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Kronprinz Friedrich Wilhelm von Preußen: »Die Besteigung der Cheopspyramide«

Cairo, den 6ten Dezember 1869 Schon um drei Uhr begann heute unser Tag, weil wir die ältesten und größten Pyramiden bei Gizeh besteigen wollten.

Die Einbildungskraft vermag sich keine genügende Vorstellung von jenem Steingebäude, das sich die Könige als Grabkammern erbauen ließen, zu machen, und staunend wirft man auch hier wieder die Frage auf, wie es die Ägypter vermochten, angesichts ihrer gänzlichen Unkenntnis im Maschinenwesen, derartige Bauten auszuführen. Schön kann ich freilich die Pyramiden in der Nähe nicht finden, zumal bei solcher nahen Betrachtung die Zerstörung mehr in die Augen springt, als der noch vorhandene Gesamtbau seine Wirkung zu üben vermag. Für die Landschaft hingegen nehmen sich die Pyramiden malerisch aus, namentlich wenn die Morgen- oder Abendsonne ihre Spitzen beleuchtet.

Die Besteigung der Pyramiden gehört zu denjenigen Dingen, die man unternimmt, um sagen zu können, daß man dabei gewesen, die aber sonst keinerlei Anspruch auf Zweck oder Annehmlichkeit haben. Je zwei Araber spannen sich vor einem und ziehen den Fremden stufenweise von Stein zu Stein, denn die äußere Bekleidung der Pyramiden gleicht einer aus unregelmäßigen, verwitterten Quadern erbauten Treppe, deren Stufenabsatz oft eine Höhe von drei bis vier Fuß beträgt. Die Knie versagen einem allmählich den Dienst, man verliert den Atem und kommt endlich schlotternd am ganzen Leibe oben an. Dort hat man natürlich eine weite Aussicht; uns aber war der Schabernack aufgespart, daß gerade heute die Sonne ausnahmsweise »nicht aufging«, und die Morgenbeleuchtung also auch ausblieb. Das Hinuntersteigen bot fast ebenso viel Unannehmlichkeiten wie das Hinaufsteigen, nur daß sich noch Schwindel hinzugesellte. – Um das Maß der Genüsse voll zu machen, begab ich mich mit Lepsius in das Innere der Pyramide. Diese Expedition läßt sich vollends nicht beschreiben, denn jedes Bauwerk ist bequemer zu durchkriechen als diese Höhlungen. Alle erdenklichen Stellungen und Biegungen des menschlichen Körpers werden angewendet, um vorwärts zu kommen und doch mußte man außerdem noch zwei bis drei Mann zu Hilfe nehmen, die einen vorwärts schoben, zogen oder trugen. Es geht bald bergauf, bald bergab, bald rutscht man oder muß auf allen Vieren kriechen. Endlich erreicht man die Grabkammer mit dem steinernen Sarkophag, sieht den regelmäßigsten Granitquaderbau, den der Steinmetz schaffen kann, und schwitzt wie in einem russischen Dampfbade. Es war so heiß, daß wir triefend unsere Röcke ausziehen mußten; dabei waren Lepsius und die anderen drei Herren, die mich kühn begleiteten, wie ich selbst durch diesen wunderlichen Beförderungsprozeß in eine so ausgelassene Lachstimmung geraten, daß auch dieser Zustand noch mehr dazu beitrug, uns in eine ungewöhnliche Erhitzung zu versetzen.

Die Pyramiden sind von Grab- und Tempelresten umgeben, die größtenteils von Lepsius entdeckt worden sind, und da sein Name überhaupt hier sehr verbreitet und untrennbar mit allen Entdeckungen in Ägypten verbunden von den Einwohnern gedacht wird, so zeigte man ihm heute das »Grab des Professors Lepsius«! zu seiner eigenen und unser aller großen Ergötzung!

Der Khedive hat einen Pavillon, Chausseen, Viadukte und Dämme bauen lassen, um den Fremden den Besuch und auch das Herankommen durch die feuchten Nilumgebungen zu erleichtern – gewiß einer der groteskesten Gegensätze zu dem bereits vor dreitausend Jahren unternommenen Pyramidenbau!

Das von Mariette in Boulac eingerichtete Museum ward besucht und in seinen Schätzen ganz einziger Art bewundert. Mich überzeugten einzelne in dem Museum befindliche Statuetten und Goldfabrikate, daß die Ägypter einen wahren, ja geradezu erhabenen Kunstsinn besessen haben.

Dann besuchten wir die neueste Schöpfung Ismail-Paschas, den ganz im maurischen Stil durchgeführten Palast Gezireh; an dem unser Landsmann von Diebitsch seine Studien zur Geltung gebracht, leider ist derselbe darüber gestorben. Pracht und unglaubliche Verschwendung sind hier wenigstens endlich einmal im National-Charakter angewendet.

Mandarinen von den Bäumen pflücken und im Freien verzehren zu können, und zwar anfangs Dezember, war für uns Nordländer ein höchst angenehmer, ungewohnter Genuß.

Anhang C


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