiter nix is!
Xaver der auf einen Stuhl gefallen ist: Wenn's weiter nix is, Vater – oh nein, weiter is's nix, höchstens, daß wir alle miteinander verschimpfiert sind, das ganze Korps, was da herinsitzt beim Marderbräu, seit die Universität von Landshut nach München verlegt worden ist.
Frau Lunglmayer nach einer kleinen Pause: No ja. Warum mußt a alleweil 'n Spektakel anfangen?
Xaver Mutter Lunglmayer, das Liedl hör' ich schon lang. Man wirft Professoren hinaus, die's gut mit uns meinen. Man setzt uns eine Lumpenbande als gleichberechtigtes Korps vor d' Nas'n, man schikaniert uns aufs Blut, und wenn wir nicht geduldig zu allem Ja und Amen sagen, dann heißt's: Warum müßt ihr Spektakel anfangen?
Abel der sehr gespannt zugehört hat: Da hat er recht.
Xaver Ha, ha! Soll man's für möglich halten? Ein Schuft wie der Peißner, der unsere Farben verraten hat, der sich von der Lola frisieren, putzen und bezahlen läßt, ja bezahlen, daß ihr's nur wißt, ein solcher Schuft, zu dem soll ich hingehn, ich soll die Hände falten und sagen: Ach, lieber Herr Peißner, ich hab' unrecht getan, daß ich Ihnen eine heruntergehaut hab'; Sie sind ja ein Ehrenmann vom reinsten Wasser, sehen sie, hier auf meinen Knien bitt' ich Sie um – nein, nein, Mutter Lunglmayer, diesmal laß ich mir das Liedl von der Pfründnergemütlichkeit nicht pfeifen.
Frau Lunglmayer Es geht natürli' scho' wieder los.
Xaver Es geht wieder los! So wahr ich der Senior von den Cheruskern bin, so wahr ich meine Farben in Ehren getragen hab' volle siebzehn Semester: Das letzte darf man mir nicht bieten, nein – relegieren laß ich mich nicht.
Abel Und was wollen Sie denn nachher machen?
Zäpf Ja, was wollen Sie machen?
Xaver Ich weiß nicht, ich such' nach 'm Stützpunkt, nach 'm Menschen, der mir die Hand gibt, der mich 'rausreißt aus all dem Schlamassel, der mir zeigt, wo ein Ausweg liegt.
Singlspieler zu Genoveva: Sag's eahm do' endli'.
Genoveva I sag's eahm. Sie tritt zu ihm. Xaverl, paß auf, mußt nimmer verzweifelt sein. Der Mensch, den du suchst, der is g'funden. Da schau her, i bin's selber. Ja, ja, glaub's nur. Wenn's d' vernünfti' bist, gibt uns d' Mutter z'samm, aber koa Revalation derfst d' mehr machen.
Singlspieler Steh auf, bedank di'. D' Lunglmayerin will's wirkli' erlaub'n unter dera Bedingung.
Xaver erhebt sich schwerfällig: Sie will's erlauben, wenn ich keine – er lacht – na, ja, das ist so eine Bedingung, die man jemand stellt, der direkt vom Galgen daherkommt.
Genoveva Xaverl, i bitt' dich!
Xaver Veverl, du weißt, ich hab' mir nix anderes gewünscht, ich hab's ja gewollt, die ganzen Jahr', wo's deine Mutter extra nicht g'wollt hat, und ich will's auch jetzt, freilich will ich's, aber vorerst bin ich noch ein freier Student.
Frau Lunglmayer Der scho' zweimal durchg'fall'n is.
Xaver Ihr habt mir das schon oft vorgehalten, Mutter Lunglmayer . . . habt ja auch recht . . . ich bin durchg'fall'n . . . kann's nicht leugnen . . . Nur eins möcht' ich Ihnen erwidern: wenn ich auch zum drittenmal durchfall', ich bleib' immer ein Student. Ich bin noch jung, vor mir liegt die ganze Welt. Greif ich jetzt nicht zu, hab' ich's verpaßt, und jeder Mensch kann mich über d' Achsel anschauen.
Frau Lunglmayer Da habt's es, da habt's es!
Xaver bitter: Sie müssen weiter nicht bös sein, Mutter Lunglmayer, ich veracht' nicht, was Sie mir so gnädig offerieren, im Gegenteil, ich weiß die hohe Ehre gebührend zu schätzen, aber so, wie ich jetzt bin, könnt' ich nicht ins Haus zu Ihnen.
Frau Lunglmayer Warum?
Xaver wild: Z'erst muß der Dreck von mir 'runtergewaschen sein.
Singlspieler Ah was, Blödsinn! Du pfeifst auf de ganz' Studiererei. Du hängst dei' Hauben an 'n Nagel, du benimmst di', wie si' a vernünftiger Mensch halt benimmt, und . . .
Wammerl Setzt 'n Bierpreis in d' Höh!
Xaver Vater, sagen Sie, was Sie wollen, ich laß mich nicht relegieren.
Wackernagel und Grell Ganz richtig!
Genoveva faltet die Hände: Xaverl, mir z'lieb.
