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Den folgenden Tag nach unserer Ankunft verbrachten wir damit, die grosse schöne Ebene, die südlich von Amba Antalo sich ausdehnt, zu recognosciren um einen passenden Lagerplatz zu finden für ein grösseres befestigtes Lager, denn hier sollte jetzt eine Hauptreserve gebildet werden, und die eigentliche Angriffscolonne auf Magdala von hieraus vorgehen. Es war deshalb auch vorauszusehen, dass wir hier einen längeren Aufenthalt haben würden. Nach Briefen von Sir Napier sollte von hier aus eine Colonne von 2900 Mann unter Sir Stabely direct auf Magdala vorgehen, während in Antalo selbst ein Corps von circa 3000 Mann als nächste Unterstützung unter General Malcolm zurückbleiben sollte. Ebenso wurden weiter nach Norden in Adi-Graat, Senafe und Zula feste Lager errichtet. - Abends empfingen wir viele Deputationen von den umliegenden Orten, die beiden Hauptchefs von Antalo indess waren abwesend, da sie nach König Kassa in Tigre berufen waren.
Antalo, das nur 3 Meilen entfernt war, wohin aber eine sehr unwegsame Strasse führte, wurde von mir und Lord Adair besucht. Der Ort ist hinreichend gross und zerfällt in drei unterschiedliche Theile, welche durch Ravins getrennt sind. Der westliche davon ist ausschliesslich von mohammedanischer Bevölkerung bewohnt, die aber in Hautfarbe und Gesichtszügen sich keineswegs von den Christen unterscheiden. Geistig aber und sittlich scheinen die Mohammedaner auf einer höheren Stufe zu stehen, als die Christen. Ich will hiermit ja nicht sagen, dass ich sie für viel besser halte, als die Christen, denn die mohammedanische Religion lässt eben an und für sich keine Bildung und Gesittung aufkommen. Aber es ist mit den Mohammedanern hier, wie mit allen anderen Religionsbekennern, welche da, wo sie sich einer grossen herrschenden Religion gegenüber befinden. Eben weil sie in Minderheit sind, wollen sie sich durch einen exemplarischen Lebenswandel die Achtung ihrer starken Umgebung erzwingen. So ist es mit allen Secten, sobald sie von einer fanatischen Religion umgeben sind. Man hat zwar behaupten wollen, die Abessinier seien duldsam und nicht fanatisch, aber schon allein der Umstand, die Islamiten in einen besonderen Stadttheil abzuscheiden, spricht genug; wären die Abessinier etwas raffinirter, würden sie die eiserne Kette des päpstlichen Ghetto, oder eine Bab el Iladid"Eisernes Thor" in Fes, welches den jüdischen Stadttheil von dem der Mohammedaner trennt. des marokkanischen Kaisers gegen Andersdenkende erfunden haben.
Antalo ist sonst ein schmutziges Nest und wie gewöhnlich sind zwei Drittel der Wohnungen in Ruinen. Diese sind alle wie überall bis hier in Abessinien mit rohen Sandsteinen gebaut, wie sie auf dem Felde gefunden werden, und durch Thon zusammengehalten. Fast allgemein hat man bald eine Nachahmung der runden Negerhütten vor sich, schlecht mit einem konischen Strohdache versehen, oder ein einfaches viereckiges Zimmer mit plattem Dache. Die Einwohnerzahl kann sich auf 1000 belaufen und 150 ungefähr davon sind Bekenner des Islam. In und um den Ort befinden sich sieben Kirchen, den Erzengeln, der Maria und dem heiligen Georgis, wie gewöhnlich, gewidmet, aber keine einzige zeichnet sich durch irgend Etwas aus. Alle sind in dem in Abessinien sehr belieben Rotundenstyl gebaut, mit zwei Umgängen und einem viereckigen Allerheiligsten in der Mitte, worin der Hochaltar ist und das nur geweihte Priester betreten dürfen.
Jeden Mittwoch wird in Antalo ein Markt abgehalten, der aus der ganzen Umgend stark besucht wird; man findet dort allerlei Landesproducte, Kornarten, Zwiebeln, Knoblauch, braunen Kohl, der sicher von Deutschen in Abessinien eingeführt ist, Gewebe aus Baumwolle, kleine Strohkörbe aus gefärbtem Stroh, Weihrauch, Antimon, Schwefel, Butter, Milch, Hydromel oder Honigwasser, welches, wenn es lange Zeit gegohren hat, berauschend ist, endlich ausgezeichneten Kaffee aus Gondjam und den Galla-Ländern, welchen man zu dem billigen Preise von 7 PfundIn Talanta kauften wir 40 Pfund für Einen M. Th.-Thaler. für 1 Maria-Theresia-Thaler haben kann. Freilich ist das abessinische Pfund bedeutend kleiner, als das sonst in Afrika übliche, wenigstens das, was in allen Berberstaaten und in den Negerländern Centralafrikas gäng und gebe ist. Dies ist nämlich gleich 16 Maria-Theresia-Thaler (oder wie in Marokko gleich 20 Fünffrankenstücken), während das abessinische Pfund nur gleich 12 Maria-Theresia-Thalern ist. In Abessinien, wenigstens in diesen bis jetzt von uns durchzogenen Theilen, besteht indess kein eigentlicher Tauschhandel: die grosse Münze ist der Maria-Theresia-Thaler, die kleine das Salz. Dies, was, wie schon gesagt, aus der Danakel-Ebene kommt, in kleinen länglichen Stücken von circa 1 Pfund Schwere, galt früher in gewöhnlichen Zeiten 60 Stück den Thaler, dann stieg es auf 30 bei Ankunft der Engländer und des vielen Geldes, welches diese besitzen, und bei unserm Erscheinen auf dem Markte von Antalo wollte man uns bloss noch gegen 20 Stück wechseln. Dies Salz ist sehr gut von Geschmack und hinreichend weiss. Ich bemerkte sogar, dass, wenn die Stücke etwas schmutzig oder geschwärzt waren, sie zurückgewiesen wurden.
