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Das Empfangszimmer der Offiziersmesse. Hier ist alles kaiserlich-königlich und heute festlich geschmückt. Wenig Möbel. Links vorn eine Tür. Schlachtenbilder, Offiziersporträts, Trophäen. Hinten eine breite, praktikable Glastür zu einem erhöhten, hellen Vorsaal. In der Mitte ganz hinten eine Pforte, zu der Stufen hinaufführen. Hinter der Glastür rechts ein Abgang nach dem Speisezimmer.
Koruga, Ornstein, Kunitschek, Nepalek, Lummatsch und einige Ulanen.
Die Glastür ist geschlossen. Auf einer Leiter Ornstein, der eine Girlande befestigt. Koruga, vor ihm die Mannschaft in Reih und Glied.
Koruga. Alsdann – ihr habts die Ehre, bei Tisch zu servieren. Alles mit weiße Handschuh. Daß ihr schön acht gebts! Beim Essen wird ein Herzog sein. Merkts euch: immer von links bedienen. Mit jeder Schüssel zuerst dem Herzog – drei Marschtakte aushalten, daß er sich Essen nehmen kann – dann links um – zwei Schritte zum Obersten – dann (breit, behaglich) zu die Damen.
Die Ordonnanzen (grinsen).
Koruga. Achtung auf Sauce! Wer mir Herzog mit Sauce begießt, drei Tag Arrest. Wer Offizier begießt – zwei Tag. Wer Dame begießt – Ohrfeige.
Ornstein (schlägt einen Nagel ein). Bumm!
Koruga. Sie, sein S' ruhig da oben! – Also, Kunitschek – da hast Teller – mach einmal vor, wie wirst bedienen.
Kunitschek. Wer ich nehmen Schüssel – so – eins, zwei, drei – so und – eins, zwei, drei – und so. 50
Koruga. Nicht laut zählen! Halt Schüssel nicht so! So gibt man Kuh Fressen, aber nicht einem Herzog Futter.
Die Leiter fällt um, Ornstein bleibt oben hängen und strampelt.
Ornstein (schreit). Kunitschek, nemm mich herunter!
Koruga. Patzer! Nicht einmal annageln können S'.
Ornstein. Ich bin ka Seiltänzer. Geben Sie mir keine Beschäftigung in der Luft.
Die Vorigen. Rimanski.
Rimanski (kommt. Er und alle folgenden Offiziere kommen in Dienstanzug, aber ohne Tschapka, Säbel und Kartusche).
Koruga (kommandiert laut). Habt acht!
Rimanski. Danke, danke. Schon wieder Mannschaft. Das macht mich ganz nervös.
Koruga. Melde gehorsamst, instruier ich Tischordonnanzen.
Rimanski. Machen Sie das draußen weiter.
Koruga. Reeechts um!
Kunitschek (klappt nach).
Koruga. Affenschwanz, slovakischer! – Marschieren! Schriiiet marsch! (Ab mit den Ordonnanzen.)
Rimanski. Die Leute trampeln wie beschlagene Steinböcke. Die Armee ist so laut . . . Immer das brutale Geräusch des Dienstes. Da kriegt man ja Kopfweh.
Ornstein. Herr Oberleutnant, ich meld gehorsamst, ich bin gar nicht zufrieden mit Ihnen. Sie sehen etwas blaß aus.
Rimanski. Ach, ich bin so müde . . . Ich habe zwei Einladungskarten wegschicken müssen – an die Gräfin Grantignan und Frau v. Landiesen. Diese entsetzlichen 51 Anstrengungen im Dienst . . . Seh ich nicht schon ganz schlecht aus?
Ornstein (will etwas sagen).
Rimanski. Sag nicht Nebbich. Das macht mich nervös.
Ornstein. Wozu strengen Sie sich so an, Herr Oberleutnant? Und noch dazu im Dienst? Wie ich ein paar Stunden von Ihnen weg bin, zerreißen Sie sich gleich fürn Kaiser. Herr Oberleutnant, Sie müssen sich schonen. Wenn Sie krank werden, wer muß Sie pflegen, auf wen kommts heraus? Auf mir.
Rimanski (verbessert). Auf mich.
Ornstein. Nein, auf mir.
Rimanski. Wo warst du denn heute vormittag?
Ornstein. Beim Festgottesdienst in der Synagoge, das Regiment repräsentieren.
Ornstein, Rimanski, Riedel.
Riedel (kommt sehr eilig). Servus, Rimanski! Der Herr Major hat nach dir gefragt. Warum warst du nicht bei der Feldmesse?
Ornstein (ab).
Rimanski. Um was sich der Herr Major alles kümmert! Ich muß nicht in die Kirche, ich mach doch nur leichten Dienst.
Riedel. Und er läßt dir sagen, er hat den preußischen Flügeladjutanten nach den Lieblingsspeisen Seiner königlichen Hoheit gefragt. Der Herzog ißt mit Vorliebe Königsberger Klops.
Rimanski. Ich weiß nicht einmal, was das ist.
Riedel. Der Major sagt, du als Proviantoffizier hast das zu wissen. 52
Rimanski. Gut. Ich werde nach Königsberg um Klopse telegraphieren. Bis Mittag sind sie aber doch nicht da.
Riedel. Die Pause nach dem Geflügel für den Toast des Herrn Majors dauert fünf Minuten, nicht vier, wie zuerst angeordnet war. Er hat seine Rede um ein Zitat verlängert.
Rimanski. Der Herr Major soll mir nicht alles zehnmal sagen. – Schrecklich diese Vorgesetzten! Die sind noch unangenehmer als die Untergebenen. Riedel, kannst du mir keine Armee sagen ohne Vorgesetzte?
Rimanski, Riedel, die Oberstin. Später Jennewein.
Die Oberstin (kommt aufgeregt). Guten Morgen! (Zu Rimanski.) Also – nicht wahr? – die Tischordnung ist (liebenswürdig) ganz zwanglos, muß aber (streng) auf das allergenaueste eingehalten werden.
Rimanski. Jawohl, Gnädigste.
Die Oberstin. Ist ein Polstersessel für mich da?
Rimanski. Ich habe vier Polstersessel besorgt.
Die Oberstin. Was? Doch nicht am Ende auch einen für die Frau Bezirkshauptmann? Ich bitte sehr, von den Damen gebührt mir allein ein Polstersessel. Ist das auch so gemacht? Ich will mir das ansehen.
Jennewein (kommt). Küß die Hand, Gnädigste!
Die Oberstin. Guten Tag, lieber Rittmeister! Entschuldigen Sie – als rangälteste Dame des Regiments habe ich auch eine gewisse Verantwortung für das Fest. (Dienstlich.) Kommen Sie, Herr Oberleutnant!
Die Oberstin (ab mit Rimanski).
Riedel. Servus, Herr Rittmeister! (Er will gehen.) 53
Jennewein. Aber bleib doch da!
Riedel. Ich kenn mich nicht aus vor lauter Befehlen. Ich muß zum Major und Obersten.
Jennewein (behaglich). Man darf sich einem Vorgesetzten nicht auf Hörweite nähern, sonst gibt er dir sofort noch einen Befehl. (Er drückt Riedel auf einen Stuhl.)
Riedel. Davon hab ich grad genug.
Jennewein. Das scheint bei euch Ulanen üblich zu sein. Ich habe in meiner ganzen Dienstzeit bei Husaren nicht so viel Anordnungen bekommen wie hier in einem Tag: heiraten, scheiden lassen, Schulden bezahlen, Slovakisch lernen . . .
Riedel. Und was gedenkst du zuerst zu tun?
Jennewein. Zuerst mit dir eine Zigarette zu rauchen. Da! (Er bietet ihm eine Zigarette an, sie zünden an.)
Riedel. Du, mit Schulden zahlen versteht der Oberst keinen Spaß. Beeil dich!
Jennewein. Ich weiß nicht, was ihr bei diesem Regiment nervös seid. Ich habe noch volle acht und vierzig Stunden Zeit – da werde ich doch nicht jetzt schon anfangen, Schulden zu zahlen?
Riedel. Du hast einen schönen Posten zusammengepumpt.
Jennewein (wegwerfend). Zwei und zwanzig tausend Gulden ist der ganze Schmarrn. Das kann man in fünf Minuten bequem bezahlt haben.
Riedel. Wenn man das Geld dazu hat. Hast du es schon?
Jennewein. Ich habe an die vierzehn renommiertesten Militärwucherer telegraphiert, sogar mit bezahlter Antwort. Einer wird schon so freundlich sein. Übrigens hab ich in Wien von meiner letzten Finanzoperation her noch zwei 54 Waggons Kindersaugflaschen liegen – auf die nehme ich eine Hypothek auf.
Riedel. Du und dann lern auch Slovakisch! Darauf ist der Oberst sehr aus.
