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Der Leipziger Jahrmarkt

Geist der Zeit

(auf dem Storche in der Luft emporfliegend)
Hoch! höher als hoch, schwing, Storch, dich empor!
Aufschwing dich o Storch, hoch, hoch, hoch, hoch!
        Dich stachelt mein Sporn!
Hoch über die Sonn', hoch über den Mond,
Hoch über der Wolken versammeltes Chor,
Das scheu aus dem Flor neugierig dir folgt
        Mit Blicken, o Storch!
Weil nie noch so hoch ein Storch sich hob,
Weil nie noch so hoch ein Storch aufflog,
Als du fliegest, o Storch, als, o Storch, du dich hobst –
Heb hoch dich, o Storch! O Storch, flieg hoch!
        Wir fliegen zu Nemesis Thron auf. –
                Zu immer!
Schon seh' ich dort die Leute sitzen halb so groß.
                Nur aufwärts!
Schon kommen sie mir vor wie ein Pygmäenvolk.
                Noch höher!
Sie scheinen jetzt mir wirklich ein Ameisentroß.
                Noch besser!
Ein Menschenkopf scheint kaum noch ein Stecknadelkopf.
                Nun endlich
Erkenn' ich sie nicht mehr sogar durchs Teleskop. –
                 (emporfliegend),
Storch sieh dich vor, gieb Acht, o Storch!
Nie machtest du solch 'ne Reise zuvor;
        Die Gefahren sind groß!
Gieb Acht, daß der Kopf dir nicht an den Mond,
Und nicht an die Sonne der Fuß anstoß',
Und der Flügel ein Loch nicht reiß' in den Flor
        Der Wolken, o Storch!
Der Wolken, die sonst durch den löchrichten Flor
Aus quellendem Born der Empfindungen Strom
In Tropfen, o Storch, auf dich zum Lohn
Ausgießen, daß tropf-naß du als ein Tropf
        Mir langst an Nemesis Thron an.
                 (emporfliegend ab)

* * * * * * *

Nemesis

(auf dem Throne sitzend)
Rückschlagen einmal muß ich meinen Schleyer doch,
Und sehn durchs Fernrohr, was da für ein Gast mir kommt. –
Ein Wunderbarer! irr' ich nicht; auf einem Storch
Sitzt er, und gradaus fliegt er auf zu meinem Thron. –
Drey Spannen ist er vom saphirnen Fuße noch!
Wenn er nicht ausweicht, stößt er sich ein Loch in Kopf! –
Vornehmen muß ich wieder meinen Schleyer! – So!
Abwarten will ich jetzo, was er sucht so hoch.

Geist der Zeit

(anlangend)
Napoleon! O Napoleon! O Napoleon!

Nemesis

Mit welches Namens Klang entweihest du mein Ohr?

Geist der Zeit

Wer bist du, die du sitzest auf geweihtem Thron?

Nemesis

Ich werde Nemesis genannt im Himmelschor.

Geist der Zeit

Und auch auf Erden nennt man deinen Namen so.

Nemesis

Wer bist du, der du von der Erde fleugst empor?

Geist der Zeit

Ich bin der Geist der Zeit und reit' auf einem Storch.

Nemesis

Was mit dem Storche suchest du an meinem Thron?

Geist der Zeit

Napoleon! O Napoleon! O Napoleon!

Nemesis

Was rufst du zweimal diesen Namen, ird'scher Thor?

Geist der Zeit

Napoleon! O Napoleon! O Napoleon!

Nemesis

Entfloh er euch, und suchst du ihn an meinem 'Thron?

Geist der Zeit

Ich such' ihn nicht an deinem Thron, doch er entfloh.

Nemesis

So willst du mir, daß er entflohn ist, melden blos?

Geist der Zeit

Ja, melden dir die Freudenpost, daß er entflohn.

Nemesis

Du kommst zu spät mit deiner Post, ich wußt' es schon.

Geist der Zeit

Wie schon erfahren hättest du's auf deinem Thron?

Nemesis

Meinst du, ich war nicht auch dabei, als er entfloh?

Geist der Zeit

Auf welche Weise warst du das? O sage doch!

Nemesis

Auf meine Weise, in verschiedener Person.

Geist der Zeit

Man sagt, er sey geflohn aus Rußland vor dem Frost.

Nemesis

Der Frost war ich, vor dem aus Rußland er entfloh.

Geist der Zeit

Man sagt, der Hunger hab' ihn auf der Flucht verfolgt.

Nemesis

Des Hungers bleiche Maske hatt' ich auch geborgt.

Geist der Zeit

Am meisten drängt' ihn der Kosak mit schnellem Roß.

Nemesis

Auch der Kosak war ich, mein schnelles Roß der Tod.

Geist der Zeit

O Nemesis war dir die Rolle nicht zu roh?

Nemesis

Gespielet hab' ich niedrigere Rollen oft.

Geist der Zeit

Und sitzest gleichwohl jetzt noch hier zu Thron so hoch?

Nemesis

So hoch, daß bis an mich herauf nicht reicht der Spott.

Geist der Zeit

Nicht spotten will ich, wissen möcht' ich eines doch.

Nemesis

Was wissen willst du? Wisse, daß du's wissen sollst.

Geist der Zeit

Wie dir der Bart wohl stand auf dem Kosakenroß!

Nemesis

So wohl, als hier, Unbärtiger, dir steht der Storch.

Geist der Zeit

Viel läßt man sich gefallen, ach, um's liebe Brot.

Nemesis

Brot ess' ich nicht; viel mir gefallen lass' ich doch.

Geist der Zeit

So lässest du gefallen dir auch das nun wohl –

Nemesis

Was? sag' es mir, was du von mir zu bitten kommst?

Geist der Zeit

Hinab dich nochmals zu bemühn von deinem Thron.

Nemesis

Zu welchem Zweck? Zweckloses ist mir ungewohnt.

Geist der Zeit

Noch einmal aufzutreten vor Napoleon.

Nemesis

In welches Stückes welcher Rolle? Wie und wo?

Geist der Zeit

Als dieses unsres neusten Stückes Hauptperson.

Nemesis

Wie nennt das Stück sich, das ihr eben spielen wollt?

Geist der Zeit

Der Leipz'ger Jahrmarkt, wenn dir's anders recht ist so.

Nemesis

Ihr kommt darin nur meinem eignen Wunsch zuvor.

Geist der Zeit

Wie? Nemesis! Bedachtest du auch dieses schon?

