Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
Scene: Ein Zimmer im Zollhause.
Harder. Till tritt ein; hinter ihm Christian von einem Gensdarmen geführt.
Till. Nur hier herein!
Harder. Was giebt es?
Till. Contrebande, Herr Hauptmann.
Harder. Donner – –
Till. Und Wetter! sage ich auch.
Harder. Lassen Sie mich – –
Till. Reden? O! mit Vergnügen – nichts als Schuldigkeit. Sie wollen vermuthlich fragen: wer? wie? was? (Er übergiebt ihm ein Dütchen.) Hier ist das Was; (auf Christian zeigend) dort steht der Wer, und das Wie mag der Defraudant selbst erzählen.
Harder. Tabak! (Er schnupft aus der Düte.) Jenseitiger Tabak! Christian! sagt mir um – –
Till. Um des Himmels willen, wie kommt – –
Harder. Potz Bomben – –
Till. Und Granaten.
Harder. Wollen Sie mich denn nicht – –
Till. Ausreden lassen? O! mit Vergnügen.
Harder. Christian, wie kommt Ihr zu dem Tabak?
Christian. Wie ich dazu komme, gnädiger Herr? Wie man zu so was kommt: ich habe ihn gekauft.
Harder. Aber drüben über der Grenze?
Christian. Freilich. Sie selbst hatten mich ja hinüber geschickt.
Harder. Um meine Tochter abzuholen, nicht um Tabak zu kaufen. 6
Christian. Aber ich hatte meine Schnupftabaksdose vergessen; und ohne Tabak kann ich einmal nicht leben; und da kaufte ich mir drüben zwei Loth für einen Sechser: aber die Hälfte ist schon aufgeschnupft.
Harder. Warum habt Ihr den Tabak – –
Till. Nicht angegeben? fragt der Herr Hauptmann.
Christian. Warum nicht gar, so einen Bettel.
Harder. Bettel! Das hochlöbliche Zollamt – –
Till. Bekümmert sich um jeden Bettel von Rechtswegen. Neulich hatte Einer jenseits von einem Andern eine Prise Tabak genommen, und hielt sie noch zwischen den Fingern, als er die Grenze hier passirte. Die Prise wurde confiscirt und an den Meistbietenden verkauft.
Harder. Und diese Düte wird confiscirt und versteigert. (Er giebt sie dem Gensdarm, dann zu Christian.) Ein andermal gebt hübsch an, was Ihr Zollbares bei Euch habt.
Christian. Nein, gnädiger Herr, mein Lebstage nicht.
Harder und Till. Nicht?
Christian. Nein. Wenn man etwas ohne Abgabe herein bringen kann, für sich oder einen guten Freund, so ist es ein ehrlicher Gewinn.
Harder. Ehrlicher Gewinn?
Till. O Ihr heidnischer Christian!
Harder. Hört mich an, Christian! Ihr betrügt den König; die Zollgebühren gehören ihm.
Christian (lachend). I, gnädiger Herr, glauben Sie doch das nicht!
Till. Wollt Ihr den Herrn Hauptmann lehren, was er glauben soll?
Christian. Ei, der gnädige Herr glaubt es gar nicht; er muß sich nur so stellen. Aber unsereiner weiß, wo Bartel Most holt. Der König ist ein steinreicher Herr, und braucht unsere armen Pfennige nicht. Schickt etwa der Herr Hauptmann das Geld, was er einnimmt, an den König? Nein! an die Herren in der Stadt. Nun, was da unser gnädigster König davon zu sehen kriegt, dafür will ich mir keine Stiefeln besohlen lassen.
Harder. Ihr seid ein malitiöser Kerl; ich habe Euch so noch nicht gekannt. Aber ich befehle Euch, als Euer 7 Brotherr, künftig, so oft Ihr über die Grenze kommt, alles anzugeben, was Ihr wissentlich und unwissentlich Zollbares bei Euch führt.
Christian. Das geht nicht, gnädiger Herr. Ich will mich nicht auslachen und in der Schenke hänseln lassen. Das Zollamt ist uns armen Leuten zum Tort hergesetzt, und wie du mir, so ich dir, und Revanche muß sein, das denkt Jung und Alt drei Meilen in die Runde, und ich will nichts Apartes haben.
Harder. Ihr sollt aber etwas Apartes haben, weil Ihr in meinem Dienste steht, und sollt von dem hochlöblichen Zollamte nur Liebes und Gutes denken und reden.
Christian. Das kann ich nicht, gnädiger Herr; ich will nicht für einen Esel gelten.
Harder. Ihr sollt aber dafür gelten, oder ich jage Euch aus dem Dienste.
Christian. Meinetwegen. Einen Dienst findet man schon wieder; aber einen Eselskopf wird man so leicht nicht wieder los.
Harder. Fort! Geht mir aus den Augen, Bösewicht! Fort! ich will nichts mehr von Euch wissen. Hinaus mit Euch! (Christian und der Gensdarm gehen ab.)
Till und Harder.
Till. Abscheuliche Gesinnung!
