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Franzose und Engländer.

An der Stelle, wo der Rio de Guayamas, aus der Ebene kommend, die Sierra del Nazareno durchbrechend, sich in den mächtigen kalifornischen Meerbusen stürzt, liegt San José Guayamas (Guaymas) in geringer Entfernung von der Hafenstadt, San Fernando de Guaymas, an der die Einbuchtung des Golfs, geschützt von dem Kap Haro, den besten Hafen des westlichen Mexikos bildet.

Allerdings erlauben beide Städte, San José wie San Fernando keinen Vergleich mit den östlichen Städten Amerikas, oder gar mit europäischen, indes herrscht ein so eigentümliches Leben und Treiben daselbst, daß der Reisende, auch wenn er nicht Handel treibt, nicht ohne Interesse und Befriedigung daselbst verweilen wird.

Das Ansehen der Stadt selbst ist sehr mangelhaft; an größeren Häusern finden sich nur die steinernen Faktoreien der englischen, amerikanischen und spanischen Kaufleute, oder die Villen, die sich diese in genügender Entfernung von dem Schmutz der ungepflasterten, mit der gewöhnlichen spanischen Sorglosigkeit behandelten Straßen der Stadt gebaut haben. Die mexikanischen Häuser der Bewohner sind, wie im ganzen Binnenlande, niedere, flache und unreinliche Gebäude, die sich nur wenig von den Hütten der eingeborenen Indianer an den äußersten Grenzen der Stadt unterscheiden. Nur drei oder vier öffentliche Gebäude, darunter das Zollhaus und das Haus des Gouverneurs, erheben sich über diesen Typus. So schlecht das äußere Ansehen der Stadt aber auch ist, so betragen doch die Reichtümer, welche oft hier aufgehäuft sind, Millionen, und die fabelhafteste Verschwendung herrscht neben den Lumpen des Armen, den ein Zufall, ein augenblickliches Ereignis mit Gold und Macht überhäufen kann.

Das Fort, wenn man diesen einfachen Bau von Erdwällen und Pallisaden, die im Viereck einige Gebäude umgeben, so nennen kann, ist fest, aber selbst in seiner Bewaffnung sehr primitiver Natur. Dennoch gehört es zu dem Charakter dieses seltsamen, an tausend Hilfsquellen so reichen und doch so verkommenen Landes, daß die Bewohner von Guaymas mit einem gewissen Stolz auf ihre Festung blicken, die sie in Wahrheit nicht vor einem einzigen tüchtigen Kriegsschiff beschützen würde, die aber in den zahllosen Pronunciamentos und Revolutionen der Stadt, der Provinz und des Landes immer eine bedeutende Rolle gespielt hat, da ihr Besitzer, sei es durch Kampf, durch Bestechung oder Verrat, immer als Sieger und augenblicklicher Machthaber betrachtet wird.

Damals war General Cevallos Präsident der mexikanischen Föderation. Er aber ging heimlich damit um, die Regierung wieder in die Hände des früheren Präsidenten Santanna zu spielen, der gegenwärtig von Jamaika aus seine Intriguen betrieb. Don Esteban war, ohne die geheime Absicht des General Cevallos zu kennen, von der Regierung des Staates Sonora und der Vereinigung der Kaufleute und großen Grundbesitzer nach San Francisco gesandt worden, um den Grafen Raousset Boulbon mit seiner Schar für die Verteidigung der Grenzen des Staates Sonora gegen die Einfälle der zu diesem Zweck verbündeten, sonst in Feindschaft lebenden Indianer, der Comanchen und Apachen, zu gewinnen, und die Persönlichkeit des Grafen bewog ihn, mit diesem Engagement ganz andere ehrgeizige Zwecke zu verbinden. Er ging zunächst darauf aus, das jetzige Gouvernement des Staates Sonora zu stürzen, diesen selbst von der Föderation loszureißen und unabhängig zu machen, und für sich oder seinen Schwiegersohn – als solchen betrachtete er den Grafen – wenn nicht einen Thron, so doch eine Diktatur zu gründen, die der monarchischen Herrschaft gleich stand und sich leicht in diese verwandeln ließ.

Zur Hauptstadt des Staates Sonora war gegenwärtig in Stelle Hermosillos das weiter hinauf am Rio Sonora gelegene Arispe, von dem Gouvernement gewählt, eine Stadt mit etwa 3000 Einwohnern. An der Spitze des Gouvernements stand der General Don Manuelo Paredos, ein Liberaler, von vielen Kaufleuten der Küstenstädte unterstützt, während der größte Teil der großen Grundbesitzer gleich Don Esteban zur Partei der Conföderados gehörte.

Der Haciendero hatte nicht versäumt, während der Überfahrt den Grafen Boulbon aufs genaueste mit allen Verhältnissen und Persönlichkeiten bekannt zu machen.

Der Hafen von Guaymas oder Guayamas bot an dem Morgen der Ankunft der Expedition ein überaus buntes und belebtes Bild.

Der Strand ist flach, nur die notdürftigsten Hafenbauten zum Aus- und Einladen der Boote bilden streckenweise einen Molo, an den andern Stellen wirft das Meer seine Wellen unmittelbar gegen das sanft emporsteigende Sandufer, bedeckt es mit seinem Tang und seinen in hundert Farben schillernden Muscheln, oder rollt in Bogen seinen weißen Schaum darüber hin. Auf der Rhede lagen, außer den beiden Fahrzeugen der Expedition und der englischen Brigg, die unter dem Schutze des Cap Haro ankerte, wohl ein Dutzend größerer Schiffe aller seefahrenden Nationen, ihrer Befrachtung harrend oder europäische Güter bringend, während zahlreiche Küstenfahrzeuge über den prächtigen Spiegel der Bay kreuzten. Über die niederen Häuser der Hafenstadt und von Guaymas selbst hob sich der Blick zu den Höhen der Sierra de Santa Clara, der Fortsetzung der Sierra del Nazareno, die in der Entfernung von wenig Meilen die Hochebenen von dem Küstenstrich scheidet.

Zwischen dem Landungsplatz und den Schiffen durchschnitt eine Menge Boote den Wasserspiegel und führte Personen und Güter hin und her; an dem Strande selbst aber hatte sich fast die ganze konstante und zufällige Bevölkerung versammelt, um die Ausschiffung der Expedition zu sehen, von der man sich bereits so vieles erzählt hatte und auf die man so große Hoffnungen setzte.

Diese Versammlung der Bevölkerung war wie die aller südlichen Seeküsten und westlichen Länder äußerst bunt. Neben den amerikanischen und englischen Seeleuten sah man den feurigen und gewandten Chilenen, der in seinem Schiff eine Ladung der berühmten Maultiere der Provinz zu holen gekommen war; Kalifornier von La Paz oder Espiritu Santo und Ceralbo, jenen Schwesterinseln, zwischen denen Juan Racunha den furchtbaren nächtlichen Weg zurückgelegt, hatten die Ausbeute der Perlenfischerei des Sommers und des Schildkrötenfanges gebracht; Arrieros und Vaqueros der Hacienden im Innern waren mit den Herden gekommen, die sie zur Verproviantierung der Schiffe oder zum Unterhalt der Bevölkerung lieferten; Karawanen von Peons und Indianern hatten auf langen Reihen von Maultieren Früchte und Baumwolle, Salz, Alaun und edle Metalle aus den Bergwerken von Nacohari, San Juan de Sonora und Babiocora hergebracht; die Besitzer der Goldwäschereien in den Thälern der Sierren waren hier, um den Ertrag der mühsamen Arbeit zu verwerten, häufig aber auch in wenig Stunden zu vergeuden; die Schar der Lastträger, ein Hauptelement der Bevölkerung von Guaymas, mit ihrem Capataz und den Unteranführern, keuchte schweißtriefend und dennoch lustig und munter unter den gewaltigen Bürden, oder arbeitete in den offenen Magazinen; der Ranchero, der sich der Abstammung von spanischem Blut rühmte, sah stolz auf den armen Indianer, der sein Leben in den Tiefen des Meeres oder den Stollen der Bergwerke für geringen Unterhalt wagte, auf den Opata, der den Ertrag seiner Viehzucht oder seiner Industrie, welche die Indolenz der Europäer beschämt, hier zu Markte brachte. Die Grisetten Mexikos und Frauen in allen Nuancen des braunen Teints, Mönche und Soldaten, Herren und Diener, Kinder und Schwarze, Seeleute und Kaufherren bewegten sich auf dem Platz bunt durcheinander, stritten, tauschten ihre Neuigkeiten aus oder schlossen einen Handel.

Als das Boot mit Don Estevan und dem Grafen an den Stufen der Treppe landete, erscholl ein donnerndes Viva! und die zahlreichen Bekannten und Diener des reichen und mächtigen Haciendero drängten sich heran, ihn zu begrüßen und nach seinem und der Donna Dolores Wohlbefinden sich zu erkundigen. Aber mehr noch als der Senator nahm sein Begleiter das Interesse der Männer und Frauen in Anspruch. Es wäre kaum nötig gewesen, daß Don Estevan ihn mehreren seiner vornehmern Freunde als den berühmten Anführer der Expedition, den Grafen Raousset Boulbon vorstellte; denn seine Persönlichkeit und seine reiche militärische Kleidung hatte die Menge das sofort ahnen lassen; die Frauen genierten sich nicht, durch Ausrufe der Bewunderung den Eindruck kund zu geben, den seine Erscheinung auf sie machte, und auch die Männer konnten sich diesem Eindruck um so weniger entziehen, als bei allen südlichen Rassen körperliche Vorzüge bekanntlich eine sehr bedeutende Rolle spielen. Das Gerücht der beabsichtigten Expedition zur Aufsuchung der Schätze der Azteken, und die Erzählung von dem merkwürdigen Duell in dem Cirkus von San Francisco war schon Wochen vorher der Ankunft des Grafen vorausgeeilt und hatte die Phantasie der Bevölkerung von Guaymas gereizt und ihre Erwartung auf das höchste gesteigert.

Der mexikanische Charakter ist ein seltsames Gemisch von Leidenschaften, von Feigheit und Heldenmut, Geiz und Verschwendung, Eitelkeit und Aufopferung. Die besten und die schlechtesten Züge des menschlichen Herzens scheinen in ihm verschmolzen, und man hat nicht bloß in dem großen Befreiungskampfe zahllose Züge von Begeisterung und Heldensinn gesehen, die den berühmtesten Thaten des Altertums zur Seite zu stellen sind, sondern man findet solche noch täglich in dem unruhigen Leben dieser Bevölkerung und in dem Kampf mit der Wildnis und ihren Bewohnern. Selbst in den schlechtesten Elementen aber findet sich ein gewisser chevaleresker Zug, ein Zug von Ritterlichkeit oder Stolz, der selbst die Verbrecher nicht gemein erscheinen läßt, und der offenbar in der Vermischung mit dem Blut der spanischen Konquistadoren seinen Ursprung hat.