Nemesis

So daß die Roll' ich wirklich ganz schon hab' im Kopf.

Geist der Zeit

Und weitre Abred' ist demnach mit dir nicht noth?

Nemesis

Ihr sollt mit mir zufrieden seyn. – Was willst du noch?

Geist der Zeit

Dir sagen, daß du dich auch nicht bemühst umsonst.

Nemesis

Unnöth'ges sagst du; nie bemüh' ich mich umsonst.

Geist der Zeit

Ich meine: Dich erwartet hier ein guter Lohn.

Nemesis

Was Lohnes kannst du mir verheißen, Erdensohn?

Geist der Zeit

Ich stehe in des brittischen Georges Sold!

Nemesis

Und lohnen soll auch mich dein brittischer Georg?

Geist der Zeit

Wenn du nicht spannst die Forderungen allzuhoch.

Nemesis

Ihr sollt mich billig finden; und somit leb wohl!

Geist der Zeit

Auf Wiedersehn! Wann gehst du zu Napoleon?

Nemesis

Sogleich! und du zu deinem brittischen Georg?

Geist der Zeit

Auf Leipzigs Jahrmarkt hat er mir bestimmt den Ort.

Nemesis

Gut! Diesen Jahrmarkt bau' ich mit Napoleon.

Geist der Zeit

Bring' ihn zu Markt! Und für die Kunden sorg' ich dort.

Nemesis

Und daß mir nur Georg nicht fehlt mit seinem Gold!

Geist der Zeit

Für diesen bürg' ich. Doch was lachst du hinterm Flor?

Nemesis

Mich freut der Jahrmarkt und die gute Losung schon.

Geist der Zeit

Leb' wohl!

Nemesis

Leb' wohl!

Geist der Zeit

(abfliegend)
        Nun spute dich, Storch!
Nun wieder vor Sonne vorbei und Mond,
Hinab durch die Wolken, zum irdischen Koth!
Denn, was ich gewollt, hier ist es besorgt;
        Hab' Dank, mein Storch!
Und wenn mir Georg, der reiche Patron,
Auszahlet den Sold, so sollst du davon,
O Storch, zum Lohn, daß so trefflich du flogst,
Um den Hals mir kriegen ein Goldband.
(niederfliegend ab)

* * * * * * *

Napoleon

Ihr Völker meines Reiches, die ihr bange
Euch um mich sammelt, euren Kleinmuth endet!
Nicht kümmr' es euch, daß jenes Glück, das lange
Mir günstig war, den Rücken mir gewendet:
Vom Himmel selber, wenn ich es verlange,
Wird mir ein neues Glück herabgesendet,
Das sichtbar her vor meinen Fahnen schreitet,
Und sie zu unverhofften Zielen leitet.
Gebt Acht, der Himmel wird sich meinen Bitten
Eröffnen, daß ihrs sehet, zweifelt nicht.
O seht, was kommt dort gleich herabgeschritten
Aus jenen Höhn in ungewohntem Licht?
Wer bist du, die du mit verhüllten Tritten
Mir nahest, mit verhülltem Angesicht?

Nemesis

Ich bin es, die auf dein Gebot erschienen,
Dir als das Glück, das du verdienst, zu dienen.

Napoleon

Willst du mich wirklich als Fortuna leiten?

Nemesis

Dazu hab' ich das Himmelszelt verlassen;
Und will nicht weichen hier von deinen Seiten.

Napoleon

O Glück, o Glück! Ich kann das Glück nicht fassen.

Nemesis

Du mußt nur tapfer immer mir nach schreiten;
Dann will ich selbst am Ende dich schon fassen.

Napoleon

Willst du nicht gleich mir heben deinen Schleyer?

Nemesis

Zu seiner Zeit, mein ungestümer Freyer.

Napoleon

Wann willst du dich in deiner Glorie zeigen?

Nemesis

Den Leipz'ger Jahrmarkt hab' ich ausersehn.

Napoleon

Den Leipz'ger Jahrmarkt? Das ist etwas eigen!
Warum auf dem just, kann ich nicht verstehn.

Nemesis

Warum auf ihm just, wird auf ihm sich zeigen;
Die Weltherrschaft soll feil durch mich dort stehn;
Dich selber führ' ich hin als einen Krämer.

Napoleon

Der Aufzug ist ein etwas unbequemer.
Doch weil so Großes dort steht feil durch dich;
So will ich zu dem Handel mich bequemen.
Schon lang' um die Weltherrschaft handelt' ich.

Nemesis

So soll der Handel dort ein Ende nehmen.

Napoleon

Mit wem werd' ich zu handeln haben, sprich?

Nemesis

Ich selbst will Wag' und Ell zu Händen nehmen.

Napoleon

Du wirst doch tüchtig wägen mir und messen?

Nemesis

Was meines Amts ist, werd' ich nicht vergessen.

Napoleon

Was soll ich selbst zu Markt denn bringen? Sage.

Nemesis

Was du nur hast, dein sämtlich Hab und Gut.

Napoleon

Ja, ob sich Käufer finden, ist die Frage.

Nemesis

Sie finden sich gewiß, und zahlen gut.

Napoleon

So sey denn dort meine Hauptniederlage
Von Waaren.

Nemesis

Ey, warum nicht gar von Blut.
Komm nur, wir wollen gar nicht lange rasten;
Wir packen gleich zur Messe Kist und Kasten.

* * * * * * *

Geist der Zeit

Ihr zwey von außen schon als Brüder anzuschaun,
Ob der 'nen weißen Rock gleich trägt, und der 'nen blaun;
Als ihr uneinig wart, hat euch der Feind geschlagen,
Den einen auf das Haupt, den andern auf den Magen.
Jetzt hat soviel bewirkt gemeinschaftliche Noth,
Daß ich euch einig seh', o bleibt es bis zum Tod.
Wärt ihr gestanden stets so brüderlich verbunden,
So hätte nie der Feind euch einzeln überwunden.
Allein ihr hattet stets ein wechselseitges Graun,
Vorm Weißen Blauer du, du Weißer vor dem Blaun,
Ihr saht es gleichsam an fürs schrecklichste Verderben,
Die Kleider gegenseits ein wenig abzufärben.
Ich denk', ihr habet jetzt vor größerer Gefahr
Die lächerliche Furcht vergessen ganz und gar.
Doch hättet ihrs nicht ganz, so stell' ich in die Mitten,
Euch nicht unmittelbar zu reiben, diesen Dritten.
Der hier im grünen Rock hat Moskow angebrannt,
Zum Theil auch mit für euch; reicht dafür ihm die Hand,
Zurrechten Weißer du, und Blauer du zurlinken,
Laßt ihn auf Moskows Brand dieß Glas von Brandwein trinken,
Und trinkts euch selber zu auf treue Brüderschaft.
In diesem schlechten Trank sey eine Zauberkraft!
Euch dreyn den nöthigen Gemeingeist soll er geben;
Indeß hier über euch drey Bundesadler schweben. –
Nun, Weißrock, was sagst du?

