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Californische Nächte.

(Fortsetzung.)

Die Perle.

» Caramba, Señores!« sagte Racunha, »ich muß in die Leiden meines Herzens und in die Tiefen des Meeres zurückgreifen, wenn ich Ihnen meine Geschichte erzählen soll.

»Indes, was thut's! Es ist alles vorbei, und ein gescheiter Mann kümmert sich nicht um das, was vergangen und daher nicht mehr zu ändern ist!«

Nach dieser kurzen und energischen Vorrede drehte sich der ehemalige Capataz eine neue Cigarre aus Maisstroh und begann seine Erzählung.

»Sie haben beim Untergang der Sonne jene beiden schwarzen Felseninseln gesehen, welche die Bucht von La Paz, die Heimat unsers würdigen Señor Don Diego bilden, dieser Perle aller Schiffer zwischen dem Kap San Lucas und San Francisco, und in deren Mitte wir uns morgen früh befinden werden. Sie steigen wie schwarze Mauern aus der Tiefe des Meeres und sind in diesem Augenblick nur von drei oder vier Familien und von den Seevögeln bewohnt. Aber vor zwei Monaten hätten Sie hier sein müssen, und Sie würden Ihr Wunder geschaut haben.

»Auf einer dieser Inseln – ich erinnere mich gerade nicht mehr, ob es auf Cerralbo oder Espiritu Santo war – ist auch Ihr gehorsamster Diener seiner Zeit zur Welt gekommen. Mein Vater war ein Spanier von reinem Blut und Aufseher der Perlen-Kompagnie, meine Mutter, ich muß es zu seiner und ihrer Schande gestehen, eine Indianerin, die freilich ziemlich hübsch gewesen sein soll. Indes – wer kann für seine Gefühle, namentlich wenn auf fünfzig Meilen in der Runde keine Kastilianerin zu haben ist!

»Genug, ich war da und freute mich bald meines Lebens. Die Eltern meiner Mutter gehörten zu den besoldeten Tauchern, die an der Küste wohnen und erzogen mich bis zu meinem zehnten Jahre, wo mein Vater mich zu sich nahm und in die Geheimnisse des Geschäfts einweihte. Daher kommt es auch, Señores, daß ich mehrere Indianer-Dialekte geläufig spreche und so Seiner Excellenz dem Señor General von ganz besonderem Nutzen sein werde, obschon mein eigentliches Element das Meer und nicht die Sonora ist, denn ich schwimme mit jedem Fisch um die Wette und tauche wie der Sturmvogel, der sich auf der Spitze der Wogen tragen läßt.

»Genug davon, da die meisten von Ihnen diese beiden einsamen, aber gesegneten Inseln wohl noch nie zu Gesichte bekommen haben, muß ich Sie einigermaßen von ihrer Natur unterrichten. Gewöhnlich verödet, dienen sie nur während zweier Monate im Jahre den Perlenfischern und Schildkrötenfängern zum Aufenthalt, und zwar im Juni und Juli. Während dieser Zeit versammelt sich hier eine zahlreiche Bevölkerung von Tauchern, Kaufleuten und Caballeros aller Art. Beide Inseln waren, wie ich mir habe sagen lassen, zu allen Zeiten in dem Golf von Kalifornien wegen ihrer Bänke von Perlenaustern und der großen Anzahl vortrefflicher Schildkröten berühmt. Der erste, der diesen Placer von Perlen entdeckte, war ein spanischer Soldat, der nach einem glücklichen Streifzug in die Tiefen des Meeres sich im Besitz von mehr als 60 000 Dollars befand. Seit jener Zeit lassen die Besitzer dieser Placeros sie alljährlich während der beiden günstigsten Monate, das heißt während der beiden heißesten, ausbeuten. Die Perlenfischerei nimmt in der Industrie und im Handel unserer mexikanischen Republik eine bedeutende Stelle ein. Sie wissen: wenn Zufall oder Nachsuchungen in Mexiko eine Gold- oder Silbermine an den Tag fördern, so wird ihr Dasein der Regierung angezeigt, welche die Bewilligung der Ausbeutung erteilt, jedoch nur, wenn der Entdecker weder ein Fremder, noch ein Soldat oder Priester ist und sie in Jahr und Tag in Betrieb zu setzen vermag, andernfalls sie dem öffentlichen Schatze anheimfällt. Die Förmlichkeiten sind für die Perlenbänke dieselben und sobald sie erfüllt sind, schreitet man zur Vorbereitung des Fischens. Die Eigentümer des Placer oder ihre Bevollmächtigten dingen unter den indianischen Stämmen in den Küstengegenden des gegenüberliegenden Kalifornien und der Sonora die Anzahl von Buzus, Taucher. deren sie bedürfen. Wie die Bergleute, haben auch die Taucher einen Anteil, das heißt, ihr Lohn besteht allein in einem Teil des Gewinnes, der ihnen überlassen bleibt. Es gelten dabei ganz besondere Bedingungen, durch das Herkommen zum Gesetz gemacht, und eine davon ist die Grundlage meiner Geschichte und die Ursache, daß ich die Ehre habe, in Ihrer Gesellschaft zu sitzen, Caballeros!

»Sobald die Fischerei begonnen hat, werden die Buzos der Gegenstand beständiger Aufsicht, denn Sie begreifen, Señores, wie leicht die kostbarsten Perlen zu entwenden sind. Der Capataz oder Anführer einer Abteilung ist damit beauftragt. Man vertraut dieses Amt, das mit unbedingter Gewalt, soweit es nicht das Leben selbst betrifft, verbunden ist, gewöhnlich einem Manne an, den seine körperliche Kraft und Gewandtheit und seine Entschlossenheit unter seinen Gefährten geachtet oder gefürchtet macht. Mit zwanzig Jahren, Caballeros, war ich Capataz auf Cerralbo unter dem Oberaufseher, der mein Vater war. Sie müssen nun wissen, daß die Taucher stets von ihren Familien begleitet werden. Mit ihnen kommen gewöhnlich die Zauberinnen aus den verschiedenen indianischen Stämmen, denen die Buzos entnommen sind. Die alten Hexen, welche die indianische Leichtgläubigkeit ausbeuten, haben die Aufgabe, die Haifische zu verzaubern und ihre Augen und ihr Gehör zu verstopfen, damit sie die armen Taucher nicht sehen und hören können. Die Rescatadores Makler. kommen desgleichen zu dem Buzeo, Fischerei. um den Tauchern ihren Anteil an den Perlen abzukaufen. Dann stellt sich noch eine Menge Spekulanten ein, um Tendajos Schänken. oder Casas de Partida Spielbanken. zu eröffnen. Da die Zeit dieser Austernjagd auch für den Schildkrötenfang gilt, der zahlreiche Fahrzeuge nach Cerralbo und Epiritu Santo zieht, so findet sich plötzlich eine wandernde Bevölkerung von drei- bis vierhundert Personen auf jeder dieser Inseln ein, die während des übrigen Jahres ganz verödet sind.«

»Ich weiß nicht genau, was das ist, die Austern,« schob der ehrliche Pfadfinder ein, »aber wenn es ein jagdbares Tier ist, wie es nach Ihrer Erzählung den Anschein hat, Monsieur Juan, so möchte ich Sie bitten, uns mitzuteilen, wie es gefangen wird.«

Der ehemalige Capataz zog, über die Einfalt seines Gefährten lächelnd, die dicke silberne Uhr hervor, die er in seiner Leibbinde von roter chinesischer Seide trug.

»Erlauben Sie mir, Señor Don Kreuzträger, Ihnen eines dieser jagdbaren Tiere unserer Wildnis zu zeigen, dessen glückliche Erlegung mehr einbringt, als die Felle von hundert Tigern.«

Er hielt ihm die Kette mit dem Berlocke hin, an dem sich in Silber gefaßt eine große Perle von rot-violetter Farbe und von birnenförmiger Gestalt befand.

»Aber ich sehe nichts von einem Tier. Ist dieser hübsche Kiesel vielleicht in seinem Magen gefunden worden, daß Ihr ihn zum Andenken tragt?«

»Sie haben das richtige getroffen, Señor, nur ist dies kein Kiesel, wie Sie ihn in den Bächen Ihrer Prairieen finden, sondern eine kostbare Perle, die den Wert von mindestens fünfhundert Dollars hat. Sie liegt im Innern der Austermuschel, die an den Felsen unter der Oberfläche der See wachsen und man nennt sie die versteinerten Thränen der Sonne, die sie weint, wenn sie an gewissen Tagen von dem Meere scheiden und in das Dunkel der Nacht sinken muß. Aber man findet nur selten Perlen von dieser Größe, und ich habe noch nie eine gesehen von dieser schönen Farbe!«

»Bah! es giebt viele Narren und Weiber in der Welt. Aber ich begreife noch immer nicht, was dabei für Gefahr sein soll?«

Die Uhr hatte unterdes unter der Gesellschaft die Runde gemacht, und jeder die kostbare Perle betrachtet.

» Pardious!« meinte der Mayordomus, »Sie müssen ein verteufelt reicher Bursche sein, Monsieur Juan, wenn Sie tausend Dollars an Ihrer Uhr herumbaumeln lassen können!«

»Señor, ich habe geschworen, diese Perle nie zu verkaufen!«

»Aber Sie können in Versuchung kommen, sie zu verspielen, oder man könnte sie Ihnen stehlen!«

Sein Blick ruhte dabei ziemlich bedeutsam auf dem alten Piraten, der eben das kostbare Berlocke in die Finger genommen hatte und es mit gierigen Augen betrachtete.

Der ehemalige Capataz der Perlenfischer nahm die Uhr aus der Hand des Seeräubers.

» Carrajo! ich habe sie bereits dreimal verspielt!«

»Und wieder gewonnen?«

»Nein! aber ich bin ein ehrlicher Mann, Señor, und wenn ich so weit gekommen bin, daß ich keinen Real mehr in der Tasche habe und gezwungen bin, meine Perle einzusetzen, sage ich meinem Gegner, daß ich ihn töten müsse, wenn ich das Unglück haben sollte, sie zu verlieren.«

»Und Sie haben Leute gefunden, die auf diese Bedingung eingegangen sind?«

»Warum nicht, Señor Don Bonifazio? Wir Mexikaner lieben einmal das Spiel, wie Sie wahrscheinlich die Jagd, und außerdem hatten die Caballeros, die mit mir spielten, ja auch die Chance, mich töten und somit die Perle behalten zu können.«

»Von dieser Seite betrachtet, Monsieur Juan,« lachte der Avignote, »haben Sie recht, und ich erinnere mich, selbst eine Probe von der Leidenschaft Ihrer Landsleute für das Spiel erlebt zu haben.«

Der Capataz verbeugte sich höflich. »Was den Umstand betrifft,« fuhr er fort, »daß mir diese Perle gestohlen werden könnte, so ist dies nicht wahrscheinlich, weil ich mit einem Diebe keineswegs die Umstände machen würde, die ein Caballero dem andern im Spiel schuldig ist; und da ich mit den Tintoreras fertig geworden bin, hege ich keinen Zweifel, auch einen Spitzbuben zur Raison bringen zu können.«

» Tintorera? was ist das?«

»Sie werden es sogleich erfahren, indem ich Ihnen die Art und Weise beschreibe, wie wir die Perlenmuscheln zu holen, oder, wenn Ihnen das besser gefällt, zu jagen pflegen. Die Barken, die dazu bestimmt sind, enthalten Ruderer und Taucher. Diese letzteren stürzen sich in das Wasser, das heißt, während der eine untertaucht, ruht sich der andere aus. Ein Seil, an dessen Ende sich ein ziemlich großer Stein befindet und das sie zwischen den Fußzehen festhalten, dient ihnen dazu, mit größerer Schnelligkeit unterzutauchen. Das andere Ende des Seils, am Kanoe befestigt, hilft ihnen, rascher in die Höhe zu kommen, wenn ihr Gewicht sich um das der Muscheln vermehrt hat, die sie von dem Felsen in einer Tiefe von zehn oder zwölf Klaftern mit einem kleinen Hammer ablösen, und die sie in einem Netz tragen, das sie wie eine Schürze umbinden, und das fast ihre einzige Bekleidung ist. Es ist nicht selten, daß die Taucher drei bis vier Minuten unter dem Wasser verweilen und nachher ganz erschöpft heraufkommen, was sie nicht hindert, an einem Morgen vierzig- und fünfzigmal unterzutauchen. Die besten Taucher sind gewöhnlich die Hiaquis-Indianer, die an den Ufern des Stromes dieses Namens bei Guaymas leben. Diesem Stamme gehörte meine Mutter und ich habe unter ihnen meine ersten Jahre verlebt, bis mein Vater, wie gesagt, meine Rechte an mich geltend machte, weil ich ihm gefiel und ihm gute Dienste leistete.

»Diese Hiaquis sind es, die man wegen ihrer Kühnheit und Gewandtheit vorzugsweise beschäftigt. Denn obschon die Haifische sich in großer Zahl bei diesen Fischereien sammeln, wie in allen besuchten Gegenden unserer Küste, so tauchen jene doch in dieser furchtbaren Nähe mit einer Kühnheit unter, die um so größer erscheint, wenn man die einzige Waffe bedenkt, die ihnen dabei zu Gebote steht. Es ist dies die Estaca, ein Stück Eisenholz, dessen beide Enden zugespitzt und am Feuer gehärtet sind, und das sie mit dem kleinen Hammer an dem Gürtel ihrer kurzen Lederbeinkleider tragen. Sie wissen, Señores, aus der Anschauung des Hais, den wir vor vier Tagen an der Kettenangel fingen und an Bord zogen, daß nach der kurzen Bildung seines Unterkiefers der Fisch genötigt ist, sich auf den Rücken zu werfen, um seinen Raub zu ergreifen. Diesen Augenblick wählen sie, um das unzerbrechliche Holz in den geöffneten Rachen ihres Feindes zu stoßen, dessen Kinnladen sich alsdann nicht mehr schließen können.