Jennewein. Wie Trottel auf Slovakisch heißt, weiß ich schon aus dem Verkehr mit meinem Burschen.
Riedel. Wie wirst du denn das mit der Trauung machen?
Jennewein. Aber, lieber Freund, ich bin doch verheiratet – da ist die standesamtliche Urkunde.
Riedel. Aber eine kirchliche Trauung? Und die Scheidung?
Jennewein. Das überlasse ich dem Familiensinn meiner lieben Schwiegermama.
Riedel. Du weißt doch, daß sie heute hier ist?
Jennewein. Ich freue mich auf das Wiedersehen. Ich habe die Damen heute vergebens besucht. Hier werden sie mir wohl nicht ausweichen können.
Riedel. Es ist noch eine Dame da, die dich interessiert. Frau v. Landiesen.
Jennewein. Was?? Die ist hier?? Das ist mir unheimlich.
Riedel. Jawohl – und heute hier eingeladen.
Jennewein. Wer hat denn die Schnapsidee gehabt?
Riedel. Der Oberst.
Jennewein. Wünscht der Herr Oberst vielleicht auch meine andern frühern Bandeleien einzuladen? Ich habe ein alphabetisches Adreßbuch zu Haus.
Riedel. Du, die hat dem Obersten sehr gut gefallen.
Jennewein. Das glaub ich. Eine sehr gute gemachte Dame. Und prachtvolle Einfälle hat sie. Noch nie war 55 ich mit einer so gern verlobt wie mit der. Das wär beinah in eine Heirat ausgeartet.
Riedel. Wie seid ihr denn auseinander gekommen?
Jennewein. In der Hinsicht ist sie auch wieder prachtvoll. Ich hab mich mit ihr ruhig verlobt. Ich wußte, daß ich mich auf ihre Untreue absolut verlassen kann.
Riedel. Jennewein. Rimanski. Der Fähnrich. Später der Regimentsarzt.
Rimanski (kommt mit dem Fähnrich). Gott sei Dank, die Oberstin hat Beschäftigung. Sie dekoriert ihren Sessel mit Blumen. Riedel, habt ihr nicht einen Baldachin für sie in der Adjutantur? – Ich finde, Kommandeusen sind auch furchtbar unangenehm. Wenn sie mich noch lang quält, werde ich den Obersten künstlich verwitwen. (Er wendet sich zurück.) Fähnrich! Denkt euch, der Kerl versteckt sich im Rauchzimmer.
Jennewein. Hast dich wohl vor Befehlen verschanzt?
Riedel (dienstlich). Du, Fähnrich, der Herr Major hat sehr mißliebig bemerkt, daß du bei der Feldmesse gefehlt hast. (Energisch.) Bitte mir zu sagen, warum.
Der Fähnrich (schlägt die Hacken zusammen, stramm). Herr Oberleutnant, melde gehorsamst, es war mir zu fad.
Riedel (verblüfft). Na, da hat er eigentlich recht.
Jennewein. Brav, Fähnrich, du kannst so bleiben. Aber nicht bei meiner Schwadron.
Der Regimentsarzt (kommt eilig). Servus, die Herren! Wo ist denn das Büffet?
Rimanski (stellt sich vor die Tür). Regimentsarzt, du 56 kommst mir noch nicht hin. Du ißt mir alles auf, bevor unsre Gäste kommen.
Der Regimentsarzt. Bitte sehr, ich habe laut Vorschrift alle Verpflegsartikel vorher zu untersuchen.
Riedel. Den Kaviar hast neulich so genau untersucht, daß für uns nichts übrig geblieben ist.
Die Vorigen. Der Major. Jäger.
Der Major kommt mit Jäger. Alte Anwesenden stehen auf und verbeugen sich leicht.
Der Major (zu Rimanski im Vorbeigehen). Drin alles fertig, Herr Oberleutnant?
Rimanski. Jawohl, Herr Major.
Der Major. Bitte, vergessen Sie nicht die Pause nach dem Geflügel – fünf statt vier Minuten.
Rimanski (etwas ironisch). Ich danke gehorsamst, daß mich Herr Major daran erinnern.
Der Major (will weitergehen, sieht den Fähnrich). Sie, Fähnrich, wo waren Sie schon wieder? Pünktlichkeit verlang ich. (Pathetisch). Des Dienstes ewig gleichgestellte Uhr muß dem Soldaten zur Gewohnheit werden. Und die Gewohnheit nennt er seine zweite Amme. Und die verlange ich von Ihnen. Der Soldat muß sich können fühlen . . .
Jäger (zu Riedel). Aha, das neue Zitat!
Der Major. Wers nicht nobel und edel treibt, lieber weit weg vom Handwerk bleibt. (Streng.) Warum sind Sie heut morgen weit weggeblieben?
Der Fähnrich. Melde gehorsamst, ich hatte Zahnschmerzen.
Der Major. So?? Regimentsarzt, bitte, ziehen Sie ihm den Zahn! (Ab.) 57
Der Regimentsarzt (höhnisch). Du, das war ein Dienstbefehl.
Der Fähnrich. Herr Regimentsarzt werden mir doch nicht wirklich . . .?
.Der Regimentsarzt. Wann du mir noch einmal frech wirst, komm ich sofort mit der Zange.
Riedel. Gib acht, Fähnrich! Mit unserm Regimentsbader ist kein Spaß. Ich habe ihm einmal einen Ulanen zum Zahnziehen geschickt, der ist ohne Unterkiefer wiedergekommen.
Jäger. Ich weiß nicht, immer wenn ich aus der Kirche komm, habe ich einen Mordsdurst. Gibts nichts zu trinken?
Rimanski. Jetzt nichts. Beginn des Frühstücks zwölf Uhr.
Der Regimentsarzt. Aber dann gibts hoffentlich was Anständiges.
Rimanski. Pommery . . .
Alle. Ah, Pommery!
Rimanski. . . . für die Exzellenzen und Stabsoffiziere, inländischer Sekt für Rittmeister und Leutnants, für Fähnriche und Regimentsärzte Bowle.
Der Regimentsarzt. Und für Gemütskranke Selterwasser.
Alle (lachen).
Der Regimentsarzt. Das muß untersucht werden. Komm mit, Fähnrich, als Sachverständiger – wir machen einen Probeschluck. (Ab mit dem Fähnrich.)
Riedel. Jennewein. Rimanski. Jäger. Palitschek. Frau v. Landiesen.
Leutnant Palitschek (öffnet die Tür). Bitte, nur ungeniert hier herein, Gnädigste! 58
Frau v. Landiesen (in eleganter Straßentoilette – kommt).
Palitschek (stellt vor). Herr Oberleutnant Graf Rimanski.
Rimanski. Ich hatte den ehrenden Auftrag von unserm Obersten, die Gnädigste persönlich einzuladen. Der erste angenehme Befehl, seit ich diene. Leider hatte ich . . .
Frau v. Landiesen. Bitte, keine Entschuldigung! Ich bin auch faul. (Zu Riedel.) Den Herrn Oberleutnant kenne ich schon.
Palitschek. Herr Rittmeister Baron Jennewein.
Jennewein (verbeugt sich förmlich).
Frau v. Landiesen (mit leichter Ironie). Freut mich sehr. Sollten wir uns nicht schon einmal gesehen haben? Kennen wir uns nicht aus Wien?
Jennewein. Flüchtig, Gnädigste.
Palitschek (stellt vor). Herr Oberleutnant Jäger.
Frau v. Landiesen (nickt).
Jäger (brummt etwas).
Frau v. Landiesen. Das ist wohl ein Raum, den Damen sonst nicht betreten?
Palitschek. Ja, nicht wahr, gnä Frau – das ist Ihnen halt neu, eine Offiziersmenage? So in einer Kaserne, da pumpert halt das weibliche Herzerl.
Frau v. Landiesen (sieht ihn befremdet an). Ich bin wohl die erste Dame hier?
Rimanski. Frau Oberstin ist schon da. Sie regiert die Ordonnanzen.
Frau v. Landiesen. Ich habe Ihnen gleich gesagt, Herr Leutnant, wir kommen zu früh.
Palitschek. Gnä Frau können überhaupt nicht zu früh kommen. Das ist bei einer so schönen Frau unmöglich.
Frau v. Landiesen. Ich möchte nur wissen, an wen 59 mich Herr Oberleutnant Jäger erinnert. Ich zerbreche mir den Kopf . . .
Palitschek. Aber gehen S', gnä Frau – so ein schönes Köpferl – wer wird denn das zerbrechen?
Frau v. Landiesen. Herr Leutnant, Ihr System des Hofmachens ist vielleicht etwas veraltet . . .
Palitschek. Aber erprobt, gnä Frau – das wissen die süßen Frauenherzen von Wien.
Frau v. Landiesen. Es ist schwer, Ihnen zu antworten.