Weißrock

Es ist mir halter recht.

Geist der Zeit

Du Blaurock?

Blaurock

        'S ist man gut. Mein Rock hier ist jetzt ächt
Berlinerblau; es wird so leicht nicht mehr abfärben.

Geist der Zeit

Nun Grünrock?

Grünrock

Dobro.

Geist der Zeit

        Gut! Nun muß der Feind verderben.
Nun klappere Triumph zum voraus, lieber Storch.
Nun komm zum Überfluß, vortrefflicher Georg,
Und schling' mir um die drey die goldne Eintrachtskette;
Daß sie untrennbar seyn, und nichts den Feind errette.
Den Feind führt Nemesis, ich weiß, sie ist uns hold;
Bestochen hab' ich sie durch Aussicht auf dein Gold.
Den ganzen Handel hab' ich mit ihr abgekartet.
Kommt, kommt nach Leipzig, wo sie uns zur Mess' erwartet.

* * * * * * *

Napoleon

Es treffen alle Seuchen
Verräthrische Fortuna dich! Da keuchen
Die treuen Mameluken;
Schwer drückt das Meßgut sie auf ihren Rucken,
Das du auf ihre Nacken
Hast aufgepackt; wann dürfen sie abpacken?
Sind wir noch nicht zur Stelle,
Wo du zur Hand willst nehmen Wag' und Elle?
Wo meine Niederlage
Zu sehn soll seyn am Leipziger Markttage?

Nemesis

Du eilst, es ist zum Lachen,
Die Niederlage wird sich schon noch machen.
Doch sieh, wir sind am Ort;
Siehst du das zierliche Gerüste dort?

Napoleon

Wo? Das ist ja ein Galgen;
Auf dessen morschem Balkenwerk sich balgen
Ausgehungerte Raben.

Nemesis

Die wollen eben ihre Nahrung haben.
Weil jetzt sie zu verdienen
Sie hoffen, freun sie sich, und ich mit ihnen.

Napoleon

Sind es denn wirklich Raben?

Nemesis

Nein, es sind wirklich schwarzgekleidte Knaben,
Im engen modschen Frack.

Napoleon

Was lärmen sie? Was will das Lumpenpack?

Nemesis

Du siehst es ja, sie klettern
Hinauf, hinab an Stangen, Balken, Brettern,
Um es zu 'nem Meßstande
Dir einzurichten, daß du ohne Schande
Den Jahrmarkt könnest baun.

Napoleon

Sind ihnen denn die Arme abgehaun?
Man sieht ja nicht die Dinger.

Nemesis

Die Ärmel gehen über Hand und Finger.
So ist die Mode jetzt.
Du wirst schon ihre Finger sehn zuletzt,
Wenn sie damit zugreifen.

Napoleon

Was ist denn das, was hinten sie nachschleifen?
Es sieht, wie Flügelspitzen.

Nemesis

Rockschöße sind es, die so niedlich sitzen;
Womit sie so scharwenzen,
Mit schmalem Bein und breiten Schwänzen.

Napoleon

Ja, dünn sind ihre Schenkel.

Nemesis

So gehn der alten Deutschen junge Enkel.

Napoleon

Mir ist es, wie ein Nebel.
Ich sehe statt Gesichter schwarze Schnäbel.

Nemesis

Sie haben sie mit Fleiße
Geschwärzt, daß man sie nicht Gelbschnäbel heiße.

Napoleon

Sieh dort den Rabenzeisig
Nur an, der ist vor allen flink und fleißig.
Wer ist der kleine Mohr?

Nemesis

Das ist der Führer von dem schwarzen Chor.
Es ist der Meßgehilfe,
Wir brauchen hier vor allen seine Hilfe.

Napoleon

Er ordnet seine Knaben;
Ich denke, daß sie Lust zu singen haben.

Nemesis

Leih ihnen nur dein Ohr;
Den Meßwillkomm singt dir der Raben Chor.

       Chor der Raben

      Rühret euch, schwarze
      Muntre Gesellen,
      Rüstet und ordnet,
      Helfet zumahl.
      Wenn es geschehn ist,
      Kriegen zum Lohne
      Wir hier ein köstliches
      Jahrmarktsmaal.

Napoleon

Sie singen ja vom Fressen?

Nemesis

Die Speise können Raben nie vergessen.
Wenn sie gearbeit haben,
Woll'n sie dafür dann auch am Fraß sich laben.

Napoleon

Sie spreizen ihr Gefieder,
Als wär' es Wunders was.

Nemesis

Sie singen wieder.

       Chor der Raben

      Sey uns willkommen,
      Erster der Krämer,
      Der du die Messe
      Bauen willst hier.
      Ohne dich wäre
      Lumpig die Messe
      Aber zur herrlichsten
      Wird sie mit dir.

Napoleon

Das denk' ich selber: ich
Allein mach' eure Messe königlich.

Nemesis

Nicht königlich; ermesse,
Du machst ja wirklich Kaiserlich die Messe.

Napoleon

Fast kam mirs nicht zu Sinn,
Daß ich der Krämer auch ein Kaiser bin.

Nemesis

Daß man es nicht vergesse,
Soll Kaisermesse heißen diese Messe.

       Chor der Raben

      Kunden von allen
      Orten und Enden
      Kommen zur Kaiser-
      Messe heran.
      Sie sind ganz nah schon;
      Mache dich fertig,
      Daß wir was lösen!
      Fange doch an.

Napoleon

Soll ich euch denn vertraun,
Und wirklich meinen Stand bey euch hier baun?

       Chor der Raben

      Bauen? Es brauchts nicht.
      Nimm nur den Stand ein,
      Der schon gebaut ist,
      Er ist für dich.
      Nimm nur den Stand ein!
      Nirgend in Deutschland
      Findest du passender
      Einen für dich.

Napoleon

Was meinst du denn, mein Glück?

