Fritz Reck-Malleczewen
Die Siedlung Unitrusttown
Fritz Reck-Malleczewen

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Und weiter dreht sich der Erdball, unbekümmert um seine Last von Wirtschaftssystemen, Rassen- und Machtfragen, um das Jammergeschrei seiner Insassen . . . Sternbilder kommen und gehen, und zu dem Großen Bären hinauf, der, wie gesagt, schon auf allerlei Kulturen und Menschentumulte herabgesehen hat, schauen an der ganzen langen Westküste der Union die Kommandanten der Vorpostenboote, blasen den Atem ein wenig stärker aus als gewöhnlich, fragen mit der präzise wie Billardbälle klingenden Seemannsstimme den Wachthabenden, warum das Schiff so luvgierig sei, nicken, nehmen wieder das Glas, schauen nach Westen aus in den Nebel der Frühdämmerung, in das Ungewisse . . .

Und ins Ungewisse schaut in diesen Stunden noch immer ein ganzes, großes Volk, das vor acht Wochen noch hinter Drehbänken und Gießöfen summte vor Geschäftigkeit wie in der Junitracht ein eifriger Bienenschwarm. In Tokio befindet sich nun kein Mister Howard, in Washington kein Marquis Sato mehr, es klingen nun keine Friedenskantilenen mehr über den alten, ehrlichen Pazifik . . .

Was ist?

Ja, was ist! Der Abbruch der diplomatischen Beziehungen ist das einzig Gewisse . . . Schicksal ist der Rest . . . Jawohl, mein Junge, man wird dir nicht die Wahl lassen, ob du in acht Tagen auf einem der geheiligten Fußballplätze den großen Staatenkampf Nebraska–New York wirst anfechten wollen, oder ob es dir genehm ist, bei San Juanita 222 an einem Munitionsaufzug zu stehen . . . dort unten an der kalifornischen Westküste, wo die Füchse sich endgültig und herzlich gute Nacht wünschen!

Und da es die Ungewißheit ist, das Schicksal, das alle diese Millionen umgibt, so träumen sie Schicksal, wenn sie in diesen höllenheißen Nächten im Halbschlaf sich herumwälzen: Oneida-Bank bei Tarquanson stark engagiert . . . Elihu Grant kommt nach New York . . . Papiere sind daraufhin seit gestern ein wenig in die Höhe gegangen . . . oh, gewiß wird Elihu Grant alles wieder gutmachen!

Es ist die Straße, der Subwayinhalt, der nicht gestört sein will in seinem gewohnten Leben: täglich die Fahrt von den großen Menschenkommoden nach Down-Town und in die Fabriken, sechs Tage Arbeit, wie sich's gehört, und am nächsten Sonntag dafür Auftreten von Richards gegen den Weltmeister Lampton . . . Hines auf der Olympiabahn will Motorradrekord auf zweihundert Meilen drücken . . . wo'nt the war . . . Ja, in großen Plakaten wird dieses Feldgeschrei an der Spitze der Demonstrationszüge vor die Ämter durch die heißen Straßen getragen.

Und in den Setzersälen erstarrt die Angst vor dem Schicksal zu Blei, weckt die Riesenstadt jeden Morgen aus dem Hindämmern der Nächte mit diesem infam irritierenden Aroma der New-Yorker Druckerschwärze, weckt täglich mit neuen Schreckensbotschaften, heult auf aus den Kehlen dieser Straßenredner, die in den Parks von den Steinsockeln sämtlicher Washingtons und Lincolns aus sprechen, wittert um die kleinen Biergärten von Hoboken, wo zwischen verstaubten und nun schon etwas atavistisch wirkenden Kaiser- und Bismarckbüsten brave deutsche Dollarmacher Politik treiben. Und wenn im Osthafen noch heute ein paar Schiffe mit 223 Gittermasten liegen, so weiß der unglückselige Chef der Station sehr wohl, warum sie noch immer nicht ausgelaufen sind: man weigert sich, um den Krieg zu verhüten, sie auszurüsten, man wirft Geschützverschlüsse über Bord, und auf »South-Carolina« sollen sogar Bodenventile geöffnet worden sein heute nacht . . .

Oh, so sehr weit bin ich davon entfernt, einem ganzen Volke Feigheit vorzuwerfen, ich, der ich weiß, daß Feigheit und ihr Gegenteil ziemlich gleichmäßig verteilt sind über die Menschheit! Dennoch ist es hier in New York das gleiche, was in diesen Tagen die Kraterleute von Unitrusttown fernhält von der Arbeit: man will ihn nicht mehr sterben, den Maschinentod; man ist müde, ohne daß man es weiß, von einer überhitzten Wirtschaft, man träumt wohl auch manchmal von solch stillem Bach und Glimmerkieseln und einer Hütte im Buchenwald und wacht auf und weiß, daß man das alles so lange schon verloren hat, wacht auf in grauen, menschenüberfüllten Wohnmaschinen, steht tagsüber willenlos vor den Eisenkolossen, sehnt sich wohl nach etwas . . . ach, und weiß nicht, wonach . . .