Palitschek. Gott – Damen sind halt schüchtern . . . Finden gnädige Frau es nicht sehr interessant in der Offiziersmenage?
Frau v. Landiesen. Das Interessanteste ist – nächst Ihrer Konversation – der Kopf des Herrn Oberleutnants Jäger.
Jäger (mit tiefer, rauher Stimme). Was? Mein Kopf?
Frau v. Landiesen. Ja, ein feiner, nervöser Dekadentenkopf.
Jäger (greift sich nach dem Kopf). Mein Schädel . . .?
Rimanski (legt die Hand auf Jägers Kopf). Über den ist neulich ein junges Pferd gestolpert und hat sich das Bein gebrochen.
Frau v. Landiesen. Ich möchte Sie gern modellieren.
Jennewein (halblaut zu Riedel). Modellieren? So hats bei mir auch angefangen.
Die Vorigen. Der Fähnrich.
Der Fähnrich (kommt). Der Herr Major läßt die Herren bitten.
Palitschek. Entschuldigen. gnä Frau! Der harte Dienst des Krieges. 60
Riedel, Rimanski, Jäger, Palitschek und der Fähnrich (verbeugen sich und gehen).
Palitschek (an der Tür zum Fähnrich). Ungeschickter Kerl! Mußt mich rufen? Grad jetzt hab ich die besten Aussichten bei ihr gehabt. (Ab.)
Frau v. Landiesen (lächelnd, sehr liebenswürdig). Wenn ich nicht irre, waren wir schon einmal verlobt mit einander.
Jennewein (freundlich). Gnädigste hatten die Güte, mich an meinem Hochzeitstag etwas lebhaft daran zu erinnern.
Frau v. Landiesen. Ich habe Sie damals hineingeritten, ohne zu wollen. Das tut mir sehr leid. Jetzt bin ich gekommen, Sie wieder herauszureißen.
Jennewein. Sie, Gnädigste?
Frau v. Landiesen. Ich halte das für meine Pflicht – als frühere Verlobte. Ich werde heute mit Ihrer kleinen Frau zusammenkommen, ich werde ihr alles aufklären . . .
Jennewein. Zusammenkommen! Ja, wenn ich das könnte! Wenn ich nur eine Viertelstunde mit ihr allein wäre!
Frau v. Landiesen. Verlassen Sie sich auf mich, lieber Freund! Das werde ich arrangieren.
Jennewein. Für so aufopferungsvoll habe ich Sie gar nicht gehalten.
Frau v. Landiesen. Liebhaber – wenn man sie einmal verabschiedet hat – sind mir so sympathisch, weil sie leidenschaftslos sind.
Jennewein. Das ist wohl Ihre Lebensregel? Ich habe mir geschmeichelt, bei Ihnen eine Ausnahmestellung zu haben. 61
Frau v. Landiesen. Gewiß, ich hatte eine grande passion für Sie. Aber alles, was von großen Passionen übrig bleibt, ist eine kleine Erinnerung. Es war wirklich schön. Wissen Sie noch – der Abend im Prater?
Jennewein. Daß man doch mit jeder Frau einen Abend im Prater erlebt! Und der erste Nachmittag im Atelier . . .
Frau v. Landiesen. Ihr Kopf hat mir damals gefallen. Wenn Sie so dumm vor sich hinschauen, sind Sie am schönsten. Ich möchte Sie doch noch einmal modellieren.
Jennewein. Gnädigste sind sehr gütig. Aber meine Frau malt.
Frau v. Landiesen. Wie sind wir denn eigentlich auseinander gekommen?
Jennewein. Ich hatte leider Grund zur Eifersucht.
Frau v. Landiesen. Aber, Jennewein! Man hat nie Grund zur Eifersucht – höchstens Veranlassung.
Jennewein. Frau v. Landiesen. Rimanski. Später die Gräfin und Lili.
Rimanski (kommt). Die Gräfinnen kommen. (Mit einem gequälten Blick zum Himmel.) Ich muß sie empfangen. (Ab.)
Frau v. Landiesen. Also: wir sind Bundesgenossen, lieber Jennewein! (Sie reicht ihm die Hand.)
Jennewein. Schönen Dank, liebe Gnädige!
Frau v. Landiesen. Sie sind doch ein großer guter Junge. (Sie streichelt ihm den Kopf.)
Jennewein. Um Gottes willen, nur nicht wieder küssen.
Gräfin Grantignan (kommt am Arm Rimanskis. Mit ihnen Lili). 62
Rimanski. Erlauben, Gräfin, daß ich Sie mit Frau v. Landiesen bekannt mache. Gräfin Grantignan – Comtesse Grantignan.
Die Damen (verbeugen sich hochadelig).
Rimanski. Herr Rittmeister Baron Jennewein.
Die Gräfin (ohne Jennewein zu beachten). Ich finde die Luft im Saal hier etwas heiß.
Lili (anzüglich). Ja, es sind zu viel Menschen hier.
Die Gräfin (mit Lili und Rimanski zur Tür).
Jennewein (zu Frau v. Landiesen). Das war eine Demonstration.
Frau v. Landiesen. Die Damen sind doch nur gekommen, um Sie nicht zu sehen.
Die Vorigen. Die Oberstin. Palitschek. Später Minka. Lützelburg.
Die Glastür wird geöffnet.
Die Oberstin (kommt mit Palitschek). Verehrte Gräfin (Hofknix) – Comtesse (Verbeugung) – Frau v. Landiesen – darf ich die Herrschaften hereinbitten? (Streng.) Die beiden Herren vom Komitee bleiben hier und empfangen die Gäste!
Die Oberstin, die Gräfin, Lili, Frau v. Landiesen und Jennewein (ab).
Palitschek. Sie tut, als wär das ihr Jubiläum, die alte Odaliske.
Rimanski. Ein ganz neues Kleid hat sie sich anmessen lassen – vom Regimentsschneider.
Palitschek. Die Landiesen . . . du, die fliegt auf mich, wenn sies geschickt anfängt, kriegt sie mich.
Rimanski. Jetzt wieder die Landiesen? So viel Weiber gibts gar nicht, wie dir gefallen. 63
Palitschek. Ja, ich hab ein Mordsglück bei den Mädchen. In manchem stillen Kämmerlein lispelt eine holde Lippe den Namen Palitschek.
Minka. Guten Tag, meine Herren!
Die Herren (grüßen).
Lützelburg. Morgen, die Herren Kameraden!
Palitschek. Küß die Hand, Fräulein Minka! Sie schauen heut wieder aus!? Ein Köpferl haben S' wie ein Frühlingstag.
Lützelburg. Bei uns in Ostpreußen haben die Frühlingstage keene Köppe.
Minka. Ostpreußen – muß das romantisch sein! Ich denke mir es in der Landschaft ähnlich wie Lappland. Man milkt da wohl alle Tage die Renntiere?
Lützelburg. Nee – aber wir sind alle Tage im Tran.
Minka mit Palitschek, Lützelburg und Rimanski (ab).
Der Oberst. Hechendorf. Koruga. Kunitschek.
Der Oberst (kommt mit Hechendorf, Koruga und Kunitschek.
Der Oberst (in Parade, mit der Tschapka auf dem Kopf. Zu Koruga). Lassen Sie mir da niemand herein! Die Gäste durch den andern Eingang! Schließen Sie ab! (Zu Kunitschek.) Ordonnanz, einen Cognac!
Kunitschek. Einen Cognac. (Ab.)
Koruga (hat zwei Kartons hingestellt und schließt die Glastür. Ab).
Der Oberst. Ich will eine Viertelstunde Ruh haben. Drei Reden habe ich schon gehalten.
Hechendorf (in Galauniform – Hut mit hellgrünem Federbusch, weißer Rock mit dem Band eines Großkreuzes, rote Hosen mit goldenen Streifen). Und ich hab sie anhören müssen – in der engen Uniform. 64
Der Oberst. Was sagst du – der Korpskommandant ist wirklich nicht da.
Hechendorf. Das ist ein gutes schlechtes Zeichen, ich gratuliere dir. So wars auch bei mir.
Der Oberst. Morgen bei der Gefechtsübung werde ich ihn schon genießen. Da soll er mich kennen lernen. Alles mach ich verkehrt. Du glaubst nicht, wie sehr man patzen kann.
Hechendorf (lacht). Einen alten Reitergeneral willst du patzen lernen? Weißt, was ich bei meinem Abschiedsmanöver gemacht habe? Die Taktik des ersten Kreuzzuges habe ich angewendet. Attackiert hab ich, als hätte Berthold Schwarz das Pulver noch nicht erfunden.
Der Oberst. Da müssen ja die Schiedsrichter schön geschaut haben.
Hechendorf. Geschaut? Den Milzbrand haben sie bekommen. Und der Divisionär hat vorgeschlagen, man soll mich fürs Heeresmuseum ausstopfen lassen. – Dieser Tag war der Höhepunkt meines Feldherrnruhms.