Nemesis

Die Raben haben recht in diesem Stück.

Napoleon

Nun denn in Gottes Namen
Fangt, Mameluken, an hier auszukramen.

       Chor der Raben

      Jetzt ist er da,
      Auspackt er, ah!
      Seht da, seht da,
      Die schönen Sachen,
      Die könnten Raben wohl lüstern machen.

Napoleon

Mich stört doch das Geschrey;
Ist denn kein andrer Stand, als dieser, frey?

Nemesis

Zu spät dazu ists jetzt;
Jed' andrer Standpunkt ringsum ist besetzt.

Napoleon

Von wem denn?

Nemesis

      Von den Kunden,
Die sich zur Kaisermesse eingefunden.

Napoleon

Sind wohl die Kunden zahlreich?

Nemesis

Sie scheinen mir ein ganz Kontinentalreich,
Aus mehreren Welttheilen,
Die kommen, in den Jahrmarkt sich zu theilen.
Ich denke wohl, sie bringen
Zum wahren Einkauf Münzen mit, die klingen;
Und giebts nicht genug zu kaufen,
So werden sie am End sich gar drum raufen;
So sind sie drauf erpicht,
Geschäfte hier zu machen, wie man nicht
Gemacht seit vielen Jahren.

Napoleon

Da krieg' ich das Gereiß mit meinen Waaren.
Gut, daß ich viel mitnahm.

Nemesis

Sie nehmen gern dir ab den ganzen Kram.

Napoleon

Wenn sie ihn theur bezahlen.

Nemesis

Ich denke, daß sie nicht vergeblich prahlen,
Wenn es ans Auszahl'n kömmt.

Napoleon

Sag an, wer alles denn zum Jahrmarkt kömmt?

Nemesis

Zuerst sind da die Deutschen.

Napoleon

Das sind die letzten sonst, die bärenhäut'schen.

Nemesis

Doch sind sie jetzt die ersten,
Und feilschen recht um deinen Kram am mehrsten.

Napoleon

Doch ihre Beutel sind dazu die leersten.
Wer sind sie denn?

Nemesis

      Die Preußen.

Napoleon

Die hab' ich selbst gemacht zu kahlen Mäusen.

Nemesis

Doch sind's jetzt flotte Kunden.

Napoleon

Mein, haben sie wohl einen Schatz gefunden?

Nemesis

Sie fanden einen Schatz,
Und kaufen jetzt, doch nicht im Sack die Katz.
Dann sind auch die Östreicher.

Napoleon

Die waren wirklich auch vor Zeiten reicher.
Sie sollen mir nicht kommen
Mit dem Papiergeld, das kann mir nicht frommen.

Nemesis

Sie haben andres auch.

Napoleon

Geborgt? von wem?

Nemesis

      Von einem reichen Gauch,
Aus England.

Napoleon

      Vom Georg?
Giebt der sein gut Geld auf so schlechten Borg?
Hat seine Bank der Ritter
Mit hergebracht?

Nemesis

      Ja, von der Bank 'nen Splitter;
Den hält er für hinreichend,
Von diesem Splitter einen Splitter reichend,
Damit die ganze Welt
Zu zahlen und selbst mich, wenns ihm gefällt.

Napoleon

Das weiß ich selbst am besten.
Wer ist denn sonst noch da von Jahrmarktsgästen?

Nemesis

Der Russ' ist da, der bärtige.

Napoleon

Baut der die Messen wieder hier? die fertige
Sucht' ich zu Haus ihm auf,
Und wollte seinen Pelz von ihm zum Kauf.
Kommt er jetzt hergelaufen,
Um heuer mir gar meinen abzukaufen?
Ist bei ihm der Kosak?

Nemesis

Ja freilich wohl.

Napoleon

Hat er denn Geld im Sack?

Nemesis

Er führet blanke Spieße.

Napoleon

Ich wollte, daß er die zu Hause ließe.

Nemesis

Die Spieße sind ja Geld.

Napoleon

Das weiß ich, bey der deutschen Burschenwelt.
Doch bin ich kein Student.

Nemesis

Die ganze Welt ist jetzt Student, und nennt
Die Spieß' ihr bestes Geld.

Napoleon

Wie soll man da auskommen mit der Welt?
Es muß die größte Irrung
Der Sprache babylonische Verwirrung
Ja in den Handel machen.
Wenn sie herkämen nun und für die Sachen
Mir mit anböten Spieße,
Ich wüßte ja bei Gott nicht, was es hieße,
Und wies zu deuten wäre,
Ob sie mir böten Schatzung oder Speere,
Wenn Deutsche sich ausdrücken
So unverständlich, wie erst mit Kalmücken
Baschkiren und Tartaren,
Und all den asiatischen Barbaren,
Tungusen und Kirgisen,
Koräken und Ostiaken – wie mit diesen
Soll man denn erst auskommen,
Die nach Vernehmen auch zur Mess' herkommen?

Nemesis

Es kommen auch die Schweden.

Napoleon

Mit deren ihrem Kronprinz kann ich reden.
Er spricht französisch, nicht?

Nemesis

Wan sagt, daß er jetzt wie ein Deutscher spricht.

Napoleon

Er ist geschickt genung;
Er spricht mit jeglichem in seiner Zung'.
Ist er wohl nicht zu kaufen
Zum Dolmetscher bei jenen wilden Haufen?
Um mit dem unverständigen
Volk mich in ihrer Sprache zu verständigen.
Die Deutschen, die friedfertigen,
Getrau' ich mir französisch abzufertigen.

Nemesis

Wenn du giebst, was sie wollen.

Napoleon

Was wollen sie denn?

Nemesis

Diesen Bund.

Napoleon

        Die Tollen!
Den Leibbund?

Nemesis

Und den Mantel.

Napoleon

Hat sie gestochen etwan 'ne Tatantel?
Daß sie zum Zeitvertreib
Die Kleider kaufen wollen mir vom Leib.

Nemesis

Sie sagen, deutsches Zeug
Sey dieser Bund.