»Aber es giebt ein Ungetüm, vor dem selbst der kühnste Buzo der Hiaquis erbebt, wenn er seine Flossen aus dem Spiegel des Wassers neben seinem Kahn sich erheben sieht, wenige Augenblicke, bevor er in den Abgrund tauchen soll, oder gar, wenn er, atemlos aus der Tiefe emporsteigt, das bleigraue matte Auge in der Wasserschicht findet, die über seinem Haupt ihn von Luft und Leben trennt, unbarmherzig auf sich gerichtet.

»Das, Señores, ist die Tintorera!

»Die Tintorera ist unter den Haifischen das, was der Señor Mayordomo vorhin von dem Löwen unter den Bestien der Wildnis sagte, nur daß sie hundertmal erbarmungsloser und blutgieriger ist, als jener. Wenn die Tintorera einmal Menschenfleisch gekostet hat, so kann nichts sie von dessen Spur abbringen, und sie verläßt den Ort nicht, wo sie den Unglücklichen ergriffen hat und Menschen wittert. Zum Glück kommt dieser Teufel des Meeres nicht häufig vor, wo sie aber – sie sind immer zu zweien – an einem Perlen-Placer sich einfinden, da weigern sich die Taucher, die jedem gewöhnlichen Hai mutig entgegentreten, in die Tiefe zu steigen und die Bank muß oft für das Jahr aufgegeben werden, wenn es nicht gelingt, das Ungeheuer zu töten.

»Ich habe Ihnen noch einiges über die Fischerei selbst zu sagen. Jeden Abend, nachdem das Tagewerk vorüber, schüttet und schichtet man am Ufer die Muscheln auf, die von den Tauchern gesammelt worden sind. Die zehnte Muschel gehört den Buzos und wird auf einen besonderen Haufen gelegt. Der Capataz überwacht die Teilung und die Öffnung der Muscheln, deren Verwesung alsbald die Sonnenglut herbeiführt. Wenn die Verwesung vollkommen ist, werden sie ungefähr so wie der Goldsand in den Placers des Sacramento in großen Holzkufen ausgewaschen. Ich muß gestehen, der Schlamm riecht abscheulich, aber es ist nicht zu ändern, und die Indianer machen sich nichts daraus. Die entdeckte Perle wird gesäubert und dem Aufseher übergeben. Die Perlen, die auf diese Weise an der ganzen Küste von Kalifornien in der Mission von La Paz und zu Loreto gefischt werden, sind gewöhnlich von bläulicher Farbe, die größeren haben einen ins Schwarzviolette fallenden Regenbogenschein, aber nur selten kommt eine Schönheit vor, wie die der meinen.

»Sie müssen wissen, Señores, daß die Buzos das Recht haben, die in ihren zehnten Muscheln gefundenen Perlen an die Unternehmer des Placers, das heißt, an den Oberaufseher zu verkaufen oder an die Rescatadores, die Makler, je nachdem das mit ihnen geschlossene Abkommen lautet.

»Die Fischerei dauert, wie gesagt, zwei Monate; sobald sie beendet ist, besteigt die ganze Bevölkerung wieder ihre Kanoes; die Indianer kehren in ihre Dörfer zurück, sich zu einer anderen Arbeit zu verdingen, die Schankwirte schlagen ihre Buden, die Spielhalter ihre Spieltische anderwärts auf, die Schildkrötenfänger bringen ihren Schiffsherren die Frucht ihrer Arbeit, die Aufseher den Placerendos ihre Perlen für die Juweliere und die schönen Damen Mexikos, und die Inseln bleiben bis zur nächsten Sammelzeit gänzlich verödet. Bis dahin vollendet sich das geheimnisvolle Werk der Erzeugung der Perle aufs neue. Haufen von Muschelschalen bleiben als die Zeugen der betriebsamen Zeit am Ufer zurück. Früher erhielten die Schiffe, die nach Europa segelten, eine Prämie, um den Strand von ihnen zu befreien, indem sie sie als Ballast einnahmen; später wurde für die Tonne eine Abgabe von einem halben Dollar bezahlt, dann aber machte die Regierung von Kalifornien einen Erwerbszweig daraus, denn diese Muscheln sind es, welche das beliebte Perlmutt liefern.

»Aber Caramba! wenn ich soeben sagte, die Inseln blieben gänzlich verödet zurück, so that ich Unrecht, wenigstens war dies zu meiner Zeit nicht der Fall, und aller Glanz und alles Gewühl der Städte des Festlandes konnte die Blume nicht aufwiegen, die in der Wildnis von Espiritu Santo während des ganzen Jahres blühte.

»Oh, Señores, Sie haben die schönste Perle dieses Meeres, Sie haben Esperanza nicht gekannt, sonst würden Sie wissen, von wem ich rede. O, hätte die heilige Jungfrau gegeben, daß auch ich Unglücklicher sie nie gesehen hätte, vielleicht lebte sie noch!

»Ihr Vater war der Señor Don Castillo und mit ihr zwei Jahre vor meiner Geschichte nach der Insel gezogen. Er betrieb das Gewerbe eines Rescatadore, aber er kehrte nicht mit den anderen Händlern nach den großen Städten des Festlandes zurück, um die erworbenen Perlen dort wieder zu verkaufen, und die Leute sagten von ihm, daß er einer der Vertrauten des Generals Santa Anna gewesen und aus seiner Heimat geflüchtet sei, wo ihn die Todesstrafe erwarte. Er war ein finsterer und unheimlicher Mann und sprach selten mit Unsereinem, aber er hatte eine schöne Tochter und das glich alles andere aus. So viel ist sicher, daß er sehr habsüchtig war und häufig Fremde empfing, die weder Perlenfischer noch Schildkrötenfänger waren. Er sagte, es seien die Kaufleute, die ihm seine Perlen abkauften. Von den zwei oder drei Familien, die während des ganzen Jahres auf den Inseln wohnen, hörten wir, daß diese Besuche auch während der andern Zeit fortdauerten.

» Bueno! Sie müssen wissen, daß ich die Zeit, die ich nicht auf der Insel im Dienst der Placer Compaña von Guaymas zubrachte, deren Oberaufseher mein Vater war, mich in den Küstenstädten des Festlandes umhertrieb, um Geld, das ich gewonnen, wieder los zu werden. Ich tanzte mit den Chinas, brachte den vornehmeren Damen Serenaden, war ein Spieler und lustiger Gesell und mit aller Welt in Freundschaft, solange ich keine Ursache hatte, mein Messer zu ziehen, was allerdings ziemlich oft vorkam, da ich die Schwäche habe, eine Beleidigung nicht eher vergessen zu können, als bis ich mich dafür revanchiert habe.

»Also, Señores, es war etwa ein Jahr, nachdem Don Castillo sich auf Espiritu Santo niedergelassen hatte, als ich ihn und seine Tochter zum ersten Male sah. Madonna santissima! was soll ich Ihnen von ihr sagen? Sie hatte eine Haut, wie der Flaum eines Pfirsich, und ihre Augen waren so dunkel und feurig wie der Blitz in der Gewitterwolke um die Zeit der Tag- und Nachtgleiche. Genug, die Señores von der Alameda zu Guaymas waren nicht wert, ihr die Schuhe zu lösen, und dazu war sie eine Dame von der Krone ihres Haares bis zu der Spitze ihrer wunderbar kleinen Füßchen, und wenn sie sich in ihren Rebozo hüllte und ihren Fächer spielen ließ, hätte auch der kühnste Mann nicht gewagt, sich ihr aufzudrängen.

»Señores, ich sah die Doña Esperanza, und ich liebte sie. Was soll ich Ihnen sagen von meinen Gefühlen? Ich dachte nur an sie, und mein Blut und mein Leben lag zu ihren Füßen. Ja, hätte sie mir befohlen, ein Ketzer zu werden, ich hätte den Heiligen in ihrer eigenen Kirche Trotz geboten.

»Nun müssen Sie wissen, Caballeros, daß ich nicht allein Augen für die Schönheit der Doña Esperanza hatte. Die Sonora-Kompagnie unterhielt auf Cerralbo einen Placer, auf der anderen Seite der Insel, der sich anmaßte, mit dem unseren zu wetteifern, und an der Spitze dieses Geschäfts stand ein junger Mann, etwa vier oder fünf Jahre älter als ich, ein Engländer von Geburt, und ein vortrefflicher Schwimmer. Er war, die Wahrheit zu sagen, ein stattlicher Mann, kräftig, schön und ein ziemlich braver Bursche. Dieser bewarb sich gleichfalls um die Gunst der Señora Esperanza, und ich fürchtete, er werde mir den Rang ablaufen, denn er war bei dem Vater meiner Angebeteten sehr angesehen und verkehrte mehr als ein anderer Mann mit ihm.

»Mich dagegen mochte der alte Rebell nicht leiden. Das kam daher, weil mein Vater ein eifriger Anhänger der Föderalregierung war und mir geradezu verbot, mit Don Castillo und seiner Familie, den er im geheimen beobachtete, Verkehr zu halten.

»Aber ich war jung und verliebt und hatte meinen Kopf für mich.

»Bisher waren wir beiden Rivalen einander ziemlich ausgewichen, wenigstens war es noch nie zu einem offenen Streit zwischen uns gekommen. Ich muß gestehen, ich hatte eine gewisse Achtung vor dem Señor Riccardo und es ging ihm vielleicht ebenso mit mir! Wir hätten vielleicht die besten Freunde sein können, wenn wir keine Nebenbuhler gewesen wären.

»Das ging so im ersten Sommer, aber während der ganzen anderen Zeit, daß ich in Guaymas und der Sonora mich umhertrieb, sah ich das dunkle Auge der Señora Esperanza immer vor mir, und als ich im nächsten Jahr zurückkehrte, war ich toller verliebt, als je. Mein Nebenbuhler war bereits vor mir eingetroffen, und ich maß ihn mit nicht eben freundlichen Blicken.

»Nun müssen Sie wissen, Caballeros, daß die Entfernung zwischen Cerralbo und Espiritu Santo, wo unsere Angebetete wohnte, mehr als zwei Seemeilen beträgt, die wir in unseren Kähnen leicht in einer Viertelstunde zurücklegten. Es schien ein stillschweigendes Abkommen zwischen uns, uns auf der See ebenso zu meiden, wie auf dem Lande. Oft genug, wenn der Mond sein Silberlicht im Meer spiegelte, sah ich das Kanoe des Señor Riccardo mir entgegenkommen, denn wie gesagt, der eine brachte nur die Stunden auf der Insel zu, die der andere fern davon war, und Doña Esperanza hielt in dieser Beziehung strenge Ordnung unter uns und gestattete nicht, daß wir in dem Hause ihres Vaters zusammentrafen oder länger auf der Insel blieben, als sie es uns erlaubte.

»Nun war es mir in letzter Zeit vorgekommen, als ob meine Angebetete von meiner Liebe gerührt zu werden anfinge und sich mehr mir zuneige, als meinem Nebenbuhler. Sie war freundlicher gegen mich, gewährte mir manche kleine Gunstbezeugung, und ich durfte länger bei ihr verweilen, als sonst. Dazu kam, daß sie häufig von ihrem Vater redete und die Hoffnung aussprach, daß er einer Verbindung nicht entgegen sein werde. Aber sie deutete zugleich an, daß die Reden der Leute nicht ganz unwahr wären, und daß eine gewisse Gefahr ihn bedrohe, die wir durch Aufmerksamkeit leicht von ihm abwenden könnten. Sie ermahnte mich, sorgfältig auf alles zu achten, was auf unserer Insel vorkomme, und sie sofort zu warnen. Ich vergaß nämlich, Ihnen zu sagen, daß mein Vater als der älteste auch das Amt eines Alkalden auf den beiden Inseln verwaltete und sehr streng die Gerechtigkeit handhabte; sonst wäre es nicht möglich gewesen, die Ordnung unter der wilden Gesellschaft, die sich hier zusammen fand, einigermaßen aufrecht zu erhalten.

»In diese Zeit fiel ein Ereignis, das alle meine Hoffnungen wieder zu zerstören drohte. Sie müssen wissen, Señores, daß die Aufseher nicht wie die Buzos Anteil an den Muscheln erhalten, wahrscheinlich um zu verhindern, daß sie sich den Löwenanteil zueignen, daß sie aber das Recht haben, den Tauchern ihren Anteil oder einzelne Muscheln abzukaufen, bevor sie geöffnet sind. Da die Buzos arme Teufel sind und selten zu etwas kommen, weil sie leidenschaftlich spielen und die Branntweinflasche lieben, wird ein sehr einträglicher Handel mit den Muscheln getrieben.

»Nun hatte Señor Riccardo einen Haufen Muscheln für seine Rechnung von einem alten Taucher gekauft, und als die Sonne ihr Werk verrichtete und die Fäulnis abgeschwemmt wurde, fand sich in einer der Muscheln die kostbare Perle, die ich vorhin Ihnen zeigte. Seit langer Zeit war keine von dieser Größe und Schönheit gefunden worden, und ihr Ruf verbreitete sich rasch auch zu unserem Placer und zog alle Makler herbei. Aber der Engländer verweigerte es, die Perle zu verkaufen. Er ließ sie – wie Sie dieselbe da gesehen haben – von einem auf der Insel anwesenden geschickten Arbeiter in Silber fassen, und als ich zwei Tage später auf Espiritu Santo meinen Besuch machte, sah ich sie an einer Schnur am Halse der Doña Esperanza hängen.