Bei diesem Hange zu Abenteuern, bei dieser Empfänglichkeit für hervorragende Thaten des Mutes und der Kraft mußte der Empfang des Helden des furchtbaren Duells von San Francisco natürlich ein enthusiastischer sein, und dies um so mehr, als die äußere Erscheinung des tapfern Grafen das von der Phantasie der Männer und Frauen entworfene Bild nicht täuschte, sondern ihm vollkommen entsprach.

Der Namen: el Conde Boulbon, el grande tigrero! hatte sich demnach kaum mit Blitzesschnelle verbreitet, als der Jubel des Empfanges sich verzehnfachte, und ein Regen von Blumen aus den Händen der Frauen den Franzosen begrüßte.

Der Graf dankte mit der Eleganz und Sicherheit eines vornehmen Herrn und folgte Don Estevan, der nach der Stelle vorausging, an welcher man seine Diener mehrere Pferde bereit halten sah, als ein Offizier in der Uniform der mexikanischen Dragoner durch die sich öffnende Menge sich ihnen nahte und vor ihnen stehen blieb.

Zwei kräftige Soldaten führten hinter ihm an langen Zügeln einen aufgezäumten Hengst von schwarzer Farbe, dessen feurige Augen und dessen fortwährendes Bäumen und Ausschlagen bewiesen, daß er noch nicht lange seiner Heimat in den Prärien entrissen und gebändigt war. Die beiden Führer konnten ihn nur mit Mühe halten, und die Menge wich erschrocken vor den fortwährenden Seitensprüngen des feurigen Tieres zurück.

Der Offizier, ein junger Mann von finsterem verschlossenem Aussehen und in seinem Gesicht den Typus der aztekischen Rasse tragend, das heißt die zurückweichende Stirn und die schmale, nach unten zugespitzte Form der Züge, verneigte sich.

»Señor Senator Don Estevan,« sagte er höflich, »wenn dieser Herr der erlauchte Conde Don Boulbon, der Kommandeur der von der mexikanischen Regierung angeworbenen Kompagnie ist, so bitte ich Sie, mich ihm vorzustellen, da ich einen Auftrag an diesen Herrn habe.«

So höflich die Anrede auch war, so lag doch in den Worten selbst, welche die Stellung der Expedition bezeichneten, offenbar eine bestimmte Absicht.

Der Senator – denn dies war die bürgerliche Würde des Haciendero im Staat – erwiderte die Verbeugung des jungen Offiziers mit der gleichen gemessenen Höflichkeit.

»Ich habe die Ehre, Señor Teniente Lieutenant. Don Carboyal, Sie hiermit Seiner Excellenz dem Herrn Grafen Don Louis Aimé von Raousset Boulbon, Obersten in der Armee des Königs von Frankreich und General en chef der Sonora-Expedition vorzustellen. Wir sind im Begriff, uns nach San José zu begeben, um seiner Excellenz dem Herrn Gouverneur unsern Besuch zu machen.«

Der Graf und der Offizier verbeugten sich gegen einander. »Verzeihen Sie, Señor Don Estevan,« sagte der letztere, »wenn ich Sie einen Augenblick aufhalte; ich werde sogleich die Ehre haben, Ihnen meinen Auftrag vorzutragen. Aber da ich, wie Ihnen bekannt ist, nicht viel besser als ein unwissender Indianer bin, so erlauben Sie mir wohl eine Frage zu meiner Belehrung.«

»Fragen Sie, Señor Teniente!«

Die Blicke der beiden Männer, des Ranchero und des Offiziers, hatten sich mit einem kalten hochmütigen Ausdruck gekreuzt. Es war der Haß und der Stolz beider Rassen, die der Graf hier zum erstenmal einander begegnen sah, des Mannes von reinem spanischen Blut, des Nachkommens der Eroberer, und des Sohnes der alten Bewohner des Landes, des aztekischen Stammes.

»Wenn ich recht verstanden habe, Señor Senator und dieser Herr es erlaubt,« fuhr der Offizier fort, »so haben Sie gesagt: Oberst in der Armee des Königs von Frankreich. Nun aber habe ich von dem Herrn Gouverneur gehört, daß ein König von Frankreich nicht existiert, sondern nur eine französische Republik, deren Flagge wir zuweilen die Ehre haben, als uns befreundet in den Häfen unseres Landes zu sehen.«

Die Hand des jungen Mannes wies dabei wie fragend nach den beiden Schiffen der Expedition, von deren Gaffel, wie wir früher gesagt haben, neben der mexikanischen und amerikanischen Flagge das weiße Banner mit den Lilien der Bourbons wehte.

Eine leichte Röte überflog die Stirn des Grafen, und eine Bewegung seiner Hand bedeutete den Senator, daß er selbst die Antwort übernehmen werde.

»Señor,« sagte er kalt, »ich habe die Ehre, mich Ihnen als Oberst der französischen Armee vorzustellen und bin bereit, meine Gefälligkeit so weit zu treiben, um Ihnen mein Patent darüber vorzulegen, wenn Sie es wünschen oder für nötig halten. Wenn meine erhabenen Verwandten allerdings gegenwärtig auch nicht auf dem Thron sitzen und mein Vaterland in diesem Augenblick die Freuden einer republikanischen Regierung genießt, so haben sie doch ihrem Rechte nach nie aufgehört, Könige von Frankreich zu sein, und Sie werden, so jung Sie auch noch sind, aus Ihren eigenen Erfahrungen in Ihrem Lande wissen, daß in den heutigen Zeiten die Regierungsformen sehr unsicher sind und einem raschen Wechsel unterliegen können! Jene Flagge aber ist die meiner Familie, das heißt der wahren, rechtmäßigen Könige von Frankreich.«

Der Offizier verbeugte sich wiederum sehr höflich. »Ich danke Euer Excellenz bestens für diese Belehrung und bitte Sie nochmals, meine Unwissenheit zu entschuldigen. Aber wie die Regierungen jenseits des Meeres in Europa auch wechseln mögen, so wollen wir doch Gott und die Heiligen bitten, daß sie unserm Lande den Segen einer freien Republik und Föderation dauernd bewahren mögen.«

»Haben Sie die Güte, zur Sache zu kommen, Señor Teniente!«

»Der Herr Gouverneur,« sagte dieser, »da er bedacht, daß Euer Excellenz zu Wasser von San Francisco gekommen sind und noch nicht Zeit gehabt haben, sich beritten zu machen, hat mich beauftragt. Ihnen als ein Zeichen seiner Achtung und seines Wunsches, möglichst schnell Ihre Gegenwart zu genießen, dieses Pferd, eines der Erzeugnisse unseres Landes, zu überbringen!«

» Par Dios, Señor Teniente! Dieses Pferd scheint ja eben erst aus der Wildnis zu kommen!« rief der Haciendero. »Es ist für einen Fremden unmöglich, es zu besteigen, und meine Diener halten Rosse genug bereit, die sich besser eignen.«

Ein spöttisches Lächeln überflog das Gesicht des Grafen. Don Estevan hatte ihm während der Überfahrt genug über die Verhältnisse mitgeteilt, um zu wissen, daß man ihm mit dieser anscheinenden Höflichkeit eine Falle gelegt habe. Der Gouverneur von Guaymas, derselbe, den er zu besuchen ging, stammte aus den Familien der Eingebornen wie sein Leutnant, den er zu ihrer Begrüßung gesandt, und er haßte die Fremden. Er hatte bei den Verhandlungen mit dem Franzosen alles mögliche aufgeboten, ihr Zustandekommen zu verhindern, und nur der überwiegende Einfluß der bedrohten großen Grundbesitzer und der Kaufleute hatte ihn gezwungen, nachzugeben.

Der Graf erkannte zugleich, daß jede Zögerung, das zweideutige Geschenk des Gouverneurs anzunehmen und zu benutzen, den Zweck desselben erfüllen, das heißt, jenen Eindruck schwächen, oder vielleicht ganz verwischen würde, den der Ruf seiner Thaten und seines Charakters auf die Menge ausgeübt hatte, die ihn jetzt im Kreise neugierig und erwartungsvoll umgab.

Sein Entschluß war daher im Augenblick gefaßt.

Ein bezeichnender, ernster Blick hielt den Senator davon zurück, sich einzumischen, dann wandte der Graf sich an den Boten.

»Seine Excellenz, der Herr Gouverneur von Guaymas,« sagte er mit dem leichten übermütigen Sarkasmus, der ihm eigen war, »scheint trotz Ihrer Versicherung, Señor, doch nicht so große Eile zu haben, meine Gegenwart zu genießen, denn sonst hätte er mir, der ich 200 Meilen hergekommen bin, um diesem Lande meine Dienste zu widmen, den Weg von San Fernando nach San José erspart. Ich bin indes seiner Excellenz und Ihnen sehr dankbar für das schöne Geschenk, das Sie mir überbracht, und werde es benutzen, um diesen Dank so bald wie möglich zu überbringen.«

Der Graf warf einen flüchtigen Blick zurück nach der Landungsstelle – soeben hatten die ersten Boote angelegt, und der Avignote mit zwanzig der Abenteurer stieg ans Ufer. Monsieur Bonifaz und der junge Preuße näherten sich ihm, um die weiteren Befehle einzuholen.

Ohne ihre Ankunft abzuwarten, schritt der Oberst auf das Pferd zu, dabei jede Vorsicht verschmähend.

» Paso! cuidado! Langsam! vorsichtig! Excellenza!« riefen verschiedene Stimmen aus der Menge. »Dieser Teufel würde dem besten Vaquero zu schaffen machen!«

Der Graf dankte mit einem Lächeln der Teilnahme, aber er schritt ruhig weiter und stand jetzt etwa drei Schritte von dem Pferde, das bei seiner Annäherung hoch aufbäumte und mit seinen Hufen durch die Luft schlug. Seine geröteten Augen blitzten vor Schreck und Wut, die beiden starken Männer auf beiden Seiten vermochten kaum die Zügel festzuhalten und wurden oft hoch in die Höhe gerissen.

»Das Leder dieser Zügel scheint gut zu sein?« sagte der Graf kaltblütig, indem er den Kopf halb nach dem Offizier umwandte.