Napoleon

      Das sag' ich selber euch,
Daß er ist deutsch gewesen,
Als ich ihn mir zum Leibbund hab' erlesen;
Doch seit ihn nun ich trage,
Ist er undeutscher worden alle Tage,
Und wird mirs immer besser
Weil hier in ihm steckt mein französisch Messer.
Was wollen sie? Zum Lachen!
Sie sollen hier mir erst die andern Sachen
Abnehmen, die Aufschneider,
Eh sie mir abziehn wollen meine Kleider,
Und endlich meine Haut. –
Ihr Mameluken habt ihr aufgebaut?
Sind ausgepackt die Kisten?
Wo mag das andre Lumpenpack wohl nisten,
Das her zum Jahrmarkt kam
Mit uns, und seinen eignen Stand einnahm;
Die Scheerenschleifer-Pfannen-
flicker-Waschfrau-Trödelweiber-Kannen-
gießerisch politische
Zunft, die mit mir die Messe baut, die kritische?
Von ihnen blieb die Amme
Allein zu Haus bei meinem jungen Lamme,
Und bat mich, da wir gingen,
Ihr und dem Ruhm 'nen Jahrmarkt mitzubringen.
Ein wunderlich Geschick!
Zu Haus geblieben ist die Politik,
Die ich an dieser Stätte
Vielleicht am nöthigsten von allen hätte;
Das unnütze Gesind
Ist mir gefolgt. Wer sagt mir, wo sie sind?

Nemesis

Sie sind hiernächst geschaart
Und halten dort sich feil auf ihre Art.
Sie sind die äußern Posten
Die erst das Käuferheer hat durchzukosten,
Bis es herdringt zu dir.

Napoleon

Nun heben wir denn unser Werk an hier.
Zuerst steckt die Marktfahne
Hier auf, laßt sie da flattern vom Altane,[*]
Es ist ein heilger Lappen;
Ich hab' als unvertilgliches Goldwappen,
Eh ich mich setzt' in Marsch,
Drauf abgedruckt erst meines Ruhmes Arsch.
Sie soll die Leut' einladen,
Damit die Käufer finden meinen Laden.
Nun bringet auch den Hahn,
Mit seinen besten Federn angethan,
Hier aus der Nacht zur Sonne,
Und setzt ihn auf die umgestürzte Tonne,
Daß er darauf sich blähe
Als Schildwach, und die Kunden mir herkrähe, –
Was willst du mehr noch, meine
Fortuna?

Nemesis

Nichts! Du hast gethan das Deine.
Ich will das Meine thun,
Gehn, und die Kunden dir herführen nun.
Laß nur die Fahne flattern
Des Ruhmes, und den Hahn von Frankreich schnattern,
Darein die Raben singen,
So muß die Messe uns nach Wunsch gelingen.

       Chor der Raben

      Nemesis! Nemesis!
      Ein durchsichtger Schleyer
      Hängt dir vorm Angesicht;
      Dein betrogener Freyer
      Sieht dich doch nicht.
      Nemesis! Nemesis!
      Singt, rächrische Raben,
      Tod ihm ins Angesicht;
      Weils will Nemesis haben,
      Hört er uns nicht.
      Nemesis! Nemesis!
       Singt schöne
            Deutsche Töne
            Helle Klänge
            Lichtgesänge
      Klar wie die Woge des Äthers.
            Singt Verderben,
            Tod und Sterben,
            Daß an alle
            Berg' es schalle;
      Hört er es, doch nicht versteht ers:
      Weil kein wälscher falscher Mann
      Ächtes Deutsch verstehen kann.

Napoleon

Vom Ofen läßt kein Hund
Sich locken, denn geschweig ein rechter Kund,
Durch eure rohen Brocken;
Gebt Acht, ich will mit feinrem Klang sie locken.

      Surrogate! Surrogate!
      Kaufet Surrogate!
      Diese Kisten, diese Kasten
      Voll bis unten angepfropft
      Sind mit nichts als lauter Lasten
      Surrogaten vollgestopft.
      Ausgeboten aller Orten
       Werden Surrogate jetzt;
      Doch es ist oft hier und dorten
      Noch was fremdes zugesetzt:
      Ich allein kann euch berathen
      Mit ganz ächten Surrogaten.
      Wer kauft Surrogate?

      Surrogate! Surrogate!
      Kaufet Surrogate!
      Die zwei Kisten hüb- und drüben
      Sind gefüllt mit einerley,
      Beides an sich Runkelrüben,
      Doch der Form nach zweierley;
      Zweye, die von einem stammen,
      Bittres Fleisch und süßer Saft,
      Wenn man beides thut zusammen,
      Hat es ganz besondre Kraft.
      Habt ihr, was es ist, errathen,
      Trinkt von meinen Surrogaten.
      Wer kauft Surrogate?

      Surrogate! Surrogate!
      Kaufet Surrogate!
      Die geheimnisvolle Runkel
      Ist das Absolute hie,
      Und durch sie ist nicht mehr dunkel
      Die Naturphilosophie;
       Weil jetzt hier aus gleichem Quelle
      Wie aus Absolutem fließt
      Das Reell- und Ideelle,
      Zucker und Kaffee ersprießt.
      Bei so schönen Surrogaten
      Kann man Gott und Welt entrathen.
      Wer kauft Surrogate?

      Surrogate! Surrogate!
      Kaufet Surrogate!
      Glaubt nicht, daß so sehr als Schlucker
      Ich auf diese Messe kam,
      Und nichts als Kaffee und Zucker
      Führ' im Surrogatenkram.
      Noch viel andre Surrogate
      Sind zum Kauf hier ausgestellt,
      Schöne Lumperey zum Staate
      Für das ausgegangne Geld.
      Wenn ihr leben wollt in Staaten,
      Greift zu diesen Surrogaten.
      Wer kauft Surrogate?

      Surrogate! Surrogate!
      Kaufet Surrogate!
      Hier in den bestaubten Kisten
      Löschpapierne Schreiberey
      Der Bevölk-Entvölkrungslisten,
       Völkerglücks-Berechnerey,
      Geistesklassificationen,
      Amtsgeschäfts-Nomenklatur;
      Der Wohlstand der Nazionen
      Steckt in der Repositur.
      Das Gewürm in allen Staaten
      Zehrt von diesen Surrogaten.
      Wer kauft Surrogate?

      Surrogate! Surrogate!
      Kaufet Surrogate!
      Hier in dieser Kiste Spalten
      Sitzt der Surrogatenzeit
      Preiß, das Surrogat der alten
      Göttlichen Allwissenheit:
      In der Kiste sitzt gefangen
      Die geheime Polizey,
      Die mit Brechwerkzeug und Zangen
      Das geheimste holt herbey,
      Menschenwort, Gedank- und Thaten.
      Surrogat der Surrogaten!
      Wer kauft Surrogate?