»Sie können sich meinen Ärger und meinen Verdruß denken. Es handelte sich nicht allein darum, daß mein Rival mich bei der Dame ausgestochen, denn ihr Vater machte eine spöttische Bemerkung über meine leeren Hände, als er mir begegnete, und erklärte den verdammten Engländer ganz für den großmütigen Mann, wie ein Vater ihn für seine Tochter zum Gatten wünschen könne, und Esperanza schien sich in der That über den Schmuck überaus zu freuen; sondern der Ruf von dem Funde der schönen Perle hob auch das Geschäft unserer Rivalen und drohte, unsere besten Taucher zu Überläufern zu machen.

»Überdies hatte sich seit vier Tagen ein Unheil ereignet, das dem ganzen Geschäft großen Verlust brachte.

»Der gefürchtetste Feind, die Tintorera, war erschienen und hatte Angst und Schrecken in den Buzeros verbreitet.

»Zwei Taucher waren bereits von den Ungeheuern getötet worden. Den einen, einen Buzo von großem Mut und großer Geschicklichkeit, hatte der Fisch mitten durchgebissen, als er eben mit seiner Ladung an dem Seil emporsteigen wollte, so daß die Ruderer nur seinen Oberkörper bis zur Brust an den Haaren aus dem Wasser ins Boot hoben, als sie ihm zu Hilfe kamen; dem zweiten war das Bein über dem Knie abgebissen worden, und er starb zwei Stunden nach der gräßlichen Verwundung.

»Die Taucher, selbst meine alten Bekannten, die Hiaquis, gingen nur mit Furcht und Schrecken an ihr Geschäft, ja viele weigerten sich geradezu, und man mußte den Lohn verdoppeln und alle möglichen Vorsichtsmaßregeln anwenden, was natürlich den Ertrag sehr verminderte.

»Ich wußte, daß es meine Aufgabe als Capataz war, auf ein Mittel zu denken, die beiden Tintoreras zu beseitigen. Denn daß es in der That ein Paar war, davon hatte ich mich selbst überzeugt, und mein Vater hatte mir am Morgen bereits einen finsteren Blick zugeworfen und die zarte Andeutung, die Liebelei schien mich zum Müßiggänger und Feigling gemacht zu haben, der sein Brot mit Sünden äße.

»So, Señores, können Sie sich wohl denken, daß ich keineswegs in sehr freundlicher Stimmung war, als ich weit früher, wie ich es sonst gewohnt war, die Insel und ihre schöne Bewohnerin verließ und nach meiner Hütte zurückruderte.

»Plötzlich hatte ich einen Anblick, der alle meine Nerven erregte und mich vor Wuth knirschen machte.

»Die letzten Strahlen der untergehenden Sonne färbten die Wellen und auf der Höhe derselben in der Entfernung von kaum dreihundert Schritten sah ich das Kanoe meines Nebenbuhlers und ihn selbst in ihm, wie er munter und kräftig gegen Espiritu Santo ruderte.

»Zugleich aber wurde meine Aufmerksamkeit nach der anderen Seite meines Kahnes gelenkt. Aus den Wellen tauchten dicht nebeneinander zwei schwarze unheimliche Streifen auf und begleiteten den Kahn, es waren die Rückenflossen der Tintorera und ihres Weibchens.

»Daß sie sich so nahe dem Kahn hielten, bewies mir, daß der Zustand des Wetters bereits einen Einfluß auf sie übte. Es war überaus schwül und heiß gewesen und die Luft mit Elektrizität geschwängert, die ein Gewitter für die Nacht in Aussicht stellte. Es giebt nichts, was die Tintorera wilder und blutdürstiger macht, als diese Gewitternächte. Eine klebrige Materie, die der Fisch aus den Öffnungen, mit denen sein Rachen umgeben ist, ausspritzt, verbreitet sich dann über seinen ganzen Körper und macht ihn leuchten wie Feuerfliegen, besonders, wenn der Donner sich hören läßt. Je dunkler die Nacht ist, desto heller glänzt er.

»Ich ließ meine Pirogue so nahe wie möglich an sie heran treiben, indem ich aufhörte, zu rudern, und dann versetzte ich dem nächsten Ungetüm einen kräftigen Schlag auf den Rücken. Wie ein Blitz schoß es, gefolgt von seinem Gefährten in die Tiefe.

»Aber darüber hatte ich das Kanoe des Engländers aus den Augen verloren, und als ich mich wieder danach umsah, war er nicht mehr zu erblicken. Aber ich wußte zur Genüge, wo er war!

»So ließ ich die Pirogue langsam treiben, und als ich das Ufer unfern meiner einsamen Hütte, die ich der besseren Luft wegen auf einem Felsen hatte aufschlagen lassen, erreichte, war es bereits dunkel.

»Ich blieb einige Zeit zu Hause, dann aber machte ich mich auf den Weg zu der Wohnung meines Vaters, um ihm zu sagen, daß ich die beiden Tintoreras gesehen habe und mit einigen der mutigsten Burschen in der Nacht hinaus wolle, um den Versuch zu machen, sie mit einer Lockspeise auf einem Kettenhaken zu fangen oder mit der Harpune zu erlegen.

»Ich hatte kaum den Fuß des Felsens erreicht, auf dem meine Hütte stand, in der eine alte Hiaquis-Indianerin meine Wirtschaft besorgte, als ich bemerkte, daß mehrere Männer beschäftigt waren, meine Pirogue höher auf den Strand zu ziehen.

»Ich ging sogleich zu ihnen, es waren Fremde, Soldaten der Republik, mit ihren Flinten, die sie zur Seite gestellt hatten.

»› Caramba! Señores!‹ sagte ich, ›Ihr macht Euch eine mir sehr unwillkommene Mühe! darf ich fragen, was das zu bedeuten hat?‹

»›Das hat zu bedeuten, Señor,‹ erwiderte der Korporal, ›daß auf Befehl des Señor Alkalde alle Boote in dieser Nacht festgelegt und bewacht werden sollen, damit keines die Insel verläßt.‹

»›Was fällt meinem Vater ein? das ist unmöglich, denn ich habe gerade heute nacht vor, auf dem Wasser zu sein. Und darf ich fragen, Señores, was Sie überhaupt hier zu thun haben auf der Insel?‹

»Der Korporal war ein äußerst höflicher Mann. ›Warum nicht, Señor?‹ erwiderte er. ›Es steht Ihnen die Frage vollkommen frei, nur muß ich Sie darauf aufmerksam machen, daß es nicht in meiner Macht steht, sie zu beantworten. Wenn der Señor Alkalde Ihr Vater ist, so fragen Sie ihn.‹

»Ich konnte mir die Mühe ersparen, denn ich wußte vorher, daß er mir schwerlich Antwort geben werde. Aber eine gewisse Ahnung sagte mir, daß es sich um Wichtiges und um ein Geheimnis handle, das ich auf jeden Fall erforschen mußte.

»Wer sollte nicht wissen, wie man einen Soldaten zum Schwatzen bringt! Ich lud den Korporal ein, mit in meine Hütte zu treten, um ein Glas Mescal zu trinken, ein Vorschlag, den kein mexikanischer Soldat ausschlägt. So kamen wir bald ins Plaudern und Caramba! beim siebenten Glase wußte ich, daß mein Vater richtig ausgekundschaftet, wer eigentlich Señor Castillo auf Espiritu Santo war, und ihn der Regierung verraten hatte. Darauf war am Abend, bald nachdem Señor Riccardo sein Boot bestiegen hatte, eine Abteilung Soldaten aus La Paz eingetroffen, und sie wollten am anderen Morgen nach Espiritu Santo übersetzen und den alten Rebellen, Esperanzas Vater, festnehmen.

» Valáme! man brauchte nicht die Künste der indianischen Hexen zu verstehen, um vorauszusagen, was dann mit ihm geschehen würde. Die Föderados machten nicht viel Komplimente mit dem Leben ihrer Gegner und der Präsident Arispe selbst hatte den Befehl zur Verhaftung des Flüchtlings gesandt.

»Es hätte mich herzlich wenig gekümmert, ob sie den alten Rebellen erschossen hätten, oder nicht. Aber er war der Vater Esperanzas, und sie hatte, vielleicht in der Ahnung der Gefahr oder weil sie irgend eine Warnung bekommen hatte, sich an mich gewandt und meinen Schutz und meine Aufmerksamkeit in Anspruch genommen. Es galt also, ihrem Vater oder vielmehr der schönen Tochter noch in dieser Nacht Nachricht zu geben, und ich übersah mit einem Blick, wie mir dies sofort meine Position wieder erobern, ja meinen Rival aus dem Felde schlagen mußte. Das gerettete Leben des Vaters mußte bei Esperanza zehn solche Perlen, wie der Engländer ihr geschenkt, aufwiegen; die Thatsache, daß noch diese Nacht ich hinüber mußte nach Espiritu Santo, stand also fest. Aber das Wie war eine andere Frage.

»Ich hatte es mit einem alten Fuchs und einem vorsichtigen Gegner zu thun, und das war mein Vater. Ich weiß nicht, welche Gründe er hatte, seinen Feind erst am anderen Morgen bei hellem Tageslicht verhaften zu lassen, vielleicht, um ihn desto bitterer sein Schicksal empfinden zu machen, aber er hatte nichts versäumt, um zu verhindern, daß die Nachricht von der Ankunft der Soldaten nach Santo Espiritu kommen konnte. Zu dem Ende hatte er sämtliche Piroguen und Fahrzeuge unserer Insel sofort auf den Strand bringen lassen, die Ruder entfernt und Schildwachen dazu gestellt. Außer dem Kanoe Riccardos war jetzt kein Fahrzeug mehr auf dem Wasser, und dieser hatte, wie gesagt, die Insel vor der Ankunft der Soldaten verlassen.

»Aber ich mußte hinüber und wenn es zehn Leben gegolten hätte! Das einzige Boot aber, das mich hinüber führen konnte, war das meines Nebenbuhlers, dies also mußte ich haben um jeden Preis.

»Als ich so weit war, brachte ich bald den Korporal auf die Beine, um seine Posten zu revidieren. Ich wußte, um welche Stunde Riccardo zurückzukehren pflegte und welches die Landungsstelle seiner Pirogue war; denn ich hatte diese Rückkehr, hinter dein Felsen versteckt und glühende Eifersucht im Herzen, wohl zwanzigmal belauscht.

»Als der Korporal sich endlich mit seinen Leuten getrollt und nur zwei Soldaten als Posten auf unserem Landungsplatz bei den Booten zurückgelassen hatte, löschte ich das Licht in der Hütte aus und steckte mein schärfstes und bestes Dolchmesser in den Gürtel neben die Estanca, die jeder immer bei sich trägt.

»Dann verließ ich die Hütte und kroch an den Felsen entlang, bis ich außer dem Bereich der Schildwachen war.

»In zehn Minuten war ich an der Landungsstelle der Piroguen für die Sonora Compaña. Aber ich überzeugte mich sofort, daß mein Vater mindestens so klug war, wie ich, und daß neben den aufs Land gezogenen Fahrzeugen mehrere Schildwachen standen, um sich sofort des zurückkehrenden Kanoes zu bemeistern.

»Zum Glück kannte ich eine enge Felsenzunge, die sich weit hinaus ins Meer streckt und an der mein Rival auf seiner Rückfahrt vorüber kommen mußte. Das Landen dort war zwar gefährlich wegen der Brandung, aber es blieb kein anderes Mittel. Ich eilte fort und klomm die Felsen hinauf, bis ich die Stelle erreicht hatte und mich lang auf ihr hinwarf.

»Unter mir, etwa sechs Fuß entfernt, schäumte das Meer, und die Spitzen der Wellen waren wie von hüpfenden weißen Flämmchen bedeckt, denn die Schwüle hatte immer mehr zugenommen, der Coromuel begann immer heftiger zu heulen und am wolkenumzogenen Horizonte zuckten in langen Strahlen die Blitze.

»Ein starkes Gewitter war dem Ausbruch nahe, das Meer schien es zu fühlen und sich selbst aufzuregen.

»In diesem Augenblick hörte ich Ruderschlag, und der nächste Blitz zeigte mir das Kanoe meines Rivalen.

»›Señor Riccardo! Señor Riccardo!‹ rief ich mit verhaltener Stimme, meine Hände als Trichter brauchend, um nicht vielleicht von anderen gehört zu werden.

»Man weiß, daß der Schall auf dem Wasser sehr weit trägt. Der Engländer hatte meinen Ruf gehört und wandte sofort die Spitze seines Kanoes.

»›Wer ruft mich? was giebt's?‹

»›Hierher, Señor Riccardo, wenn es Ihnen gefällig ist,‹ antwortete ich. ›Bringen Sie Ihren Kahn in den Schutz des Teufelsfelsens, und legen Sie an, ich habe dringend mit Ihnen zu sprechen!‹

»Der Engländer that noch einige Ruderschläge, bis er dicht unter dem Felsblock auf der Leeseite lag, die von dem Anprall der Brandung geschützt war.

»Es war ein kühnes und schwieriges Manöver und erforderte eine sichere Hand, aber ich muß ihm den Ruhm lassen, daß er sie besaß.

»›Wer ist es, der mich sprechen will und an diesen! Ort und zu dieser Zeit?‹

»Ich konnte bemerken, daß er auf seiner Hut war und das Ruder schlagfertig in der Hand hielt, wahrscheinlich einen Überfall argwöhnend.