Wegen seiner reichen Kirche ein sehr sehenswerther Ort ist Schelikut, circa 5 Meilen nordöstlich von Antalo gelegen. Auch der Ort selbst macht einen ganz anderen Eindruck, als die Orte, die wir bis jetzt Gelegenheit zu sehen hatten. Wir fanden jedes Haus von grünenden Gärten umgeben, die Gerste, welche man darin zog, war beinahe zum Schneiden reif (am 18. Februar), rothe Pfefferfelder und hochstieliger brauner Kohl versprachen eine reiche Ernte; auch einige Limonen und Weinreben bemerkte man hie und da. Vor Allem wurden wir aber bald nach einem grünen Bosquet von Bäumen gelenkt, zwischen denen schwarze Cypressen hervorragten. Es war die Hauptkirche. Der ganze Grund war mit einer hohen Mauer umzogen und ein Thorweg führte uns in den Hof, der als Begräbnissplatz benutzt wurde. Die eigentliche Kirche, ein Rundbau von einem hohen Strohdache überwölbt, war aus unbehauenen Steinen gebaut, der Art, dass die äussere Umfassungsmauer aus lauter Bogen bestand, die zum Theil durch durchbrochene Holzwandungen verschlossen war. Diese Mauer hüllte den äusseren Umgang ein, wohin die Laien und weltlichen Leute dringen können. Der zweite Umgang umhüllte eine viereckige Abtheilung, das Allerheiligste, wohin nur Priester zugelassen werden, hierin befindet sich der Hochaltar. Das Allerheiligste, sowie der innere Umgang waren überall mit Alfrescogemälden geschmückt, die aber in allen Kirchen dieselben zu sein scheinen und aussehen, als ob sie alle von Einem Meister herrührten. Wie die Kirche zu Adi-Graat und Antalo bildeten die Erzengel Michael, Gabriel, Raphael, die Mutter Gottes, der heilige Georgis, das jüngste Gericht, die Kreuzigung, der Teufel, die Enthauptung Johannes, die Belehnung Petri mit den Schlüsseln etc. etc. die Gegenstände der Wandmalungen. Ausserdem aber hatte die Kirche verschiedene Kronleuchter alteuropäischen Fabricates und andere Gegenstände, als Schellen, Pauken und Glocken deuteten auf einen grösseren Reichthum hin. Besonders auffallend war ein 4 Fuss hoher viereckiger Schrank von durchbrochener Arbeit und 3 Etagen haltend, er ruhte wie ein Wagen auf 4 Rädern; seinen Gebrauch konnte ich leider nicht erfahren, da wir keinen Dolmetsch bei uns hatten.
Es war gerade Messe, als ich die Kirche besuchte, obgleich es 4 Uhr Nachmittags war, denn die Abessinier beobachten nicht wie die Katholiken eine besondere Zeit zur Abhaltung der Messe. Sie sind immer zu wenigstens drei Priestern, um die Messe abzuhalten und beobachten dann ungefähr dieselben Ceremonien, wie die Katholiken. Die Priester hatten alle Tuchburnusse an, die mit Gold gestickt waren, in der Art ungefähr, wie man sie zu Tripoli und Masser verkäuft; natürlich waren sie barfuss und ohne Hosen, denn in dieser Beziehung beobachten sie streng das mosaische Gesetz und wir hatten manchmal in anderen Kirchen Schwierigkeiten, Einlass zu bekommen, wenn wir nicht unsere Schuhe oder Stiefel ausziehen wollten, weil sie uns dann immer für Mohammedaner hielten (obgleich diese selbst nie mit Schuhen in ihre Moscheen gehen). Natürlich fehlten Glocken und Räuchergefässe nicht, und der Gesang war ebenso unharmonisch, wie der der katholischenIn Italien sorgt man indess jetzt für ausgezeichnete Kirchenmusik, da man von der Vorschrift abgekommen ist, Gott durch leidende und weinerliche Musik eine Ehre zu erweisen. Ich hörte in Bologna während eines Hochamtes ein herrliches Potpourri aus "Martha". oder lutherischen Priester.
Das Abendmahl wird bei den Abessiniern aber wie bei den Protestanten unter beiderlei Gestalt ausgetheilt. Sie machen sich in der Kirche selbst das Brod, eine Art Galette vom besten weissen Mehle, kein Weib darf das Korn berührt haben oder zubereiten; Alles muss von Männern gemacht sein. Da kein Wein im Lande ist oder sie die Zubereitung nicht verstehen, so machen sie einen Aufguss auf trockene Weinbeeren oder Rosinen, womit sie communiciren. Die Kelche sind meist von Messing, einige auch von Silber und haben eine sehr offene Form; das Getränk wird jedem Communikanten mit einem kleinen Löffel in den Mund geflösst und Männer und Frauen nehmen daran Theil. Diese Communion wird auch den kleinen Kindern gleich nach der Taufe gegeben, unter der Gefahr, sie manchmal mit dem Stückchen Brod zu ersticken. Wenn so die Abessinier von allen unseren verschiedenen Bekenntnissen, seien es nun Juden, Protestanten, Katholiken, Islamiten oder Griechen, Etwas in der Ausübung ihrer Religion haben, so ist es doppelt interessant, zu wissen, dass sie auch Anabaptisten sind - am heiligen Dreikönigstage wird an Jedem, Mann oder Frau, die Taufe von Neuem vollzogen. Ja selbst Vielweiberei, obwohl von der Kirche nicht geduldet, ist von dem Civilgesetze erlaubt, eine blosse Ausnahme besteht bei den Priestern, die sogleich ihre Würde einbüssen, selbst wenn sie nach Absterben ihres Weibes wieder heirathen; ebenso darf das Weib eines verstorbenen Priesters bei Strafe nicht in die Kirche kommen, noch communiciren, noch wieder heirathen.