      Surrogate! Surrogate!
      Kaufet Surrogate!
      Goldpapierne Königskronen
      Zu dem Kinder-Königsspiel,
       Samt papiermascheenen Thronen,
      Und dem Zepter Besenstiel;
      Ausgestopfte Kinderdocken,
      Die dazu die Kön'ge sind,
      Die auf ihrem Throne hocken,
      Bis sie 'runterbläst ein Wind.
      Es sind diese Surrogate
      Meine eignen Fabrikate.
      Wer kauft Surrogate?

      Surrogate! Surrogate!
      Kaufet Surrogate!
      Es gehören noch zu ihnen
      Die Soldaten hier aus Bley.
      Denen, wenn im Krieg sie dienen,
      Geht nicht gleich der Kopf entzwey;
      Die Kanonen und Kartetschen
      Schaden ihnen nicht sosehr;
      Wenn sie doch einmal zerquetschen,
      Rekrutiert man leicht solch Heer.
      Ließen sich doch Potentaten
      Gnügen an den Surrogaten.
      Wer kauft Surrogate?

      Surrogate! Surrogate!
      Kaufet Surrogate!
      Größre Rekrutierungsstücke
       Für den Dienst der großen Herrn,
      Seht den Stelzfuß und die Krücke;
      Wer sie braucht, der hat sie gern.
      Wem die fleischren Arm- und Beine
      In dem Feld zu Grunde gehn,
      Der kann dann zu Haus durch meine
      Surrogat' auf hölzren stehn.
      Seht euch vor mit Surrogaten,
      Sie sind jetzt nicht zu entrathen.
      Wer kauft Surrogate?

      Surrogate! Surrogate!
      Kaufet Surrogate!
      Was soll ich noch lang auskramen
      Surrogat an Surrogat?
      Dort ihr Herren und ihr Damen,
      Seid ja selbst ein Surrogat.
      Ich, der Surrogatenkrämer,
      Bin selbst auch ein Surrogat;
      Und ein Surrogatabnehmer
      Kriegt mich, wenn er Geld zu hat.
      Kaufet doch, o laßt euch rathen,
      Mich samt meinen Surrogaten.
      Wer kauft Surrogate?

Will denn kein Mensch was haben?
Am End kriegt ihr den ganzen Markt, ihr Raben.

Chor der Raben

      Sollen wir?
      Sollen wir?
Sag' soll'n wir gleich zugreifen?

Napoleon

Ihr braucht nur eure Nägel nicht zu schleifen.

Chor der Raben

      Warum nicht?
      Warum nicht?
Wenn wir zugreifen sollen?

Napoleon

Weil wir auf andre Kunden warten wollen.

Chor der Raben

      Wir kriegen,
      Wir kriegen
Doch noch den ganzen Plunder.

Napoleon

Kann seyn, zuletzt, doch nur nicht gleich jetzunder. –
Ihr, weil ihr sitzt so hoch,
Seht von da droben einmal um euch doch,
Ob ihr nicht seht mein Glück,
Obs nicht mit Kunden kommt hieher zurück?
Hat sie euer Blick gefunden?
Verdreht euch nicht die Hälse! Seht ihr Kunden?

Chor der Raben

      Kunden genug!
      Kunden genug
      Kommen im Zug,
            Im Flug
      Kunden genug, genug!

Napoleon

Genug, genug! Ihr schreit ja wie nicht klug.

Chor der Raben

Sie kommen mit Geschrey.

Napoleon

Das Schreyen hör' ich; ist mein Glück dabey?

Der Chorführer

Sprich, was dein Glück du nennst?

Napoleon

Die erst hier von mir ging, wenn du sie kennst.

Der Chorführer

So gut wie du und besser.

Napoleon

So sag mir, siehest du sie, schwarzer Fresser.

Der Chorführer

Ja wohl!

Napoleon

Was macht sie? Sprich.

Der Chorführer

Sie weißt die Kunden an hieher auf dich.

Napoleon

Kommt sie nicht selber mit?

Der Chorführer

Sie lenket anderwerts hin ihren Schritt.

Napoleon

Wohin geht denn mein Glücke?

Der Chorführer

Die du so nennest, geht zu einer Brücke.

Napoleon

Zu welcher, Herr Umschauer?

Der Chorführer

Herr Nichtumschauer, zu der Lindenauer.

Napoleon

Was stellt sie dort sich hin?

Der Chorführer

Dich selbst dort zu erwarten scheint ihr Sinn.

Napoleon

Was soll ich thun denn dort?

Der Chorführer

Das Weggeld zahlen, wenn du hier gehst fort.

Napoleon

Wenn hier die Mess' ist aus?

Der Chorführer

Wenn man dich von der Mess' hier schickt nach Haus.

Napoleon

Erst muß ich dort verkaufen.

Der Chorführer

Ja doch, die Käufer kommen schon in Haufen.

Napoleon

Hieher zu mir, o sage.

Der Chorführer

Ja, hier zu dir, zu deiner Niederlage.

Napoleon

Was soll das Schreyn bedeuten?

Der Chorführer

Sie handeln jetzt dort schon mit deinen Leuten.

Napoleon

Mit meinem Lumpenpack?

Der Chorführer

Den Handel schließt mit ihnen ein Kosak.

Napoleon

Handelt er recht mit Eifer?

Der Chorführer

Jetzt eben schiert er deinen Scheerenschleifer.

Napoleon

Meinthalb, was schiert mich dieser.

Der Chorführer

Jetzt kannegießert er beym Kannengießer.

Napoleon

In seiner Kann' erstick' er.

Der Chorführer

Jetzt flickt die Pfann' er schon dem Pfannenflicker.

Napoleon

Ich wollt' er briete drin.

Der Chorführer

Jetzt wäscht er gar den Kopf der Wäscherin.

Napoleon

Die ungewaschne Sau.

Der Chorführer

Und jetzt vertrödelt er die Trödelfrau.

Napoleon

Ich wollt', er wäre fertig.

Der Chorführer

Mit ihnen ist ers wirklich gegenwärtig.

Napoleon

Wie? Mit dem ganzen Haufen?

Der Chorführer

Ja, siehst du nicht, da kommen sie gelaufen.

Scheerenschleifer

Ach, der ist ungeschliffen.

Trödelfrau

Ach, ach, mein ganzer Trödel ist vergriffen.

Kannengießer

Das ist ein schlechter Käufer.
Die Kann' auf einmal soff er aus, der Säufer.