»›Haben Sie keine Furcht, Señor Don Riccardo,‹ sagte ich spöttisch. ›Es ist der Capataz Juan Racunha, der mit Ihnen sprechen muß!‹

»›Dann Señor,‹ sagte er hochmütig, ›wählen Sie eine andere Zeit. Ich bin müde und will nach Hause.‹

»Er war im Begriff abzustoßen, als ich meinen Groll unterdrückte und fast flehend zu ihm sagte: ›Hören Sie mich an, Señor Don Riccardo, ich habe eine dringende Bitte an Sie, von der mehr, als mein Leben abhängt.‹

»Er hielt sogleich inne. ›Eine Bitte?‹ fragte er erstaunt. ›Sie an mich?‹

›»Ja, Señor, und Sie können mich durch deren Erfüllung zu Ihrem ewigen Schuldner machen. Fordern Sie meine ganze Habe, und ich werde sie willig opfern!‹

»›Das ist seltsam,‹ sagte er. ›Aber zunächst sagen Sie mir, worin besteht diese Bitte?‹

»›Steigen Sie hier aus, statt nach Ihrer Bucht zu fahren,‹ bat ich dringend, ›und überlassen Sie mir Ihr Kanoe auf eine Stunde.‹

»Er mußte offenbar starkes Mißtrauen über dies Verlangen empfinden, und dies sprach sich auch sogleich in seinen Worten aus.

»›Das geht nicht, Señor,‹ sagte er. ›Warum wollen Sie meinen Kahn und benutzen nicht den Ihren? Hierunter liegt etwas verborgen, das mir wenig ehrlich zu sein scheint.‹

»›Mein Kahn ist unter Bewachung, wie alle die anderen; nur der Ihre ist noch frei, leihen Sie mir ihn!‹

»›Nein! oder ich muß wissen, wozu?‹

»›Señor, ich beschwöre Sie, wenn Sie Doña Esperanza lieben, so geben Sie mir den Kahn – es droht ihr Gefahr, es sind Soldaten auf der Insel!‹

»›Wie, sprechen Sie wahr?‹

»›Bei der heiligen Jungfrau, Señor! Aber den Kahn! den Kahn!‹

»›Dann wissen Sie nicht, wie eilig es ist; ich werde selbst gehen!‹

»Er stemmte das Ruder gegen den Felsblock, um das leichte Fahrzeug in den Strudel der Wellen zurück zu stoßen, in einem Augenblick wäre alles für mich verloren gewesen, er der Retter ihres Vaters und ich nichts als ein elendes Werkzeug, das ihm noch zu seinem Triumph verhalf.

»Eine grenzenlose Wut erfaßte mich.

»In diesem Moment erleuchtete ein Blitz unseren Winkel und zeigte mir klar und deutlich die Gestalt meines verhaßten und gefürchteten Nebenbuhlers.

»An seiner Brust steckte ein Blumenstrauß, ich erkannte ihn, es war derselbe, den ich am Nachmittag an dem Mieder Esperanzas gesehen, und den sie mir verweigert hatte.

»Fast mit der Schnelligkeit des Blitzes, der eben den Engländer und seinen verhängnisvollen Kahn erleuchtet hatte, ergriff ich einen schweren Steinblock, der auf dem Felsen lag, und schleuderte ihn nach dem Kanoe.

»Die schwere Last traf nur zu gut und schlug im Augenblick die dünne Wand des leichten Fahrzeugs ein, der Kahn füllte sich sofort mit Wasser und sank.

»›Elender Meuchelmörder!‹ rief sein Führer, ehe er in die Flut versank, ›also darauf war es abgesehen?‹

»Wie ich Ihnen bereits gesagt habe: Señor Riccardo war lange Seemann gewesen und war ein vortrefflicher Schwimmer, fast oder ganz so gewandt wie ich. Es dauerte also nur wenige Momente, ehe er wieder an die Oberfläche des Wassers kam.

»›Hierher, Señor Riccardo!‹ rief ich mit aller Kraft, ›hierher! reichen Sie mir die Hand! Bei meiner Ehre, Sie haben nichts zu fürchten!‹

»Ich lehnte mich weit über den Felsen hinaus und streckte ihm meine Hand entgegen.

»Endlich hatte er sich aus der Brandung wieder herausgearbeitet, war an dem Felsen und faßte meine Hand. Ich strengte alle meine Kräfte an, und gleich darauf lag er neben mir auf dem Plateau. Einige Augenblicke blieben wir, von der Anstrengung noch schwer atmend, neben einander liegen; dann erhoben wir uns und standen im Schein der Blitze einander gegenüber, uns mit finsteren, drohenden Blicken messend.

»Riccardo war der erste, der sprach.

»›Was soll das heißen, Señor Racunha?‹ fragte er heftig. ›Ihr lauert mir auf, um mich tückisch ins Meer zu stürzen, und im nächsten Augenblick seid Ihr bereit, mir zu helfen?‹

»›Ihr verkennt mich, Señor,‹ sagte ich kalt, denn ich hatte alle meine Ruhe wieder gewonnen. ›Ich bin kein Meuchelmörder, sondern schlage Euch jetzt einen Zweikampf vor!‹

»›Ein Duell? und deswegen habt Ihr meinen Kahn zertrümmert und mich auf diese Klippe gelockt? Goddam, Sennor Racunha, ich glaube, ich wäre leichter zu finden gewesen!‹

»Ihr mißversteht mich noch immer, Sennor. Ich brauchte Euren Kahn, und weil Ihr ihn mir verweigertet, müssen wir jetzt beide unsere Kräfte und unsern Mut gegen einander messen.‹

»›Aber was soll das heißen? Wozu?‹

»›Um eine Botschaft nach Espiritu Santo zu bringen.‹

»›Eine Botschaft?‹

»›Ja, Sennor. Ihr liebt die Donna Esperanza?‹

»›Ihr wißt es. Und Ihr seid so thöricht, meinen Nebenbuhler spielen zu wollen!‹

»›In der Liebe hat jeder gleiches Recht. Doch darauf kommt es hier nicht an. Seit vier Stunden befinden sich Soldaten von La Paz auf der Insel. Sie haben den Auftrag, den Sennor Castillo gefangen zu nehmen, und werden mit Sonnenaufgang nach Espiritu Santo aufbrechen!‹

»›Wie? so waren Eure Worte vorhin keine Lüge? Mann, um Himmelswillen, redet die Wahrheit!‹

»›Ich lüge nie; am wenigsten einem Feinde gegenüber. Jetzt, Sennor Riccardo, wißt Ihr, weswegen ich Euer Boot wollte!‹

»›Aber bei Eurer eignen Liebe zu dem armen Mädchen! Dann laßt uns eilen, ein anderes Kanoe zu nehmen. Zwei Ruder werden uns nötig sein, denn das Wetter wird immer schlimmer.‹

»›Ich wiederhole Ihnen, Sennor Riccardo, daß auf der ganzen Insel kein Boot mehr zu haben ist, die Soldaten bewachen alle. Das Euere war das einzige, das noch frei war!‹

»›Wahnsinniger? und dies einzige Mittel, nach Espiritu Santo zu gelangen, habt Ihr vernichtet!‹

»›Weil ich nicht wollte, daß Ihr den Nutzen haben solltet und ich das Nachsehen/

»›Aber dann sind die Unglücklichen verloren! Ich sage Euch, Capataz, die Verhaftung des Señor Castillo ist so gut, wie sein Todesurteil! Ihr wißt nicht, wer er ist.‹

»›Ich habe vermutet, daß es sich um sein Leben handelt, wenn ich auch nicht die Ehre habe, der Vertraute des Señor Castillo zu sein, wie Ihr!‹ sagte ich spöttisch. ›Um so näher wird Euch die Pflicht liegen, Doña Esperanza nicht zur Waise werben zu lassen.‹

»›Aber wie? um Gotteswillen, gebt ein Mittel! Ihr mögt alles nehmen, was ich besitze!«

»›Ich bot Euch vorhin dasselbe für Euren Kahn. Ist dann auch Doña Esperanza eingeschlossen?‹

»Er starrte mich wild an. ›Ihr seid wahnsinnig, Capataz!‹

»› Quien sabe! Ea! Sennor Riccardo! ich will Euch ein gleiches Spiel vorschlagen!‹

»›Laßt hören!‹

»›Ich nahm seinen Arm und führte ihn bis an den Rand des Felsens.

»Wenn die Blitze weithin über die Fläche des jetzt in wilden schaumbedeckten Wogen sich hebenden Meeres leuchteten, ließen sich in der Ferne die Felsengebilde von Espiritu Santo erkennen.

»› Ea! Wir wollen beide mit gleichen Mitteln und auf gleiche Weise nach der Insel gehen. Jeder von uns kennt das Geheimnis. Wer glücklich oder wer zuerst anlangt, möge den Vater retten und die Hand der Tochter als Lohn fordern! Der andere tritt ihm hiermit feierlich seine Rechte ab!‹

»›Aber wie?‹ fragte der Engländer, ›selbst wenn ich den ungerechten Vertrag eingehen sollte, wie könnten wir hinüber gelangen?‹

»›Señor Riccardo,‹ sagte ich kalt – ›thut, was Ihr mich thun seht!‹

»Damit warf ich meine Jacke und mein Hemd von mir, und schnitt mit dem Dolch die Calzoneras, die ich trug, eine Hand breit oberhalb des Knies ab.

»Dann reichte ich ihm den Dolch.

»›Ich begreife Euch noch immer nicht! was wollt Ihr thun?‹

»›Was anders, als hinüber schwimmen!‹

»›Wie, bei dieser See? in diesem Wetter?‹

»› Ta! es ist nur der Coromuel! Mut, Señor! Ihr seid, wie ich bei der letzten Regatta gesehen, ein so guter Schwimmer wie ich. Der Wind ist uns günstig und treibt nach Norden, also nach Espiritu Santo. In einer Stunde spätestens können wir dort sein, wenn …

»›Nun?‹

»›Wenn uns die Tintorera nicht unterwegs gefressen hat!‹

»Er hatte bereits begonnen, gleichfalls seine Kleider abzulegen, denn sein Stolz wollte ihn nicht zurückbleiben lassen. Aber bei diesen meinen Worten hielt er inne und schlug die Hände vor das Gesicht.

»›Es ist unmöglich!‹ stöhnte er.

»In diesem Augenblick hätte ich ihm fast seine Liebe zu Donna Esperanza und seinen bessern Erfolg vergeben können, so stolz fühlte ich mich. Indes, um der Wahrheit die Ehre zu geben und seinem Andenken gerecht zu werden, Sennores, ich glaube nicht, daß er weniger Mut hatte als ich, und daß es nur meine indianische Erziehung war, die mich gegen den Tod gleichgültiger machte, als ihn.

»›Warum unmöglich? Es sind zwei Tintoreras und zwei Männer. Wäre es nur einer, so wären die Chancen für sein Entkommen allerdings gering – jetzt ist es anders. Wenn auch der eine gefressen wird, ist noch nichts verloren! Entschließt Euch, Sennor Riccardo, denn die Zeit drängt, und der Sturm wird immer heftiger.‹

»Einige Augenblicke lang kämpfte sein Stolz und wohl auch die Liebe in seinem Innern mit dem Verstand, der ihm das Wahnsinnige des vorgeschlagenen Unternehmens zeigte.

»› A Dios! Sennor Riccardo‹ sagte ich verächtlich und trat an den Rand des Felsens vor. ›Als Caballero und Mann von Ehre, werdet Ihr, wenn ich Espiritu Santo nicht erreichen sollte, morgen wenigstens Donna Esperanza sagen, daß ich nicht gezögert habe, das für sie zu thun, was kein anderer Mann wagte!‹

»Ich war in der That im Begriff, mich in die Wellen zu stürzen, als er meinen Arm faßte.

»›Ihr werdet nicht allein gehen, Sennor Racunha!‹

»›Gut! so eilt!‹

»›Einen Augenblick noch! Ich muß nach meiner Wohnung gehen, um wenigstens eine Waffe mitzunehmen. In fünf Minuten bin ich wieder zurück!‹

»›Das ist unnötig, Sennor, und überdies gefährlich. Man würde Sie festhalten und nach Ihrem Kahn fragen. Ich will in jedem Stücke redlich gegen Sie handeln. Hier sind zwei Waffen zur Bekämpfung der Tintorera, die Estaca und dieser Dolch. Wählen Sie!‹

»Er zögerte einen Augenblick, dann ergriff er den Dolch. ›Ich muß gestehen, daß ich mit der Estaca nicht so gut umzugehen weiß, wie die Eingeborenen,‹ sagte er entschuldigend.

»›Da das Messer gefährlicher zu handhaben ist,‹ entgegnete ich, ›sind die Waffen vollkommen gleich. Doch, mit Ihrer Erlaubnis, Sennor!‹

»Ich nahm die Waffe aus seiner Hand und schnitt seine Calzoneras bis auf die Hälfte der Schenkel ab.

»Ein naher Donnerschlag mahnte uns an Eile.

»›Jetzt, Sennor Don Riccardo,‹ sagte ich, ›sind wir fertig. Sie sehen den Schein eines Feuers im Norden?‹

»›Ja!‹

»›Es brennt in dem Hause des Kapitäns der Schildkrötenfänger auf Espiritu Santo, man schmilzt das Fett. Halten Sie dieses Licht im Auge, wenn Sie auf den Kamm der Wellen gehoben werden. Und nun, Sennor Don Riccardo, lassen Sie uns zum ersten- und letztenmal in diesem Leben einander die Hand reichen. In einer Stunde wird einer von uns keinen Nebenbuhler mehr zu fürchten haben, oder wir haben es beide nicht mehr nötig. Sollte Sie ein Unglück treffen, so seien Sie versichert, daß ich Sie an der Tintorera rächen werde!‹

»Er drückte mir fest die Hand. ›Sie sind ein Mann, Sennor Juan,‹ sagte er, ›und es ist schade, daß wir nicht Freunde gewesen sind?‹

»›Möge die heilige Jungfrau mit uns sein!‹ Ich stand an dem Rand des Felsens und ließ mich langsam, um durch kein Geräusch die Ungeheuer der Tiefe aufmerksam zu machen, ins Wasser gleiten.