Am Freitag ist Elihu Grant angekommen in New York, ist ausgepackt worden aus seinen Reisebehältnissen, wie die große, auf Wärmeflaschen verpackte Riesenschlange einer reisenden Menagerie.

Man hat den Landungsplatz, die Straßen rücksichtslos gesperrt, die Bataillone der Reporter, die sein Eingreifen seit zehn Stunden belauert haben, sind zurückgehalten worden mit den Machtmitteln des Staates. Ein Polizeioffizier am Wagen . . . Konstabler mit Filzhelmen, die vom Frühnebel naß sind . . . irgendein uniformiertes Individuum, das vorsorglich die Nachtausgabe von »Manhattan-Post« in den Wagen wirft: 224 »Elihu Grant not alone in New York, but with a coloured waiting-maid«, noch ein paar bissige Bemerkungen für den New-Yorker Puritanismus . . . die, der dies alles gilt, ist inzwischen samt ihrer Zofe sorglich verpackt in dem zweiten Wagen: der alte Mann da hat befohlen, Biskra ist ihm gefolgt in diese fremde Stadt, von der man nicht einmal den Namen weiß. Die Wagen springen an.

Elihu Grant läßt das Fenster öffnen, schnobert in der frischen Nachtluft: »Sag' mir, One, wie alles aussieht.«

Es ergibt sich, daß die ungeheure Stadt, um diese Zeit selbst doch sonst zuckend in ununterbrochenen Lebenspulsen, nun leer und tot liegt wie das gestorbene Brügge: leere Straßen . . . im Nebel trübe brennende Lichter . . . brennende Lampen in den heißen Häusern, wo die Menschen nicht schlafen können . . . gespenstische Stille. Elihu Grant fröstelt ein wenig.

Morgens vier Uhr: das vollkommen leere Mammouth-Hotel, dem das Durcheinander seiner gewohnten dreitausend Gäste, seiner Orchester, seiner Kellner- und Pagenkompagnien fehlt . . . ein vollkommenes Totenhaus. Drei begrüßende Manager, die Vertreter der Regierung und der Stadt, die Grant hier erwartet haben, die Einsamkeit seiner Zimmerflucht: eine knappe Stunde Ruhe für den alten Mann, der um den halben Erdball geflogen ist, um die Welt wieder einzurenken.

Dann in der Stille des grauen Morgens das Getöse der Subway, hundert Fuß unter Elihu Grants Füßen . . . Hammerschläge hier im leeren Hause . . . unablässig, unablässig.

»Sieh nach, One, was sie treiben.«

Es ergibt sich, daß es die Maurer sind, die in der ersten Etage des für die Anwesenheit Elihu Grants vollkommen evakuierten Hotels die Plattform herrichten für die Propagandarede . . . abends sechs Uhr, Elihu Grant, keine Minute 225 später . . . könnten eigentlich auch Hammerschläge für ein Schafott sein, Elihu Grant . . .

Dagesessen eine Weile mit offenen Augen, ins Leere gestarrt. »Die Zigarre, Nigger, ruf den Butler, sieh nach, ob sie gut untergebracht ist . . .«

Fünf Uhr: ein Reporter von »Evening-Post«, der sich als Zimmerkellner verkleidet hat . . . findiger Kerl, sieh mal an! Inzwischen hat One sein Bureau eingerichtet, laufen aus Europa, das um diese Stunde schlafen geht, die letzten Börsendepeschen ein. Dann mit der Station Bale gesprochen, wo man immer nervöser wird, dann, pünktlich auf die Minute, der Sekretär des Schatzamtes, mit dem man sich für vierzig Minuten in dem hintersten Zimmer einschließen läßt . . . Herkules steht und wacht . . . weiter, weiter.

»Sieh nach, was es draußen gibt, One.«

Der Broadway, abgesperrt vor Mammouth-House, liegt auf dreitausend Fuß Länge leer, auf dem Asphalt die tausendfachen Stahlspuren der Reifen von gestern spiegeln letzten rötlichen Laternenschein wider. Südwärts die Konstablerkette, nordwärts ebenso . . . um sechs Uhr, Elihu Grant, wird man diese Ketten zurückziehen, New York wird vor Mammouth-House erscheinen . . .

Hammerschläge unten auf dem Schafott . . . Schläge, Schläge . . . in der Ferne beginnt schon New York zu tosen.

Um halb sechs Uhr eine dicht verschleierte Dame, die sich wohl unsichtbar gemacht hat, um in diesen hermetisch abgeschlossenen Teil des Broadway zu kommen: sieh einmal an, Tarquanson, der alte unbrauchbare Greuel, aus dessen Hand in diesen Tagen kein Hund von einiger Reputation mehr einen Fleischbrocken nehmen würde . . . Tarquanson schickt als letzte Fürsprecherin sein Weib!