»Sie sind aus Streifen von Büffelleder geflochten,« sagte der junge Mann, trotz seiner Antipathie unwillkürlich die Ruhe des Franzosen bewundernd. »Sie können sich auf sie verlassen, Señor, aber ich bemerke, daß Sie keine Sporen tragen.«

Er sah auf seine pfundschweren silbernen nieder.

»Es ist unnötig, – überdies zu spät. Ich darf den Herrn Gouverneur nicht warten lassen. Geben Sie mir die Zügel, meine Freunde!«

Der Soldat an der linken Seite des Pferdes reichte erfreut über den Befehl dem Grafen sofort den Zügel und sprang zurück. Im selben Augenblick warf sein Gefährte den anderen herüber, und der Franzose fing ihn geschickt auf.

Eine atemlose Stille, nur von dem Schnauben des Pferdes unterbrochen, herrschte unter der Menge.

Der Graf, an der linken Seite des bäumenden Pferdes stehend, hatte die beiden Zügel in der linken Faust. Das wilde Tier stieg auf den Hinterfüßen hoch in die Höhe, warf aus Maul und Nüstern weißen Schaum und schlug mit den Vorderhufen in die Luft.

Plötzlich sah man die rechte Hand des Grafen sich ausstrecken und den linken Vorderfuß des Tieres etwa eine Spanne hoch über der Fessel umfassen.

Ein Schrei des Entsetzens aus dem Munde der Frauen unterbrach das Schweigen.

»Er ist verloren! Zu Hilfe dem Caballero! es wird ihn zu Boden reißen!«

Aber seltsam – das Pferd stand wie eine Mauer; es versuchte offenbar, sich wieder auf den Boden nieder zu lassen, aber es vermochte dies nicht – der ausgestreckte Arm des Grafen, der die Kraft einer Eisenstange zu haben schien, hielt das Bein des Tieres frei in der Luft, seine ganze Last tragend, und zwang es, in dieser Stellung zu bleiben.

Die Augen des schwarzen Hengstes schienen blutdurchlaufen aus ihren Höhlen zu quellen, mit dem Geifer, den er ausschnob, mischten sich Blutflecken, der freie Huf schlug wild umher, ohne jedoch den Feind treffen zu können.

Dann faßte die Linke des kühnen Franzosen die Zügel kürzer, und, indem er zugleich den Fuß losließ, riß er mit einem gewaltigen Ruck das Tier herunter, so daß es schwer auf seine Hufe fiel.

In demselben Augenblick, da seine Füße den Boden berührten, hatte die Linke des Grafen fest die Nüstern des Tieres gepackt und drückte trotz alles Sträubens seinen Kopf so tief auf den Boden nieder, daß das edle Pferd die Vorderfüße beugen mußte und auf die Knie sank.

Einen Augenblick versuchte das wilde und kräftige Tier noch gegen diese unwiderstehliche Gewalt anzukämpfen, dann schien es das Bewußtsein zu fühlen, unterlegen zu sein, und ein ängstliches, halbersticktes Stöhnen gurgelte aus der keuchenden Brust hervor.

Das Pferd regte sich nicht mehr, es blieb in seiner knieenden Stellung liegen.

Der Graf warf einen kurzen triumphierenden Blick umher, dann ließ er die zusammengedrückte Nüster frei, wickelte den Zügel um die linke Hand, und diese auf die Vorderlehne des hohen mexikanischen Sattels stützend sprang er mit einer einzigen Bewegung in diesen.

Ein donnerndes Brava und Viva begleitete diese ebenso kühne wie geschickte Bewegung, während das erschrockene Tier emporsprang und wild um sich schaute.

Aber bereits hatte es seine Herrschaft verloren. Der Graf saß kaum im Sattel und fühlte das Pferd emporspringen, als er ihm einen Druck der Schenkel gab, der ihm den Atem und alle Lust zu weiterem Kampf gegen die Herrschaft des Menschen benahm. Die Zügel fest an der Hand, zwang er es in dem Galopp, mit dem es davon sprang, zu einer Volte und galoppierte dann zweimal im weiten Kreise umher, bis er wieder auf die nämliche Stelle zurückkam und das Pferd, ganz von Geifer und Schaum bedeckt, wie eine Mauer vor dem mexikanischen Leutnant stand.

»Jetzt, Señor Teniente,« sagte der Graf so ruhig, als säße er an der wohlbesetzten Tafel eines Freundes oder befände sich auf dem Diwan eines Boudoirs und nicht auf dem Rücken eines wilden Rosses der Prairie, »haben Sie die Güte, Ihr Pferd zu besteigen und mir den Weg zu dem Herrn Gouverneur zu zeigen!«

Es war, als ob der Schrecken und der Enthusiasmus der Umstehenden nur auf diesen Beweis der Kaltblütigkeit und Sicherheit gewartet hätte, um sich in einen Sturm von Jubel und Begeisterung aufzulösen. Die Vivas wollten kein Ende nehmen, die Frauen hoben ihre Kinder in die Höhe, ihnen den tapfern Extrangero Fremder. zu zeigen, die Mädchen lösten die Blumen aus ihren Haaren und von ihrem Busen und warfen sie ihm zu, und die Männer schworen bei ihren Schutzheiligen, daß er der erste Vaquero Pferdehirt, Pferdebändiger. der Welt sei. Bei einem Volk, wo das Pferd eine so bedeutende Rolle spielt, wo auch der Ärmste gewohnt ist, im Sattel jeden Gang zurückzulegen, konnte diese Begeisterung für das bei seiner großen Körperkraft sonst ziemlich einfache Kunststück nicht wundernehmen, und der Graf begriff, daß er durch sein erstes Auftreten einen vollständigen Sieg in der Meinung dieser Bevölkerung gewonnen hatte.

Er erwiderte daher lachend die Vorwürfe, die ihm sein getreuer Bonifaz machte, gab ihm einige Befehle in betreff der Ausschiffung der Expedition und wandte sich dann nach dem Haciendero und dem Offizier, die bereits im Sattel saßen.

»Sie haben mir da wirklich ein herrliches Geschenk überbracht, Señor Don Carboyal,« sagte er zu dem letzteren, indem er den Hals des Pferdes jetzt schmeichelnd und beruhigend klopfte, »und ich bin dem Herrn Gouverneur zu aufrichtigem Danke verpflichtet. Und jetzt, Señores, vamos! Vorwärts! Lassen sie uns gehen! Ein beliebter spanischer Ausdruck, wie das französische: » Allons!« wie Sie zu sagen pflegen!«

Der Teniente verbeugte sich schweigend und gab seinem Pferde die Sporen. Bei allem Vorurteil, das er gegen den Fremden hegte, unterlag er doch selbst zu sehr den Neigungen und Ansichten seiner Nation, um nicht gleichfalls mit Bewunderung dem Vorgang zugesehen zu haben.

Das Pferd, das den Grafen mit seinen Begleitern jetzt in vollem Galopp nach San José Guaymas trug, war in der That ein herrliches Tier und, nachdem es erst gebändigt worden, ein wertvolles Geschenk. Zaum und Sattel waren nach der Sitte des Landes reich mit Sammet und Silber verziert.

Der Graf ritt, ohne die eben vorgegangene Scene mit einer Silbe zu erwähnen, über gleichgültige Dinge plaudernd, mit seinen beiden Gefährten weiter.

Der Weg zwischen San Fernando und San José Guaymas ist nicht weit, er ist eben und offen, aber er enthält dennoch auf seiner Mitte ein seltsames Hindernis.

Ein Morast, ein Sumpf, eine Art von Baya oder Meeresarm, zuweilen von den Sturmfluten neu getränkt, und zugleich einen aus dem Innern kommenden Bach aufnehmend und in das Meer führend, erstreckt sich quer über die Straße.

Es ist charakteristisch für die Fahrlässigkeit oder vielmehr Gleichgültigkeit, mit der in diesem Lande alle Angelegenheiten der öffentlichen Ordnung behandelt werden, daß trotz des angewachsenen Verkehrs es noch keinem Menschen eingefallen ist, diesen Sumpf auszutrocknen, oder wenigstens einen festen Damm für die Straße hindurchzubauen.

Als sich die drei Reiter, von den beiden Dragonern und einem Diener des Senators gefolgt, dem Sumpfe näherten, sahen sie, daß ein anderer Reiter ihnen auf diesem Wege zuvorgekommen war und eben an der Hütte hielt, die am Rande der Furt von Rohr, Baumzweigen und Rasen erbaut ist.

Dieser Reiter, der schwarz gekleidet war und einen orientalischen Turban von roter Farbe trug, schien jemand zu rufen. Alsbald kam aus der Hütte ein in eine zerlumpte Zarape gehüllter Indianer hervor, ergriff eine lange Stange und schlug damit unter lautem Geschrei ins Wasser. Nachdem dies einige Minuten geschehen war, trieb der Reisende sein Pferd in das Wasser, ritt durch die Furt und setzte am andern Ufer im Galopp seinen Weg nach San José fort.

Fünf Minuten darauf war die Gesellschaft des Franzosen an derselben Stelle, und der Graf wollte sein Pferd ohne weiteres in das Wasser treiben, als der Senator ihn zurückhielt.

»Señor Conde! wollen Sie sich von den Tieren fressen lassen, eh' wir noch unser Werk begonnen?«

Der Graf sah ihn fragend an.

»Es ist der Alligator-Sumpf,« sagte der Offizier. »Der Guardia Wächter. muß sie erst vertreiben, ehe die Reisenden den Sumpf passieren können!«

»Aber ich sehe Ihre Kaimans oder Alligatoren nicht!«

»Der Reisende vor uns hat sie verjagt. Es ist derselbe, der bei unserer Ankunft in einem Boot an uns vorüberfuhr. Vielleicht, daß ihn der Señor Carboyal kennt?«

Die Frage war an den Leutnant gerichtet, der unterdes dem Indianer einen Befehl gegeben hatte.

»Es ist ein englischer Lord, der mit der Brigg angekommen, die im Hafen von San Fernando ankert. Sie werden ihn wahrscheinlich bei Sr. Excellenz dem Gouverneur finden. Sehen Sie, dies Gewürm hat seine Plätze wahrhaftig schon wieder eingenommen!«

In der That rauschte es bei den Stangenschlägen des Indianers in dem Sumpf auf und fünf oder sechs der mit Schlamm bedeckten riesigen Eidechsen huschten zur Seite, ohne jedoch die Menschennähe sonderlich viel zu fürchten; denn zwei der größten blieben etwa zehn Schritt von dem Durchgang entfernt im Morast hocken, streckten den häßlichen Kopf durch das Schilf und sperrten die rosenfarbenen, mit gewaltigen Zähnen umkränzten Rachen auf, die Reisenden mit ihren grünen Augen anglotzend.