Das Allerheiligste, zu dem alle Zugänge immer mit Teppichen behangen sind, war uns natürlich nicht gestattet zu sehen, und wenn ja die Ceremonien es nöthig machten, dass die Priester vor den Altare selbst gingen, so verhinderte die Dunkelheit, irgend etwas zu unterscheiden.
Pearce hielt sich längere Zeit in diesem reizenden Ort auf und eine Zeit lang war es die Residenz des Tigrefürsten Ras vel da Selassi, Sohnes der Dreieinigkeit.
Als wir am 17. Februar Abends von Schelikut zurückkehrten, fanden wir General Merewether, Herrn Munzinger und den bekannten Reisenden und Forscher Markham (derselbe hat sich hauptsächlich um die Einführung des Cinchoninbaumes in Indien verdient gemacht, er ging zu dem Ende zweimal nach Südamerika und hielt sich längere Zeit in der Provinz Madras in Indien auf; seine anderen Forschungen betreffen die Eskimos in Grönland), der von der London geographical society hergesandt war. Da unser Platz jetzt aus Mangel an Wasser, was überdies stehend war, nicht mehr tauglich blieb, so verlegten wir am Tage darauf das Lager 4 Meilen südlich, wo wir fliessendes Wasser und eine sehr grasreiche Ebene hatten. Am selben Tage kamen auch drei Leute von Magdala, die von Rassam und Cameron abgesandt waren mit Briefen an General Merewether. Dieselben waren 18 Tage unterwegs gewesen; die Briefe enthielten indess nichts Neues, nach den Aussagen der Leute schien hervorzugehen, dass der Negus die Absicht hatte, sich zwischen Magdala und die Engländer zu stellen, also es auf eine Schlacht ankommen lassen wollte. Auch ein Brief von Flatt aus dem Lager des Negus und an Rassam gerichtet, befand sich dabei, woraus hervorging, dass der Negus vor 6 Wochen nicht vor Magdala sein konnte, indess war derselbe vom 19. Januar datirt und somit für uns die Hoffnung verschwunden, früher in Magdala zu sein, als er selbst. Trotzdem, dass unser Lager nun viel bedeutender geworden, denn General Merewether, als Director der politischen Angelegenheiten, hatte einen grossen Train bei sich, so waren dennoch die Hyänen so zahlreich und frech, dass sie sich durch die Posten ins Lager schlichen, leere Wasserschläuche und anderes Lederzeug fortschleppten, ja eines Nachts mitten im Lager einen Esel zerrissen und halb aufzehrten, ohne dass es verhindert werden konnte, da es, um falschen Allarm zu vermeiden, verboten war, Nachts zu schiessen.
Die Temperatur war indess auffallend milde geworden, freilich waren wir jetzt auch fast 2000' tiefer als in Senafe, denn wenn der Ort Antalo 7400' hoch war, so war die Ebene unterhalb des Ortes, worin wir lagerten, nur circa 6000' über dem Meere. In Westen von uns hatten wir einen kleinen Ort, Namens Mara, circa 1 Meile entfernt und vor uns im S.S.O. die Berge von Uadjerat.
Tags über hatten wir meist Ostwind, der gegen 9 Uhr Morgens aufsprang und Nachmittags um 3 Uhr am heftigsten wurde, gegen Sonnenuntergang fiel, aber meistens täglich Gewitter zur Folge hatte, von wenig Regen begleitet. Die Temperatur war vor Sonnenaufgang im Februar meist +10deg., die höchste Nachmittags im Schatten +25deg. durchschnittlich. Die Feuchtigkeit war ausserordentlich gross, indem Nachts das Hygrometer meist 80-90deg. hielt und selbst bei Tage in der heissesten Zeit fast nie unter 40deg. sank. Die Barometerschwankungen waren äusserst gering, selbst bei den starken electrischen Erscheinungen.
Am 20. Februar kamen auch unter General Collings grosse Truppenzuzüge, worunter eine Batterie Bergkanonen. Jedesmal aber, wenn nun die Truppen kamen, waren die Nichtcombattanten und Lastthiere so überwiegend, dass man sich hätte fragen können, sind diese der Soldaten wegen, oder die Soldaten jener wegen da. Es liegt mir überhaupt nicht ob, über die Einrichtungen der Engländer beim Vorgange der abessinischen Expedition zu sprechen, so viel will ich indess nur anführen, das ich kaum glaube, dass irgend ein Commandant weiss, wie viel er Soldaten oder Pferde hat geschweige war denn die Zahl der Nichtcombattanten, der Maulthiere und Kameele zu ermitteln. Ich marschirte jetzt immer nur mit einer kleinen Truppe von etwa 150 regelmässigen Soldaten (Cavalerie des 8. leichten indischen Regiments und vom Sind-Horses-Regiment), dem Stabe von Phayre (Vermessungscorps circa 10 Leute) im Ganzen vielleicht 500 Mann, kann also nicht über die Marschordnung urtheilen, nachdem aber, was die italienischen Offiziere mir erzählten, muss es bei dem Marsche einer grösseren Truppe ungefähr so hergehen, wie bei einem Truppenzuge des Kaisers von Marokko, oder des Königs von Bornu. Indess geht Alles gut, weil Alles mit Geld aufgewogen wird, kein Preis ist zu hoch und von einer Controle der Ausgaben Nichts zu bemerken. Ein Uebelstand, den wir aber am allermeisten fühlten, war der, dass die Post sich in einem entsetzlich vernachlässigten Zustande befand, weder Zeitungen, noch Briefe kamen an, und dabei lebten wir in der Ungewissheit, ob unsere eigenen Briefe befördert würden. Zudem fing ein Mangel gewisser unentbehrlicher Gegenstände an sich fühlen zu machen; ich will nicht sagen, dass Zucker, Spirituosen, Cigarren, bei den Meisten zu Ende waren, diess sind Gegenstände, die jeder entbehren kann, aber in dem Glauben, dass bei den Truppen überall Lichte, Zündhölzchen, Seife etc. zu finden sein würden, wie bei den Truppen anderer Länder, wenn sie im Felde sind, hatte Niemand davon Vorräthe angeschafft. Es wundert mich nur, dass die englischen Offiziere, die doch über ihre Verhältnisse besser als wir unterrichtet sein müssten, eben solchen Mangel hatten, wie wir Fremden. So hatte Oberst Phayre ebenso wenig Kerzen wie ich, im Lager bei Antalo, Boya genannt, konnte ich dem abhelfen, indem Wachs zu kaufen war und meine abessinischen Diener Kerzen ziehen mussten.