226 One meldet mit nicht zu überbietender Ironie, gleich wird Elihu Grant Pech, Schwefel und Feuer auf dieses Weib eines Bankerotteurs fallen lassen! Nein, bei Gott, nichts hiervon geschieht: Violet Tarquanson darf passieren, One, der in der nächsten Viertelstunde krampfhaft das Ohr an die Polstertür legt, hört keinen Zornesausbruch! Nichts zu ändern . . . kann nicht helfen . . . Tarquanson erledigt für immer . . . alles gut und schön. Aber dieses Weib, das One wie eine lästige Ansprecherin abzuweisen hoffte, passiert nach einer Viertelstunde an dem ersten Sekretär Elihu Grants stolz wie eine Königin. Ismael G. One klappt wie ein Rasiermesser zusammen vor ihr . . .

Ein Wagen draußen, der aus jagender Fahrt mit einem jähen Ruck hält . . . Funken stieben aus den Bremsen: der Pressechef der Regierung für das amtliche Communiqué. Neue Importe also, das Frühstück, dazwischen eine Stunde Diktat. Dann die Post, die draußen sortiert wird: Drohbriefe, feierliche Bittschriften der Tarquansongläubiger, das Patent eines neuen Frisierkammes, großmütig Elihu Grant zur Lizenz angeboten, wiederum Drohbriefe, James Pinkertons Projekt einer Verständigung mit dem Mars vermöge der Kraterenergien, Ehrenmitgliedbrief des deutschen Spar- und Rauchklubs »Apollo« . . . anonyme Unflätigkeiten, die sich auf die Anwesenheit der »coloured waiting maid« in Mammouth-House beziehen. Dann Two, der von Unitrusttown eine ernste Schießerei unten bei den Kaianlagen meldet, Featonby, der seine Instruktion für den nächsten Tag haben will, die Abschrift irgendeines asiatischen Konsulatberichtes, der im Grunde Elihu Grant nicht interessiert . . . Hammerschläge wieder unten, immer rascher dann in der Unterwelt das Dröhnen der Subway, unter dem der ganze Bau zittert . . .

227 Dann huschen sie wieder vorüber, die Schemen und das Wetterleuchten des heranziehenden Weltunterganges: Depeschen, das spukhafte Aufleuchten der Telephonscheiben in dem verdunkelten Zimmer, Pressemenschen dann wieder, Börsenleute, die zum letztenmal Stoizismus heucheln . . . aus alten Zeiten Bekannte, mit denen man die großen Schlachten seiner Jugend geschlagen hat und die heute als angstverzerrte Ansprecher erscheinen . . . die Leute des Sicherheitsdienstes in den Vorzimmern . . .

Elf Uhr vormittags . . . müde, müde . . .

Der Direktor vom »Journal«, den man eigentlich nicht gut abweisen könnte. Dennoch: »Jetzt nicht zu sprechen, One . . . später vielleicht.«

One zuckt die Achseln, geht, kommt wieder, findet Elihu Grant mit geschlossenen Augen. »Was Neues, mein Junge?«

One erzählt, was ihm wichtig erscheint: daß draußen Gerüchte von einem Anschlag auf das Haus umgehen, daß East-End sich verschworen hat, Elihu Grant heute nachmittag mit Pflastersteinen zu vertreiben, daß man bei Battery ein Plakat mit einer Karikatur von Elihu Grant beschlagnahmt habe . . . Ja, heikle Sache eigentlich . . . Elihu Grant in seinem Stuhl, eine Farbige auf dem Schoße . . . One schweigt diskret.

Elihu Grant lächelt leise: »Eigentlich gern etwas anderes gehört . . . gut, die Braune soll kommen.«

One sieht ihn von der Seite an: draußen tobt der Weltuntergang, Elihu Grant wünscht sich die Zeit mit dieser Farbigen zu vertreiben . . . auch recht. One geht. Nach einer Viertelstunde erscheint Biskra.

Nein, heute ist es nicht der böse Zauberer, heute ist's ein alter, müder Mann, der nach Biskra geschickt hat: »Hierher.«

Da sitzt sie auf dem Boden vor seinen toten Füßen.

228 »Erzähle.«

Was soll Biskra erzählen? Der Neger M'Boma mit den andern tot im Krater . . .

Nein, das mag Elihu Grant nicht hören.

Pearsons Hündin hat sieben junge Hündchen . . . hat Pearson alle ins Wasser geworfen . . .

Ebenfalls nichts für Elihu Grant, kleine Biskra.

Ugandu heißt ein heilig Wasser, Icalaya heißt in dem Wasser das Land . . .

One, der an der Tür lauscht, hört, daß der Präsident des Unitrusts, für eine große Propagandarede von der Union nach New York gerufen, sich sechs Stunden vor der Entscheidung Märchen erzählen läßt von einer lächerlichen Insel mit Niggern, die sich dort alle Jahre paaren.

»War Biskra ausgewählt für Icalaya?« fragt drinnen Elihu Grant.

»Kamen die weißen Männer,« sagt das Weib, »holten Biskras Volk fort . . . war Biskra nie in Icala.«

One, der auf pikante Einzelheiten lauert, noch eine Viertelstunde zuhört, tritt schließlich ein, findet Elihu Grant mit einem friedlichen Lächeln eingeschlummert in seinem Stuhl, vor ihm hingekauert dieses Geschöpf, das One mit einer energischen Handbewegung aus der Nähe seines Herrn entfernt.