Harder. Ganz verrucht. Aber das kommt – –
Till. Ganz recht, Herr Hauptmann; das kommt von dem schlechten Jugendunterrichte. Die Zollgesetze sollten im Abc stehen.
Harder. Ja wohl. Dann würden die Menschen begreifen –
Till. Schon in der Wiege würden sie begreifen, daß – –
Harder. Lassen Sie mich reden!
Till. O mit Vergnügen.
Harder. Sie würden begreifen, welch eine nützliche Anstalt – –
Till. Die Zölle sind, wollen Sie sagen. Gewiß, eine höchst heilsame Anstalt; eine Anstalt, die durch Vertheuerung 8 aller Lebensbedürfnisse und Luxusartikel die Menschen zur Mäßigkeit und Einfachheit zwingt.
Harder. Eine Anstalt, die – –
Till. Allerdings, eine Anstalt, die alle Grenzbewohner und Handelsleute stündlich in Versuchung führt, damit sie, diese Versuchung überwindend, zur Tugend erstarken.
Harder. Eine Anstalt, die – –
Till. Im höchsten Grade liberal ist, wollen Sie sagen. Zuverlässig. Das Theuerste, was der Mensch hat und nicht ohne merklichen Nachtheil entbehren könnte, seinen Leib, darf er mit allen Anhängseln von Gliedmaßen unverzollt über die Grenze bringen, ja sogar – –
Harder (mit weinender Stimme). Lassen Sie mich reden.
Till. Mit Vergnügen. Ich sage nur, sogar die Speisen in seinem Magen, die Bedeckung an seinem Leibe, die klugen und thörichten Gedanken in seinem Kopfe sind zollfrei, was beinahe zu viel ist.
Harder (weinend). Unmensch! Unmensch! Mein Herz ist voll Jammer, und er läßt mich nicht einmal reden, um mir Luft zu machen. Sie bringen mich in die Grube und in der Blüte meiner Jahre.
Die Vorigen. Eduard und Julie treten ein.
Julie. Da sind wir wieder, lieber Vater.
Harder (noch mit weinender Stimme). Schön, mein Kind, schön!
Julie (zu ihm gehend). Was fehlt Ihnen, Vater? Sie scheinen traurig.
Harder. Nichts, meine Tochter, nichts. (Er spricht leise mit ihr weiter.)
Till (heimlich zu Eduard). Der Herr Papa ist in einer sehr günstigen Stimmung für unsern Plan: wollen wir einen Angriff wagen?
Eduard (ebenso). Ich bin es zufrieden.
Julie (zu Harder). Ich habe mich noch nicht viel umsehen können; aber so viel habe ich schon bemerkt, Sie wohnen hier in einer anmuthigeren Gegend als auf Ihrem vorigen Posten. 9
Harder. Anmuthigere Gegend? Unverständiges Mädchen!
Julie. Wie? Diese schönen mit Buchen und Eichen bekränzten Berge, die gewiß auch liebliche Thäler einschließen – –
Harder. Sehe ich mit Ingrimm an. Nichts als Schleichwege und Schlupfwinkel für die Schmuggler. Seit einem Jahre bin ich hier, und seit einem Jahre verwünsche ich stündlich Berge und Thäler, Eichen und Buchen. Ich bin hier verrathen und verkauft, umringt von der verruchten Brut der Schleichhändler; sogar in meinem eigenen Hause – –
Till. Ja, sogar der eigene Herr Sohn – –
Harder. Wie? was?
Eduard. Was wollen Sie damit sagen, Herr Till?
Till. Nun, Herr Lieutenant, ist nicht ein heimlicher Liebeshandel auch Schleichhandel?
Eduard. Herr, das gehört nicht hieher.
Harder. Das gehört wohl hieher. Man kann dir deine Thorheit nicht oft genug vorrücken.
Julie. Wie? mein Bruder wäre in ein Liebesnetz gefallen?
Harder. Ja, mein Kind, das ist ein neues Unglück für deinen unglücklichen Vater.
Julie. O, lieber Vater, grämen Sie sich darüber nicht! Bei einem Lieutenant hält die Liebe nicht länger, als bei uns Mädchen ein Paar Tanzschuhe.
Eduard. Nun, Schwester, – weil doch einmal die Sache unzarter Weise hier zur Sprache gekommen, so sage ich dir, meine Neigung ist so ernsthaft, daß sie das Glück oder Unglück meines Lebens machen wird.
Julie. Nun ja, vier Wochen gehören auch zum Leben. Wer ist denn deine Göttin? Ich hoffe, daß sie deiner Schwester etwas ähnlich sieht.
Till. Es ist unsere Nachbarin, Fräulein von Wahlheim.
Eduard. Ein Mädchen, eben so reizend wie unschuldig, eben so gefühlvoll wie verständig.
Harder. Arm wie eine Kirchenmaus, und die Nichte meiner Todfeindin. 10
Julie. Gewiß nicht. Wie sollte mein guter Vater tödtlich hassen oder gehaßt werden?