»Im nächsten Augenblick hörte ich meinen Gefährten neben mir.

»Ohne mich jetzt weiter um ihn zu kümmern, griff ich aus und war in zwei Stößen, durch den Rückprall der brandenden Wogen unterstützt, weit ab von den Felsen.

»Ich fühlte trotz der Finsternis, des Heulens des Sturms und des Schlagens der Wellen um mich her, daß ich mich in meinem Element befand und schwamm rüstig, aber mit Kaltblütigkeit weiter, indem ich mich nach der Richtung des Windes richtete und das Schwellen der hochgehenden Wogen benutzte.

»Von dem Gipfel derselben konnte ich stets das Signalfeuer auf Espiritu Santo sehen und meine Anstrengung dahin richten, wenn ich mich auch im nächsten Augenblick tief in der Höhlung der See befand.

»Zugleich spähte ich aufmerksam rechts und links nach den Spuren der Tintorera.

»Der Himmel war jetzt ganz umzogen und der Donner rollte und mischte sich mit dem Brausen des aufgeregten Meeres. Die Blitze zischten nach allen Seiten, und die ganze See schien manchmal in elektrischem Feuer zu stehen.

»Es galt vor allem, zu große Anstrengung der Kräfte zu vermeiden, denn ich wußte sehr wohl, daß sie vollständig beansprucht werden würden. Deshalb auch mochte ich vielleicht eine Strecke gegen meinen Gefährten bei dieser furchtbaren Reise zurückgeblieben sein, der ein sehr rascher und regelmäßiger Schwimmer war.

»Plötzlich glaubte ich, als ich eben von einer Woge wieder auf ihren schaumbedeckten Gipfel gehoben worden war, nahe vor mir einen Schrei zu hören.

»Im nächsten Augenblick sah ich durch den tiefen schwarzen Grund, den die Höhlung zwischen der Woge, die mich trug und der nächsten vor mir bildete, einen hellen, phosphorischen Streifen schießen.

»Ich konnte nicht zweifeln – es war die Tintorera!

»Aber ihr phosphorisches Licht verschwand in dem glänzenderen die ganze Fläche der sturmbewegten See erhellenden Blitze, der aus den dunklen Wolken zuckte, begleitet von einem gewaltigen Donnerschlag.

»Im Schein dieses Blitzes sah ich auf dem Kamm der nächsten Woge gerade vor mir meinen Nebenbuhler.

»Im nächsten Augenblick war alles wieder in tiefes Dunkel gehüllt, und ich tauchte mit Gedankenschnelle in den Abgrund vor mir.

» Caramba! ich gestehe Ihnen, Caballeros, die Nähe der Tintorera, der Anblick meines Nebenbuhlers und der gewaltige Blitz und Donnerschlag hatten mir einige Sekundenlang alle Geistesgegenwart und Ruhe geraubt, und ich wäre die Beute des Hais gewesen, wenn ich in diesem Moment mit ihm zusammengetroffen wäre.

»Ich hatte sogar die Augen geschlossen und ließ mich aufs Geratewohl treiben. Sogleich aber kam mir der Gedanke, daß ich so zu sagen im Rachen der Gefahr sei, und daß die nächsten Minuten über unser beider Schicksal entscheiden mußten.

»Die Tintoreras waren auf unserer Spur!

»Ich fühlte, mit einer Hand schwimmend, ob die Estaca sich auch sicher in meinem Gürtel befand, und öffnete die Augen.

»Vor mir, etwa zwölf Schritte entfernt, sah ich die phosphorleuchtenden Streifen. Das ausströmende, eigentümlich fahle Licht war so stark, daß ich deutlich die beiden Fische etwa zwei Ellen unter der Oberfläche des Wassers erkennen konnte.

»Indem ich mich halb aus der Welle erhob, stieß ich einen gellenden Warnungsschrei aus und ließ den Ruf: ›Die Tintorera!‹ darauf folgen.

»Dann atmete ich mit voller Brust die schwüle Luft ein und ließ mich sinken.

»Ich machte zwei oder drei Stöße, dann sah ich über mir das falbe unheimliche Licht des Fisches.

»Der Hai hatte mich offenbar gesehen. Ich konnte deutlich die regungslosen, matten bleigrauen Augen des Ungeheuers erkennen, wie sie auf mich gerichtet waren. In der Tiefe, in der wir uns beide, der Fisch und ich, befanden, übte der Coromuel keine Wirkung mehr und das Wasser war so ruhig, daß man nicht merken konnte, es werde auf der Oberfläche zu Schaum gepeitscht.

»Die Tintorera – es war das Weibchen, das etwas kleiner ist, als der männliche Hai – ließ sich langsam sinken, um mich noch tiefer hinab zu treiben und dann mit einem Biß zu verschlingen.

»Aber ich wußte, daß ich dies nicht abwarten durfte, denn ich war bereits so tief getaucht, daß die Last des Wassers schwer auf mich drückte und ich ein Brausen in den Ohren hörte, als wollten sie zerspringen.

»Ich hatte nur noch für Sekunden Luft in den Lungen!

»Eine kräftige Bewegung mit den Beinen, und ich schoß in schräger Richtung empor, gerade auf die Tintorera zu.

»Ich hatte die Estaca in der rechten Hand; ich sah, wie der kurze Unterkiefer des Fisches zurückfiel und der weite, mit den drei furchtbaren Zahnreihen besetzte Rachen sich öffnete.

»Ein Stoß mit der rechten Faust, in der ich vertikal die Estaca hielt, und ich fühlte, daß sie festsaß. Im selben Augenblick ließ ich los und zog die Hand zurück, nicht ohne daß mein Arm sich an den spitzen Zähnen an mehreren Stellen gerissen hätte. Gleichzeitig stieß ich, durch die Kraft des Aufschwungs, mit dem Körper des Fisches zusammen, was wahrscheinlich mein Glück war, da sonst ein Schlag des Schwanzes mich hätte töten oder wenigstens schwer betäuben können.

»Ich gab mir an dem blitzschnell an mir vorüber in die Tiefe schießenden Hai einen Stoß und war im nächsten Moment an der Oberfläche.

»Das erste was ich that, war, einen vollen Strom von Luft einzusaugen, deren Druck mir das Blut aus Nase und Ohren trieb, solange war ich unter Wasser geblieben. Dann sah ich mich um.

»Es war, als ob die Kraft des Gewitters mit jenem gewaltigen Schlage sich gebrochen hätte, denn die Blitze flammten zwar noch, und der Donner rollte, aber nicht mehr mit der früheren Gewalt. Ich mußte mich zunächst orientieren, da ich bei dem unterseeischen Kampfe natürlich die Richtung verloren hatte, aber dies war in der That nicht leicht. Um mich die hohen, erregten Wogen, über mir der dunkle, nur von den Blitzen erleuchtete Himmel – kein Stern an ihm zu sehen.«

»Aber die Tintorera, Monsieur Juan?« frug der Mayordomo. » Corbious! ich muß gestehen, die Kanaille kommt mir fast noch gefährlicher vor, als ein Löwe.«

»Die Tintorera, Señor Don Bonifazio,« entgegnete höflich der Capataz, »pflegt an der Estaca in ihrem Rachen vollkommen genug zu haben. Ob sie daran verhungern muß oder sie an irgend einem unterirdischen Felsen oder Korallenast sich aus dem Rachen zu reißen weiß, wobei wahrscheinlich ein schönes Stück desselben mitgeht, weiß man nicht. Soviel aber ist sicher, daß ein Hai mit einer Estaca zwischen den Kiefern so eilig wie möglich das Weite sucht und nie wieder sich an der Stelle blicken läßt, wo ihm das Unglück passiert ist. Guarda! warum sollte nicht ein Haifisch eine gewisse Vernunft und Scham haben? Er schämt sich, daß er besiegt worden ist, und macht sich aus dem Staube!«

»Menschennatur!« bestätigte mit dem Kopf nickend der Spurfinder. »Es ist ein alberner Hochmut, wenn die Leute nur von dem Instinkt der Tiere reden wollen. Es giebt viele, die klüger sind, als viele Weiße und Indianer. Aber fahrt fort, Monsieur Capataz, ich möchte gern wissen, wie es Eurem Kameraden ergangen ist!«

» Ayme! Señor Don Kreuzträger, das war eine traurige Geschichte. Um eins nach dem andern zu erzählen: bei dem Leuchten, in dem noch immer der Himmel stand, sah ich meinen Nebenbuhler dicht vor mir mächtig ausstreichen, um einen dunklen Gegenstand zu erfassen, der vor ihm aus den Wellen trieb, den ich aber nicht zu erkennen vermochte.

»Ich rief ihm triumphierend zu, und er wandte den Kopf nach mir.

»Das alles, was ich jetzt erzähle, geschah in einem Augenblick bei dem Leuchten eines Blitzes. Er schien auf der Stelle, wo er schwamm, plötzlich still zu halten und erhob sich mit dem Oberkörper kerzengerade wohl eine Elle weit aus dem Wasser. Seine Augen waren auf mich gerichtet, und ich werde bis an mein Ende den schreckliche Ausdruck nicht vergessen, den sie hatten.

»Ich hörte einen Schrei, so wild und entsetzlich, wie ich bis dahin nichts in meinem Leben gehört hatte, gellend, durchdringend – den Sturm und den Donner überbietend:

»›Esperanza!‹

»Im nächsten Moment war alles wieder in dunkle Nacht gehüllt, und ich schwamm auf die Stelle zu.

»Plötzlich stieß ich mit der ausgreifenden Hand an einen Gegenstand; es war der dunkle Körper, den ich soeben hatte auf den Wogen treiben sehen – im Nu hatte ich begriffen, weshalb der Engländer ihn zu erreichen strebte: es war sein eigenes von mir zum Teil zerschmettertes Boot.

»Die Wellen hatten es umgestürzt, und es schwamm mit dem Kiel nach oben.

»Caballeros, ich weiß kaum einen Augenblick in meinem Leben, wo ich der heiligen Jungfrau aufrichtiger für eine Gabe gedankt hätte, als für diese paar zerrissenen und wertlosen Bretter.

»Ich befand mich im Nu auf ihnen und streckte mich lang darauf aus. Es war die höchste Zeit; denn noch ehe ich hätte ein Paternoster nebst dem Ave beten können, sah ich unter mir in der Tiefe das unheimliche Leuchten der Tintorera.

»Sie kam fast bis zur Oberfläche, und ich fühlte zweimal den Stoß ihres Körpers gegen das schwache Holz, das allein zwischen mir und der Ewigkeit war.

»Zum Glück gelang es mir, mich festzuhalten. Dann schoß der Feuerstreifen, der den greulichen Fisch umgab, nach einer anderen Seite, und ich sah nichts mehr von ihm.

»Ich fürchtete jetzt aufrichtig, daß er meinen Nebenbuhler verfolgen möchte, der durch irgend einen unglücklichen Zufall, vielleicht durch meinen Anruf, von den Planken seines eigenen Bootes abgekommen sein mochte. Ich war so dankbar gegen die heilige Jungfrau über meine eigene Rettung, daß ich in diesem Augenblick gar keinen Groll mehr gegen ihn empfand, sondern nur ihn zu retten wünschte. Ich befand mich in verhältnismäßiger Sicherheit, und ich beschloß, auch ihm beizustehen.

»Mit aller Kraft meiner Lungen rief ich über die tobenden Wellen seinen Namen und schrie ihm zu, zu mir zu schwimmen.

»Nichts antwortete mir, als das Brausen der Wogen und das rasch sich entfernende Rollen des Donners.

»Ich hatte jetzt soviel Halt gefunden, um rittlings auf dem Kiel sitzen zu können, und mit beiden Händen mich festhaltend wiederholte ich den Ruf.

»Abermals keine Antwort!

»Auf dem weißen Gischt der Wogen waren nur ich und die lecke, zerbrochene Pirogue.

»Dennoch, während mich das Spiel des Wassers vorwärts trieb, ließ ich nicht nach in meiner Anstrengung und rief immer und immer wieder den Namen, bis es mir endlich einfiel, daß er wahrscheinlich meiner spotte und, den Tintoreras entgangen, längst mir voraus, vielleicht schon an der Küste der Insel sei.

»Ich erhob die Augen und sah, keine Viertelmeile vor mir, das Leuchtfeuer auf Espiritu Santo. Das Gewitter war vorüber, der Coromuel wehte nur noch in einzelnen Stößen, und die Wolken flogen wie Lämmer am Himmel, an dem bald wieder die funkelnden Sterne, in ihrer Mitte das glänzende Kreuz leuchteten, von dem ich mir habe sagen lassen, Señor Mayordomo, daß Sie es in Ihrem Lande nicht sehen können, weil die Erde eine Kugel sein soll, was ich nicht recht begreifen kann. Der Zug der Wellen trieb gerade auf den kleinen Hafen zu, aus dem die Kanoes von Espiritu Santo auslaufen.

»Ich war jetzt keine hundert Schritte mehr vom Ufer und konnte die Hütte des Señor Castillo bereits deutlich sehen. Aus einem Fenster derselben schimmerte der Schein einer Lampe, – sie mußten während des Gewitters wach geblieben sein – oder! gewiß – das war es, der Engländer war bereits vor mir angelangt und hatte sie gewarnt. Die Familie war in der vollen Vorbereitung zur Flucht.