Keine Zeit zum Schlafen jetzt, Elihu Grant . . . Jetzt, wo das ganze schreckliche New York wartet!

Im Norden beim Kolumbus-Zirkel, im Süden bei City-Hall-Place ziehen sich quer über die Straße die Konstablerketten, die den Zugang zu Mammouth-House versperren: Hand in Hand stemmen sich die Leute, Bier und Beefsteak im Blute und den Gummiknüppel an der Seite, gegen den 229 Druck der beiden ungeheuren Massen, die wie Flintenkugeln im Lauf den Broadway, nördlich bis zur fünfzigsten Straße fast, im Süden bis Battery anfüllen, seit sechs Stunden warten, das ungeheure Lichtbad der von den weißen Marmorwänden der Broadwayschlucht zurückgeworfenen Sonne genießen, vom Licht geblendet werden. Und R. Chester ärgert sich über die weißen Handschuhe des Polizeioffiziers, der seit einer Stunde stumm wie ein Automat hinter der Kette seiner Leute hin und her pendelt, Billy Ceint bekommt Streit mit einem der allmählich aller amerikanischen Nervenqualität zum Trotz nervös werdenden Konstabler, und ganz hinten an dem jenseitigen Ende dieser aus Menschenleibern gegossenen Flintenkugel hat als Treibladung der Teufel die Angst, die stete Bereitschaft zur Panik, den Irrsinn gesetzt . . .

Wo in diese Pulverladung der Feuerstrahl des Zündhütchens hineinfährt, ist ungewiß: er ist plötzlich da, es ist möglich, daß er hier im Süden, im Zeitungsviertel, wo alle möglichen journalistischen Demosthenesse von den Redaktionsfenstern aus Reden an die gerade unten stehende Menge richten, abgefeuert wird. Es ist ein Gerücht, gerade blödsinnig genug für den Tobsuchtsanfall einer Masse, gerade so blödsinnig wie die Aussicht auf einen zu schenkenden kleinen Blecheimer, welche Aussicht bekanntlich vor soundso viel Jahren bei der letzten Zarenkrönung achttausend Menschen das Leben kostete . . .es ist, kurz gesagt, das Gerücht, daß Elihu Grant sämtliche entwerteten Bonds des Tarquansonkonzerns einlösen werde, daß in der Office von Mammouth-House gleich gezahlt werde . . . bis zwölf Uhr nachts, keine Minute später, Herr . . .

Um fünf Uhr nachmittags flüstert der Teufel diesen Blödsinn allen diesen um Leben und Besitz zitternden Arbeitern, 230 Barmixern und Fährenheizern ein, drei Minuten später beginnen von Battery aus die Massen sich nordwärts in Bewegung zu setzen, drücken auf die Vorderleute, schieben sie vor sich her, veranlassen, daß nun auch diese Vorderleute die gerade vor ihnen Stehenden weiterdrängen – langsam, aber mit weit größerer Gewalt als die Geschosse der dreißigzölligen Mörser von Long-Branch schiebt sich im südlichen Broadway die große Geschützkugel nordwärts auf Mammouth-House zu.

Oh, sie haben ihre Geschichte, die Marmorsteine der Broadwaybauten, sie haben Paniken, Runs auf fallierende Banken, sie haben ursprünglich ganz friedlich geplante ruthenische, irische, jüdische Nationaldemonstrationen gesehen, bei denen die höllische Kraft von hunderttausend in einer engen Straße eingepferchten Menschenleibern daran schuld war, daß eben diese sauberen Marmorquadern von Wolworth, von Rubber-Building und Astor-House mit den Strahlen der Hydranten von großen Blutflecken gereinigt werden mußten, daß die Abendblätter eine lange Liste mit den Namen der Erdrückten brachten. Wenn diese Panik – die an Mitwirkenden reichste, die der Broadway je gesehen hat – einigermaßen glimpflich abgeht: ja, so mag es wohl sein, daß der große Unbekannte alle die armen Wahnsinnigen dieses Tages aufhebt für eine andere Katastrophe, von der ich nicht zu erzählen haben werde, die sich doch aber schon birgt in dem großen Ungewitter, das dort über Hoboken hängt . . .

Es mag in diesem Falle die Geistesgegenwart der Polizei sein, die, die Situation begreifend, beim Bügeleisen, das als dreieckiger Wellenbrecher sich dieser Flut unverrückbar entgegenstemmt, mit Bitten, Ruhe und Knüppelhieben wenigstens einen Teil dieser Irrsinnigen nach Fifth Avenue ableitet.

231 Immerhin, noch ist es ein höllischer Druck, der in der Schwüle des Spätnachmittags die Broadway-Wände partout auseinanderschieben will: »Einlösung der Bonds . . . Mammouth-House . . . bis zwölf Uhr nachts . . .«

Der Teufel ist los von der Kette.