Kunitschek (ist mit einer Tablette gekommen, schenkt einen Cognac ein).
Der Oberst. Weißt du, Hechendorf – es ist schon eine raffinierte Bosheit, ein Regimentsjubiläum mit einer Inspizierung zu verbinden. (Er trinkt.) Noch einen Cognac!
Kunitschek (schenkt ein).
Der Oberst. Der ist für Sie.
Kunitschek (blickt den Obersten ungläubig an).
Der Oberst. Für Sie.
Kunitschek (trinkt).
Der Oberst. Noch einen Cognac!
Kunitschek (schenkt ein und will das Gläschen Hechendorf anbieten).
Der Oberst. Der ist auch für Sie. 65
Kunitschek (trinkt).
Der Oberst. Wissen Sie jetzt, was Sie Ihrem Obersten serviert haben?
Kunitschek. Jawohl, Herr Oberst. Salatöl. (Ab.)
Der Oberst. Marsch hinaus! Also das kann einem auch nicht passieren, wenn man pensioniert ist. Ich habe das Geduldspiel Militär satt. In drei Monaten bin ich abgesägt. Kinder, dann frühstück ich täglich mit euch um elf im Goldenen Engel!
Hechendorf. Lieber Freund! Bei dieser Gelegenheit erlaube ich mir, dir zum Jubiläum deines tapfern Regiments die Geschenke unsres Grazer Stammtischs zu überreichen. Hier der Helm des Steuerträgers (er zieht einen Zylinder aus dem Karton) und hier der Marschallstab des Pensionisten. (Er reicht ihm einen Regenschirm.)
Der Oberst (lacht). Ihr seid schon eine Gsellschaft! Gib her! (Er ergreift den Zylinder.) Wundervoll, wie leicht das ist. (Er nimmt die Tschapka ab.) Siehst du, das Schuppenband da, das ist symbolisch, damit binden sie einem beim Militär das Maul zu. (Er setzt den Zylinder auf.)
Hechendorf. Du siehst aus wie ein Bräutigam. (Er lacht.) O weh, ich darf nicht lachen, sonst platzt mir der Waffenrock. Der is so eng geworden – heute morgen im Hotel haben mich drei Hausdiener hineinknöpfen müssen.
Der Oberst. Und der Regenschirm! Vierzig Jahr habe ich im Regen ohne Schirm gehen müssen. (Er spannt ungeschickt den Regenschirm auf, geht damit auf und ab.) So werde ich spazieren gehen und fütter die Spatzen im Stadtpark.
Hechendorf. Nimm dich nur zusammen, daß du morgen alles hübsch verkehrt machst.
Der Oberst. Verlaß dich darauf! Den Herzog kann 66 ich leider nicht beleidigen. Aber was sonst in meiner Macht steht, soll geschehen. (Er hat den Schirm zu schließen versucht und ist damit nicht zustande gekommen. Hechendorf tuts für ihn.) Dieser Rittmeister Jennewein ist mir auch eine willkommene Angelegenheit. Die Gräfin verlangt, ich soll seine kirchliche Trauung verhindern. Just nicht! (Er schlägt eine Quart mit dem Schirm.) Heiraten muß er. Der Kurfürst von Vicenza hat mir ihn empfohlen – ich soll ihn gut behandeln. Just nicht! Kujoniert wird er.
Der Oberst. Hechendorf. Koruga. Später der Bezirkshauptmann.
Koruga (kommt. Erschrickt, als er den Obersten mit dem Zylinder erblickt).
Hechendorf (nimmt dem Obersten von hinten den Zylinder ab).
Koruga. Herr Oberst, melde gehorsamst, der Herr Bezirkshanptmann . . .
Der Oberst. Donnerwetter! Verstecken Sie die Sachen! (Er geht an die Tür.) Bitte, Herr Bezirkshauptmann!
Der Bezirkshauptmann. Guten Morgen, Exzellenz! Herr Oberst, eine äußerst aufregende Mitteilung.
Koruga (unauffällig ab).
Der Oberst. Was ist denn los?
Der Bezirkshauptmann. Seine Hoheit, der Kurfürst von Vicenza wird zu unserm Jubiläum erscheinen.
Der Oberst. Was?? Noch eine Hoheit?? Woher wissen Sie das?
Der Bezirkshauptmann. Ich hatte schon heute nacht ein diesbezügliches Diensttelegramm. Am Morgen bekam ich überdies den Auftrag, eine kurze Charakteristik der Festteilnehmer zusammenzustellen – auf einem ovalen Blatt, 67 Umfang sechs und fünfzig Zentimeter. Sehen Sie! (Er zeigt ein solches Blatt.)
Der Oberst. Warum denn auf einem ovalen Blatt?
Hechendorf. Das ist ein Spickzettel – den steckt er sich in die Kappe. Das machen sie alle so, wenn sie Cercle halten.
Der Bezirkshauptmann. Bei Frau v. Landiesen war ich einigermaßen in Verlegenheit. »Demokratin« hinzuschreiben, hab ich doch nicht gewagt. Ich habe sie charakterisiert: »für freie Liebe«. – Überhaupt – Sie verzeihen, Herr Oberst – ich muß für diese Einladung jede Verantwortung ablehnen.
Der Oberst (freundlich). Die Verantwortung nehme ich ruhig auf mich.
Der Bezirkshauptmann. Ich halte es trotzdem für meine Pflicht, die Dame weiter zu überwachen.
Der Oberst. Wie es beliebt. – Wann kommt denn unser Kurfürst?
Der Bezirkshauptmann. Ich weiß nicht. Ich vermute, nicht vor Nachmittag.
Der Oberst. Dann kommt also der Herzog Karl Eberhard vorher?
Der Bezirkshauptmann. Sicherlich. Sobald ein Auto die Stadtgrenze passiert, ist es der deutsche Herzog, und das wird mir telephonisch gemeldet. – Es ist doch alles vorbereitet? Die Musik?
Der Oberst. Alles.
Der Bezirkshauptmann. Oh, Herr Oberst, ich sehe hier Kornblumen. Also das ist beim Empfang eines Kurfürsten von Vicenza ausgeschlossen.
Der Oberst. Ja, sind denn Kornblumen giftig?
Der Bezirkshauptmann. Kornblumen sind höhern Orts mißliebig. 68
Die Vorigen. Rimanski.
Rimanski (kommt). Herr Oberst, ich melde gehorsamst, die Gesellschaft ist vollzählig.
Der Oberst (durch die Mitte ab mit Hechendorf, dem Bezirkshauptmann und Rimanski).
Die Gräfin. Lili. Turek. Später Jennewein.
Turek (kommt mit der Gräfin und Lili).
Turek (zur Gräfin und Lili, im Gespräch fortfahrend). Und während der große Saal (er deutet nach dem Nebenzimmer) der gesunden und wohlfeilen Verpflegung dient, hat dieses Zimmer den Zweck, dem kameradschaftlichen Geiste des Regiments ein angenehmes, aber vollkommen kostenloses Lokal zu bieten.
Die Gräfin. Hier pflegen sich die Offiziere wohl nach dem Essen zusammenzufinden?
Turek. Leider ist hier nie ein Mensch, indem alles vorzugsweise die Gast-, Kaffeehäuser und so frequentiert. (Er zeigt auf ein Bild.) Hier die Schlacht von Solferino. Das Bild ist von einem ebenso talentierten wie patriotisch fühlenden Maler zusammengestellt. Nämlich von unserm Tierarzt. Man sieht nicht viel, indem das Schlachtfeld teils durch Staub, teils durch Pulverdampf verfinstert wurde. Was hinten heraufzieht, ist das berühmte Gewitter von Solferino.
Lili. Mama, ist nicht dein Großvater bei Solferino gewesen?
Turek. Gewiß. Sie werden ihn auch finden. Alle Offiziere sind porträtähnlich darauf – nach der in den Grundbuchsblättern erhaltenen Personsbeschreibung. Auch 69 haben wir drüben ein lebensgetreues Porträt der Schlacht bei Custozza, durchwegs mit Öl gemalt. Sie finden darauf gleichfalls das Bild des Herrn Großvaters.
Die Gräfin. Ach, bitte, wo?
Turek (bietet ihr den Arm). Darf ich bitten, Gräfin?
Die Gräfin. Es ist sehr ritterlich von Ihnen, uns das alles zu zeigen.
Turek. Ritterlichkeit ist dem Soldaten, insoweit der Dienst es zuläßt, angeboren. (Ab mit der Gräfin.)
Lili (sucht auf dem Bild).
Jennewein (der sich bisher im Hintergrund gehalten hat, kommt hervor. Kartusche und Säbel. Tschako in der Hand; er legt ihn rasch weg). Lili!
Lili. Ich verbiete Ihnen, mich beim Vornamen zu nennen. (Sie will davon.)