»Ich knirschte mit den Zähnen aus Ärger über meine Thorheit, die meinem Feinde selbst die Mittel gegeben hatte, mich zu besiegen.

»In diesem Augenblick, als ich eben an das Ufer steigen wollte, fiel mein Auge auf einen Gegenstand.

»Es war ein menschlicher Arm, der sich aus den Fluten streckte – die Faust hielt krampfhaft etwas umschlossen. Ay Dios mio! sollte er vielleicht ertrunken sein?

»Mit Gedankenschnelle sprang ich zurück in das Wasser und faßte nach der Hand, um den Körper herauszuziehen.

»Die Hand gab nach – ich fühlte keine Last daran – ich hatte einen bloßen Arm in der meinen, an dem noch ein zerrissenes Stück Fleisch hing.

»Diese Hand, im Erstarren krampfhaft geschlossen, hielt ein langes Messer! – es war das meine, das ich dem Engländer gegeben, es war der Arm des unglücklichen Señor Riccardo.

»Wie Schuppen fiel es von meinen Augen: jener Ausdruck, mit dem mich der Schwimmer angestarrt, war der des Todes, jener Ruf sein letzter, seine Mahnung an mich im Augenblick, als die Tintorera ihn in die Tiefe zog.

»Er war tot – ich war der Sieger – Esperanza war mein!

»Dennoch konnte ich ein Gefühl des Bedauerns nicht unterdrücken über das Ende eines wackeren und mutigen Mannes und ich gelobte seinem Angedenken, an der Tintorera Rache zu nehmen, sowie ich erst mit meinen eigenen Angelegenheiten fertig wäre.

»Ich brach die erstarrte Hand auf, nahm das Messer heraus und steckte es in meinen Gürtel, entschlossen, mit derselben Klinge das Ungetüm zu töten. Dann warf ich den blutigen Arm ans Ufer, damit wenigstens dieser Teil seines Körpers eine christliche Ruhestätte finden möge.

»Hierauf ging ich zur nächsten Hütte, öffnete die unverschlossene Thür und nahm den Mantel des Bewohners vom Pflock, um mich darein zu hüllen, da ich unmöglich in meinem Taucherkostüm vor Señora Esperanza treten konnte.

»In fünf Minuten war das geschehen, und ich konnte jetzt zum Hause des Don Castillo gehen und ihm meine Botschaft ausrichten.

»Gleich darauf stand ich vor dem Häuschen. Das Licht war jetzt ausgelöscht, aber ich wußte, wo das Gemach der Dame meines Herzens lag. Es war das einzige auf der ganzen Insel, das ein Fenster von Glas hatte. Ich klopfte mit der Spitze des Messers an die Scheiben.

»›Wer ist da?‹ fragte die Stimme des Mädchens.

»›Señora Esperanza, ich bitte Sie tausendmal um Verzeihung, aber ich habe Sie dringend zu sprechen!‹

»›Señor,‹ sagte die Dame, ›wer seid Ihr?‹

»›Juan, der Capataz!«

»Ich hörte eine Bewegung, wie das Rauschen eines Gewandes, dann erschien ihr in die Mantille gehüllter Kopf an dem Fenster, sie öffnete es und lehnte sich heraus.

»›Señor Juan,‹ sagte sie streng, ›es muß etwas sehr wichtiges sein, das Ihre Dreistigkeit entschuldigt, sonst werde ich Sie auf immer aus meinen Augen verbannen.‹

»›Señora,‹ erwiderte ich ehrerbietig, ›Sie haben den Sturm und das Gewitter gehört?‹

»›Ja, und ich habe während desselben zu der heiligen Jungfrau gebetet.‹

»›Nun, während Sie beteten, waren Señor Riccardo und ich auf dem Meere, um nach Espiritu Santo zu kommen!‹

»›Heilige Madonna! Señor Riccardo? Aber er war erst diesen Abend hier. Was hat Sie veranlassen können, bei einem solchen Wetter sich den leichten Piroguen anzuvertrauen?‹

»›Señora, wir haben weder ein Kanoe noch sonst ein Fahrzeug gehabt. Wir sind herüber geschwommen!‹

»›Heilige Mutter Gottes, welch ein Wahnsinn! Und Señor Riccardo – wo ist er? Warum hat er sich solcher Gefahr ausgesetzt?‹

»Sie frug immer nur nach ihm! Mein Blut begann zu kochen.

»›Señora,‹ sagte ich, ›ich hatte eine wichtige Nachricht für Ihren Vater. Um Ihnen zu beweisen, daß mir Ihr Wohl über alles geht, machte ich meinen Nebenbuhler um Ihre Gunst zu meinem Mitwisser, damit, wenn wenigstens einer von uns diese Insel erreichte, er die Botschaft ausrichten könne. Gott hat es gewollt, daß ich es bin!‹

»›Aber Riccardo – ich beschwöre Sie, Señor Juan, was ist aus Ihrem Begleiter geworden?‹

»›Den Señor Riccardo, Donna, hat die Tintorera gefressen!‹

»Esperanza schrie laut auf, und ich hörte sie zu Boden fallen. Ich sah jetzt ein, welche Dummheit ich begangen, indem ich ein Weser: mit so zarten Nerven durch eine solche Mitteilung erschreckt hatte, und daß ich in Gefahr war, den ganzen Zweck meines Wagnisses zu verlieren. Zum Glück aber hatte ihr Vater ebenfalls den Schrei seiner Tochter gehört und kam im Hemde eilig herbei gelaufen.

»Der Empfang, mit dem er mich begrüßte, war eben kein besonders höflicher.

»›Ihr verdammter Räuber und Spitzbube,‹ schrie der Don mich an, ›was thut Ihr hier bei Nacht an dem Fenster meiner Tochter und erschreckt sie? Ein Bettler wie Ihr ist nicht für mein Kind! Packt Euch zu dem alten Föderalisten, Eurem Vater, und laßt Euere schmutzigen Füße nie wieder auf meine Schwelle treten!‹

» Pardioz, Caballeros, ich hatte große Lust, den alten Schurken seinem Schicksal zu überlassen und davon zu gehen, aber ich dachte an die schwarzen Augen seiner Tochter und daß ich jetzt, nach dem Tode des Engländers, Hahn im Korbe sein mußte, und ich blieb. › Que dito,‹ Señor Don Castillo, rief ich dem Alter: zu. ›Ihr werdet die Nachbarn mit Euerm Geschrei aufwecken und dann werden sie den Mund nicht halten, wenn die Soldaten kommen, und ihnen erzählen, wohin Ihr geflüchtet seid!‹

»Der alte Geizhals wurde auf einmal höflich wie ein Ohrwürmchen. ›Was reden Sie da von Soldaten und von Flucht, Señor Racunha?‹ fragte er.

»›Es ist die pure Wahrheit, und Sie haben nicht mehr viel Zeit zu verlieren. Der Präsident Arispe hat den Befehl zu Ihrer Verhaftung geschickt, und es sind von La Paz Soldaten zu meinem Vater gekommen, um ihn bei Ihrer Festnahme zu unterstützen. Ich bin in dieser verteufelten Nacht über den Kanal geschwommen, nur um Doña Esperanza mitzuteilen, daß morgen früh die Soldaten hier fein werden, aber leider hat sie meine Botschaft so erschreckt, daß sie ohnmächtig geworden ist!‹

»›Unsinn! diese Weiber haben Nerven wie die Spinnweben! Statt ihren Vater zu warnen, liegt sie hier am Boden. Kommen Sie geschwind herein, Señor Racunha, Sie sind ein Ehrenmann, und ich küsse Ihnen tausendmal die Hand. Die Heiligen mögen Ihnen vergelten, was Sie an einem armen Verfolgten gethan haben!‹

»Kurz, Señores, der Alte war auf einmal umgewandelt und ganz Angst und Liebenswürdigkeit. Der alte Schelm bekümmerte sich wahrhaftig keinen Cent um seine Tochter und war nur besorgt, sich selbst in Sicherheit zu bringen, und sein Geld und seine Wertpapiere beiseite zu schaffen. Ich mußte sie selbst vom Boden aufheben und auf ihr Lager bringen, wo ich ihre Schläfe mit Mescal wusch.

»Es dauerte in der That eine ganze Zeit, ehe sie wieder zu sich kam; dann stieß sie mich von sich und sah mich mit wilden Blicken an.

»›Habt Ihr mir nicht gesagt, Riccardo sei ertrunken?‹

»›Nein, Señora, ich berichtete Euch, daß wir beide den Gefahren des Meeres getrotzt hätten, um Euch die Botschaft von der Gefahr Euers Vaters zu überbringen, und daß Señor Riccardo das Unglück gehabt hat, eine Beute der Tintorera zu werden, während es mir gelang, das Ungetüm, das mich angriff zu besiegen!«

»›Ihr lügt!‹

»›Señora,‹ sagte ich, den nackten Arm aus meinem Mantel hervorstreckend, ›Sie können hier noch die Spuren von den Zähnen des Hais sehen, als ich ihm die Estaca in den Rachen stieß!‹

»›Und Sie haben Ihren Gefährten ohne Hilfe, ohne Beistand gelassen? Er versteht sich nicht auf die Anwendung dieser erbärmlichen Waffe.‹

»›Dennoch hat sie mir das Leben gerettet, Señora,‹ sagte ich gekränkt. ›Übrigens hat Señor Riccardo die Wahl gehabt, und er hat nicht die Estaca, sondern dieses Messer gewählt, das ich im Gürtel trage.‹

»›Wie, Sie haben es dem Unglücklichen verweigert?‹

»›Nein, Señora, ich habe es aus seiner erstarrten Hand genommen, als ich den letzten Rest, der von ihm übrig geblieben war, seinen Arm, aus den Wellen zog.‹ Ich bot ihr das Messer hin, aber sie schauderte.

»› Ta ta!‹ schrie der alte Unhold, ihr Vater, der wahrhaftig kein Herz und keine Seele hatte, dazwischen, ›es ist schade, daß Don Riccardo tot ist; denn er war ein sehr freigebiger Mann und hatte eine glückliche Hand im Perlenkaufen. Ich hätte nichts dawider gehabt, wenn Du ihn geheiratet hättest; aber da er tot ist, haben wir nichts mehr mit ihm zu schaffen. Pack geschwind Deine besten Sachen zusammen, damit die Spitzbuben, wenn sie kommen, nichts zu plündern finden, und dann wollen wir beraten, was zu thun ist.‹

»Die Señora hatte ihre schönen kleinen Hände, wodurch die spanischen Frauen mit Recht so berühmt sind, vor das Gesicht gepreßt und verharrte trotz aller Scheltworte ihres Vaters eilte ganze Zeit lang so. Als sie sie endlich entfernte, schien sie den Schrecken meiner Nachricht überwunden zu haben, denn sie war kalt und ruhig und gedachte mit keinem Wort mehr meines toten Nebenbuhlers. Sie redete mich liebreich an und dankte mir für den großen Dienst, den ich ihnen geleistet, und dann half sie ihrem Vater das nötigste zusammen packen.

»Es folgte eine kurze Beratung, hauptsächlich zwischen mir und dem Señor Castillo. Er war auf ein solches Ereignis gefaßt gewesen und erklärte, daß wenn es ihm nur gelänge, das Festland von Kalifornien zu erreichen, er sich leicht werde verbergen oder Schutz finden können. Mit dem Aufseher der Sonora Compañia hatte er, wie ich fand, einen solchen Fall ausführlich verabredet; der Alte sollte sich, wenn wirklich Gefahr drohe, in einer der Höhlen, die das Meer in den Felsen ausgewaschen, vor der ersten Verfolgung verbergen, bis es Riccardo gelang, ihn selbst oder auch durch vertraute Indianer nach San José oder dem Festland überzusetzen. Die Höhle war von Riccardo entdeckt und nur ihm, dem Aufseher der Schildkrötenfänger und Don Castillo bekannt.

»Im ganzen änderte sich nichts an diesem Plan durch den Tod des Engländers; denn ich erklärte mich natürlich bereit, sofort an seine Stelle zu treten. Nur in betreff Doña Esperanza mußte eine andere Bestimmung getroffen werden, und das war ein Punkt, der mich mit den besten Hoffnungen belebte. Sie konnte ihren Vater unmöglich auf seiner Flucht begleiten, und da Riccardo glücklicherweise nicht mehr da war, um sie zu beschützen, mußte sich Don Castillo schon darein ergeben, meine Bewerbung anzunehmen. Ich warf mich vor ihr auf die Kniee und flehte sie an, meine Liebe endlich zu belohnen und meine Frau zu werden. Ich wollte sie gleich den anderen Morgen mit mir nach Cerralbo nehmen und in La Paz mich mit ihr trauen lassen, meinem Vater zum Trotz. Das würde ohnehin seinen Nachforschungen und seinem Haß Einhalt thun, wie ich hoffte, und ich konnte in der nächsten oder zweiten Nacht dann unbehindert meinen Schwiegervater in Sicherheit bringen, bis die Verhältnisse sich änderten oder es mir gelungen war, meinen Vater von seiner Abneigung zu bekehren.

»Doña Esperanza hörte die Vorschläge ruhig an, sie erwiderte kein Wort, sie ließ es auch ruhig geschehen, daß mein Arm sie umschlang und ich sie an mein Herz drückte. Nur daß sie gar so bleich war und still, wie eine Träumende alles that, was ihr Vater befahl, wollte mir nicht sonderlich gefallen. Dazu sahen ihre großen, schwarzen Augen manchmal mit so seltsamem, starrem Ausdruck vor sich hin.