Auf City-Hall-Palace, wo zur Stunde dieses irrsinnige Gerücht noch nicht bekannt ist, macht sich der Druck genau eine Viertelstunde später nach Ausgabe jener verrückten Parole bemerkbar. Der Konstabler Blackie Biskop, der, genau in der Straßenmitte stehend, vor seinen Eingeweiden den Druck am stärksten zu spüren bekommt, stemmt sich wohl brav an, fühlt aber, daß seine beiden ausgestreckten Hände nun langsam aus denen der Nachbarn gelöst werden, wird, obwohl alle diese Menschen, ohne selbst zu drängen, doch nur vorwärts geschoben werden, so kirschrot vor Wut, wie ein gutgenährter Konstabler es eben werden kann, schreit, zieht den Knüppel. Da unmittelbar vor ihm ein paar Weiber stehen, so erregt er mit seiner Drohung den Unwillen der nächsten prinzipiellen Frauenbeschützer, es gibt einen lokalen und lebhaften Wortwechsel, bei dem Blackie Biskop es ganz übersieht, daß die Menge schon an ihm vorüber durch das Loch der Kette bricht . . .

Es ist gewiß, daß in diesem Augenblick, wo jenes törichte Gerücht von der Bonds-Einlösung auf seiner Wanderung von den hintersten Reihen nach vorne nun auch die Front des Menschenpfropfes erreicht, das Schicksal eines weißbehandschuhten Offiziers der New-Yorker Polizei nichtig ist. Im Augenblick ist diese Stelle des Broadway eine geöffnete Mühlschleuse, als Gischt spritzen lebendige, vor dem Tod, vor der Verarmung bangende, durch eine vierwöchige Spannung aller Hemmungen beraubte Menschenkinder umher – ein weißbehandschuhter Gentleman ist in diesem Augenblick höchstens 232 als ein Stück Sprockholz anzusprechen, das im Wasserschwall der Schleuse umhergewirbelt wird, trotz aller Proteste untertaucht, mitgerissen wird von dem rasenden Strom . . .

Und da man jenseits der nördlichen Kette die südliche reißen sieht, da der Teufel mit jenem phantastischen Gerücht auch hier Klavier spielt auf der Seele von hunderttausend Besessenen, so drängt man auch dort vorwärts, beseitigt die Polizei, wird, um ja zur rechten Zeit und als erster bei Mammouth-House zu sein, schneller und schneller im Tempo, rast vorwärts . . . akkurat vor Mammouth-House prallen die beiden Menschenwellen zusammen.

Mammouth-House hat für solche Fälle solide Gitter vor seinem Portal, es hat selbstverständlich seit gestern, seit der Anwesenheit Elihu Grants, sein eigenes Sicherheitskommando in der Halle, es besteht schließlich selbst für diesen Menschenozean keine Möglichkeit, Mammouth-House so einfach zu überrennen. Und gut ist es, daß das Zusammenprallen dieser Wellen zunächst in seinen Energien verpufft in lokalen Prügeleien. Wallingford hat einen verrenkten Arm . . . eine Seidenbluse ist zerrissen . . . Hand, Gentlemen, von Frauen und Kindern . . . three cheers für Elihu Grant, der oben sitzt und alles bezahlt . . .

Und Elihu Grant schläft.

Nein, er schläft nun nicht mehr. Seit drei Uhr haben sie sich wieder die Klinke seiner Tür gereicht, alle diese Menschen, die bei dem Blinden ihre Angst abladen wollen: Finanzleute, sozialistische Senatoren, die für die Erhaltung des Friedens fechten, Armeeleute . . . nun ist es der Chef des Flottenamtes, der ihm gegenüber sitzt: bis zur Stunde noch keine Feindseligkeiten . . . können schließlich noch alles zurückpfeifen, wenn es sein muß . . .

233 »Gut, Herr, pfeifen Sie«, sagt Elihu Grant, bläst ihm gleichmütig seinen Zigarrenrauch ins Gesicht . . . ist er etwa hier, um Politik zu machen?

Der andere verkrampft sich in Zahlen . . . Materialfragen . . . der Einsatz der von beiden asiatischen Stationen zu liefernden Zerstörungskräfte . . . der Mann, der seit zweimal vierundzwanzig Stunden nicht geschlafen hat, seit vier Wochen im Trommelfeuer der Krise steht, kann einfach nicht mehr, die Stimme versagt . . .

Und freundlich, wie immer in der letzten Zeit, gibt Elihu Grant Auskunft, läßt solide Zahlen aufmarschieren, beschönigt nichts, verschweigt auch nicht seine eigenen Sorgen: Eigentlich nicht hier, um euch Krieg oder Frieden zu machen . . . eigentlich ganz andere Gedanken im Hirn eines alten Mannes . . .ja, sieh gefälligst einmal nach, Nigger, was draußen für ein Lärm ist . . .

Herkules, der kaum die Tür aufgemacht hat, trifft im Vorzimmer auf den Polizeioffizier, der unten am Portal von Mammouth-House die Wache hat . . . der Mann hat bereits sehr lebhaft mit One verhandelt: die Absperrung durchbrochen, die Menge vor dem Haus, unmöglich, länger zu warten, empfehlen dringend, sofort zu erscheinen . . .