Waschfrau

Mit ihm ist nicht zu sprechen.

Pfannenflicker

Er thut nicht in die Pfann' haun, sondern stechen.

Napoleon

Die laufen, daß es stäubt.
Mein Kopf ist vom Getümmel ganz betäubt.
Ihr treuen Mameluken,
Der Jahrmarkt geht nicht gut, ich will mich ducken.
Die Käufer sind ja toll;
Ich seh' nicht ein, was ich mit ihnen soll.
Auf tragt mich hulterpulter
In einem Kasten fort auf eurer Schulter.

Ein Mameluk

Es ist kein leerer da.

Napoleon

So leert sie aus.

Der Mameluk

O Herr, dann bleiben ja
Die Waaren hier im Stich.

Napoleon

Laßt alles hier im Stiche, nur nicht mich.

Der Mameluk

So sprich Herr, welche Kisten?

Napoleon

Nehmt die, worin die Lumpenkön'ge nisten,
Die ich zu Markt gebracht.
Sie kosten nichts, weil ich sie selbst gemacht.
Der Teufel mag sie holen.
Bringt mich, statt ihrer, fort, ich steh' auf Kohlen.

Der Mameluk

Was macht man mit dem Hahne?

Napoleon

Den laßt nur da; doch nehmt mir mit die Fahne
Mit meines Ruhmes Wappen;
Die Fahne soll mir kein Kosak erschnappen.
Der Hahn mag selbst heimfliegen!
Fort, fort geschwind, damit sie uns nicht kriegen.
Zur Lindenauer Brücke!
Dort kommen wieder wir zu unserm Glücke.
Ich hab' es Lust zu fragen,
Warum es so mich läßt vom Jahrmarkt jagen.

Halbchor der Raben

      Sag' ihm doch, Nemesis,
      Wenn er dich fragt,
      Sag' ihm, warum man vom
      Jahrmarkt ihn jagt.
      Sag' ihm doch, wer du bist;
      Sag' es ihm nicht:
      Nimm nur den Schleyer vom
      Angesicht;
Daß er es sieht, erschrickt,
Dich kennt, und zitternd zu der Flucht sich schickt.

       Zweites Halbchor

      Du in dem Bette des
      Flusses, der schwillt,
       Sitzend, ein schreckhaftes
      Vogelgebild,
      Elster, belachst du des
      Flüchtlinges Lauf?
      Sperre den gähnenden
      Schnabel auf:
Den Schnabel auf, ein Grab,
Und schlucke, schluck ihn und sein Heer hinab.

       Erstes Halbchor

      Rufe zu Nemesis
      Majestät,
      Die auf der zitternden
      Brücke steht,
      Daß sie mit einem
      Finger der Hand
      Rühr' ihn und stürz' ihn
      Schwindelnd vom Rand
In deinen offnen Schnabel,
Daß er vom Markt nicht heimkehr in sein Babel.

       Zweites Halbchor

      Hungert dich? Sättige,
      Elster, dich doch!
      Drinke doch Wasser nicht
      Dürstet dich noch.
       Issest du Fleisch nicht?
      Magst du nicht Blut?
      Glaube den Raben,
      Welsches ist gut.
Du Elster, sonst die Weiße,
Von welschem Blut gefüllt die scheckge heiße!

       Ganzes Chor

      Und wenn du fertig
      Nicht werden kannst,
      Zu schlingen alles
      In deinen Wanst,
      Zu schlucken alles
      In deinen Bauch,
      Gönn', Elster, den Raben,
      O gönn' uns was auch.
Wir kommen, kommen schon,
Zum Mahl, zum Mahl.

Der Geist der Zeit

      Still, hemmet euren Ton.
Die Raben müssen schweigen,
Weil in der Nähe sich die Adler zeigen,
Die über denen schweben,
Für die den Markt hat Nemesis gegeben.
Sie kommen hergegangen,
Dreyeinig von der Eintracht Band umfangen,
Umfaßt von goldnen Ketten,
Um von den ehernen die Welt zu retten;
Geführt vom Geist der Zeit
Im grünen, weißen und im blauen Kleid,
Daß Grüne, Weiße, Bläue
Symbol der Hoffnung sey, der Mild' und Treue.
Vor ihrer edlen Spur
Schwind hier des Fratzenspiels Caricatur,
Und magische Gewalt
Verschönere des Schmachbaus Mißgestalt,
Daß sie hier eingezogen
Als Sieger kommen unter Ehrenbogen.

Grünrock, Weißrock, Blaurock

Hurrah! Viktoria!

Geist der Zeit

O Schauspiel, wie die Welt noch keines sah.
Heil, Heil sey diesem Tage.

St. Georg

Seht hier die Surrogatenniederlage.
Der schlechte Rübenzucker,
Der Krämer war doch gegen mich ein Schlucker.
Hier auch die andern Dinge,
Die ich in nicht viel höhern Anschlag bringe;
Alles auf Schein gestellt,
Ein Pfuschermachwerk zum Betrug der Welt,
Papierne Königreiche,
Und all der Apparat zum großen Reiche,
Ein wunderlicher Plunder,
Strohwische, Lumpentrödel, mürber Zunder.
Rafft alles auf in Eil,
Und gebt mir seinerzeit davon mein Theil.

Geist der Zeit

Ist nicht der Rheinbund drunter?
Schleppt er den noch mit sich zum Rhein hinunter?
Den hätt' ich gern heraus,
Und brächt' ihn wieder in der Mutter Haus.
Eilt nach, ihn abzuschnallen.

St. Georg

Vielleicht wird er ihm unterwegs abfallen,
Wenn er ein gutes Fleck
Dazu ersieht, daß er nicht fällt in Dreck.
Seht da ist auch der Hahn.

Geist der Zeit

Mit den gestohlnen Federn angethan.
Den soll man jetzo rupfen,
Daß nackend er von hier nach Haus mag hupfen.
Das, Raben, ist eur Amt,
Rupft ihm die fremden Federn aus allsamt.

St. Georg

Ihr dürft nicht zu sehr rupfen,
Sonst kriegt er im Oktoberfrost den Schnupfen. –
Doch jetzt dächt' ich, wir gingen,
Den schuldgen Dank der Nemesis zu bringen.
Wo finden wir sie doch?

Geist der Zeit

Ich denke, sie ist bey der Brücke noch.