Der Graf wandte sich zu dem Offizier.

»Sind die Pistolen in Ihren Halftern geladen, Señor Teniente?« frug er.

»Immer, Herr Graf!«

»Darf ich Sie dann um eine derselben bemühen?«

»Mit Vergnügen, Señor, aber wenn Sie sich die Unterhaltung machen wollen, auf eine der Bestien zu schießen, so erlauben Sie mir die Bemerkung, daß es eine vergebliche Mühe ist; denn selbst eine Büchsenkugel würde von ihrem Panzer abprallen. Nur durch einen Schuß ins Auge sind sie zu töten.«

»Geben Sie!« Der Graf hatte die Pistole genommen und den Hahn gespannt. Sein Pferd versuchte einen Seitensprung, aber er zwang es mit festem Schenkeldruck, den Sumpf zu betreten und ritt langsam durch die Furt, während die Untiere zur Seite mit dem geräuschvollen Zusammenklappen der Kinnladen ihre Furcht und ihre Wut kundgaben. Plötzlich hob er rasch die Hand und feuerte. Die Alligatoren tauchten unter und verschwanden unter der Wasserdecke.

Der mexikanische Offizier lachte spöttisch. »Ich sagte es Ihnen vorher, Señor,« bemerkte er, »ein Schuß ins Auge allein ist ihnen gefährlich.«

»Und wenn man sie ins Auge trifft?«

»So erfolgt der Tod sogleich und wenige Augenblicke nachher zeigen sie ihren weißen Unterleib auf der Oberfläche.«

Die Gesellschaft hatte bereits das andere Ufer erreicht, der Graf drehte gelassen sein Pferd um.

» Voilà, Monsieur!«

Sein Finger wies auf die Stelle zurück, wo vorhin die beiden Alligatoren ihre Köpfe herausgestreckt hatten.

Ein weißlich gelber Körper hob sich eben aus dem schmutzigen Wasser empor.

» Caramba! es ist der Alligator! bei allen Heiligen, das war ein Meisterschuß!«

»Ich schieße nie fehl!« sagte der Graf kalt, indem er die Pistole zurückgab. »Und jetzt wird mich dies Viehzeug hoffentlich kennen und mir nicht mehr den Weg versperren, wenn ich Se. Excellenz den Herrn Gouverneur zu besuchen denke. Vamos!«

Und er gab seinem Pferde die Fersen und galoppierte weiter. Der Offizier war über diese zweite Lektion, die er im Verlauf von kaum einer halben Stunde erhalten hatte, anfangs etwas verblüfft, aber er rekollierte sich bald und folgte dem Voransprengenden, während der erfreute Indianer mittels eines langen Hakens die ihm so unverhofft zugefallene Beute aus dem Sumpfe holte.

Die Nachricht von der Ankunft der Expedition und dem Besuch ihres Anführers bei dem Gouverneur hatte sich auch in San José bereits verbreitet und die Reiter wurden bei ihrem Eintreffen mit gleichem Enthusiasmus empfangen, wie in dem Hafen selbst. Das Haus des Gouverneurs lag an dem Plazza mayor und in dem Augenblick, wo die Gesellschaft, welcher der Offizier einige Minuten vorangeritten war, ankam, und wo der Graf und der Senator aus dem Sattel stiegen, erschien unter der Veranda der Gouverneur von Guaymas, Oberst Juarez, mit einigen seiner Offiziere und dem Engländer.

Es war in der That der spätere Präsident und nachmals so berühmte Führer der mexikanischen Nationalen, der damals die Stelle als Gouverneur der wichtigsten Hafenstadt des Westens bekleidete. Zu jener Zeit war er freilich nur als ein untergeordneter, aber ehrgeiziger und schlauer Offizier und als großer Gegner der spanischen Partei bekannt.

Der Unterschied zwischen beiden Männern, die sich jetzt mit dem ganzen Hochmut ihrer Nationalität, aber auch deren gewandten und höflichen Formen gegenübertraten, war in jeder Beziehung ein überaus großer. Wir haben bereits früher Gelegenheit gehabt, die imposante und stattliche Gestalt des Abkömmlings der Bourbonen zu beschreiben. Dem gegenüber verschwand die kleine zierliche Figur des Mexikaners, dessen Gesichtszüge gleich denen seines Offiziers stark an die aztekische Rasse erinnerten. Dennoch fehlte es ihm nicht an einer gewissen Würde, die seinen Anspruch auf die Abstammung von den alten Herrschern des Landes bekräftigte, und sein schwarzes Auge zeigte Klugheit und Energie.

»Mögen Euer Excellenz tausend Jahre leben und willkommen sein in unserem Lande!« sagte der Mexikaner, ohne eine Vorstellung seitens des Senators abzuwarten »Haben Sie die Gnade, Señor Conde, mein Haus als das Ihre zu betrachten!« Damit reichte er dem Franzosen die Hand und führte ihn durch die Veranda in das große Gemach des Hauses, wo ein Frühstück nach mexikanischer Sitte serviert war.

»Señor Don Estevan,« fuhr hier der Gouverneur fort, »ich habe die Ehre, Ihnen zu Ihrer Rückkehr Glück zu wünschen. Wie ich gehört, hat die liebenswürdige und hochgeehrte Señora Donna Dolores Sie auf dieser beschwerlichen Reise begleitet? ich hoffe, daß die Zierde der Sonora in gleich erwünschtem Wohlsein zurückgekehrt ist?«

Jeder Zug in dem Gesicht des Mexikaners war bei dieser Erkundigung eitel Höflichkeit und der Graf konnte keinen andern Ausdruck darin entdecken, obschon er ihn scharf beobachtete, da er von dem Senator selbst wußte, daß Oberst Juarez als Witwer sich um die Hand der Donna Dolores beworben hatte, um in wohlberechnetem Ehrgeiz durch diese Verbindung die Popularität seiner Abstammung mit dem Gewicht des Einflusses und des Reichtums der spanischen Familien vom reinen Blut zu verbinden. Die Ablehnung seiner Bewerbung war eine der Ursachen des politischen Zwiespalts und seiner Opposition gegen das Projekt der Sonora-Expedition.

Der Haciendero verbeugte sich mit der gleichen Höflichkeit.

»Señor Don Juarez,« sagte er kalt, »ich sage Ihnen meinen unterthänigen Dank für die Erkundigung«. Señora Dolores befindet sich so vortrefflich, wie es bei einer Verlobten nur sein kann!«

Diesmal konnte der Mexikaner bei aller Selbstbeherrschung eine heftige Bewegung nicht unterdrücken.

» Caramba, Señor Don Estevan! was sagen Sie da? Señora Dolores verlobt?«

»Ich habe die Ehre, Excellenz, Ihnen in diesem sehr ehrenwerten Herrn, dem Grafen von Raousset Boulbon, den künftigen Gemahl der Señora Doña Dolores da Sylva Montera vorzustellen. Die Sache ist jedoch eigentlich noch ein Familiengeheimnis, da die Vermählung erst stattfinden soll, wenn der Señor Conde von der Besiegung der Apachen zurückkehrt, indes ich weiß, daß Euer Excellenz und diese Señores den freundlichsten Anteil an meiner Familie nehmen.«

Der Gouverneur hatte sich gefaßt. »Gewiß, Señor, gewiß! Nehmen Sie meine herzlichsten Glückwünsche, und da auch von diesen Herren die Rede ist, so erlauben Sie mir, Ihnen in diesem Señor Se. Herrlichkeit den Lord von Drysdale vorzustellen, dessen Schiff Sie wahrscheinlich in der Bucht von San Fernando bei Ihrer Ankunft bemerkt haben, und der mir die Ehre seines Besuches und seiner Freundschaft erzeigt.«

Die Vorgestellten verbeugten sich gegeneinander; der Graf hegte zu viel nationale Antipathien gegen die britische Nation, um sonderlich viel Notiz von dem Fremden zu nehmen, doch konnte er sich nicht verhehlen, daß dessen äußere Erscheinung Eindruck auf ihn machte. Lord Drysdale sprach nur wenig, seine Miene war noch immer ernst, fast finster zu nennen, und ein Zug tiefer Schwermut lagerte auf seinem von der Sonne der Tropen gebräunten Gesicht. Aus den wenigen Bemerkungen, die er während des Frühstücks machte und aus einigen Worten des Gouverneurs ging hervor, daß der Lord schon früher Don Juarez kennen gelernt hatte und daß er jetzt diese Küsten bereiste und auf dem Wege nach San Francisco war.

In der That hatte Henry Norford nach der Vernichtung des Raubschiffes in der Bucht von Saypan an den Ladronen zwar seine Kriegsfahrt aufgegeben und seine Brigg »der Rächer« nach Indien zurückgesandt, aber er konnte sich noch immer nicht entschließen, diese Meere zu verlassen, deren Tiefe sein Liebstes barg, um nach Europa zurückzukehren. Teils hielt ihn die Erinnerung fest, teils noch immer der Gedanke, daß der »Rote Hay« dennoch jenem Gemetzel entkommen und noch unter den Lebenden sein könnte. So war er seit etwa zwei Jahren von einer Küste des großen Oceans und der indischen Meere zur andern geschweift und wollte sich jetzt nach Kalifornien begeben, um von hier aus den Landweg durch die Felsgebirge nach New-York anzutreten und im Vaterlande seinen Schmerz zu begraben, da die Vergeblichkeit aller seiner Nachforschungen ihn endlich überzeugt hatte, daß der Bösewicht, den er verfolgte, sein Grab gefunden haben mußte.

In diesem Augenblick führte die Hand Gottes den Mörder seines Glücks aufs neue in seinen Weg, ohne daß er bis jetzt eine Ahnung davon hatte.

Man hatte es mit der mexikanischen Höflichkeit vermieden, während des Frühstücks von Geschäften und dem Zweck der Anwesenheit des Grafen mit seiner Schar zu sprechen, und Oberst Juarez hatte es meisterhaft verstanden, sich zu verstellen und die Gefühle in sich zu verschließen, welche die Mitteilung des Haciendero in ihm erregten. Erst als die Gesellschaft sich erhob und der Graf und sein künftiger Schwiegervater Anstalt trafen, zurückzukehren, wandte er sich an den ersteren.

»Wann Señor Conde, gedenken Sie die Ausschiffung der Expedition beendigt zu haben?«

Der Franzose warf einen Blick auf den Senator. Dieser legte, wie zufällig, zwei Finger auf die Brust.