Elihu Grant hört dem Mann ruhig zu: »Wie alt, mein Junge? Wieviel Kinder? Wohnung in Flatbush . . . he, kannst du mir sagen, ob Dick Brooker dort noch seine Kneipe hat? Habe ihn mal zusammengeboxt, damals, als ich noch ein forscher Kerl, mein Junge . . .«

Der Offizier, an allerlei Überraschungen gewöhnt, steht fassungslos. Es mag ja noch hingehen, daß Elihu Grant alle Welt samt dem Herrscher der Vereinigten Königreiche von Großbritannien und Irland mit »mein Junge« anredet . . . 234 unmöglich aber ist's, in solcher Situation, wenn hunderttausend Menschen vor Mammouth-House stehen und dringend einen einzigen zu sprechen wünschen . . . reichlich ungewöhnlich ist's, daß dieser einzelne in solchem Falle sich nach Flatbush und der Kneipe von Dick Brooker erkundigt.

Draußen murrt es, wie der Atlantic bei Nordost, es ist kein gutes Zeichen, daß man bis hierher den Lärm der unten in der Halle untergebrachten Mannschaft hört. »Die Menge draußen . . .«

»Der Pöbel, mein Junge, die Troglodyten . . .« Elihu Grant öffnet den Sprungdeckel seiner riesigen Taschenuhr, tastet nach der Zeigerstellung: »Du wirst also den Troglodyten sagen, daß es nun zehn Minuten vor sechs Uhr ist, daß ich gegenwärtig noch mit diesem Herrn zu reden wünsche, daß ich um sechs versprochen habe, keine Sekunde früher, daß sie also warten werden . . . es ist gut, nimm dir eine Zigarre, mein Junge.«

Der fassungslose, in Flatbush wohnhafte Gentleman geht.

Es ist nun sehr schwül im Zimmer, der Mann, der Elihu Grant seit einer vollen Stunde gegenübersitzt mit seinen Schicksalsfragen, wischt sich den Schweiß, rückt auf dem Stuhle hin und her, würgt, um seine schlechte Verfassung zu verbergen, noch ein paar Fragen hervor. Draußen hört man eine einzelne Stimme, die sich Mühe gibt, mit dem Megaphon das Tosen des Acheron zu überschreien . . . Pfiffe, Rufen, dann ist es ruhig. Elihu Grant lächelt . . . oh, der alte blinde Elihu Grant kann noch immer lächeln wie ein großer Junge, wie damals, als er wegen Peggy Swea den berühmten Dick Brooker niederboxte . . .

»Die Verantwortung«, würgt der andere hervor.

Elihu Grant wird ernst: »Ihre Sache, Herr.«

235 »Ihre Sache aber, die dabei leiden könnte«, sagt der andere.

Elihu Grant zuckt die Achseln.

»Die unerträgliche Verantwortung,« sagt der andere, es ist die ungeheure Spannung, die ihn beinahe schreien läßt, »die Verantwortung für Millionen von Menschenleben.«

Das Gesicht mit den übergroßen, blinden Augen wird wieder ehern: »Ich habe mir nie leid getan, ich habe gepfiffen auf mich fünfzig Jahre lang, Herr! Ich pfeife auch auf Ihre Menschenmillionen, merken Sie sich das, Herr.«

Es ist im Augenblick sehr stille im Zimmer, der andere rückt seine Krawatte, er fühlt wohl, daß die Unterredung beendet ist, er geht. Elihu Grant tastet gleichmütig nach den Zeigern: »Es ist nun Zeit, du kannst mich hinausschieben, Nigger.«

Ein großes Quadrat, das man in die Frontmauer des ersten Stockes gebrochen hat, eine Plattform darauf. Der Blinde nun ganz allein in seinem Stuhl, die stille Schwüle, das Schweigen von Hunderttausenden zunächst.

Da sind auf den Marmorsimsen der gegenüberliegenden Wand die Claqueure der Regierung, da sind auch noch immer die gewaltigen Arbeiter dort unten, die man sonst mit ihren eichenen Armen und den Fehdehandschuhen auf der Faust in dem Gebälk der werdenden Wolkenkratzer hängen und Vernietungen hämmern sieht. Wanemakers frisch aus der Seifenschachtel gestiegene Ladenmädchen . . . Jimmy Warrens, kümmerlicher, alter Meergreis, erzählt Anekdoten von Elihu Grant, mit dem er angeblich Kohlen getrimmt hat vor vierzig Jahren . . . Fußballmannschaft »Olympia« schickt Deputation, verlangt Vermeidung jeder politischen Krise, da sonst öffentliches Interesse am Sport ernstlich gefährdet . . .

Es ist äußerlich das gleiche, es ist innen ein anderes Amerika als das von Elihu Grants Jugendtagen! Überspannt war der 236 Bogen seit vielen Jahrzehnten, überhastet das Tempo, heiß gelaufen die Motoren: es ist die nämliche Ermüdung, die in Unitrust, in Bale die Leute vor dem Einfahren in die Schächte zurückhält – die Federn sind zerbrochen, ein Abschnitt der Menschheitsgeschichte ist zu Ende.