Jennewein (vertritt ihr den Weg). Liebe Frau!
Lili (mit Achselzucken). Ich kenne Sie nicht.
Jennewein. Darf ich Ihrem Gedächtnis mit einem kleinen Trauschein zu Hilfe kommen?
Lili. Der Schein geht mich nichts an.
Jennewein. Der Schein gibt mir Rechte.
Lili. Wenn Sie etwas von mir wünschen, wenden Sie sich an meine Mama. (Sie will an ihm vorbei, er vertritt ihr wieder den Weg.)
Jennewein. Ich bitte sehr, (sehr energisch) ich darf verlangen, daß Sie mir erklären, warum Sie mich verlassen.
Lili. Sie vergessen, in welcher Situation ich Sie getroffen habe.
Jennewein. Mit Frau v. Landiesen.
Lili (ausbrechend). In der Umarmung von Frau v. Landiesen. 70
Jennewein. Ich bin nicht verantwortlich für die Sentimentalitäten einer frühern Geliebten.
Lili (mit Nachdruck). Herr Rittmeister – Sie geben also zu, daß Sie eine Geliebte hatten?
Jennewein. Aber natürlich.
Lili (weinend). Ich finde es unnatürlich.
Jennewein. Ich habe sogar mehrere gehabt.
Lili (erregt). Und das wagen Sie mir zu gestehen? Schämen Sie sich nicht?
Jennewein (lächelnd). Fast gar nicht.
Lili (entschlossen). Ich werde nur einem Mann angehören, der ebenso rein in die Ehe tritt wie ich.
Jennewein. Für so rein habe ich mich nie ausgegeben.
Lili. Ich habe das bei einem Rittmeister für selbstverständlich gehalten.
Jennewein. Aber Lili! Was fällt dir ein, dummes kleines Kind?
Die Vorigen. Palitschek.
Lili. Rühren Sie mich nicht an – Sie beschmutzen mich. (Zu Palitschek, der unterdessen eingetreten ist.) Herr Leutnant, schützen Sie mich vor den Zudringlichkeiten dieses Herrn!
Jennewein (lachend). Aber Lili!
Palitschek (zupft an seiner Ulanka, wirft sich in die Brust). Herr Rittmeister, ich verbiete dir gehorsamst, die Dame zu belästigen!
Jennewein (lacht).
Palitschek (reicht Lili den Arm). Nur Mut, Comtesse! Sie stehen unter dem Schutz Palitscheks. (Ab mit Lili nach rechts.) 71
Die Glastür wird geöffnet. Jennewein. Sämtliche Offiziere, Damen und Gäste. Später Koruga. Die Offiziere nunmehr en parade – mit Kartusche und Säbel – der Tschapka in der Hand.
Es kommt langsam die ganze Gesellschaft. Hinter dem dritten oder vierten Paar – die Paare sind ungefähr nach ihrem Rang geordnet – erscheint der Major mit dem Bezirkshauptmann.
Der Major. Sie haben ganz recht, Herr Bezirkshauptmann, unser verehrter Herr Oberst nimmt die Sache zu leicht.
Der Bezirkshauptmann. Besonders jetzt, wo die Komplikation eingetreten ist, daß auch unser Kurfürst kommt.
Der Major. Sie sind sicher, daß der deutsche Herzog zuerst kommt?
Der Bezirkshauptmann. Absolut sicher.
Koruga (kommt). Herr Oberst, melde gehorsamst, ein Auto.
Der Oberst. Also da haben wirs! Oberleutnant Riedel, bitte, sehen Sie nach, was los ist.
Riedel (durch die Mitte ab).
Allgemeine Verwirrung. Alles rennt und schreit durcheinander.
Der Major (aufgeregt). Ich bitte die Herrschaften, sich rasch zu rangieren! Die Damen und Gäste in die Ecke links, die Herren vom Regiment rechts!
Man rangiert sich: rechts die Offiziere des Regiments nach ihrem Rang (wie sie im Personenverzeichnis genannt sind) – so, daß der Major hinten, der Fähnrich vorn zu stehen kommt. – Links vorn Frau v. Landiesen, dann Lützelburg, die Gräfin, Lili, die übrigen Damen, endlich hinten Hechendorf und der Oberst. Der Bezirkshauptmann geht dem Kurfürsten nach hinten entgegen und folgt ihm dann nach vorn.
Man hört eine Autohuppe. 72
Der Bezirkshauptmann (lächelnd). Aber es ist ja noch Zeit. Wer weiß, was das für ein Auto ist. Ich muß doch erst die telephonische Meldung haben. Ich habe ja meine Organe auf der Straße stehen.
Avertissementsignal des Trompeters. Hochrufe.
Koruga (von der Türe aus). Auto ist schon im Hof. Hoheit steigt aus.
Der Major (ruft). Musik – Achtung! (Er hebt die Hand.) Sowie ich die Hand senke, »Heil dir im Siegerkranz«!
Riedel und Koruga (reißen die Mitteltür weit auf).
Der Major (senkt die Hand).
Die Musik spielt »Heil dir im Siegerkranz«.
Die Vorigen. Vicenza.
Der Kurfürst von Vicenza (kommt langsam durch die Mitteltür. Er trägt die ungarische Generalsuniform, hohe Kappe. Er ist Mitte der Dreißig. Schnurrbart und schmale, kurze Kotelletts. Mager, groß und sehr leger. Der Kurfürst ist kein Serenissimus und am wenigsten ein Dummkopf. Er ist ein selbstbewußter Mann, der es liebt, sich selbst zu ironisieren und zu belächeln. Er ist höflich, nobel, freundlich).
Die Gesellschaft verbeugt sich tief.
Jennewein. Das ist ja unser Kurfürst.
Der Major (laut). Um Gottes willen – Musik aufhören!
Vicenza (salutiert und redet hinten leise mit Riedel, der hinter ihm geblieben ist).
Hechendorf. »Heil dir im Siegerkranz« – und unser Kurfürst kommt. Leuckfeld, ich gratuliere dir zu deiner ersten Blamage.
Vicenza (kommt langsam nach vorn. Immer sehr liebenswürdig, leger und frisch im Ton). Bitt schön, lassen S' nur 73 die Musik spielen. Unsre Hymne is so schon langweilig, ich hör gern einmal was andres. (Er salutiert sehr leger.) Habe die Ehre, meine Damen und Herren! (Er nimmt die Kappe ab.)
Der Oberst (stramm). Eure Hoheit, Oberst v. Leuckfeld meldet sich gehorsamst als Kommandant . . .
Vicenza (unterbricht ihn). Bitt schön, lieber Oberst, machen S' keine Gschichten! Ich hab mich plötzlich entschlossen und bin im Benzinfiaker ganz allein herübergefahren. Ist das net fesch von mir?
Der Oberst. Jawohl, Hoheit!
Der Bezirkshauptmann (ausholend feierlich). Eure Hoheit! Im Namen der Bevölkerung der allzeit getreuen Stadt, die in Ehrfurcht und Liebe . . .
Vicenza. Nein, nein – nur nicht! Nur keine Reden! (Er faltet die Hände.) Ich bitt schön, das macht mich nervös.
Der Bezirkshauptmann (eingeschüchtert). Ich wollte nur im Namen der Bevölkerung . . .
Vicenza. Grüßen Sie die Bevölkerung von mir. Bitte, meine Herren, nur außer Reih und Glied, ganz kommod! Ich bin heut bei meinen Herren Kameraden zu Besuch. Wir sind ganz unter uns. Vielleicht macht mich der Herr Oberst mit den Herrschaften bekannt. Die meisten werde ich schon kennen. Nicht wahr, Herr Bezirkshauptmann Baron Trautenhein?
Der Bezirkshauptmann (ohne Zögern). Jawohl, Hoheit – Bezirkshauptmann Franz Swoboda.
Vicenza (wiederholt – lächelnd, mit leisem Kopfnicken). Swoboda. (Er will damit selbst konstatieren, daß er entgleist ist. Konventionell.) Dieses ist eine sehr industriöse Stadt. Wie ist denn der Aufschwung des Handels?
Der Bezirkshauptmann. Es ist ein kleiner Niedergang. 74
Vicenza (hat nur halb hingehört und nach Frau v. Landiesen geguckt). Ah, da gratulier ich. Hoffentlich bleibt es so. Das Glück des Volkes beruht auf seinem Wohlstand. Ihre Bevölkerung treibt auch Ackerbau?
Der Bezirkshauptmann. Jawohl, Hoheit!
Vicenza. Freut mich, das ist ein gutes Zeichen. (Halblaut.) Haben Sie den Zettel?
Der Bezirkshauptmann. Jawohl, Hoheit!
Vicenza (halblaut). Stecken S' mir in die Kappe. (Er wendet sich um zur Gräfin, hält die Kappe rückwärts.) Aber daß es niemand sieht.