Frau Lunglmayer No, Singlspieler, wo hast denn dei' väterliche Autorität? Ha? Derf dei' Bua mach'n, was er nur mag?
Singlspieler I will's eahm glei' zeig'n. Zu Xaver, sehr grob: Da wer'n jetzt gar nimmer viel G'schicht'n g'macht, hast mi verstanden? Des Beleidigtsein, des hört si' auf. De Lola Montez kann di relegier'n, so viel als wie s' mag. Du wirst a Bierbrauer, und ins Palais zu dera Abbitterei, da gehst einfach net hin.
Eisenkopf das Band der Cherusker um die Brust, eine alte Mütze auf dem Kopf, den Schläger in der Hand, tritt aus der Türe der Kneipstube und spricht mit Donnerstimme: Doch, er wird hingehen!
Xaver Wer sagt das?
Eisenkopf Ich sag' dir das, Xaver Singlspieler, ich, der Thomas Eisenkopf.
Die Cherusker mit Ausnahme Xavers, durcheinander: Was, Eisenkopf? Das ist der Eisenkopf, der berühmte Eisenkopf?
Xaver der ganz im Vordergrund geblieben ist: Thomerl, Leibbursch, Mensch, Viech, wo kommst du auf einmal her?
Eisenkopf immer noch an der Kneiptür: Ich bring' dir den Gruß aus der Neuen Welt, voll Hoffnungsfreude, voll Sonne, und zugleich ruf ich dir ins Gedächtnis, was dir die Alte Welt alles getan hat.
Xaver Du weißt, was geschehen ist? Du weißt, was wir erlebt haben, die zwei schrecklichen Jahr'? Du weißt, was man mir jetzt zumutet?
Eisenkopf Alles weiß ich, alles hab' ich gehört.
Xaver Und du sagst, ich soll hingehen in das Palais?
Eisenkopf Ja.
Xaver Mit meinen Farben?
Eisenkopf Ja.
Xaver Zu dem Peißner?
Eisenkopf Nein.
Xaver Wohin denn?
Eisenkopf Zur Lola selber.
Xaver Was?
Eisenkopf Zur Lola selber! Aber nicht in Sack und Asche: mit der Peitsche in der Hand!
Die Cherusker Bravo, bravo!
Zäpf Unverschämtes Gehetz!
Singlspieler Dumm's Zeug!
Frau Lunglmayer Wird ja alleweil besser.
Abel Jedenfalls recht interessant.
Genoveva Laß di doch net verleiten! Er meint's schlecht mit dir.
Eisenkopf Nein, er meint's gut! Und er geht auch, der Xaverl, gleich werdet ihr sehen. Ein Donnerwort genügt: Die Lola war da!
Alle Cherusker Die Lola? Hier bei uns? In der Kneip'?
Singlspieler, Zäpf, Abel durcheinander: Sie war da?
Xaver faßt Eisenkopf bei der Brust: Was hast du da g'sagt? Das Frauenzimmer hat das riskiert? Das Weibsbild, die Gräfin, die Tänzerin, das Mensch hat in unser anständiges Lokal den schmutzigen Fuß g'setzt?
Genoveva mit den Tränen kämpfend: Ja, de Schand! Und nach dir hat s' g'fragt?
Xaver Und nach mir, ausgerechnet nach mir hat sie g'fragt? Ha, ha, ha, Eisenkopf, jetzt wird's mir auf einmal ganz leicht. Jetzt fällt's mir 'runter von Kopf und von Schultern. Was ich durchgemacht hab', liegt hinter mir. Vor mir liegt der Weg, der gerade, offene Weg; den geh' ich jetzt, jawohl, der Madam Lola, der mach' ich Gegenbesuch.
Zäpf Sie werden sich hüten!
Frau Lunglmayer Ich hab's g'wußt, was da 'rauskommt.
Genoveva Eine letzte Bitt', Xaver!
Eisenkopf Kein Weibergekreisch, keine Furcht, die alte Hülle fällt ab, Cheruskia sei's Panier!
Alle Cherusker Cheruskia sei's Panier!
Singlspieler wütend zu Eisenkopf: San S' so gut und hetzen S' 'n net no' mehr auf!
Eisenkopf unbeirrt: Und wenn sich auch alle sträuben, es zu glauben, die Philister, die Pedanten, Leibfuchs, ich sag' dir: es regt sich unter der Erde, es knistert, es prasselt, die alten Götzen stürzen zu Boden, aus ist's mit der Tyrannen Macht, ein neues Geschlecht zieht herauf. Die Macht entweicht, im Osten dämmert die Morgenröte.
Xaver in heller Begeisterung: Die Nacht entweicht, im Osten dämmert die Morgenröte! Er reißt seine Mütze an sich und stürzt eilends ab.
Die Cherusker folgen ihm.
Frau Lunglmayer No, Singlspieler, wer hat jetzt recht g'habt?
Singlspieler Du oder i – der Bierpreis muaß do' in d' Höh'!
Abel händereibend: Wie Sie meinen, Herr Abgeordneter, ganz, wie Sie meinen.
Vorhang