Da wir längere Zeit in diesem Lager blieben auf Anordnung von Sir Robert Napier, der gar nicht langsam genug vorgehen konnte, so nahm ich die Zeit wahr, um eine genaue Höhe von Amba Rradom, so heisst der Berg, an dessem Abhange Antalo gebaut ist, zu nehmen. Unser Lager war jetzt schon 6 Meilen vom genannten Ort S.S.O., ich musste daher zeitig aufbrechen. Obgleich es stark nebelte (eigentlich ist es kein Nebel, sondern es sind rechte Wolken, die auf dem 6400' hohen Bergrücken, der auf dem Boya liegt, lagern), so machte ich mich dennoch Morgens am 23., am Tage der Sonnenfinsterniss auf zu Maulthier, von zwei meiner abessinischen Diener, von denen der eine ein Christ, der andere ein Mohammedaner war, begleitet. Wir durchritten schnell die 6 Meilen Ebene, langweilig und einförmig, weil nur von vertrocknetem Gras bedeckt, das stellenweise noch dazu verbrannt war und aus dem die Nähe des Lagers, das Trompeten der Soldaten und die immerwährenden Zuzüge längst alles Wild verscheucht hatten. In Antalo angekommen, stellten wir mein Maulthier in das Haus oder vielmehr Hütte eines Bewohners und machten uns dann gleich daran, nachdem wir einen Führer gemiethet, den Berg zu erklimmen. Amba Antalo oder richtig Amba Rradom ist ein Berg von fast viereckiger Gestalt und Königsteinartig, so dass er nicht überall Aufgänge hat. Nach Süden zu, oder vielmehr nach S.S.O. hat er einen Sattel oder eine Einsenkung, durch welche uns unser Führer, ein junger Mann aus Antalo, hinauf brachte. Nach einer Stunde steilen Kletterns hatten wir auch den Sattel erreicht, aber damit noch lange nicht den höchsten Punkt, der sich auf dem Westflügel befindet. Hier angekommen, bemerkte ich, dass mein Diener den Hygrometer, den Herr Markham mir geliehen hatte, im Hause, wo das Maulthier untergebracht war, vergessen hatte. Nun war ich zwar im Besitze eines Aneroids, aber da ich das Kochthermometer eigens mitgenommen hatte, um diesen Berg so genau wie möglich zu bestimmen, so konnte es nichts helfen, der Diener musste zurück, um ihn herauf zu bringen. Unser Führer ging dann zu einer Quelle, die oben auf dem Plateau des Sattels entspringt und in deren Nähe eine kleine, der Maria geweihte Kirche ist, um unseren mitgebrachten Schlauch zu füllen, während ich mit meinem anderen Diener die Westanhöhe hinausging, dessen äusserste höchste Spitze wir nach einer anderen kleinen Stunde erreichten. Die ganze Amba ist flach oben und hat sicher eine Geviertfläche von 2 Cubikmeilen. Die Bewohner von Antalo und Mai-Gundi, eines anderen Dorfes, das oberhalb des ersteren am Westflügel des Berges liegt, beackern diese Fläche alle zwei Jahre, sonst ist wenig Vegetation auf dem Berge. Die Seiten sind, wie angeführt, so steil, dass Nichts daran wachsen kann, und oben ist alles steiniger Boden. Etwas Innigorus, verkrüppelte Mimosen, Aloes und einige Candelaberbäume bilden in dieser Jahreszeit ausser verbranntem Gras die einzige Vegetation; bei den Quellen, deren es genug an dem Abhange des Berges giebt, wächst auch der Seifenbusch, deren Blätter und Samen die Abessinier als Seife benutzen und den sie auf Tigre Scheta nennen. Das Gestein besteht zum grössten Theile aus Kalkstein und sehr grobkörnigem Sandstein, auch Conglomerate findet man, namentlich je mehr man nach oben kommt. Granit ist nirgends vorhanden. Das Aneroid, das im Lager 23, 2, 7, am Fusse der Amba 23, in Antalo 22, 3, 7 stand, war auf dem höchsten Punkte des Berges bis auf 21, 2, 7 gefallen, was also eine ungefähre Höbe von 9100' ergab. Mein Bursche mit dem Kochthermometer kam auch wieder und ein zweimaliges Kochen ergab, dass das Wasser bei 194,6 kochte (das Thermometer war ein Fahrenheit und jeder Grad in 5 Theile untergradirt, so dass man indess, als es 194deg.3 zeigte, auch 194deg.6 schreiben konnte), dies mehrere Male wiederholend und immer dasselbe Resultat gebend, machte das eine Höhe von 9335'Nach Markham's Tabelle und Berechnung. , die jedenfalls genauer ist als die des Aneroid.