Der Bezirkshauptmann (steckt den Zettel umständlich in die Kappe).
Die Gräfin (macht einen Hofknix).
Vicenza. Ah, meine liebe Gräfin Grantignan! (Halblaut zum Bezirkshauptmann.) Ist er schon drin?
Die Gräfin. Ich bin überglücklich . . .
Vicenza. Weiß schon. Wie kommen Sie denn her? Ich hab so selten das Vergnügen, die Obersthofmeisterin meiner Gemahlin zu sehen. Wie gehts denn meiner Frau? Ich würde mich sehr freuen, sie zu begrüßen. – Sie kommt doch nicht?
Die Gräfin. Nein, Ihre Hoheit geruht nicht, zu kommen.
Vicenza. No, denn is schon gut. Bitte, grüßen Sie sie von mir recht herzlich!
Die Gräfin. Untertänigsten Dank, Hoheit. Sofort nach Ablauf meines Urlaubs . . .
Vicenza. Ah, Urlaub?
Die Gräfin. In Familienangelegenheiten . . .
Vicenza. Ah, da gratuliere ich. (Zu Lili, die einen Hofknix macht.) Ihnen schlägt die Ehe ganz ausgezeichnet an. (Er betrachtet Lilis Nacken.) Das junge Glück lacht aus 75 den lieben Augen. Wo ist er denn? Servus, Jennewein! Na, finden den Ehestand wohl sehr angenehm?
Jennewein (tritt aus der Reihe, verbeugt sich). Jawohl, Hoheit, äußerst angenehm.
Vicenza. Das hält oft viele Wochen an. Was sagen Sie, ich bin ohne Adjutanten herübergefahren. Bitte einstweilen bei mir Dienst zu machen. (Er blickt in die Kappe.) Ah – (er sieht sich um) Exzellenz Zechendorf!
Hechendorf (ohne Zögern). Jawohl, Hoheit – Hechendorf.
Vicenza (blickt den Bezirkshauptmann an, leise). Komische H machen Sie. (Zu Hechendorf.) Wir kennen uns schon lang. Sie waren Kommandant des Regiments in Leitmeritz, dann Brigadier in Triest. Ich weiß alles. Vor fünf Jahren sind Sie in Pension gegangen – wegen . . . Wagenleiden. Ein Wagenunfall, nicht wahr?
Hechendorf. Jawohl, Hoheit, ein Magenleiden.
Vicenza. Magenleiden. (Ein strafender Blick auf den Bezirkshauptmann.)
Der Bezirkshauptmann (knickt zusammen).
Vicenza (schüttelt den Kopf). Magenleiden mit W! (Zu Hechendorf.) Dann habe ich Sie in Pension gesehen in . . . Dingsda . . .
Hechendorf. Ich bewundere das Namensgedächtnis Eurer Hoheit.
Vicenza. Das haben wir alle. Das ist uns angeboren.
Der Oberst. Gestatten, Hoheit, unser Gast . . .
Lützelburg (schnarrt). Hoheit, Rittmeister und Flügeladjutant v. Lützelburg, herzoglich friesisches Leibkürassierre'ment, gestattet sich, sich ganz gehorsamst vorzustellen.
Vicenza. Da kann man nix machen. Freut mich sehr, lieber Rittmeister! Hoffentlich gefällt es Ihnen bei uns. 76
Lützelburg. Zu Befehl, Hoheit.
Vicenza. Wir kennen uns . . . ah . . . ah . . . (Halblaut.) Bezirkshauptmann, der fehlt auf dem Zettel. – Na wir werden uns schon irgendwoher kennen. Wo sind Sie denn in Garnison?
Lützelburg. In Osterode.
Vicenza. Ah, das ist da bei Magdeburg.
Lützelburg. Zu Befehl, Hoheit, zwischen Magdeburg und Königsberg.
Vicenza. Ach, da bin ich ausgerutscht. Pardon, ich komme so wenig nach Westpreußen. – Na, haben Sie schon unser Regiment gesehen?
Lützelburg. Zu Befehl, Hoheit – Feldmesse mitgemacht. Sehr forsche Andacht.
Vicenza. Wie gehts Vetter Eberhard? Wann kommt er?
Lützelburg. Vermute, heute nachmittag.
Vicenza. Na, wohnen Sie gut?
Lützelburg. Zu Befehl, Hoheit – die Damen des Herrn Obersten haben mich ausgezeichnet aufgenommen.
Vicenza. Ach, sehr schön. (Er sieht sich um.)
Der Oberst. Erlauben, Hoheit – meine Frau – meine Tochter.
Vicenza. Ach, die Frau Oberstin! Ich danke den Damen, daß sie unsern Gast so gut aufgenommen haben. Das Jubiläum gibt Ihnen wohl viel zu tun?
Die Oberstin (hat einen Hofknix gemacht). Ach ja, Hoheit.
Vicenza. Na, es ist ja nur alle hundert Jahr einmal.
Der Oberst. Herr Major von Landeck.
Vicenza (blickt in seine Kappe). Danke, danke. Kenn ihn schon. Ich erinnere mich sehr gut. Sie waren einige 77 Jahre Lehrer für Dienstreglement und deutsche Sprache an der Kadettenschule Weißkirchen.
Turek (aus einer andern Ecke). Jawohl, Hoheit, war ich Lehrer aus Dienstreglement und deitsche Sprache.
Vicenza (wie oben lächelnd, konstatierend). Deutsche Sprache. (Sehr verbindlich.) Das hab ich mir gleich gedacht. (Er blickt wieder in seine Kappe.) Sie haben auch ein Lehrbuch geschrieben.
Mirkowitsch (aus einer andern Ecke). Jawohl, Hoheit – über das Pferd und seine Pflege.
Vicenza (wie oben lächelnd). Das waren Sie?! Aber geschrieben ist das Lehrbuch worden, das weiß ich ganz genau. – Aber ich bitte, meine Herrschaften, nicht so feierlich – ganz ungeniert!
Die Gesellschaft (zieht sich unauffällig rückwärts zurück, so daß die folgende Szene intim wird).
Der Oberst. Frau Major von Landeck.
Die Majorin (Hofknix).
Vicenza (blickt in seine Kappe). Habe schon viel von Ihnen gehört. Sie sind Bildhauerin – nicht wahr? – und für freie . . . (Er mustert sie und ist entsetzt.) Ah, das ist ja nicht möglich. Herr Bezirkshauptmann . . . Bildhauerin, freie Liebe . . . (Eifrig.) Wo ist die Dame? Wollen Sie mich sofort mit ihr bekannt machen!
Der Bezirkshauptmann (bedenklich). Hoheit, die Dame ist aus Rußland . . .
Vicenza. Ja – freie Liebe – bitte nur vorstellen!
Der Bezirkshauptmann (stellt vor). Frau v. Landiesen.
Vicenza (betrachtet sie). Ich hoffe, daß Ihre Bestrebungen auch bei uns Anklang finden werden, und werde Sie gern darin persönlich unterstützen. Ich interessiere mich sehr für russische Bildhauerei. 78
Frau v. Landiesen. Ich lebe aber schon seit Jahren in Wien und Berlin.
Vicenza. Ah, in Berlin. Da sind wohl die meisten Sachen von Ihnen?
Frau v. Landiesen. Es ist sehr viel Plastik in Berlin.
Vicenza. Ja, ja, freilich – das können Sie nicht alles gemacht haben – mit diesen Händen. (Er küßt ihr die Hand.) Würde mich sehr freuen, etwas von Ihnen zu sehen. Sie stellen doch in Wien aus?
Frau v. Landiesen. In der Sezession.
Vicenza. In der Sezession? Ah, da gratulier ich. Ich habe mir eine Sezessionistin allerdings (er streicht sich über die Brust) anders vorgestellt. So mehr ätherisch. Ich bin angenehm überrascht. Es ist eigentlich das erstemal, daß ich eine wirkliche Künstlerin kennen lerne.
Frau v. Landiesen. Und ich das erstemal einen wirklichen Prinzen.
Vicenza. Ah, da gratulier ich.
Frau v. Landiesen. Ich habe noch nie einen gekannt.
Vicenza. Na, und was für einen Eindruck haben Sie?
Frau v. Landiesen (lächelt).
Vicenza. Bitte, ganz aufrichtig.
Frau v. Landiesen (lächelt). Die Prinzen scheinen gar nicht so schrecklich zu sein, wie man bei uns in Rußland sagt. Hoheit haben einen sehr interessanten Kopf.
Vicenza. Das haben mir schon viele gesagt.
Frau v. Landiesen. Sie müssen mir sitzen.
Vicenza (versteht nicht).
Frau v. Landiesen. Ich möchte eine Büste von Ihnen machen.