»So war eine Stunde vergangen, und es war Zeit, daß Don Castillo sein Versteck erreichte, ehe der Tag anbrach und die Bevölkerung der Insel zum neuen Tagewerk erwachte.

»Esperanza hatte einen Korb mit Lebensmitteln zusammengepackt, ich nahm ihn, um selbst meinen künftigen Schwiegervater nach seinem Schlupfwinkel zu bringen, damit ich ihn in der zweitfolgenden Nacht desto leichter auffinden könne. Esperanza begleitete uns bis an die Thür des Hauses.

»Unter dieser noch drehte sich der alte Geizhals um und verlangte von ihr, sie solle ihm die Perle geben, die sie an einer Schnur um den Hals trug, da der Schmuck in seinen Händen sicherer aufgehoben sei, als bei ihr, den die Soldaten ihn am Ende entreißen könnten.

»Es war noch zu dunkel, um den Ausdruck auf ihrem Gesicht sehen zu können, aber ich höre noch den scharfen Ton ihrer Stimme, als sie ihm antwortete: ›Niemals!‹

»Ich zog den Señor Castillo mit mir fort, während seine Tochter in ihr Haus zurückkehrte.

»Aber wir hatten noch keine hundert Schritt gemacht, um uns nach der anderen Seite der Insel zu begeben, und bogen eben um einen Felsen, als sich eine Hand auf meine Schulter legte.

»›Señor Racunha,‹ sagte eine rauhe Stimme, die ich sofort als das Eigentum des Korporals erkannte, mit dem ich am Abend in meiner Hütte gezecht hatte, ›es ist nicht schön von Euch, einen guten Freund so zu betrügen. Aber der Señor Alkalde, Euer Vater, scheint Euch gut zu kennen und zu wissen, daß Ihr den Teufel im Leibe habt. Der Señor da in Eurer Begleitung ist unzweifelhaft der Mann, den wir suchen, und der sich Don Castillo nennt?‹

»Es wäre Wahnsinn gewesen, Widerstand oder Flucht zu versuchen. Um uns starrten zehn Bajonette, und der alte Geizhals hatte sich sein Schicksal selbst zuzuschreiben, weil er so lange gezögert hatte, um nur sein Gold und was irgend Wert hatte, mit sich zu schleppen.

»Später hörte ich, daß der alte Fuchs, mein Vater, mich hätte zu sich rufen lassen. Als man mich in meiner Hütte nicht fand, hatte er Verdacht geschöpft und die Soldaten in ihrem Boot abgeschickt, sobald nur der Coromuel seine erste Heftigkeit verloren und das Meer sich beruhigt hatte.

»Ich fand ihn selbst bereits in dem Hause des Señor Castillo und hatte große Lust, ihm sofort das Messer Riccardos zwischen die dritte und vierte Rippe zu stoßen. Aber er vermied es gescheiterweise, sofort mit mir zu reden und mich zum äußersten zu bringen.

»Nachdem die Soldaten Don Castillo um seine Last gründlich erleichtert hatten, sperrte man ihn in eine Kammer und kündigte ihm an, daß man ihn, sobald die Sonne aufgegangen sei, mit nach Cerralbo und von da nach La Paz bringen werde.

»Ich hielt es jetzt an der Zeit, mich meinem Erzeuger selbst vorzustellen und ein Wort mit ihm zu sprechen.

»›Señor Don Racunha,‹ sagte ich ihm höflich, ›Ihr sollt tausend Jahre leben, obschon ich die Ehre habe, Euer Sohn zu sein, und dann gewaltig lange auf mein Erbe werde warten müssen. Aber beliebt es Euch vielleicht, mir zu sagen, was mit meinem Schwiegervater beabsichtigt wird?‹

»›Mit Deinem Schwiegervater, Schlingel?‹

»›Ja, Señor, wenn es Euch gefällig ist. Ich habe das Jawort dieser jungen Dame und da ich sie, ehe vierundzwanzig Stunden um sind, heiraten werde, finde ich, daß Ihr Euren Sohn auf das Schändlichste bestehlt, indem Ihr diesen Schurken von Caballeros, Euren Häschern, erlaubt habt, sich an dem künftigen Erbe meiner Braut zu bereichern.‹

»› Valga me Dios,‹ sagte er aufrichtig betrübt, ›das ist wahr! Wenn Du so ein ungehorsamer Halunke sein willst, diese China ohne meine Erlaubnis zu heiraten, so kann ich Dich nicht daran hindern. Aber ich entsetze Dich Deiner Stelle als Capataz, da Du ohnehin ein saumseliger Bursche geworden bist und meine besten Taucher von dieser gottverfluchten Tintorera fressen läßt, und sage Dich als Alkalde von Cerralbo.‹

»› Ta ta!‹ erwiderte ich ruhig, ›was die Tintorera betrifft, so schwimmt seit dieser Nacht wenigstens die eine mit aufgesperrtem Rachen im Weltmeer, und wenn Ihr mir die Stelle als Capataz der Kompagnie von Guaymas nehmt, so hoffe ich die des Aufsehers der Sonora-Gesellschaft zu bekommen und bin dann, was Ihr seid!‹

»›Noch nicht. Du Hurensohn einer roten Mutter,‹ sagte mein Vater und wollte mir eine gewaltige Ohrfeige geben, aber ich bückte mich geschickt, so daß der Korporal, der neugierig dabei stand, den Schlag empfing, und legte dann die Hand mit einem so bedeutsamen Blick auf den Griff meines Messers, daß mein würdiger Erzeuger wohl merkte, ich würde mich nicht sehr bedenken. Er murmelte darauf, Señor Riccardo werde hoffentlich so gescheut sein, mich nicht aufzunehmen, und hieß mich zum Teufel gehen.

»›Señor Riccardo,‹ antwortete ich höflich, ›befindet sich bereits dort und hat mir in jeder Beziehung seine Erbschaft vermacht.‹

»›Wie, Bube? so hast Du ihn ermordet? Señor Caporal, ich erteile Euch als Alkalde den Befehl, Euch auch dieses jungen Verbrechers zu bemächtigen und ihn zu seinem Spießgesellen zu stecken!‹

»› Tente tente!‹ sagte ich lachend, ›verbrennt Euch die Finger nicht, Señor Caporal. Wenn Ihr auf dem Teufelsfelsen in Cerralbo nachsehen wollt, werdet Ihr die Kleider des armen Engländers finden, und wenn Ihr hier Euch ans Ufer der Bucht bemüht, den Beweis sehen, daß er nicht so glücklich gewesen ist, wie ich mit der Tintorera, und daß diese ihn aufgefressen hat.‹

»Der Korporal war ein verständiger Mensch und schien keine besondere Lust zu haben, mit mir anzubinden. Er sagte daher meinem Erzeuger, daß er kein Recht habe, mich festzunehmen, und dieser war so erfreut über die Nachricht von dem Tode eines gefährlichen Rivalen in seinem Geschäft, daß er mich gewiß sehr gern umarmt hätte, wenn ich es nur gewollt.

»Merkwürdigerweise war Señora Esperanza während der ganzen Verhandlung sehr ruhig geblieben und hatte mich nur manchmal mit dem toten, geisterhaften Blick angestarrt, den ich vorhin an ihr bemerkt hatte. Selbst die Gefahr ihres Vaters und der Verlust ihrer konfiszierten Habe schienen keinen Eindruck auf sie zu machen und ihre Ruhe nicht zu stören.

»Ich bat sie, mich einen Augenblick zu entlassen, da ich zu einigen Freunden auf der Insel gehen und von ihnen Kleider und ein Boot leihen wollte, um sie zugleich mit ihrem Vater hinüber nach Cerralbo und dem Festland zu führen.

»Die Sonne war etwa eine Viertelstunde aufgegangen, als ich mit beidem versehen zurückkehrte. Die ganze Bevölkerung der Insel war bereits auf den Beinen und die Nachricht von der Verhaftung des Don Castillo und von dem Tode des Engländers hatte sich mit Blitzesschnelle verbreitet. Ich fand meinen Vater bereits mit seinen Soldaten und dem Gefangenen am Strande, im Begriff, seine Barke zu besteigen; denn er wußte wohl, daß unter den Schildkrötenfängern von Espiritu Santo sich viele befanden, die zur Partei Carbajal hielten, weshalb Don Castillo sich auch auf der Insel niedergelassen hatte. Doña Esperanza war gleichfalls am Ufer und saß neben dem verstümmelten Arm des Engländers, um den her ein Kreis von Fischern und anderen Leuten sich gebildet hatte.

» Carrajo! ich hielt mich nicht lange mit Erzählen auf, um ihre Neugier zu befriedigen, sondern eilte, meine Braut von dem traurigen Anblick zu entfernen und in die Pirogue zu führen. Sie gehorchte ohne Widerstand, und ich ergriff die Ruder und stieß ab.

»Wahrlich, Señores, unser gesegnetes Vaterland ist unvergleichlich schöner als irgend ein anderes Land sein kann, und ich habe viele schöne Morgen auf diesen Inseln und an diesen Küsten erlebt, aber eines herrlicheren als dieses erinnere ich mich nicht. Die Luft war von dem Wehen des Coromuel gereinigt und erfrischt, und beide Inseln lagen in den ersten über das blaue Meer zitternden Strahlen der Sonne so nahe, als sei der breite Kanal, der sie trennt, nur ein Fluß und ihre Felsenmasse nicht Stein, sondern gediegenes Gold.

»Die Wellen zitterten unter meinen Ruderschlägen, ich hatte vor mir das Mädchen, das ich liebte, mit der Gewißheit, sie ehe die Sonne wieder in dies schimmernde Meer tauchte, die meine zu nennen, und ich war der Held des Tages, denn ich hatte die Tintorera besiegt, und war im Coromuel über den Kanal geschwommen!

»Es gab in diesem Augenblick keinen glücklicheren und keinen stolzeren Menschen als mich; denn ich kann Ihnen im Vertrauen sagen, das Schicksal meines Schwiegervaters war mir nun, da ich meinen Zweck erreicht hatte, höchst gleichgültig.

»Aus dieser Trunkenheit meines Glückes störte mich eine Handbewegung meiner Braut.

»›Señor Juan,‹ sagte sie, ›entfernen Sie sich gefälligst etwas mehr von jener Barke, und rudern Sie nach der Stelle, wo Sie und – Señor Riccardo in dieser Nacht der Tintorera begegnet sind!‹

»Ich glaubte, sie wolle mir ein Kompliment über meinen Sieg machen und erfüllte sehr bereitwillig ihren Wunsch.

»›Ich muß Sie jedoch darauf aufmerksam machen, teure Esperanza,‹ sagte ich, ›daß auf dem Meere eine Stelle so ziemlich ist wie die andere, und daß es in dem Dunkel der Nacht und der Aufregung des Kampfes nicht möglich war, mir ganz genau den Ort zu merken. Indes, wenn mich meine Berechnung nicht ganz täuscht, so muß es hier in der Nähe gewesen sein, denn ich sah das Feuer der Schildkrötenfänger auf Espiritu Santo in dieser Richtung und – Pardiez! da ist auch das sicherste Zeichen, die schwarze Rückenflosse des Fisches, der sich an der Stelle noch umhertreibt!‹

»›Die Tintorera?‹ fragte sie schaudernd.

»›Ja, teure Doña, die Tintorera. Diese verfluchten Ungeheuer haben die Gewohnheit, lange an dem Orte zu weilen, wo sie eine Beute erwischt haben.‹

»›Jetzt, Señor Don Juan,‹ fuhr sie fort, ›erzählen Sie mir gefälligst die Geschichte dieser Nacht noch einmal, aber ganz genau und der Wahrheit gemäß. Ich beschwöre Sie bei der Madonna und Ihrem Schutzheiligen, nicht ein Wort auszulassen oder daran zu ändern.‹

»›Esperanza,‹ sagte ich zärtlich, ›warum das Vergangene aufrühren, es würde Sie zu sehr angreifen.‹

»›Ich will es!‹

» Bien! wenn ein Weib einmal etwas will, was ist da zu machen? So fügte ich mich denn und erzählte ihr die ganze Geschichte wortgetreu von einem Ende bis zum anderen, da sie ohnehin nicht zu meiner Schande gereichte.

»›So haben Sie also das Boot Riccardos zerschmettert,‹ sagte sie, ›damit er nicht allein nach Espiritu Santo gehe und uns warne?‹

»›Gewiß, Señora, und es war mein gutes Recht, da die Nachricht mein Eigentum war. Er hat dies auch als verständiger Mann und Caballero aberkannt!‹

»›Und Sie sagen, daß er noch im Augenblick, als der Hai ihn zerriß, meiner gedacht und meinen Namen gerufen hat?‹

»›Ja, Señora, es war sein letzter Laut!‹

»Sie hatte sich in dem Kahn erhoben und sah über die Fläche des Meeres hin. Ihre Mantille war herabgefallen, ihre schlanke süße Gestalt hob sich wunderbar voll dem Gold der Sonne und des Meeres ab, während sie die dunklen, langen Zöpfe nach hinten strich.

»›Und wo, Señor Juan, ist die Tintorera, von der Sie eben sprachen?‹

»›Der Henker hole sie! dort ist der schwarze Streif ihrer Flossen; die Bestie folgt unserem Kiel, als habe sie noch nicht genug an dem einen Opfer! Aber ich schwöre bei San Jago, meinem Schutzheiligen, daß ich ihr das Handwerk mit einer tüchtigen Harpune legen will, sobald unsere Hochzeit vorüber ist und ich Don Castillo befreit habe!‹

»›Señor Juan‹ sagte sie fast feierlich, ›Sie lieben mich also?‹

»› Valga me Dios! Können Sie noch daran zweifeln?‹

»›Nein! aber da Sie wissen, was Liebe ist, werden Sie mich desto leichter begreifen!‹

»›Wie meinen Sie das?‹ fragte ich beklommen.