* * * * * * *

Napoleon

Das kommt von eurem Hasten;
Da habt ihr nun zerbrochen gar den Kasten,
Worin ich auf der Brücke
Vorbey zu kommen hofft' an meinem Glücke,
Das ich nicht an mag sehn,
Aus Schaam, daß ich so muß vom Jahrmarkt gehn.
Nun muß ich doch zu Fuß
Vor ihr vorbey, wonicht hier übern Fluß.
Ich weiß nicht, welches schlimmer.
Sie glänzt dort so in wunderlichem Schimmer,
Daß mir wird bang vor ihr;
Und hier im Flusse sitzt ein andres Thier
Mit aufgespreiztem Rachen,
Ein Vogel halb zum Schrecken, halb zum Lachen.
Ich denk' er wär vermessen
Genug, wenn ich ihm nah käm', mich zu fressen.
Halt du an meine Leute
Dich, liebe Elster; mich kriegst du nicht heute.
Kommt her, ihr Mameluken,
Ich will in eurer Mitt' hinüber ducken;
Daß mich die Weibsgestalt
Durch ihren Schleyer nicht bemerkt.

Nemesis

                  Halt! Halt!

Napoleon

Was willst du? Laß mich gehn.

Nemesis

Willst du nicht erst mich ohne Schleyer sehn?

Napoleon

Mich dünkt, ich sah dich schon. –
Ihr Mameluken, was meint ihr davon?
War es nicht eben so
Als ich mit euch zur Berezyna floh? –
Weib, wer hat dich bestellt,
Mir immer abzufordern Brückengeld? –
Ich will dirs denn nochmalen,
Wenn dirs genügt, mit meinen Fersen zahlen.

Nemesis

Jetzt gnügt die Ferse, Tropf;
Einst zahlst du doch mir noch mit deinem Kopf.
Einstweil will ich entsagen
Dem Kapital, weils noch soll Zinsen tragen.

Napoleon

Sind wir hinüber?

Ein Mameluk

Ja.

Napoleon

Sieh dich doch um; steht sie noch immer da?

Der Mameluk

Ja, mitten auf der Brücke.

Napoleon

So will ich rächen mich am falschen Glücke.
Nimm eine Fackel, Schuft,
Und sprenge mir die Brück' hier in die Luft.

Der Mameluk

Herr, es ist noch ein Haufen
Der Unsern drüben.

Napoleon

So mag er ersaufen.
Die Fackel an die Brücke,
Und in die Luft mit ihr und mit dem Glücke!

Nemesis

Die Brücke ging in Scherben;
Ich selber bin gesichert vorm Verderben;
Es kann der Mensch, der schwache,
Nicht Rache nehmen an mir selbst, der Rache.
Ein wenig hat mich Rauch
Und Dampf umhüllt, bis ihn zerstreut mein Hauch,
Und ich, statt der in Stücke
Gegangnen, steh' auf einer Wolkenbrücke.
Noch einmal will ich zeigen
Im Glanze mich, und nun gen Himmel steigen.

St. Georg

Halt, eh' du dich entschwingest,
Halt Nemesis.

Nemesis

Was ist's, was du mir bringest?

St. Georg

Den Lohn für deine Thaten,
Weil du zum Jahrmarkt uns so gut berathen.
Sag, wieviel willst du haben?

Nemesis

Mein Ritter Georg, behalte deine Gaben.
Ich hab' an diesem Tage
Gewogen hier mit meiner Sternenwaage
Nicht als 'ne Krämersfrau.
Und willst du denn dein Gold anwenden? Bau
Hier die gesprengte Brücke
Neu auf für mich von Gold aus einem Stücke,
Indeß magst dus anwenden,
An Leipzigs Arm' es einzeln auszuspenden,
Und zu der Welt Ergetzen,
Wieviel du hergabst, in die Zeitung setzen.
Doch denk' in Übermuth
Du nicht, daß du vergoßnes Völkerblut
Gut gnug bezahlet habest,
Wenn du den Lohn, es zu vergießen, gabest.
Mein brittischer Georg,
Ich selber handle noch mit dir auf Borg.
Gieb Acht auf meine Ordern,
Daß sie nicht auch dir einst die Schuld abfordern.
Jetzt, ihr drey Adler höret!
Hier unter euerem Panier zerstöret
Ward des Betrügers Markt,
Der euch verhöhnte, bis ihr seid erstarkt.
Jetzt sollet ihr euch schwingen,
Und sollet lösen gleich vor allen Dingen
Europa aus den Banden,
In welchen sie noch ist zu euren Schanden;
Europa, die zur Ehe
Ihm ward gelassen, daß aus ihrer Wehe
Sie ihm den Ruhm erzeuge,
Und ihn mit ihrem eignen Blute säuge;
Wie alles dieß in Bildern
Der Dichter hier versuchet hat zu schildern,
Für den und sein Erkühnen
Ich Nachsicht heischend trete von den Bühnen.

* * * * * * *

Epilog

Chor der Raben

Hier bringen wir euch den Hahn noch heraus zum völligen Schluß des Spektakels;
Wir haben dem Hahn nun die Federn gerupft, wir Schicksalsdiener, die Raben,
Die fremden gestohlenen Federn des Hahns, wir haben ihm keine gelassen,
Die sein nicht war, doch was sein war von Federn, das hat er behalten.
Wir stellen ihn so zur Schau euch dar, sagt, ob er euch so nicht gefalle?
Und wenn euch der Hahn so wirklich gefällt, so zeigt es durch euere Thaten.
Wir rupften den Hahn vorbildlich nur, so sollt ihr rupfen den wahren;
Denn nur ein ausgestopfter ist er, den lebenden habt ihr in Handen.
Den gab die Base Gelegenheit euch, die ihr ergriffet beym Haare.
O gebet die Base noch nicht aus dem Haar, und nicht den Hahn aus den Handen.
Rupft, rupfet, o rupft bei Gelegenheit ihn. Rupft, rupfet die Federn des Hahnes,
Die fremden gestohlenen Federn des Hahns, die Federn eueres Adlers,
Schwungfedern eueres Adlers vordem, Schwanzfedern des üppigen Hahns jetzt,
Womit er ins Aug' euch beleidigend sticht, rupft, rupft ihm die Federn am Schwanze,
Und wenn ihrs nicht thut und wenn ihr nicht rupft, so seid ihr berupft am Verstande,
Und höhnend kräh' euch sein Kikeriki der Hahn hier unter die Nase.

Der Hahn

(kräht)
Kikeriki.


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