Uebrigens hatte man von hier eine Uebersicht, wie ich sie noch nicht in Abessinien genossen hatte, nach Westen zu die kolossalen Höhen von Semén, welche die höchsten Gipfel aller abessinischen Berge enthalten, nach Süden die Berge von Sokota und im Südosten die Uadjerat-Berge. Im Norden konnte man bis nach den Adi-Graat-Bergen, die Amba-Siou und alle Ketten, die wir überschritten hatten, sehen. Besonders notirte ich die hohe Amba-Bel-Bel 230deg. auf 2 MeilenMeilen sind immer englisch. , die Semén-Berge 260deg. in 60 Meilen. Das Schechet-Gebirge 70deg. circa 50 Meilen. Die Amba-Aladje 145deg. auf circa 30 Meilen. Der Ort Schelicut 145deg. circa 4 Meilen. Der Wind blies die ganze Zeit aus SO. und hatte eine Heftigkeit von 20 (widerstandsloser Orkan zu 50 angenommen), zahlreiche Haufenwolken waren am Himmel, die Temperatur war um 12 Uhr Mittags im Schatten 26deg., zur Zeit, als ich meine Beobachtungen anstellte; das Hygrometer hatte 28deg. oben auf dem Berge, während es unten im Lager um dieselbe Zeit circa 40 zu haben pflegt. Nachdem gefrühstückt und Kaffee getrunken, einige Salutschüsse waren abgefeuert worden, ging es wieder bergab, zwar schneller als bergauf, aber dennoch langte ich erst um 4 Uhr wieder im Lager von Boya an. Freilich hatte ich der dringenden Einladung der Frau des Hauses, wo unser Maulthier untergebracht war, keinen Widerstand entgegensetzen können, uns mit Brod und einer rothen Pfeffersauce zu bewirthen (natürlich gegen einen Bakschisch von einigen Thalern) und uns Hydromel vorzusetzen. Ersteres war indess für einen europäischen Mund ungeniessbar, die Sauce war flüssiges Feuer, und der Hydromel, manchmal von den Eingeborenen recht gut zubereitet, war widerlich süss. Wenn ich nun auch nicht zusprach, so liessen es meine Diener sich nicht nehmen, die Speisen schnell zu vertilgen.
Am 24. Februar kamen Leute aus dem Lager des Königs Theodor, freilich mit dem Umwege über Magdala. Diese waren vor einem Jahre an Flatt mit Briefen geschickt und jetzt erst freigelassen worden. Flatt schickte durch sie einen Brief, worin er constatirte, dass der König jetzt, seit er von der Ankunft der Engländer unterrichtet sei, bedeutend freundlicher geworden wäre. Die sichere Bestätigung hätte er von der Ankunft des Expeditionscorps durch die Zurückkunft seiner Spione erhalten. Diese waren nämlich Anfangs Januar in Senafe und wurden als solche erkannt, aber absichtlich vom General Merewether gut aufgenommen und ihnen alle Einrichtungen des englischen Heeres gezeigt. Flatt berichtete ferner, dass der König ihn hätte raten lassen und gefragt, ob er von der Ankunft der Engländer unterrichtet sei, worauf er erwidert habe, er hätte ihm immer gesagt, dass, falls er die Gefangenen nicht frei gäbe, die Engländer Krieg anfangen werden. Nach den Aussagen der Leute soll Theodor sich aufs Plateau von Talanta gezogen haben, da es ihm unmöglich sei, in Magdala einzuziehen. Flatt schrieb ferner, dass Theodor jetzt Rassam immer seinen Freund nenne und nur gesagt habe, die englische Regierung habe ihn schimpflich behandelt und mit Verachtung überhäuft. Es wird sich hoffentlich bald aufklären, wie die ganze Geschichte vor sich gegangen ist, es ist ohne Zweifel, dass die Engländer selbst auch grosse Schuld an dem Kriege haben. Da man auf Flatt's Brief eine Antwort schickte, so benutzte ich die Gelegenheit, um zugleich an ZanderDer Brief ist Zander nicht zugekommen. aus Dessau zu schreiben, d. h. ihm mitzutheilen, dass Seine Hoheit der Herzog von Dessau Nachricht über ihn zu haben wünsche.
Das Lager von Boya in der Antalo-Ebene war indess eins der unangenehmsten, was man sich denken konnte, wegen der Einförmigkeit der Gegend; obgleich von Bergen umgeben, war gar kein Baumwuchs vorhanden und das verdorrte Gras stellenweise abgebrannt. Zudem durfte man weitere Ausflüge, wenigstens allein und ohne Waffen kaum wagen, da sich eine Menge Leute von Galla-Stämmen umhertrieben, die es sich zum Gesetz gemacht haben, ehe sie heirathen, eine Anzahl Castraten zu machen. Man sagt, dass, bevor sie nicht beweisen können, eine gewisse Anzahl umgebracht zu haben, sie in ihren Ländern nicht heirathen können. Der Platz des Lagers verbesserte sich insofern sehr schnell, als die vielen Steine, mit denen er überhäuft und überschüttet war, aufgeräumt und gerade Strassen gezogen wurden.
Am 26. Februar setzten wir uns dann wieder in Bewegung, d. h. ein Theil der in Boya versammelten Truppe unter Colonel Phayre, und bezogen circa 8 Meilen endlich in Miske ein Lager. Hier befanden wir uns in einem Kessel, unmittelbar am Fusse der Uadjerat-Berge; der Kessel war von der Antalo-Ebene durch einen niederen, circa 500' hohen Bergzug getrennt, befand sich sonst auf ganz gleicher Höhe mit dem Lager von Boya. Aus dem Grunde entsprang unterhalb des Dorfes von Miske eine reiche Quelle, die Veranlassung zu einem starken nach dem Takaze zuströmenden Giesbach giebt, dessen Ufer reich mit Brunnenkresse besetzt und von pittoresken Felswänden gebildet, eine steile Schlucht nach Westen zu bildet. - Am selben Tage noch, wie wir in Miske eintrafen, kam auch ein Brief von Prinz Gobesieh von Lasta mit Freundschaftsversicherungen für die Engländer und der Anzeige, dass besagter Prinz drei seiner Anführer beauftragt habe, beim Aschangi auf uns zu warten, für uns dort Lebensmittel einzutreiben und zu helfen, Wege nach Süden zu machen. Der Prinz von Lasta befand sich seit längerer Zeit im Aufruhr und Krieg gegen Theodor, konnte aber allein mit Erfolg Nichts gegen ihn unternehmen. Indess war seinem Briefe zufolge es ihm gelungen, einen Streifzug nach Debro-Tabor zu zu machen, während der König Theodor schwerfällig in seinen Bewegungen und von einer ganz feindlichen Bevölkerung umgeben, es nicht möglich machen zu können schien, Magdala zu gewinnen. Er war vom Djidda-Flusse herabgezogen und hatte den letzten Nachrichten zufolge sich auf dem Plateau von Talanta festgesetzt.