»In zwei Tagen, Señor Governador!«

»So daß ich demnach mit Euer Excellenz Erlaubnis übermorgen, wie Sie es in Europa nennen, Musterung über Ihre Kompagnie halten kann?«

Eine dunkle Röte überflog bei dieser Frage die Stirn des stolzen Franzosen.

»Es wird mir ein Vergnügen machen,« sagte er kalt, »übermorgen früh meine Expedition Euer Excellenz vorstellen zu können.«

»Ich bin überzeugt davon, Herr Graf,« fuhr der Mexikaner fort, »daß ein Offizier Ihrer Erfahrung verstanden hat, eine tüchtige Truppe zusammenzubringen, die, wenn auch als irreguläres Corps, doch der mexikanischen Armee, der sie für eine bestimmte Zeit anzugehören die Ehre hat, entsprechen wird. Freilich ist der Krieg an unseren Grenzen und mit den wilden Horden der Indianer ein anderer, als in Europa, und die Interessen der Regierung verlangen daher, daß ich mich auf das Sorgfältigste um die Verwendung ihrer Mittel und die Ausführung des Kontraktes kümmere, da sonst die Expedition leicht ohne den gehofften Erfolg bleiben würde. Mit Übereinstimmung des Herrn General-Gouverneurs in Arispe werde ich Ihnen daher eine Abteilung unserer Dragoner, zuverlässige und in unseren Kriegen erfahrene Leute, unter dem Kommando des Señor Don Carboyal mitgeben.«

Das Gesicht des Grafen war bei der Rede, die offenbar den Zweck hatte, ihn zu demütigen, immer dunkler geworden, aber ein warnender Blick des Haciendero ermahnte ihn zur Kaltblütigkeit.

»Ich hoffe, Señor Don Governador,« sagte er mit gewaltsamer Fassung, »Ihnen binnen kurzem zu beweisen, daß meine Leute sich alle Mühe geben werden, der Armee von Buena-Vista und Cerro Gordo Zwei berühmte Niederlagen der mexikanischen Truppen unter Santanna im amerikanischen Kriege. sich würdig zu zeigen. Señor Estevan wird die Güte haben, die weiteren Punkte meines Vertrages mit der mexikanischen Regierung mit Euer Excellenz zu verhandeln. Was die freundliche Unterstützung der Expedition durch eine Abteilung der regulären Dragoner betrifft, so überhäufen Euer Excellenz einen armen Fremden mit Güte, und ich habe Ihnen noch für das ausgezeichnete Geschenk zu danken, das Sie mir durch unsern jungen Freund hier überbringen ließen!«

Er deutete auf das Pferd, das eben die Diener vor die Stufen der Veranda geführt hatten.

» Carrajo,« rief der Oberst, »ich habe gehört, daß es Ihnen wirklich gelungen ist, diesen Teufel zu bändigen, was bisher noch keinem meiner Reiter geglückt war!«

Der Graf lachte hochmütig. »Euer Excellenz sehen, daß ein Franzose mit Wilden wie mit Zahmen fertig zu werden versteht. Ich hoffe, Euer Excellenz davon noch weitere Proben zu geben, wenn ich den Schatz Ihrer Vorfahren hebe, den zu finden Señor Juarez bisher nicht gelang.« Und den Fuß leicht in den Bügel setzend, sprang er in den Sattel des Pferdes und zwang es zu einer Lançade.

Der Gouverneur war einen Augenblick erbleicht bei den letzten Worten des Grafen; denn die Tradition seiner Familie war ihm nicht unbekannt, die von den ungeheuren Reichtümern sprach, welche die letzten Herrscher Mexikos auf ihrem Rückzug vor den spanischen Überwindern in den Einöden an der Grenze der Sonora verborgen haben sollten.

Er hatte jedoch Selbstbeherrschung genug, seine Bewegung zu verbergen. »Mögen Euer Excellenz tausend Jahre leben, um Ihre Absicht auszuführen! Auf Wiedersehen in San Fernando!«

Der Graf und der Senator gaben ihren Pferden den Zügel und galoppierten unter den Vivas der Menge davon, der Oberst Juarez kehrte in sein Gemach zurück.

Der Gouverneur verabschiedete die Offiziere bis auf seinen Adjutanten Carboyal und blieb mit diesem und dem Engländer allein.

» Caramba!« sagte er, indem er sich eine Cigarette von Maisstroh drehte. »Was sagen Sie zu diesem Franzosen?«

»Dieser Franzose, Señor Juarez,« erwiderte der Lord »ist ein Mann!«

»Pah! er ist ein Prahler und Abenteurer, nach allem, was Don Valerio von ihm erzählt, und bei dem Schatten Montezumas! ich fürchte, daß die Herren Comanchen und Apachen seiner Hochzeit mit dieser hochmütigen Närrin vom blauen Blut einen Riegel vorschieben werden!«

»Dann wird er sie vorher heiraten!« sagte der Leutnant.

Der Gouverneur schaute ihn fragend an.

» Par Christo! es ist, wie ich sage! Was ich von seinen Banditen gesehen habe, flößt mir wenig Zutrauen ein. Der Aufenthalt bei den Fleischtöpfen von Guaymas, wenn sie ihn erst kennen gelernt haben, dürfte ihnen besser behagen, als der Krieg in der Wüste. Wer wird sie daran hindern?«

»Ich!«

»Euer Excellenz Energie ist bekannt. Aber ich bitte Sie, zu bedenken, daß wir nur 400 Mann Truppen in Guaymas haben, und Don Estevan ein alter Intriguant ist, der die Anwesenheit dieser Männer für seine eigenen Zwecke benutzen könnte.«

»Sie haben recht, Don Valerio! Wir müssen sofort unsere Anstalten treffen. Wo, sagten doch Eure Herrlichkeit, daß Sie der Santa Trinidad begegnet wären?«

»Auf der Höhe der Punta San Ignacio, Sir!«

Der Gouverneur schlug auf ein Becken, das im Zimmer hing und die Stelle einer Klingel vertrat.

Ein Diener erschien.

»Man sende mir augenblicklich Volaros hierher!«

Einige Augenblicke nachher trat der mit dem Namen des »Fliegenden« Bezeichnete ein. Es war ein Mann von etwa 40 Jahren, der nur Haut und Muskeln zu sein schien und, wie die Vaqueros der großen Haciendas, ganz in Leder gekleidet war, mit mächtigen spannenlangen Sporen an den Stiefeln.

»Wie viel Leguas vermögen Sie in 24 Stunden zurückzulegen, Señor Volaros?« frug der Gouverneur den Staatsboten, denn das war das Amt des Mannes.

» Caramba, Señor! das wird weniger auf mich, als auf das Pferd ankommen, das ich reite.«

»Sie kennen El Zapote aus meinem Stall?«

Der Reiter schnalzte mit der Zunge. »Teufel!« sagte er, »dann muß das Geschäft allerdings Eile haben, wenn Euer Excellenz mir Ihr bestes Pferd zu Gebote stellen wollen, dessen Beine nur von den Muskeln desjenigen übertroffen werden, das dieser verdammte Franzose uns zur Schande reitet!«

»Also?«

»Mit El Zapote, Señor Don, mache ich mich anheischig, in 24 Stunden fünfundzwanzig Leguas zurückzulegen.«

»Und wenn Sie unterwegs das Pferd wechseln können?«

»Dreißig bis fünfunddreißig!«

»Ich habe Ihr Wort?«

Der Bote griff in die Tasche seiner Lederjacke und zog einen Rosenkranz und ein Spiel schmutziger Karten heraus. Den ersteren küßte er andächtig und steckte ihn wieder ein, die Karten legte er auf den Tisch.

» Catad, Señor! jede Versuchung ist jetzt entfernt, und ich gebe Ihnen mein Wort als Caballero!«

» Muy bien! So machen Sie sich fertig, in zehn Minuten im Sattel zu sein!«

»Nach Arispe, Señor?«

»Nein! Sie werden es im Augenblick erfahren, wo Sie den Brief abholen. Satteln Sie El Zapote!«

Der Sendbote verbeugte sich und ging.

»Es ist unnötig,« fuhr der Gouverneur fort, »daß er vorher erfährt, wohin er zu gehen hat. Wenn Sie dem San Trinidad an der Punta San Ignacio begegnet sind, muß er jetzt in der Mündung des Mayo oder des Fuerte, schlimmsten Falls in der Bucht von Ahome ankern. Letzteres ist nicht volle dreißig Leguas von hier entfernt, er kann es morgen um diese Zeit erreicht haben, und da der Seeweg der kürzere ist, kann die Santa Trinidad bei günstigem Winde übermorgen Vormittag im Hafen von San Fernando sein! Ich habe Sie für diesen Fall um eine Gefälligkeit zu bitten, Mylord!«

»Sprechen Sie!«

»Ihr Schiff liegt in dem Hafen. Haben Sie die Güte, es außerhalb des Hafens gegenüber dem Cabo Haro für die nächsten Tage ankern zu lassen, so daß jedes vom Süden herkommende Fahrzeug ihm zunächst zur Sicht kommen muß. Sobald die Trinidad ankommt, haben Sie die Güte, dem Kapitän ein Schreiben, das ich Ihnen bis morgen zustellen lassen werde, durch ein Boot zu senden.«

» Yes!«

»Señor Teniente, ich bitte Sie, sofort das Ersuchen an Don Fabiano Floreno, den Kapitän der San Trinidad, auszufertigen, angesichts desselben so rasch wie möglich nach der Reede von Guaymas zu steuern. In fünfzehn Minuten muß Volaros auf dem Wege sein. Ein zweiter Bote wird Seine Excellenz den General-Gouverneur in Arispe von unsern Vorsichtsmaßregeln in Kenntnis setzen. Euer Herrlichkeit werden mir sicher das Vergnügen schenken, der Heerschau über diese Abenteurer beizuwohnen?«

Lord Henry nickte seine Einwilligung, er versprach, seine Abfahrt nach San Francisco um drei Tage aufzuschieben.


Während hier bereits die Eifersucht des Gouverneurs, der Nationalhaß und noch ein anderer Grund, den wir später zu berühren haben werden, Schwierigkeiten und Gefahren der Expedition des französischen Grafen vorbereiteten, hatte dieser selbst auf dem Rückweg mit dem Haciendero ein ernstes, denselben Gegenstand betreffendes Gespräch.