Elihu Grant weiß es – oh, wir haben die Augen so weit wie nie zuvor aufgetan in den letzten Wochen – und weil er weiß, daß sein Spiel verloren ist von vorneherein, gerade deswegen spricht er heute, wie er nie zuvor gesprochen hat.

Das Programm zuerst, das mit dem Presseamt der Regierung vereinbart ist für diese Rede: der Aufmarsch der nationalen Machtmittel, die Beruhigungsdaten für die Verängstigten, die paar agitatorischen Pointen für die Aufpeitschung des Sternbannernationalismus, der obligate Applaus der Claque, die ersten Pfiffe . . .

»Die Tarquansonbonds . . . was ist's mit der Einlösung der Bonds?« Man schreit, da auf diese Frage keine Antwort erfolgt, vorsorglich mitgebrachte Torpedopfeifen schrillen – der Mann dort oben wäre vielleicht schon jetzt verloren, wenn er nicht allein wäre, wenn man sich nicht erinnerte, daß er da blind und wehrlos dem großen New York gegenübersitzt . . .

Elihu Grant nimmt keine Notiz von dem Lärm, er wartet ein wenig, er spricht ruhig weiter. Er spricht ohne Megaphon, er verzichtet ganz auf die Geste von Tammany-Hall . . . bei Gott, kein Redner angelsächsischer Zunge hat es in den letzten hundert Jahren gewagt, so salopp vor der Menge zu erscheinen wie dieser: Kampf unvermeidlich . . . die und die Machtmittel . . . habt die Wahl, ob ihr sie in die Hand nehmen wollt . . .

Die Menge stutzt. Kampf, wo es klipp und klar gesagt 237 wurde, daß die Bonds eingelöst werden sollten . . . heute . . . hier, auf der Stelle und bis auf den letzten Cent, wenn wir bitten dürfen?

»Wollen keinen Kampf, Cancer . . . wollen unser Geld . . . holt ihn herunter . . . auf die Straße mit Cancer . . .«

Mammouth-House hat feste Eisenschotte vor der Halle, so ohne weiteres kann man sie nicht forcieren . . . man muß sich zunächst mit Geschrei begnügen . . .

»Wo'nt the war . . . wollen unsere Dollars zurück . . . wollen keinen Kampf . . . holt Cancer herunter . . .«

Mammouth-House hat glatte Marmorwände ohne jede Verzierung, der Dreher Priestley, der den Versuch macht, sich an irgendeiner Kabelverkleidung hochzuziehen, kommt nicht hinauf über den für solche Turner im voraus bestimmten Stachelschutz, verfängt sich mit seinem Hemd in den Stacheln, gleitet hilflos zurück, steht, da seine Hemdbluse von oben bis unten aufgeschlitzt ist von den Stacheln, plötzlich halbnackt auf dem Broadway . . . die Wut, die Spannung macht sich Luft ringsum in einem ungeheuren Gelächter.

»Die Bonds, Cancer . . .«

Nun wissen es schon die letzten beim Columbus-Zirkel, daß Elihu Grant ganz andere Dinge in Aussicht stellt als die Einlösung entwerteter Papiere, und nun ist's der ganze Acheron, der losgelassen ist auf den Mann dort oben. Und nun, wo er weiß, daß er endgültig verloren ist, nun erst beginnt er zu reden.

»Die Bonds . . . habe ich mich gemästet mit eurem Geld? Die Bonds . . . verlangt sie vom Teufel, der sie geholt hat, ja, geht dorthin, wohin ihr sowieso gehört, geht zum Teufel und beklagt euch bei ihm. Beklagt euch, daß James Pinkerton 238 tausend Dollar hat und ihr nicht, beklagt euch, daß bei Jackie Quig die Forellen immer gut anbeißen, und daß euch immer die Angelschnur reißt, beklagt euch, daß ihr alt werdet, daß ihr Gicht habt, daß ihr blind seid und gelähmt . . . Oh, ich kenne euch, meine Jungen – da ich fünfzig Jahre vor eurer Front gekämpft habe, kenne ich euch. Ihr habt weiche Knochen bekommen inzwischen, und ihr wundert euch, daß ihr nicht stehen könnt darauf. Ihr seid gewohnt, daß andere euch die Speisen kauen, und ihr wundert euch nun, daß euch die Zähne ausfallen. Ihr denkt, ihr handelt immer nur, wenn mindestens hundert von euch beieinander sind, und ärgert euch, daß eure Kapitäne allein auf der Brücke stehen, ohne euch gefragt zu haben. Die Höhen der Menschheit wollt ihr erkriechen . . . aber recht bequem auf dem Bauch und auf allen Vieren . . . und ihr wundert euch, daß ihr dabei immer im Tal bleibt als armselige Troglodyten . . .«

Der Sekretär One, der, unsichtbar hinter der Plattform stehend, diese Rede mitschreibt, die zweihundert Reporter, die das gleiche tun . . . sie alle sind schon jetzt überrannt: dies ist, beim Zeus, keine Rede, wie amerikanische Straßen sie je gehört, ein Boß auch nur zu denken gewagt hat . . . oh, zuviel Wunderlichkeiten hat One in der letzten Zeit an Elihu Grant erlebt, es steht nicht gut um Elihu Grant, es wird ein schlechtes Ende nehmen!