Vicenza. Ja, die schenke ich dann meiner Frau zum Geburtstag. 79
Rimanski. Hoheit, ich melde gehorsamst, das Frühstück.
Vicenza. Danke, Herr Oberleutnant. (Er will Frau v. Landiesen den Arm bieten.)
Die Oberstin (mit einem Knix). Eure Hoheit . . .
Vicenza (ist ein wenig überrascht – und nicht eben angenehm; aber er ist zu sehr Kavalier, seinen Mißmut zu zeigen). Ah natürlich, die Frau Oberstin! (Er bietet ihr den Arm.) Jennewein, Sie führen Ihre junge Frau. So junge Ehepaare darf man nicht trennen.
Jennewein (geht auf Lili zu und bietet ihr den Arm). Darf ich bitten?
Lili (zögert).
Die Gräfin. Da Seine Hoheit befiehlt . . . .
Lili (nimmt den Arm Jenneweins).
Vicenza (zu Frau v. Landiesen). Wir werden einander jedenfalls gegenübersitzen.
Der Oberst (reicht Frau von Landiesen den Arm).
Alle rechts hinten ab. Die Musik spielt einen Marsch dazu.
Koruga. Ornstein. Kunitschek. Nepalek. Lummatsch.
Ornstein (erscheint essend, setzt sich bequem nieder, zieht unter dem Rock eine Flasche Sekt hervor, trinkt daraus und stellt sie unter seinen Sessel.) Hast ä Läng, was das gedauert hat.
Koruga (erscheint mit den Ordonnanzen. Sie marschieren nach dem Takt der Musik herein, warten aber, mit den Schüsseln in den Händen, das Verschwinden der Gesellschaft ab).
Koruga. Also – obacht mit ersten Gang – kalte Forellen! Für jeden Gast zwei. Wie zweite Forelle genommen ist, Schüssel weg. Kunitschek, wirst du gleich Finger aus der Mayonnaise herausgeben?
Kunitschek. Bitt schön, hab ich ja Handschuh an.
Koruga. Wirst gleich ablecken? Reeechts um! 80
Kunitschek (läßt eine Forelle fallen, hebt sie blitzschnell auf, putzt sie an seiner Hose ab und legt sie auf die Schüssel).
Koruga. Marschieren – Schriiitt marsch.
Die Ordonnanzen (ab).
Koruga. Na, Ornstein? Was sitzen S' da? Werden S' gleich gehen, servieren?
Ornstein. Das ist mit Butter gekocht – den Geruch vertrag ich nix.
Koruga. Gleich servieren!
Ornstein. Herr Wachtmeister, ich bin doch zugeteilt dem Hofstaat Seiner königlichen Hoheit. Ich geh höchstens herein, bis das Trinkgeld ausgeteilt wird.
Man klopft.
Ornstein. Herein!
Koruga. Ornstein. Mittermaier. Später Kunitschek.
Lorenz Mittermaier (dicker, gesunder Vierziger, blond; viel Schmuck, dicke goldene Uhrkette; er redet bieder, enthusiastisch – wie ein volkstümlicher Abgeordneter vor seinen Wienern). Habe die Ehre, meine Herren! I bitt schön, i möcht den Herrn Rittmeister Baron Jennewein gern sprechen.
Koruga. Jetzt ist Diner.
Mittermaier. Aber, meine Herren, der Herr Rittmeister is doch ein alter Freind von mir. (Er steckt Ornstein etwas zu.) I hab a Gschäft mit ihm.
Koruga. Seine Hoheit is drinnen.
Ornstein. Nu – aber Geschäft geht vor.
Mittermaier. Gehn S', lieber Herr Wachtmeister, rufen S' ihn außa – er wird Ihnen sehr dankbar dafür sein. (Er steckt Koruga etwas zu.)
Koruga. Werd ich sehen. (Ab.) 81
Kunitschek (der schon einen Augenblick vorher gekommen ist). Ornstein, was soll ich machen? Sein für jeden Gast zwei Forellen – und Regimentsarzt hat genommen drei.
Ornstein. Nu, wird der Herr Fähnrich nur eine essen. Aufgewachsen bei Forellen. Sie sind so nicht gut. Mir wenigstens haben sie nicht geschmeckt.
Ornstein. Mittermaier. Jennewein.
Jennewein (kommt).
Kunitschek (ab).
Jennewein. Ja, Mittermaier?
Mittermaier. Herr Rittmeister, dös gfreut mich halt, daß i den lieben gnä Herrn wiederseh!
Jennewein. Was wollen Sie denn?
Mittermaier (warm, schwungvoll, freundlich). Das klane Urteil is halt vom Gericht kommen, daß der Herr Rittmeister mir halt die zweiundzwanzigtausend Gulden sofort zahlen muß.
Jennewein. Das ist ja sehr nett.
Mittermaier. Nicht wahr? Bis Neustadt bin i mit der Bahn gfahren, und von da bin zu Fuß gangen durch den frischen grünen Wald. Die Vögerln haben zwitschert, die Sonn hat gescheint, und 's Herz is mir weit aufgangen. Da hab ich mir halt denkt: fahrst hin zum lieben Herrn Rittmeister und pfändest ihn ein bißerl.
Jennewein (zu Ornstein). Wie kannst du den Mann hereinlassen?
Ornstein. Kann ich mir denken, daß er is ä Wucherer? Er ist doch blond?!
Jennewein. Marsch hinaus!
Ornstein (ab). 82
Mittermaier. Alsdann, Herr Rittmeister, i möcht schön bitten, daß Sie mir glei mein Geld geben.
Jennewein. Von mir hat noch niemand (mit Betonung) gleich Geld bekommen. Aber ich habe an vierzehn Geschäftsfreunde telegraphiert. Ich hoffe jeden Augenblick auf eine Drahtantwort.
Mittermaier (freundlich). I kann leider nit warten. Segen S', Herr Rittmeister, da wern ma halt a klane Förmlichkeit erfüllen. (Er geht zur Tür und ruft.) Petak! Kommen S' eini!
Mittermaierr. Jennewein. Petak.
Gerichtsvollzieher Petak (kommt. Mit der Höflichkeit eines Geldbriefträgers). Entschuldigen S', Herr Rittmeister!
Mittermaier. Also, lieber Petak, pfänden S' den Herrn Rittmeister.
Jennewein. Was?
Mittermaier. Wanns mir auch das Herz abdruckt – denn ich bin Patriot, ich lieb unsre Armee und unsre prächtigen, lebfrischen Offiziere.
Petak. Bitt schön (er weist ein Papier vor) Erlaubnis von Herrn Obersten is hier.
Mittermaier. I hab den Herrn Obersten schriftlich gebeten. Gleich hat ers erlaubt. Ja, das is halt a echter Volksmann vom alten Schlag. Der hat a Herz für unsereinen.
Petak. Wern ma gleich fertig sein. Haben S' a Uhr? (Er schüttelt während der Fragen heftig verneinend den Kopf, um Jennewein aufzufordern, nein zu sagen.) Haben S' bar Geld?«
Jennewein. Nein, nein.
Petak. So – bitt schön, unterschreiben S'! 83
Jennewein (unterschreibt).
Mittermaier. Na, sehn S', 's is schon fertig.
Petak. War mir große Ehre, Herr Rittmeister! Bin ich auch gedienter Husar.
Jennewein. Was soll denn der ganze Unsinn?
Mittermaier. No, ich wer halt jetzt schön ruhig das Vermögen von Ihrer jungen, lieben Frau Gemahlin pfänden.
Jennewein (freudig). Das geht? (Er stellt sich zwischen Petak und Mittermaier und klopft den alten Freunden den Rücken.)
Mittermaier. Na, natürlich is die Frau Gemahlin haftbar.
Jennewein. Das ist ja großartig.
Mittermaier. Da geh ich morgen früh mit Petak ins Palätscherl . . .
Jennewein. Morgen früh? Nein, das ist zu hübsch – das machen wir gleich. Einen Augenblick! (Er will abgehen; an der Tür.) Sie, Mittermaier, ich gebe Ihnen einen Tausender extra – können Sie meine Schwiegermutter nicht auch noch pfänden?
Mittermaier. Leider nicht.
Jennewein (mit Überzeugung). Das ist eine Lücke im Gesetz. (Ab.)
Mittermaier. Petak. Ornstein. Später Jennewein und Lili.
Ornstein (kommt). Hier sind zwei Depeschen für den Herrn Rittmeister. Wo ist er?
Mittermaier. Er kommt gleich.
Ornstein. Wozu machen Sie dem Mann Spesen? In vierundzwanzig Stunden haben Sie Ihr Geld.
Mittermaier (lächelt).
Ornstein. Mein Ehrenwort als Offiziersdiener. (Ab.) 84
Jennewein (kommt mit Lili). Aber ich bitte, im Namen des Gesetzes. Eine dringende Familienangelegenheit.