Der Graf ritt einige Zeit stumm neben dem Senator her, mit unangenehmen Gedanken kämpfend. Obschon seine Leidenschaft für die schöne und stolze Spanierin während der Überfahrt von San Francisco sehr rasche Fortschritte gemacht und ihn in der That verleitet hatte, bei dem Senator um sie anzuhalten, war man doch um der mit dieser Verbindung verknüpften politischen Pläne willen dahin überein gekommen, sie vorläufig geheim zu halten. Dem Grafen war dies um so lieber, als er die Bemerkungen seines Faktotums Bonifaz und die Scene mit Suzanne fürchtete, die folgen mußte, und der er vorbeugen wollte indem er die alte Geliebte nach und nach auf seinen Entschluß vorbereitete und ihr die Vorteile und die Notwendigkeit dieser Verbindung auseinandersetzte.

Um so mehr hatte ihn daher die Erklärung des Senators bei dem Gouverneur in Erstaunen gesetzt und fast verletzt, und er sann jetzt darüber nach, wie er am kürzesten die beiden ihm so nahe stehenden Personen in das ihnen bisher vorenthaltene Geheimnis einweihen sollte, da er wohl einsah, daß die Sache nun nicht länger verschwiegen bleiben könne.

Der Senator hatte eine Weile gewartet, daß der Graf ihn ansprechen sollte, als dies aber nicht geschah, regte sich sein spanischer Stolz. »Es scheint, Señor Conde,« sagte er hochmütig, »daß ich mich in meiner Erwartung getäuscht habe. Ich hatte geglaubt, daß Sie die erste Gelegenheit ergreifen würden, mir für die Anerkennung Ihres Verlöbnisses mit einer Tochter aus dem ruhmreichen Hause der Montera Dank zu sagen; statt dessen aber finde ich Sie stumm wie einen Bewohner der Gewässer, während wir doch Wichtiges genug zu besprechen haben. Sollte Ihnen diese Verbindung mit dem besten Blute Spaniens, das selbst dem Königlichen nicht nachsteht, etwa leid geworden sein?«

Der Graf riß sich gewaltsam aus seiner Stimmung, er fühlte die Gefahr jedes Verzuges.

»Verzeihen Sie, Señor Don Estevan! Sie wissen sehr wohl, wie glücklich mich jede Abkürzung der Zeit macht, in der ich hoffen darf, Señora Dolores meine Gattin zu nennen. Aber ich muß gestehen, daß ich erstaunt war. Sie unsere Verbindung selbst verkünden zu hören, nachdem Sie es gerade wünschten, dieselbe geheim zu halten, bis wir das Ziel erreicht, das uns …«

Der Senator unterbrach ihn. »Das Ziel ist vielleicht näher, als Sie denken. Der vertraute Diener meines Hauses hat mir während unseres Rittes Bericht erstattet über die Ereignisse während meiner Abwesenheit in San Francisco. Oberst Juarez ist ein Mann von glühendem Ehrgeiz und voll Haß gegen die Aristokratie des Landes. Er steht in Verbindung mit dem General Carbajal in Texas und auf dem Punkt, sich selbst zum General-Gouverneur der Staaten Sonora und Chihuahua ausrufen zu lassen. Ja, es liegen bestimmte Anzeichen vor, daß er der Bewegung und dem Bündnis der Indianer selbst nicht fremd ist.«

»Aber der General-Gouverneur in Arispe?«

»Er ist ein Mann ohne Energie, und Juarez hat ihn nicht zu fürchten. Was er fürchtet, das ist unsere Expedition, die seine Pläne bedroht, indem sie hier eine Macht bildet, der, wenn wir mit den Grundbesitzern vereint sind, die seine kaum die Spitze bieten kann. Er hat die Ankunft der Schiffe wahrscheinlich nicht so rasch erwartet, sonst wäre der Schlag bereits erfolgt. Aus diesem Grunde hat er den tückischen Versuch gemacht. Ihnen in den Augen der Menge gleich bei Ihrem ersten Schritt auf mexikanischen Boden eine Niederlage zu bereiten. Ihr Mut und Ihre Gewandtheit, Señor, haben seine List zu nicht gemacht. Aber verlassen Sie sich darauf, daß er bei diesem Versuch nicht stehen bleiben wird. Es ist ihm gelungen, das ganze Unternehmen bei dem General zu verdächtigen, und es ist bereits beschlossen, die von Ihnen geworbene Schar in einzelne Posten an der Grenze zu verteilen und so Ihre Macht zu brechen. Man wird Sie als einen Offizier der mexikanischen Armee behandeln, nicht als selbständigen Führer – Sie haben die Andeutungen bereits gehört!«

Der Graf strich sich den Schnurbart.

» Ventre saint gris!« sagte er, »ich möchte diesem Halbindianer leicht das Spiel verderben! Warum wollen wir unter diesen Verhältnissen noch warten und nicht sofort ausführen, was doch später geschehen soll?«

»Das ist es, Señor Conde, worüber ich mit Ihnen reden wollte. Ich habe es für zweckmäßig gehalten, Ihre Verlobung mit Dolores schon jetzt bekannt zu machen, um Sie dadurch mit der Aristokratie des Landes zu verschmelzen und den Gouverneur zu einem rascheren Zeigen seines Hasses und seiner Pläne zu verleiten. Er hat sich genugsam verraten. Sobald wir in meinem Hause in San Fernando sind, sollen Sie weiteres hören. Noch diesen Abend sollen meine Boten unsere Freunde benachrichtigen, daß sie sich bereit halten und uns Unterstützung senden. Sie glauben also sich aus Ihre Leute verlassen zu können?«

Der Graf lachte. »So verschiedenartig die Elemente auch sein mögen, aus denen meine Schar zusammengesetzt ist,« sagte er, »so bin ich überzeugt, daß ich mit ihr die Hölle erstürmen könnte, wenn wir nur den Weg dahin wüßten.«

»Desto besser, Señor Conde,« sprach mit gedämpften Ton der Senator. »Die Königskrone der Sonora wird meinen Enkeln nicht zu schwer sein!«

In tiefen Gedanken setzten die beiden Männer ihren Weg fort. Der arme Indianer José hoffte diesmal vergeblich auf einen neuen Pistolenschuß des Forestero, der ihm wieder den weißen Bauch eines Alligators zeigen sollte.


In San Fernando herrschte am Abend ein ausgelassenes Leben, es war, als ob die bösen Geister ihren Sabbath feierten. Nachdem sie wochenlang an Bord der Schiffe eingesperrt gewesen war, benutzte die Gesellschaft natürlich die Gelegenheit des ersten Betretens des Landes, um sich dafür zu entschädigen, und das Geld, was ihr die Spielbanken von San Francisco etwa übrig gelassen hatten, möglichst rasch zu vergeuden. Überdies hatte der Graf seinem Haushofmeister Bonifaz, der den Zahlmeister der Kompagnie machte, befohlen, den Leuten einen Monatsold auszuzahlen, damit ihr erstes Auftreten in Guaymas möglichst vorteilhaft ausfalle.

Die Hafenschenken, die Spielbuden, und selbst die meisten Privatwohnungen der unteren Klassen waren daher überfüllt von Mitgliedern der Expedition, und auf dem Landeplatz war mitten zwischen den aufgehäuften Warenballen ein großes Feuer angezündet, an denen die Grogkessel brodelten oder ein fetter Hammelrücken briet, während daneben beim Klang der Guitarre und Kastagnetten eine Gesellschaft lustiger Gesellen mit den Mädchen des Ortes den Bolero tanzte.

Diego Muñoz, der ehemalige Capataz, der Lastträger, der wegen des Mordes eines Vaters und seiner zwei Söhne und der Entführung der Tochter aus Guaymas hatte flüchten müssen, stolzierte jetzt hochmütig und im Gefühl voller Sicherheit unter seinen Gefährten umher und hatte an jedem Arm eine der hübschesten und gefälligsten Chinas von San Fernando, während er mit der Miene eitler Befriedigung den Dampf seiner Maiscigarette in die Luft blies. Diese Befriedigung galt nicht allein der schönen Gesellschaft, in der er sich befand und der Rückkehr in seine Heimat, sondern hauptsächlich der neuen Würde, zu welcher der Graf ihn erhoben. Dieser hatte nämlich während der Überfahrt, um eine leichtere Handhabung und bessere Ordnung seiner Truppe zu bewirken, diese in Abteilungen zu 30 bis 40 Mann geteilt, und über jede von ihnen einen Führer gesetzt. Zu einem solchen war Diego Muñoz wegen seiner Lokalkenntnis und seines Anhangs befördert worden. Die anderen Führer waren der Torero Antonio Perez, der bisherige Leutnant der Expedition mit einer entsprechenden Ausdehnung seiner Truppe; Juan Racunha, der Perlenfischer von Espiritu Santo; ein ehemaliger deutscher Unteroffizier von der Artillerie, Namens Weidmann, der den ersten Feldzug in Schleswig-Holstein mitgemacht hatte und dann nach Kalifornien gegangen war, und bei aller Neigung zu Spirituosen doch vortrefflich seinen Dienst verstand; und ein Pole, der schon die Schlachten von Grahow und Ostrolenka mitgefochten und in den letzten Jahren wieder von Miroslawski sich hatte bethören lassen, an jener unsinnigen und hoffnungslosen Erhebung in Posen teilzunehmen, die weniger auf den aufopfernden Kampf für hohe nationale Interessen, als auf Befriedigung der Eitelkeit ihres unfähigen Führers und Mord und Plünderung hinauslief. Später hatte er in Ungarn unter Bem gefochten, war mit ihm nach der Türkei übergetreten und über England nach Amerika gekommen. Er war ein Mann von mehr als fünfzig Jahren, graubärtig und von finsterem Ansehen, mit Namen Hippolyt von Morawski, und der Graf, der großes Vertrauen zu seiner Energie und Treue gewann, hatte ihn zum Führer der leichten Reiter-Abteilung bestimmt, die er sich bilden wollte.

Meister Kreuzträger, dem der Graf gleichfalls ein Kommando zugedacht, hatte dies abgelehnt, und dagegen gebeten, sich fünf bis sechs Kameraden aus der ganzen Schar nach seinem Belieben aussuchen zu dürfen, mit denen er es übernehmen wollte, den Kundschafterdienst der Expedition auf dem Marsch zu versehen und ihre Versorgung mit frischem Wild zu übernehmen.

Den ehemaligen preußischen Offizier Arnold von Kleist hatte der Graf zu seinem persönlichen Adjutanten bestimmt, wobei Diego Muñoz das frühere Amt einer Art Stabschefs behielt, der den Verkehr des Grafen mit seinen Leuten vermittelte.