Auch ein grosser Armeebefehl von Sir Robert traf wieder ein, der hauptsächlich des Inhaltes war, die Bagage und den Dienertross der Offiziere zu reduciren. Aber trotz aller Befehle schien doch keine grosse Verminderung des Trains stattzufinden; die Zahl der präsenten Maulthiere betrug im Februar gegen 15,000, die der Kameele und Lastochsen erreichte ebenfalls die Summe von Tausenden, dazu war noch eine Menge von Eingeborenen engagirt, um Lebensmittel von Station zu Station zu transportiren. Der Hauptfehler lag in der zu grossen Schonung des englischen Soldaten sowohl, als auch des indischen. Warum trugen diese ihr Zelt nicht selbst wie der französische, warum gab man ihnen nicht wie den französischen für 3 oder 4 Tage Lebensmittel zu tragen. Zudem waren die Rationen von Mehl oder Reis (1 ½ Pfund per Tag) zu gross, man hätte sie auf die Hälfte vermindern können und dafür mehr Fleisch geben, was überall und zu bedeutend billigeren Preisen als in Europa zu haben war. Die Arbeiten der Wege wurden auch viel zu langsam betrieben, für Bergartillerie passirbar, warum steifte man sich darauf, sie für Elephanten und grosses Geschütz passirbar zu machen, war es nicht genug, diese bis Senafe oder gar Adi-Graat gebracht zu haben. Die Eisenbahn wurde jetzt Mitte Februar bis fast Komeile mit Dampf befahren, trotzdem die Armee noch immer in Antalo war. Im ganzen Monat Februar war man eben nur bis zu diesem Ort gekommen, ja der General en Chef lauerte noch immer auf dem Wege zwischen Adi-Graat und Antalo auf Kassa, der express eine Zusammenkunft mit ihm zu verzögern oder gar vermeiden zu wollen schien. Den letzten Nachrichten zufolge war Kassa indess von Tigre's Hauptstadt aufgebrochen, um sich nach Hause zu begeben und die Zusammenkunft mit dem englischen Oberbefehlshaber sollte am 24. Februar (anstatt des 7., wie wir früher mitgetheilt hatten) in der Nähe von Adebaga stattfinden.
Jeden Donnerstag findet in der Ebene von Miske ein Markt statt, der zahlreich aus der Umgegend, die hier sehr bevölkert ist, besucht wird. Man findet indess nichts Besonderes, ausser den gewöhnlichen Lebensbedürfnissen, und keineswegs lohnt es sich der Mühe, ihn zu besuchen. In diesem neuen Lager war übrigens ein bedeutender Unterschied im Klima wegen der eingeschlossenen Lage, das Thermometer stieg Nachmittags auf +30deg. und die Dürre war auch viel bedeutender, während die Nächte sich kälter erwiesen.
Der geistliche Vorstand der Kirche St. Georgis, in der Nähe von Miske sandte uns Milch, Citronen, Tomaten, Pampelmuse, welche letztere von ganz ausserordentlicher Grösse, wie ich sie nirgends in Afrika zuvor gesehen hatte, waren; der Längsumfang betrug bei einer derselben 0,6 Meter, der Breitumfang 0,4 Meter. Im Uebrigen jetzt in Uadjerat, wenigstens am Fusse der hohen Berge, konnten wir nichts von den vielen Löwen, Elephanten und Flusspferden bemerken, die Salt als zahlreiche thierische Bevölkerung dieser Provinz aufführt; wenn ich nun auch nicht die Anwesenheit von Löwen leugnen will, so glaube ich doch kaum, dass, von den beiden Pachidermen irgend ein Exemplar in Uadjerat zu finden wäre, namentlich keine Flusspferde, die ohne Seen und grosse Flüsse gar nicht leben können. Die Hyänen wurden indess immer frecher, sie kamen Nachts zu Heerden von zwanzig und mehr in unser Lager, und da Niemand schiessen durfte, um nicht falschen Lärm zu machen, so gehörte alle Achtsamkeit dazu, diese gefrässigen Raubthiere von einem Angriffe auf unsere Thiere, als Esel, Ziegen und Schafe, fern zuhalten. Es waren übrigens jetzt auch schon bessere Vorsichtsmassregeln getroffen, indem allnächtlich Cavallerie-Piquets auf Distanz vom Lager aus vorgeschoben wurden, welches ausserdem noch durch Wachen und Posten gedeckt war.