Und doch ist es stille geworden da unten, der großen Enttäuschung zum Trotz: da vor hunderttausend führungs- und seelenlosen Menschen einer gewagt hat, die Wahrheit zu sagen, so ist es stille.

Unsäglich schwül ist es, die Ausdünstungen der ungeheuerlichen Menschenmenge lasten schwer zwischen den Steinwänden der Straße in der unbewegten Luft. Pechschwarz hängt nun 239 die Gewitterwolke, die seit Wochen über der Westebene am Himmel hing, über der City, gespenstisch weiß stehen die Marmorwände dieser für die Ewigkeit gebauten Stadt – hilf Himmel, dies ist die große, entsetzliche Krise, das Herz der Menschheit steht still.

Dann leckt ein fahler Blitz, und die große Donnerposaune wird geblasen. Dann ist es wieder entsetzlich stille.

Und hinein in diese Stille gellt ein Schrei, aus hoher Weiberkehle ein einziger Schrei . . . oh, erbarme dich über das rasende Weib: »Wo'nt the war... wo'nt suffer...«

Da beginnt der oben wieder: »Ihr wollt nicht leiden! Oh, auch ich habe einmal nicht leiden gewollt! Ihr wollt das Paradies auf Erden . . . ich selbst habe so etwas machen wollen . . . ich habe kein Paradies gefunden! Weh tut es, zu leben, meine Jungen, es tut weh zu sterben. Geht nach Calvary-Cimetery . . .«

»Wo'nt die!«

»Geht also nach Calvary-Cimetery, wo man sie eingegraben hat seit drei Jahrhunderten in diese Erde, immer einen auf den andern, gleichgültig, ob sie früh von den Maschinen zerrissen oder alt an Magenkrebs gestorben sind. Trotzdem muß gestorben sein, so oder so! Ihr wollt es ein wenig hinausschieben, ihr wollt euch nicht schlagen, ihr wollt noch ein wenig Fußball spielen, ihr meint, es sei angenehmer, wenn es ein wenig langsamer geht! Ja, ihr bevorzugt es, an Magenkrebs zu sterben . . . well, ich weiß Bescheid um euch, ihr könnt wieder gehen.«

Wieder die Stille, die unerträgliche Stille.

Ein Überstarker sitzt da, der verachtet. Und Hunderttausend stehen, fühlen, daß er die Wahrheit sagt, schweigen.

240 Und hoffnungslos sind doch beide, Verachtete und Verächter . . . oh, für alle diese, für der ganzen Kreatur Jammer: Erbarmen, Gnade!

Die Marmorwände ringsum freilich wissen nichts davon, der dumme, glatte Asphalt, unter dem man die alte Erde begraben hat vor so viel Jahrzehnten . . . diese ganze tosende Stadt hat nie darum gewußt. Und der Himmel antwortet mit gelben Blitzen und den ersten schweren Tropfen.

Was den Ausgang dieser unerhörten Szene betrifft, so ist zu berichten, daß es außer dem allgemeinen großen, betroffenen Schweigen nur ein paar lokale Schreier gibt . . . die Kulisse der großen Massenbörse, die einen guten Abgang haben will.

»Nieder mit Cancer . . . hole ihn doch endlich einer herunter.«

Elihu Grant wartet die Pause ab: »Ihr habt den Wunsch, mich zu holen . . . gut, ich werde die Türen unten öffnen lassen, damit ihr heraufkommen könnt. Ich weiß, daß der Broadway keine Pflastersteine hat an dieser Stelle, ich weiß, daß ihr auf ein paar Bananenschalen angewiesen seid, um mich zu bewerfen. Es ist also gut, ich werde drei Minuten warten.«

One, der den Befehl zum Öffnen der Tür übermitteln soll, schießt herunter, er hat es eilig dabei. Er hat übrigens, da der Offizier stillschweigend den Befehl unbefolgt läßt, kein Glück mit seiner Eile.

Es ist außerdem zu bemerken, daß keiner von diesen Enttäuschten den Versuch macht, sich den Türen zu nähern, daß niemand die Hand aufhebt gegen den da oben, den man nun fortschiebt, verpacken und davonfahren wird, wie man ihn als 241 armen, toten Fetisch hergefahren, ausgepackt und ausgestellt hat.

Das Gewitter, seit Wochen zusammengebraut über den Ebenen des großen Amerika aus den Ängsten der kreißenden Erde, aus dem Höllenlaboratorium, das in gleicher Weise Klapperschlangengift und Menschenschicksale kocht – das Gewitter prasselt endlich nieder auf New York.

Langsam saugen die Adern der großen Stadt arme, ratlose Menschen ein. 242

 


 


 << zurück weiter >>