Der Gouverneur Juarez hatte, wie sich der Graf bei seiner Rückkehr nach San Fernando überzeugte, noch keine Anstalten für die einstweilige Unterbringung der Expedition getroffen, und wenn dies auch auf den Umstand geschoben werden konnte, daß die Expedition früher angekommen war, als man sie erwartet hatte, so zeigte doch das weitere Verfahren eine offenbare beleidigende Vernachlässigung; denn im Laufe des ganzen Tages ließ sich kein Bote oder Beamter des Gouverneurs blicken, um diese Anstalten zu treffen. Der Graf befahl daher, daß die Expedition einstweilen auf dem Hafenplatz ein Biwak aufschlagen sollte, was um so weniger eine Belästigung für sie war, als die Nacht ohnehin unter Spielen und Trinken zugebracht wurde und die Bewohner von San Fernando sich beeiferten, sie mit Lebensmitteln vollauf zu versehen.

Der Graf mit seinen Begleitern: dem Mayordomo und Suzanne, hatte seine Wohnung in den Gebäuden der weitläufigen Handelsfaktorei genommen, die der Senator zum Absatze der Produkte seiner Haziendas in San Fernando Guaymas besaß.

In der Wohnung des Senators und des Grafen war an diesem Abend ein geheimnisvolles, aber sehr reges Leben und Treiben. Boten waren schon am Nachmittag von dem Senator nach verschiedenen Seiten an alle auf zehn Leguas in der Runde wohnenden Freunde gesandt worden, um sie für den nächsten Tag nach der Stadt zu bescheiden, andere, Männer von entschlossenem und kühnem Aussehen, sprengten im Galopp mit besonderen Aufträgen fort. Im Dunkel der Nacht kamen Geistliche in ihren braunen und weißen Kutten in das Haus geschlichen und hielten mit dem Hausherrn geheime Unterredungen, und selbst zwei Soldaten von der Garnison des Forts waren von dem alten Diener des Senators bei ihm eingeführt worden und hatten ihn mit sehr vergnügten Gesichtern wieder verlassen, um sich sofort in die nächste Spielbude zu begeben.

Der Graf hatte unterdes die Rapporte seines Leutnants über die Ausschiffung und den Zustand der Leute entgegengenommen und selbst ihr Biwak auf der Plazza besucht, wo er mit enthusiastischem Jubel empfangen worden war. Jetzt eben stand Diego Muñoz, der ehemalige Capataz der sehr ehrenwerten, nur etwas wilden und händelsüchtigen Zunft der Lastträger von Guaymas vor ihm und beide waren in einem wichtigen Gespräche begriffen.

»Wie viel Mann, Señor Muñoz,« sagte der Graf, »sagten Sie doch, daß die Zunft hier zählt?«

»Hundertdreiundzwanzig, Señor Conde, alles Bursche, um eine Seele aus dem Fegfeuer zu holen! aber dieser Schurke von Herrero, ihr jetziger Capataz, ist ein verfluchter Föderalist, so daß …«

»Nun?«

»So daß Sie auf meine Kameraden wenig zählen können, es sei denn …«

Der würdige Rival des Herrn Herrero stockte und warf einen etwas unsicheren Blick auf seinen Anführer.

»Ich wünsche, daß Sie offen mit der Sprache heraus gehen, Kapitän! Sie haben selbst gesehen, wie man uns hier behandelt.«

» Caramba! ich dächte wohl! das Volk ist gut, nur die Regierung taugt nichts. Diese Yorkinos Früherer Name der demokratischen Partei. waren von jeher Spitzbuben, das kommt von den Engländern und Amerikanern, die sich hier angesiedelt haben; diese Bursche verlangen wahrhaftig, daß wir arbeiten sollen. Aber um es kurz zu machen, Señor Generale, wenn ich wüßte, daß ich keine Gefahr liefe, gehängt zu werden, würde ich bald mit diesem Schurken von Herrero aneinander sein und ihm das Capatazspielen verleiden. Wenn Sie dann noch ein Auge zudrücken wollen, im Fall bei einem kleinen Lärm etwa eines oder das andere der englischen Magazine abbrennen sollte, nun, pardiez, so glaube ich wohl, eine Majorität erhalten zu können; denn im Grunde sind die Herren Lastträger ganz vernünftige Leute, und es ist lange kein Pronunciamento gewesen. Man sehnt sich nach einer kleinen Veränderung!«

Der Graf lachte. »Sie begreifen, Señor Capitano, daß wir bei einem Zuge ins Goldland hier keine Feinde zurücklassen dürfen. Wie lange Zeit werden Sie bedürfen, um Ihre früheren Kameraden, die mir allerdings sehr ehrenwerte und vernünftige Leute zu sein scheinen, umzustimmen?«

»Diese Nacht und der morgende Tag werden genügen. Nur werden sie verlangen, daß ich sie traktiere!«

»Ich verstehe. Hier sind hundert Piaster, das wird vorläufig genügen!«

»Ich denke. Haben Euer Excellenz sonst noch Befehle?«

»Nein. Sie werden mir morgen im Laufe des Tages melden, wie weit Sie sind! Bis dahin – silentio!«

Der neugebackene Kapitän legte mit einer Verbeugung die Hand auf das Herz. »Euer Excellenz können ganz auf mich rechnen!«

Er hatte kaum die Thür geschlossen, als diese sich wieder öffnete und den roten Mantel hereinließ, in dem noch immer die Figur des würdigen Methodisten Master Slong steckte.

Der glückliche Spekulant des Cirkus von San Francisco wand sich wie ein Wurm unter allen möglichen Verdrehungen seiner Glieder herein, und machte die seltsamsten Verbeugungen bis zur Erde. »Der Gott Zebaoth sei mit unserem erhabenen General,« sagte er näselnd. »Die Leuchte, die uns führen wird durch das Thal der Finsternis zu der Quelle des Lichts, so die sündige Menschheit in ihrer vulgären Sprache das Gold nennt, möge ihrem unwürdigsten Diener vergeben, wenn er das hohe Nachdenken stört.«

Der Graf liebte es, sich zuweilen an der Originalität des heuchlerischen Schurken zu ergötzen, war aber diesmal wenig in der Stimmung dazu und fuhr ihn barsch an.

»Wer zum Teufel, Bursche, hat Sie herein gelassen? Ich habe Befehl gegeben, daß niemand mich ungerufen stören soll!«

Der »Prediger in der Wüste,« wie er sich zu nennen pflegte, hob die Hände in die Höhe. »Die Stimme, die aus dem Dornbusch sprach auf der Höhe des Horeb,« wimmerte er, »hat befohlen: fürchte nicht den Zorn der Mächtigen und Vornehmen, wenn es gilt, ein gottseliges Werk zu tun. Die Zornigen versöhnen, den Bittenden helfen und den Reuigen die Pforten der Gnade öffnen, ist ein gottgefälliges Thun. Señor Perez, unser allverehrter Kapitän, die rechte Hand Euer Excellenz, hat unsern Bitten nicht widerstehen können, und da John Meredith, ein würdiger Soldat und treuer Diener, gerade vor Euer Excellenz Thür die Wache hat, so sind wir hier, Dero Gnade zu erflehen, nicht für mich, ein unschuldiges Lamm, das noch niemand beleidigt hat, sondern für einen büßenden Sünder, weil Vergebung die Palme im Strahlenkränze christlicher Tugend ist!«

Der Graf unterbrach mit einer Handbewegung ungeduldig die widrigen Blasphemieen. Ohne die zarte Andeutung des Methodisten, daß er sich in ihrer Gesellschaft, also in ihrer Gewalt befinde, zu beachten, war er doch neugierig zu wissen, was der Halunke im Schild führe.

»Der mitleidigen Schildwache, Ihrem würdigen Freunde Meredith,« sagte er streng, »werde ich sofort Arrest geben. Unterdes kommen Sie zur Sache, Master Slong, und sagen Sie in kurzem verständlichen Englisch oder Spanisch, was Sie wollen, und wen Sie unter dem ›Wir‹ verstehen?«

Der Methodist begriff, daß er nicht länger die Geduld des Grafen auf die Probe setzen dürfe, wenn es nicht auf Kosten seiner Person geschehen solle, und öffnete daher mit einer demütigen Verbeugung die Thür. Die Person, die durch diese eintrat, während hinter ihr das wenig Vertrauen erregende Gesicht des Kentuckiers im Schatten erschien, war niemand anderes, als der Korsar, Kapitän Hawthorn, der Rote Hay

Einen Augenblick war der Graf allerdings etwas betroffen und machte eine unwillkürliche Bewegung nach seinem auf dem Tisch liegenden Revolver, das flüchtige Lächeln aber, das über das Gesicht des Methodisten flog, ließ ihn sofort seine Absicht ändern; er kreuzte die Arme über der Brust und wandte sich auf seinem Sessel ruhig nach dem Eingetretenen.

»Im Himmel ist mehr Freude über einen Gefallenen, so da wiederkehrt, als über zehn Gerechte,« näselte Slong. »Gehen Sie, mein Freund, und schütten Sie Ihr Herz unserem würdigen General aus, er wird seine Hand über Sie halten!«

Der Seeräuber blickte seinen frommen Protektor etwa mit der Miene eines Bullenbeißers an, der einem Menschen, der ihn streichelt, an die Kehle springen will, und murmelte höflich, Slong möge sich zum Teufel scheren.

»Werde ich nun endlich erfahren, was Sie hier wollen?« fragte der Graf streng.

»Zum Teufel,« brummte der Pirat. »Sie sind ungeduldig! Glauben Sie etwa, daß es einem alten Seewolf, wie ich bin, so leicht ankommt, mit Friedensvorschlägen zu einem Manne zu kommen, der ihm den Arm aus dem Gelenk gedreht hat?«

Er hob den rechten Arm in die Höhe, den er zum erstenmal außer der Binde trug, aber nur schwerfällig bewegen konnte.