Auch ein Spion kam dieser Tage, der aber dadurch, dass er die unglaublichsten Dinge erzählte, bald verrieth, dass er kein Bote von Prinz Gobesieh von Lasta sei, für den er sich ausgegeben hatte. Er wurde nach Boya zurückgesandt zum General Merewether, der mit Consul Munzinger speciell mit den politischen Geschäften betreut war, und es gelang diesem um so leichter, ihn zu überführen, als gerade ein paar ächte Abgesandte von Gobesieh sich im Lager befanden. Man befolgte übrigens den vernünftigen Grundsatz, solchen Leuten Nichts zu thun oder zu verbergen, im Gegentheil, es lag im Interesse der Engländer, ihnen Alles zu zeigen, da es ihnen gerade darum zu thun war, den Eingeborenen von der Ueberlegenheit unserer Waffen und Kriegskunst zu überzeugen. Ein anderer Fall war von etwas mehr Interesse: ein indischer Reiter war Gras schneiden gegangen und hatte, da es gerade zur Mittagszeit war, seinen Oberrock abgelegt. Ein Abessinier kommt herbei und läuft mit dem Rocke davon, während der Camerad des Soldaten herbeiläuft und dem Diebe das Kleid abnimmt, eilt ein anderer Abessinier herbei und zieht sein Schwert, wird aber mittlerweile von den beiden Soldaten gefangen, gefesselt und eingebracht, während es dem eigentlichen Thäter, dem Diebe gelang, zu entwischen. Kaum hatte sich die Kunde von der Gefangennahme dieses Mannes verbreitet, als seine Verwandten alle mit schweren Steinen belastet, die sie sich auf den Nacken hielten, vors Zelt des Oberst Phayre kamen und um Gnade baten. Die Mutter namentlich wimmerte und krümmte sich auf eine ganz ausserordentliche Weise, indem sie den Bauch zusammenzog und den Rücken hin- und herschlängelte. Dabei warf sie heulend eine Menge Staub und Sand auf ihren Kopf, so dass die Zwischenräume der Locken bald mit Sand und Schmutz ausgefüllt waren. Wir gaben ihnen zu verstehen, dass, da es schon spät Abends sei, den andern Morgen beide Parteien würden verhört werden, trotzdem blieben sie die ganze Nacht heulend vor unseren Zelten. Natürlich erwarteten sie nichts Anderes, als eine abessinische Justiz, Handabhauen, Köpfen oder Nägel in die Brust schlagen, welche letzte Strafe als etwas Neues erst kürzlich von Tedros Negus eingeführt ist. Am anderen Morgen wurden die Parteien verhört, und obgleich schuldig befunden, verzieh Colonel Phayre dem Manne, weil dies der erste Fall dieser Art war, der uns in Abessinien passirt war. Man kann sich das Erstaunen dieses Mannes denken, der, die Nacht über gebunden, nur an Handabhauen und Köpfen gedacht hatte und sogar zu essen verweigerte, weil er, wie er sagte, es als am Tage vor seinem Tode für unnütz hielt. Natürlich fing, sobald es bekannt war, er sei begnadigt, von Seiten der Verwandten das Stein auf den Nacken Legen wieder an, und auch das auf den Boden Werfen des Delinquenten fehlte nicht. Die Abessinier sind in dieser Beziehung ebenso demüthig, wie alle übrigen Negerstämme Innerafrikas, obschon bei ihnen diese Gebräuche wohl aus dem Judenthum herübergekommen sein mögen, von denen sie ja auch in der Religion eine Menge Einrichtungen, trotzdem sie sich nachher zum Christenthum bekannten, beibehielten. So haben sie noch die Beschneidung, die Heilighaltung des Samstags (ausser der des Sonntags), ihre ganze innere Kircheneinrichtung, die Abschlachtung der Thiere, den Unterschied zwischen koscherem und nicht koscherem Fleisch, die religiöse Verunreinigung von Kochgeschirren, wenn verbotene Speisen darin gekocht sind, die Unreinheit der Frauen während der Menstruation und nach der Entbindung; dies Alles sind Dinge, welche die Abessinier, fast möchte ich sagen, strenger beobachten, als die Gebräuche der christlichen Religion. Aus dieser haben sie indess eine so grosse Menge von Praktiken angenommen, dass jede der herrschenden Religionsparteien ihre eigene Lehre erblicken zu können meint, falls sie einige äussere Gebräuche, die die Abessinier haben, für die ihrigen erklärt. Der Katholik findet die Menge eingeführt, das Mönchswesen, die Ordination der Priester, während der Protestant dagegen behauptet: das Abendmahl wird unter beiderlei Gestalt gegeben, die Priester dürfen sich verheirathen, eine Ohrenbeichte existirt nicht, und wenn auch von einigen Königen Abessiniens der Papst als geistliches Oberhaupt anerkannt wurde, so hat das Volk dies nie gethan und die meisten der Fürsten auch nicht. Die Griechen und Kopten führen Aehnliches an und Letztere haben die gewichtige Thatsache für sich, dass der oberste abessinische Geistliche, der Abuna, nur von dem koptischen Patriarchen in Alexandrien darf ernannt werden. Endlich kommen auch noch die Anabaptisten und erinnern uns daran, dass die Abessinier, die sich mit Recht und Stolz zu den ältesten Christen rechnen, am heiligen Dreikönigstage sich alljährlich taufen lauen. Und die Mormonen, wenn sie nun auch gerade nicht Christen genannt werden, die aber selbst sich dafür halten und jedenfalls ihre Religion auf semitische Begriffe basiren, führen an: in Abessinien ist Vielweiberei geduldet, wie es im alten Testament war, woher auch die letzten Heiligen das Recht zur Polygamie zu haben glauben.
Im SW. von Boya auf dem Abhange der Berge liegt ein berühmtes Kloster, von Mönchen bewohnt; es war von diesem Kloster, woher man uns die grossen Pampelmuse, Citronen und andere Früchte gebracht hatte. Es scheinen übrigens jetzt lange nicht mehr so viele Klöster in Abessinien zu existiren, als im Mittelalter, zur Zeit der Portugiesen, obgleich die Beobachtung wenigstens der äusseren Formen jetzt strenger gehalten zu werden scheint, als zur Zeit des Don Roderigo. Die Mönche sind, wie gesagt, alle von Einem Orden und dürfen nicht heirathen, was sie indess auf irgend eine Art zu umgehen wissen.