Lili. Ich habe keine Familienangelegenheit mit Ihnen gemeinsam.
Jennewein (mit liebenswürdiger Ironie). Gnädigste irren sich. Ich werde meiner lieben, kleinen Frau gleich beweisen, daß wir verheiratet sind. Bitte, hier – eine Amtsperson.
Petak (überhöflich). Sie sind Frau Gemahlin von Herrn Rittmeister?
Lili (eingeschüchtert). Ja . . . Nein . . . (unmutig) Ich weiß nicht . . .
Jennewein. Da ist der Trauschein.
Petak. Alsdann, Frau Gemahlin, wollen S' so gut sein, zweiundzwanzigtausend Gulden zahlen?
Lili. Wieso denn?
Petak. Das ist Schuld von Herrn Gemahl.
Lili. Ich hab doch nie Geld bei mir . . .?
Petak. Na, dann muß ich pfänden.
Man hört aus dem Nebenzimmer Hurra rufen und einen kurzen Tusch.
Jennewein. Pfändung mit Musikbegleitung.
Petak. Haben S' Schmuck?
Lili (zögernd). Ja, mein Perlenkollier.
Petak. Bitt schön, sein S' so gut, ziehen sich aus.
Jennewein (hilft ihr. Liebenswürdig, ironisch). Ich bin glücklich. meiner lieben kleinen Frau zum erstenmal bei der Toilette behilflich sein zu dürfen.
Lili. Aber das ist ja ein Familienstück . . .
Jennewein (übergibt das Kollier dem Gerichtsvollzieher). Es bleibt in der Familie. Morgen habe ichs wieder.
Mittermaier (sehr enthusiastisch, bieder). Frau Baronin, 85 i bin nur ein schlichter Mann aus dem Volke – aber ich denk mir, a jungs Weiberl, das teilt halt Leid und Freud mit seinem Manderl. Die treue Liebe tröstet.
Jennewein. Genug, Mittermaier! Adieu!
Mittermaier. Lassen mir die jungen Eheleut allein.
Petak. Aber, bitte, Protokoll!
Jennewein. Bringen Sies später!
Mittermaier und Petak (ab).
Lili (halb weinend). Das ist mir noch nie passiert. Es ist schrecklich. Schrecklich. (Sie kommt langsam, langsam ins Lachen.) Es ist eigentlich komisch.
Jennewein. Glauben Sie jetzt, daß wir verheiratet sind?
Lili. Ich habe mir die Ehe anders vorgestellt. Sie haben also Schulden?
Jennewein. Jetzt nicht mehr. Sie haben ja eben Ihren Schmuck dafür gepfändet.
Lili. Rudi, Sie sind ein . . .
Jennewein. Endlich sagen Sie mir wieder Rudi.
Lili. Die Schulden haben Sie wohl für Ihre Geliebten gemacht?
Jennewein. Natürlich.
Lili. Also Sie gestehen? Das gefällt mir. Wieviel Geliebte haben Sie denn gehabt?
Jennewein. Ich verweigere die Aussage.
Lili. In was für Situationen Sie mich bringen! Eben noch hat Hoheit mein Kollier bewundert. Wie soll ich jetzt ohne Schmuck zurückkommen?
Jennewein. Liebe Lili, es ist gar nicht notwendig, daß Sie in die Gesellschaft zurückkehren.
Lili. Kann ich gar nicht. Was denkt sich Hoheit?
Jennewein. Also, ich bringe Sie nach Haus. 86
Lili. Und Mama?
Jennewein. Der schicken wir Nachricht. Wir nehmen das Auto von Hoheit und fahren spazieren.
Lili. Und Sie beichten alle Geliebten während der Fahrt.
Jennewein. Wenn der Chauffeur genug Benzin hat. (Ab mit Lili.)
Vicenza. Frau v. Landiesen und die übrigen Gäste.
Vicenza (kommt. mit Frau v. Landiesen am Arm, die Gesellschaft langsam nach). So was Ödes wie dieses Diner! Dagegen war ja gestern in Wöllerstadt die Fahnenweihe des katholischen Gesellenvereins ein reines Bachanal.
Landiesen. Warum zitiert der Major immer Wallenstein? Will er zum Theater?
Vicenza. Er braucht nur noch einmal stecken zu bleiben, und wir erleben hier das nächste Regimentsjubiläum.
Landiesen. Das Menü war aber sehr gut.
Vicenza. Ja – aber wie ich mir noch einen Fisch nehmen will, zieht mir die Ordonnanz die Schüssel weg. Es war höchste Zeit, die Tafel aufzuheben. Immer dasitzen mit dem Wohlwollen auf den Kinnbacken . . .
Frau v. Landiesen. Wie halten Sie das aus, sich stundenlang herabzulassen?
Vicenza. Es ist auch ein Akrobatenstück. Zur Erholung fahren wir ein bißchen spazieren. Wollen Sie, liebe Gnädige?
Die Oberstin. Geruhen Hoheit, ein Huldigungsgedichtchen meiner Tochter anzuhören?
Vicenza. Natürlich, darauf hab ich mich schon lang 87 gefreut. (Sehr liebenswürdig.) Also meine Herrschaften, wir wollen der kleinen Dame die Gelegenheit geben. (Er setzt sich. Die Gesellschaft nimmt ebenfalls Platz.)
Frau v. Landiesen (sitzt neben Vicenza).
Vicenza (wendet sich ihr zu).
Minka (hat ein Bukett in der Hand mit Schleifen in den Farben des Regiments. Hofknix. Mit zitternder Stimme). Hoher Herr!
Vicenza (hört nicht hin).
Minka (erregter). Hoher Herr!
Koruga (erscheint). Königliche Hoheit!
Riedel (hat sich zu Koruga durchgedrängt und fragt ihn aus).
Koruga. Rittmeister Jennewein ist weggefahren mit seiner Frau. (Ab.)
Die Gräfin. Mit meiner Tochter? Um Gottes willen, er entführt sie.
Vicenza. Wen? Seine Frau? Ah, da gratulier ich.
Die Oberstin. Hoheit, das Gedicht . . .
Vicenza. Ah, richtig! (Sehr liebenswürdig.) Da wollen wir der kleinen Dame die Gelegenheit geben. (Er setzt sich.)
Die Gesellschaft (war aufgesprungen. Die Herren beruhigen die Damen, man setzt sich wieder).
Minka. Hoher Herr!
Ein Reiter reitet durch den Wald,
In dems von Hörnern widerhallt.
Wer kommt daher, wer mag es sein?
(Sie deutet nach hinten).
Ornstein (kommt). Telegramm für Baron Jennewein. 88
Die Gräfin. Geben Sie! (Sie liest die Depesche und sinkt zusammen.) Hoheit!
Vicenza (nimmt die Depesche und liest). »An Rittmeister Jennewein. Anbiete zum Kauf zehntausend Revolver, Modell 1873. Feuerstein Attila, Budapest.«
Die Gräfin. Revolver – er wird ihr was antun.
Vicenza. Das ist schon möglich.
Die Oberstin. Hoheit, das Gedicht . . .
Vicenza. Es war entzückend. Ich kenne Dutzende von Gedichten – von Goethe, Grillparzer und wie die Herrschaften alle heißen – aber ein so ein patriotisches Gedicht hab ich noch nie gehört. (Er nickt, nimmt Minkas Bukett, übergibt es der verblüfften Oberstin und geht nach hinten, die Treppe hinauf. Die Gesellschaft bildet Spalier. Zu Riedel.) Bitte, mein Auto.
Riedel. Das Auto ist weg mit Rittmeister Jennewein.
Vicenza (indigniert). Mit dem Rittmeister? Sehr unangenehm, Herr Oberst, was mir da bei Ihnen passiert.
Hechendorf (steht mit dem Obersten links vorn. Er macht die Bewegung des Sägens).
Der Oberst (fröhlich zu Hechendorf). Na warte, morgen wird ihm noch mehr passieren.
Petak (ist aufgetreten. Zu Vicenza). Bitte, hier ist Pfändungsprotokoll.
Der Bezirkshauptmann (sucht Petak zurückzuhalten).
Vicenza (besieht das Protokoll von allen Seiten). Ah, da schau her! Ein richtiges Pfändungsprotokoll? Regimentsjubiläum mit Personalpfändung? Sehr interessantes Jubiläumsprogramm, Herr Oberst!
Der Oberst. Hechendorf, hab ich mich genug blamiert?
Hechendorf (übergibt ihm den Zylinder). Dem Verdienste seinen Zylinder. 89
Vicenza. Ein sehr ein fesches Regimentsjubiläum. Ah, da gratulier ich. (Er salutiert.)
Radetzkymarsch. Alle Damen stehen in einer Reihe an der Bühnenrampe und machen alle gleichzeitig einen Hofknix mit den Rücken zum Publikum. Die Herren verbeugen sich.
Vorhang