»So? Sie kommen also, um mir Friedensvorschläge zu machen?«

» Damned! ich muß wohl!«

Der Graf lächelte spöttisch. »Vor allem, Meister ›Rot-Hay‹, oder wie Sie sich sonst nennen, gehören zu Friedensunterhandlungen zwei gleichberechtigte Mächte. Sie haben mir einen Dolchstoß versetzen wollen, ich habe Sie dafür bestraft – ich sehe nicht ein, was unter uns weiter zu verhandeln wäre!«

»Meinetwegen,« murrte der Pirat, »nennen Sie's, wie Sie wollen! Sie haben diesmal die Macht in Händen. Der Teufel soll mich bei lebendigem Leibe verzehren, wenn ich jemals einen Menschen um Verzeihung gebeten habe. Zum Henker, wenn Sie es denn mit Gewalt hören müssen, ich war ein Narr, daß ich mich vom Zorn hinreißen ließ, und – es thut mir leid, Sir!«

»Das ist etwas anderes,« sagte der Graf. »Es ist gut; kommen wir zur Sache, Master Rot-Hay!«

»Die Sache ist die, daß ich bei Ihrer Kompagnie in Dienst getreten bin. Sie wissen schon bei welcher Gelegenheit.«

»Und Sie wünschen unseren Kontrakt wieder zu lösen?« sagte der Graf. »Es ist gut, sprechen Sie deshalb mit Kapitän Perez. Ich bin damit einverstanden. Mein Mayordomo hat mir ohnehin einige Dinge erzählt, die eine Trennung als das beste erscheinen lassen. Ich werde die Anweisung geben, Ihnen drei Monate Sold auszuzahlen!«

»Den Teufel auch,« sagte grimmig der Korsar, »ich mag Ihr Geld nicht, Sir, ich will Ihren Schutz, und Sie dürfen ihn mir nicht entziehen, nachdem Sie mich wehrlos gemacht haben!«

»Meinen Schutz?«

»Ja! Haben Sie mich nicht unter Ihre Kompagnie ausgenommen?«

»Das ist richtig, aber ich glaubte. Sie selbst wollten Ihren Kontrakt lösen.«

»Der Satan soll mich holen, wenn ich daran denke! Dieser verfluchte Engländer würde mich bei der ersten Gelegenheit bei lebendigem Leibe rösten!«

»Welcher Engländer?«

»Dieser Teufel, der sich Lord Drysdale nennt, und den Sie heute in San José beim Gouverneur getroffen haben.« Der Korsar hatte demnach keine Zeit versäumt, durch seine Freunde Erkundigungen einzuziehen. »Er hat einen alten Haken auf mich wegen einer längst abgethanen Geschichte und ist mein Todfeind!«

»Einem Todfeind stellt sich ein Mann im ehrlichen Kampf!«

Das blutgeäderte Auge des Korsaren schoß einen diabolischen Blick. »Wehe ihm, wenn wir das nächste Mal aneinander kommen; und wäre es nur, um den schändlichen Traum los zu werden. Aber diese Faust hat noch nicht die Kraft wieder, eine Waffe zu brauchen.«

»Wenn es derselbe Engländer ist,« sagte der Graf streng, »von dem mir Bonifaz erzählt, so hat er Ursache genug, Sie an die erste Raanocke zu hängen, denn Sie haben es hundertfach verdient!«

Der Korsar sah finster zu Boden. »Meinetwegen denn! man kann nur einmal sterben! Carrajo! was schadet's groß, wenn die Leute sagen, daß ein Mann aus dem königlichen Blut von Frankreich, womit Sie prahlen, den Engländern zu Liebe einem armen Teufel sein Wort gebrochen hat!« Er drehte sich um, das Zimmer zu verlassen.

Ein donnerndes »Halt!« des Grafen fesselte seine Schritte. »Sie haben gesagt, daß ich Ihnen mein Wort gegeben habe?«

»Den Teufel ja! haben Sie nicht Kontrakt mit uns allen auf die Dauer eines Jahres geschlossen? Wir dürfen Sie während der Zeit nicht im Stich lassen, aber ebenso wenig Sie uns!«

» Ventre saint gris! das ist wahr, und so sehr Sie auch den Strick verdienen für Ihre Unthaten, so wird ein Bourbon doch sein Wort halten. Doch merken Sie wohl! Sie haben sich zu unbedingtem Gehorsam verpflichtet; wagen Sie es, Ihren Eid zu brechen, so ist unser Kontrakt gelöst, und Sie sind vogelfrei!«

»Bah! Sagen Sie, was ich thun soll, und es wird geschehen!«

»Übermorgen findet eine Musterung der Expedition auf dem Hafenplatz statt. Der Lord wird zugegen sein. Ich befehle, daß Sie sich in der ersten Reihe Ihrer Abteilung befinden!«

Der Korsar wollte eine Einwendung erheben, aber der feste Blick des Grafen erstickte sie.

»Wählen Sie, ob Sie gehorchen wollen oder nicht!«

»Ich werde dort sein.«

»Gut! das Weitere ist meine Sache. Jetzt gehen Sie, und sagen Sie Kapitän Perez, daß er sogleich die Wache vor meiner Thür ablösen und auf vierundzwanzig Stunden in strengen Arrest schicken soll. Gutenacht! Master Slong, Sie werden den Mann aufsuchen, den man den Kreuzträger nennt und ihn zu mir schicken!«

Ein Wink der Hand verabschiedete das Paar, das sich still, ohne weiter ein Wort zu wagen, entfernte.

Der Graf ging, unwillig über das Geschehene und daraus neue Verwicklungen hervorgehen sehend, in dem Gemach auf und nieder, als der Kreuzträger eintrat.

Das ehrliche Gesicht des alten Wegweisers mit dem traurigen und doch so energischen Ausdruck, wirkte beruhigend auf den Grafen, der, vor ihm stehen bleibend, ihm die Hand reichte. Der Mann nahm sie respektvoll, aber mit einer gewissen Würde.

»Es freut mich, Sie zu sehen, Monsieur Kreuzträger,« sagte der Graf. »Um Ihnen Ihren wahren Namen zu geben, muß ich gestehen, daß ich diesen noch immer nicht weiß!«

»Meine Eltern, General, hießen Vignard und nannten mich in der Taufe Jérome. Also Jérome Vignard, wenn's Ihnen gefällt, General. Aber ich habe nichts dawider, wenn Sie mich Kreuzträger nennen, da ich das Kreuz, das mir Gott auferlegt hat, nun doch einmal tragen muß.«

Der Graf, wies nach einem Rohrstuhl. »Setzen Sie sich, Monsieur Vignard,« sagte er freundlich, »ich habe ein wenig mit Ihnen zu plaudern. Wenn ich mich recht erinnere, haben Sie die Prärien früher als eine Art von Wegweiser durchzogen?«

»So ist es, mein General. Ich begleitete die Karawanen von Santa Fé nach Chihuahua durch das Land der Apachen, und aus diesem Wege war es, wo mich das Unglück traf, dem ich meinen Namen verdanke.«

»Sie haben mir bereits versprochen, diese traurige Geschichte zu erzählen,« bemerkte der Graf mit Teilnahme, »und ich werde Sie bei passender Gelegenheit daran erinnern. Jetzt bedarf ich Ihres Rates und Ihres Beistandes bei einer anderen Sache. Ich habe zu Ihrem Scharfblick und Ihrer Besonnenheit das meiste Zutrauen!«

»Gott der Herr hat seine Gaben verschieden verteilt,« sagte der Wegweiser. »Das weiße Haar, Monsieur, bringt die Ruhe der Überlegung.«

»Sie haben wahrscheinlich,« fuhr der Graf fort, »bei unserer Ausschiffung bereits bemerkt, daß der Hafen von Guaymas und die ganze Hafenstadt durch eine Art von Fort beherrscht wird, wenn man die plumpe Anlage so nennen kann, die auf einer Landzunge und auf den: daselbst befindlichen Hügel errichtet ist?«

»Es fällt in die Augen, Monsieur, und ist zu einer Verteidigung eine ziemlich gut gewählte Stellung. Ich habe oft schlechtere gehabt mit den Karawanen von Santa Fé, wenn wir uns gegen die Indianer Verteidigen mußten!«

»Das glaube ich gern. Um so besser werden Sie die festen oder schwachen Punkte einer solchen Position zu würdigen wissen, besser vielleicht, als ein Ingenieur von Fach. Es handelt sich darum, mir einen genauen Bericht darüber zu erstatten. Ich selbst mag das Fort nicht besuchen, das könnte Mißtrauen erregen; wenn ein Mann wie Sie aber aus Neugier dort herumschlendert, so wird niemand dabei an eine Absicht denken.«

»Meine Aufgabe ist also?«

»Was ich Ihnen gesagt, Monsieur Kreuzträger, die schwächsten Stellen dieses Forts zu erspähen und mir über seine Bewaffnung genaue Nachricht zu bringen. Ich habe Ursache, zu fürchten, daß man etwas gegen uns im Schilde führt oder wenigstens nicht besonders guten Willen für uns hegt, und es ist gut, für alle Fälle gerüstet zu sein. Ich erwarte morgen mittag Ihren Bericht. Und nun – Gute Nacht Monsieur Vignard, und helfen Sie mit, ein wenig Ordnung unter unsern Leuten zu halten!«

Der Kreuzträger entfernte sich mit militärischem Gehorsam, ohne weiter eine Bemerkung zu machen.

Es war bereits Mitternacht, aber der Graf ging noch immer unruhig auf und nieder; es war, als scheue er sich, sein Schlafgemach zu betreten.

Endlich schien er einen festen Entschluß gefaßt zu haben. Er nahm den silbernen Armleuchter mit den brennenden Kerzen und ging durch zwei leere Zimmer. Vor der Thür des dritten blieb er stehen, ehe er die Hand auf die Klinke legte. Dann fuhr er mit der Hand über die Stirn und indem er vor sich hin murmelte: »Es muß sein! Es ist zu unser aller Besten!« öffnete er rasch die Thür.

Ein spanisches Bett mit den landesüblichen Mosquito-Vorhängen stand in der Mitte des Zimmers; an seinem Fußende kniete eine Gestalt in Frauenkleidern, das Gesicht tief in die Decken gedrückt, die doch das schmerzliche Schluchzen nicht unterdrücken konnten, das sich aus tiefer Brust emporrang.

Bonifaz, der Mayordomo, kam ihm entgegen mit ernster, trauriger Miene. »Sie weiß alles, Ihrem Befehle gemäß,« sagte er leise mit vorwurfsvollem Ton. » Corbioux! ich will lieber allein einen Dreimaster ausladen, als das Stück Arbeit noch einmal thun!«

»So hat sie sich darein ergeben und wird nach Frankreich zurückkehren?«

» Niemals! in diesem Entschluß ist sie wie ein Stein. Versuchen Sie selbst Ihr Heil! Gott besser's!«

Der Alte wischte sich eine Thräne aus dem Auge und ging hinaus. Die Thür schloß sich hinter ihm – der Graf war mit der Mutter seines Kindes, dem Mädchen, das ihm so viel geopfert, so innig an ihm gehangen, allein.


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