Am 2. März war uns endlich die gewisse Ankunft des Generals Sir Robert Napier im Lager von Boya bei Antalo angezeigt worden und wir machten uns alle auf, um ihn zu empfangen. Seine Verzögerung war dadurch hervorgerufen worden, dass er lange auf eine Zusammenkunft mit Kassa von Tigre gewartet, während dieser gar keine Lust hatte, mit dem englischen Oberbefehlshaber zusammenzutreffen. - Zuerst wurden Herr Munzinger und Grant an ihn nach Adua abgeschickt; und als Sir Robert nun sehnlichst in Adebaga auf ihn wartete, musste Herr Major Grant noch zwei andere Male an ihn abgesandt werden, ehe seine Hoheit Kassa geneigt war, mit dem englischen General zusammenzukommen. Endlich am 25. Februar, nachdem die Zusammenkunft am 2. oder 7. Februar sein sollte, war Kassa mit seinem Lager dicht bei Adebaga und Sir Napier ritt auf einem Elephanten hinaus, um ihn zu empfangen. Es wurde uns nun auch auf ein Mal klar, warum Sir Robert so sehr auf das Herbeischaffen der Elephanten gedrungen hatte, die bis jetzt dem englischen Gouvernement Tausende von Pfund Sterlingen gekostet, aber gar keinen Nutzen gebracht hatten. Natürlich hätte er sich lächerlich gemacht, hätte er die Forderung für einen oder zwei Elephanten zum Reiten gestellt, aber unter dem Vorwande von Transport hatte er auch natürlich Elephanten zum Reiten zur Disposition. Nichts war eine lächerlichere und unnützere Kostspieligkeit als die Herbeischaffung von Elephanten aus Indien. Und glaubte Sir Robert vielleicht, dadurch Kassa zu imponiren, während er sich doch, in den Augen der ganzen Welt so kindisch lächerlich machte, indem er, um einen Abessinier zu imponiren, ganz andere Mittel hätte anwenden müssen. - Genug, Kassa, der dem ruhig zusah, schien es kaum zu bemerken, dass der englische Obergeneral einen Elephanten geritten hatte, und beide gingen sich im Freien entgegen und begrüssten sich. Der General sagte dann ungefähr, er hoffe, Kassa werde entschuldigen und verzeihen, dass er mit der englischen Armee durch Tigre zöge (wenn das der Fall gewesen, so war es höchst unpassend, weil Kassa eigentlich nur Gouverneur einer Provinz war, zudem im offenen Aufruhr gegen seinen König sich befand). Kassa erwiderte: es sei ihm dies allerdings unangenehm, er könne aber nichts daran ändern. Sodann forderte Sir Robert ihn zu einer geheimen Unterredung in seinem Zelte auf, wohin dieser ihn begleitete und bewirthet wurde. Kassa bekam dann einen schönen Hengst und eine schöne Flinte zum Geschenk (möglicherweise auch Geld, sogar wahrscheinlich). Abends besuchte wiederum Sir Robert den Tigrefürsten in seinem Zelte und nachdem er Tetsch, d. h. Honigwasser, Brod und rothe Pfeffersauce zur Genüge vorgesetzt bekommen hatte, investirte ihn Kassa mit einem abessinischen Gewande, mit einem Schwerte und schenkte ihm ausserdem ein Maulthier. So umgewandelt in einen abessinischen Häuptling verliess Sir Robert das Zelt Kassa's, wohin er auf einem Elephanten geritten war. Die Comödie konnte nicht vollkommener sein.
Sir Robert muss in der That sehr schlecht berathen gewesen sein, dass er, um einem so kindischen Gepränge zu fröhnen, in schläfriger Langsamkeit die Armee warten, und kostbare Tage zum Vorwärtsgehen auf Magdala verstreichen liess. Wog in der That die Zusammenkunft mit Kassa einen Verzug von 14 Tagen, in welchem Zeitraume die Armee, wenn sie gewollt hätte, von Antalo bis Magdala hätte vorrücken können, auf? Wir glauben es nie und nimmer. Zudem sage man nicht, es waren keine Vorräthe in Antalo: ich kann constatiren, dass Ende Februar auf dem Commissariat für die ganze Force des General Collings, die aus 1500 Mann jeder Waffengattung bestand, Vorräthe an Lebensmitteln für 3 Monate waren, dennoch war vom Vorgehen nicht die Rede. Zudem kamen alle Tage neue Lebensmittelzuzüge, und aus dem Lande selbst wurde auch nicht unbeträchtlich Korn eingekauft und namentlich an Vieh, Ochsen, Schafen und Ziegen war Ueberfluss bei einem Preise, der noch nicht den vierten Theil beträgt von dem, was wir in Europa zu zahlen gewohnt sind.
Wir fanden im Lager eine Menge alter Bekannter vor, und nachdem wir beim General Merewether, von dem wir seit einigen Tagen wieder getrennt waren, gefrühstückt hatten, sahen wir uns das Lager an. Auch vier grosse Armstrong-Kanonen waren schon angekommen, Sir Stavely, Divisions-General, war ebenfalls da mit seinem Adjutanten, dem Major Baigrie, welcher die hübschen Zeichnungen für die London illustr. news aus Abessinien verfertigte. Endlich kam Sir Robert auch, der zuvor noch nach Schelicut gewesen war, um die dortige Kirche zu besehen.
Sir Robert hatte dann gleich eine Zusammenkunft mit General Merewether, der als Director der politischen Angelegenheiten mittelst Munzinger den Zustand des Landes besser als irgend einer kannte und bemüht war, den Obergeneral von dem unheilvollen Entschluss, Magdala erst nach zwei Monaten anzugreifen, weil nicht Truppen und Vorräthe genug in Antalo seien, abzubringen. Dass hätte einfach geheissen, die Attaque bis zum nächsten Jahre hinauszuschieben. Um so unerklärlicher war es, als Gobesieh, Chef von Lasta, dem englischen Obercommando die förmlichsten Avancen gemacht hatte, als sogar von Menelek, Fürst von Schoa, die Nachricht eingelaufen war, er sei wieder gegen Theodor im Felde, als mehrere Galla-Fürsten direct den Engländern Freundschaft angeboten hatten. Man konnte also nur geraden Weges bis Talanta, einer Hochebene zwischen dem Djidda- und Bechlo-Flusse, und wo Theodor den letzten Nachrichten zufolge, sich festgesetzt haben sollte, vorgehen. - Man hatte wenigstens eins gethan, Munzinger war an Gobesieh von Lasta geschickt worden, um dessen Höflichkeiten zu erwidern und um Geschenke von Sir Robert zu überbringen. Am Abend vorher war er weggereist und hatte den Weg, nach Süden über Aladje genommen, welcher bedeutend kürzer und besser als der, den wir einzuschlagen hatten, über Messino.
Nachdem wir alle Bekannten im Lager begrüsst hatten, eilten wir wieder vorwärts, freilich war es sehr spät geworden, aber wir hatten etwas Mondlicht, sonst hätten wir trotz der bearbeiteten Route eine üble Passage gehabt.