»›Ich meine, daß ich Sie nicht heiraten kann, weil ich bereits die Gattin eines anderen bin!‹

»Ich ließ erstaunt die Ruder sinken. › Válame! es beliebt Ihnen zu scherzen und mich zu necken!‹

»›Ich habe nie ernster gesprochen in meinem Leben, Señor Juan, ich schwöre es Ihnen bei der Madonna! der Mann, der mit Ihnen sich in das Meer stürzte, um mir die Botschaft von der Gefahr meines Vaters zu bringen, war der, den ich liebte, und vor Gott mein Gatte!‹

»Ich war wie vom Donner gerührt. Ich wollte meinen Ohren nicht trauen, deren Zeugnis all meine Luftschlösser und meine Einbildungen über den Haufen warf. ›Señor Riccardo ist tot,‹ stammelte ich endlich. ›Die Heiligen selbst haben entschieden zwischen uns beiden, und ich bin sein Erbe in Ihrem Herzen. Meine grenzenlose Liebe wird Sie erweichen, Señora, und Sie werden ihn vergessen und in meinem Arm glücklich sein!‹

»›Nein, Señor Juan,‹ sagte sie fest, ›ich wünsche Ihnen alles Glück im Leben, aber das Weib gehört zu ihrem Gatten. Sehen Sie dorthin, Juan, Ihr Vater winkt Ihnen!‹

»Ich war so thöricht, mich täuschen zu lassen und nach der Barke hin zu sehen.

»In demselben Augenblick hörte ich einen Fall in das Wasser, das hoch aufschlug – ich drehte mich um – die Pirogue war leer, Esperanza hatte sich in das Meer gestürzt.

»Ich war einen Augenblick wie eine Steinsäule, dann warf ich mit einer blitzschnellen Bewegung Jacke und Schuhe von mir und stürzte mich ihr nach in die Wellen.

»Aber schneller als ich war die Tintorera gewesen. Als ich den Kopf voran in das Wasser sprang, quoll es rot herauf wie ein dunkler Strom, und eine Blutwoge schlug warm an mein Gesicht.

»Was weiter in der Tiefe vorgegangen ist, vermag ich Ihnen nicht zu erzählen, Caballeros.

»Ich weiß nur noch, daß ich dicht vor mir die gläsernen Augen der Tintorera und zwischen ihren neu geöffneten Zahnreihen die Fetzen von den Kleidern meiner Geliebten sah. Dann muß ein schrecklicher Kampf unten in der Tiefe des Meeres vorgegangen sein; denn als die rasch herbeieilende Barke meines Vaters herankam und die Soldaten mich beim Emportauchen aus den Wellen zogen, war meine linke Schulter zerfleischt und ich bewußtlos. Aber in meiner rechten Faust hielt ich das Messer des Engländers fest umklammert und zwei Tage darauf fanden die Fischer von Cerralbo den toten Körper der Tintorera, den weißen, durch lange Schnitte zerfleischten Bauch nach oben an die Felsenküste der Insel getrieben.

»Die Nachricht weckte mich aus dem heftigen Wundfieber, das mich erfaßt hatte. Ich ließ den Körper der Tintorera vor meine Hütte schaffen und kroch von meinem Lager zu ihm hin. Trotz meiner Schwäche duldete ich nicht, daß ein anderer ihn berührt oder gar geöffnet hätte.

»Was ich in dem Inneren der Tintorera unter den schrecklichen Überresten gefunden habe und an mich nahm, haben Sie vorhin gesehen, es ist die Perle Riccardos und Esperanzas!

»Es dauerte zwei Monate, ehe ich durch die Kräuter und die anderen einfachen, aber sicheren Heilmittel meiner indianischen Verwandten wieder hergestellt war. Mein Vater hatte das Amt des Capataz einstweilen einem anderen übertragen, und als ich genesen war, schickte er zu mir und ließ namens der Kompagnie die Perle von mir fordern, weil ich sie auf ihrem Fischereigebiet gefunden hatte und zwar in Erfüllung meines Amtes als Capataz, indem ich den gefährlichen Feind des Buzos bekämpft hätte. Ich hieß den Boten und ihn selbst zum Teufel gehen und fuhr noch in derselben Nacht mit den Booten der Hiaquis hinüber aufs Festland, von wo ich nach San Francisco ging. Ich habe seitdem weder ihn noch Cerralbo wiedergesehen, aber ich habe meinen Eid gehalten, mich niemals, so lange ich lebe, von der Perle der armen Esperanza zu trennen.« – – – – – – – – – –


Der Erzähler schwieg.

Auch die Zuhörer im Kreise umher schwiegen bis auf das spöttische Lachen, das der alte Pirat hören ließ bei dem Eindruck, den die Erzählung sichtlich gemacht.

» Corbious!« sagte endlich der Mayordomo, indem er nach seinem Grogbecher griff, »ich muß gestehen, das arme Frauenzimmer thut mir herzlich leid. Allen Respekt vor Euch, Monsieur Juan, ich habe bisher nicht gewußt, was für ein mutiger Bursche Ihr seid und werde dem General seiner Zeit ein Wort ins Ohr setzen. Aber um nicht auf etwas anderes zu kommen und es über Nacht zu vergessen, – denn es ist Zeit, daß wir unsere Kojen und Hängematten suchen, – was ist denn aus Eurem würdigen Schwiegervater geworden, und wie hat er sich den Verlust seiner Tochter zu Herzen genommen?«

» O Dios! Señor Don Bonifazio, was soll aus ihm geworden sein? Er hat nicht viel Zeit gehabt, sich um sie zu grämen, obschon ihm sein Geld mehr am Herzen zu liegen schien als seine Tochter, denn man hat ihn am Tage darauf in San Paz erschossen!«

»Erschossen?«

»Ja, Señor. Er war ein Bruder des Generals Carbajal und hatte mit diesem stets heimliche Verbindung unterhalten. Sie müssen wissen, daß man in unserm Lande nicht viele unnütze Umstände mit einem Rebellen macht!«

»Das mag sein, Señor, aber es kommt darauf an, was Sie einen Rebellen zu nennen belieben! Ich habe mir sagen lassen, daß in Mexiko die Regierung häufig etwas schnell wechselt!«

»Sie mögen recht haben, Señor! Aber wer kann es ändern! Ich würde es jedem sehr verdenken, der sich nicht seiner Feinde entledigte, wenn er die Macht dazu hat. Ich war selbst einmal in Cinaloa nahe daran, Oberst zu werden, wenn nicht gar General. Die Politik ist ein etwas blutiges Handwerk, und man darf dabei nicht engherzig sein!«

Der Mayordomo dachte an die Exekutionen auf dem Marsfeld und unterdrückte seine weiteren Bemerkungen. Das laute Gähnen des würdigen Capataz bewies, daß ihm die Erinnerung an das schreckliche Ende seiner Geliebten nicht die Süßigkeiten des Schlafs rauben würde, und die ganze Gesellschaft verzog sich in ihre Schlafstätten unter dem Deck oder sorgte wenigstens dafür, sich mit einem Stück Segel zu schützen, denn die Wirkung des Mondes auf die frei auf dem Deck liegenden Schläfer ist in diesen Breiten oft sehr gefährlich.


Am andern Morgen nach Sonnenaufgang hatten die beiden Schiffe die Felseninseln, von denen der Perlenfischer am Abend vorher seine seltsame und abenteuerliche Geschichte erzählt hatte, unter ihrem Lee und gar manches Auge suchte nach den Plätzen und Stellen, von denen Juan Racunha gesprochen hatte. Im Licht der Sonne, bei dem frischen günstigen Winde, der von dem Eingang des Golfs her strich, bot die Scene freilich ein ganz anderes Bild und man konnte kaum glauben, daß sie die Stätte eines so schrecklichen Vorgangs gewesen war.

Wie der Capataz gesagt, waren die beiden Inseln jetzt unbewohnt und leer; nur ein oder zwei Hütten sah man auf jeder derselben, und der in die frische Morgenluft aufsteigende Rauch bewies, daß Menschen, wahrscheinlich eine arme Fischerfamilie, dort lebten.

Der Capataz selbst war, ganz gegen seine sonstige lebendige und sorglose Natur, ernst und verschlossen, und der einzige, mit dem er sprach, war der Schiffer. Ihr Gespräch schien sich auch nur um die Inseln, seinen früheren Aufenthaltsort, zu drehen; denn wiederholt deutete der junge Abenteurer nach einer oder der anderen. So lange sie in Sicht waren, blieb er an der Leeseite trotz der Sonnenstrahlen und schaute, die Beine über das Bollwerk hängend und sich an einem der Taue haltend, nach ihnen hinüber.

Der Mayordomo war bereits am Vormittag durch ein Signal des Grafen nach dem Schoner gerufen worden, und als er nachmittags zurückkehrte, sandte er mit dem Boot, das ihn brachte, den Kreuzträger hinüber, da der Graf diesem einige Fragen über das Innere des Landes vorzulegen wünschte, in das sie sich nun bald vertiefen sollten. Da der Kanadier an Bord des Schoners blieb, fehlte er am Abend in dem Kreise, der sich nach dem Sinken der Sonne wie gewöhnlich in der Nähe des Steuers gebildet hatte, und in dem der Avignote den Vorsitz führte.

» Corbious!« sagte dieser, als er die Cigarette aus dem Munde nahm und sich mit einem tüchtigen Schluck Grog erfrischte, »Monsieur Kreuzträger scheint die Nacht auf dem ›Salvador‹ zuzubringen, und ich rechnete für heute abend auf die Erzählung seiner Geschichte mit den Apachen, die er uns zum besten geben wollte. Für was zum Henker hätte ich sonst den schwarzen Kerl dort eine doppelte Portion Rum heraufbringen lassen? Allons Messieurs, ich hoffe, daß einer oder der andere uns dafür entschädigen wird. Caballeros, wie Sie, müssen so manches erlebt haben, und ich gestehe, daß die Geschichte von dem Haifisch, der das Liebespaar aufgefressen hat, mir ein ganz eigentümliches Gruseln verursacht hat. Ich habe davon geträumt und bin lange nicht so vergnügt aufgewacht, als da ich fand, daß ich nicht zwischen den Kiefern einer Tintorera, oder wie das Viehzeug heißt, steckte!«

»Haben Sie bemerkt, Señor Don Bonifazio, daß seltsamer Weise zwei Haifische heute fortwährend der ›Santa Magdalena‹ gefolgt sind?« fragte der Padrone.

»Die Matrosen zeigten mir die Flossen der Bestien, als ich zurückkam. Ich war froh, als ich wieder die Beine auf dem Verdeck hatte, denn ich meinte immer, sie würden nach mir schnappen!«

»Zwei Haifische!« mischte sich plötzlich eine höhnische Stimme ein. »Das ist nichts! Ich habe ihrer wohl vierzig um ein Schiff schwimmen sehen und alle vierzig tummelten sich vor Vergnügen wie die Meerschweine über das frische Fleisch, das sie bekamen.«

Es war der Pirat gewesen, der gesprochen. Er hatte sich wieder in die Nähe des Kreises gesetzt, und schien heute besserer Laune als sonst, denn sein finsteres häßliches Gesicht überzog ein spöttisches Lächeln.

Wahrscheinlich hatte er eine tüchtige Portion Rum zu sich genommen und dies hatte ihn gesprächiger als sonst gemacht.

»Gott verdamm' mich,« fuhr er höhnisch fort, »der Bursche da hat gestern so viel Aufhebens gemacht von einem Frauenzimmer, das die Haifische gefressen haben! Wenn Ihr ein tüchtiges Glas Grog spendieren wollt, Mayordomus oder wie zum Henker man Euch sonst nennt, so will ich Euch eine Geschichte erzählen, wie die See um das Schiff so rot von Weiberblut wurde, daß sie einem Trog glich, in dem man ein Mutterschwein mit einem Halbdutzend Ferkel abgestochen hat!«

»Wart Ihr selbst dabei?« fragte der Capataz.

»Ich fuhr auf dem Schiff, auf dem's geschah! Der Teufel hole meine Augen, aber wir hatten einen Kapitän, der etwas lustig war und seinen Leuten auch ein Vergnügen gönnte. Es war ein Hauptspaß, wie die Geschöpfe eins nach dem andern im Wasser zappelten!«

»So erzählt, Ihr sollt den Grog haben,« sagte der Avignote ziemlich finster. »Aber merkt Euch eins dabei, sowie Ihr wieder ein schlimmes Wort nach Eurer meuterischen Gewohnheit gegen den General einfließen laßt, schlag' ich Euch mit der Handspeiche dort zu Boden!«

Der Pirat warf ihm einen bösen tückischen Blick zu. »Unbesorgt, Herr Franzose,« sagte er hämisch. »Unser vortrefflicher Anführer hat mich von aller Lust, ihm oder Euch zu mißfallen, gründlich kuriert, und da mein Arm bald wieder ganz in Ordnung ist und ich an dem Golde der seligen Ynkas mein Teil kriegen soll, bin ich sein ganz gehorsamster Diener. Auf die gute Gesundheit Seiner Excellenz, und daß ihm nichts Übles geschehe!«

Er hob seinen Zinnbecher, aber er mußte ihn leeren, ohne daß jemand mit ihm anstieß, denn alle andern thaten es zwar bei dem Toast, aber nur unter sich.

Der Pirat ließ sein böses Auge über die ganze Gesellschaft laufen, dann begann er seine Geschichte.

Hier ist sie, nicht in seinen eigenen Worten, sondern wie sie sich aus andern spätern Berichten zusammenstellte:



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