Harder. Ja, das alte Fräulein von Kiekebusch zu hassen, ist keine Sünde. Wider alle menschliche und göttliche Gesetze hält sie es mit Juden und Zigeunern, mit Wilddieben, Seeräubern und sogar mit Schleichhändlern.
Julie. Wie soll ich das verstehen?
Till. Sie hat etwas zu tief – nicht ins Glas, wohl aber in den Walter Scott geguckt.
Julie. Ist es möglich?
Harder. Mehr als möglich. Auf mich hat sie einen tödtlichen Haß geworfen, weil ich behaupte, die Polizei sollte sich darein legen, und Bücher wegnehmen, worin Anweisung zur Wilddieberei und zum Schleichhandel gegeben wird.
Eduard. Mag die Tante eine Närrin sein, wiewohl ich es nicht behaupten kann, da ich sie kaum gesehen, geschweige denn mit ihr gesprochen habe.
Harder. Sie ist schlimmer als eine Närrin.
Eduard. Sei es, lieber Vater. Wenn ich Sie aber fragte, was hat die Nichte mit den Thorheiten der Tante zu schaffen? Was könnten Sie darauf sagen?
Harder. Was ich sagen könnte? O! – was ich sagen könnte? Ich könnte sagen – –
Till. Ja, der Herr Hauptmann könnte sagen, daß nach dem Sprichwort: »der Apfel fällt nicht weit vom Stamme,« und »wie die Alten sungen, zwitschern die Jungen,« die Nichte einer so verwirrten Tante, von der sie doch erzogen worden, wohl kein Weisheitsspiegel sein werde.
Harder. Ich könnte sagen – –
Till. Zuverlässig. Sie könnten sagen, daß es nicht angenehm wäre, mit jemanden, den man ex officio, ich meine von Amtswegen, hassen und verabscheuen muß, in so nahe Verwandtschaft zu kommen, und daß ein hohes Ministerium die Verschwägerung eines Zollinspectors mit einer offenkundigen Freundin der Schleichhändler wohl nicht zum Besten aufnehmen würde.
Harder. Lassen Sie mich – –
Till. Reden? O, mit Vergnügen! Aber Sie müßten 11 und würden doch sagen, daß man nicht wissen könne, ob sich nicht dereinst die alte Dame durch ihre Thorheit verleiten lassen werde, selbst am Schleichhandel Theil zu nehmen, wodurch natürlich Schimpf und Schande über die ganze Familie –
Harder. Herr! Sie sind ein Nagel zu meinem Sarge. (Weinend.) Nichts will ich sagen von Ihrem Unsinn, nichts. Ich sage, er mag das Mädchen nehmen, wenn er sie bekommen kann, er mag sie nehmen, der alten Närrin zum Trotz, wenn sie sie nicht geben will, er mag sie entführen und heirathen, wann, wie und wo es ihm beliebt. Ich will alles zusammen raffen, was ich habe, und ihm so viel geben, wie ein Lieutenant braucht, um heirathen zu dürfen. Das sage ich, das. (Er geht in heftiger Bewegung schluchzend zur Rechten ab.)
Eduard, Julie und Till.
Eduard. Dank, lieber Till, Dank! Es ist gelungen.
Till. Ja, so weit wären wir.
[[ Kürzungen für die Aufführung.Julie (erstaunt). Spielen wir denn Komödie?
Till. Nichts anders, Fräulein. Wir sind aber noch bei der Exposition, und wenn unser Stück seinen Fortgang haben soll, so müssen Sie eine Rolle darin übernehmen. Ich habe auf Sie gerechnet.
Julie. Ohne mich zu kennen.
Till. Ich hatte die Präsumtion für mich, daß Sie ein Frauenzimmer wären.
Julie. Was? Sind wir Mädchen Komödiantinnen?
Till. Allerdings: reisende Schauspielerinnen, die ein Engagement suchen.
Julie. Daran thun wir sehr Unrecht; die Spitzbuben, die uns engagiren, bezahlen uns mit falscher Münze.
Till. Dann entschädigen Sie sich durch Gastrollen.
Julie. Ich höre, bei Ihnen hat sich keine jemals engagiren wollen. 12
Till. Hm – doch; aber ich wollte nicht Garderobengeld genug geben.
Julie. Wie? sollte eine Köchin so viel Garderobe brauchen?
Till. Sie war ein Frauenzimmer und dachte auf Publikum.
Eduard. Seid ihr toll, daß ihr die edle Zeit mit leerem Geschwätz vergeudet, statt unsern Plan –?
Julie. Seht doch! wie ungeduldig mit seiner Liebe von acht Tagen.
Eduard. Nicht von acht Tagen, Schwester. Meine geliebte Minna brachte vergangenen Winter drei Monate bei Verwandten in meiner Garnison zu. Dort lernte ich sie kennen, lieben, anbeten. Aber der Frühling, der allen Wesen Freude bringt, brachte uns den Schmerz der Trennung; die Tante rief sie hieher zurück, mich hielt die Pflicht dort gefesselt. Erst vor kurzem bekam ich den ersehnten Urlaub; ich flog hieher, bin nun schon acht lange Tage hier, und habe sie erst zwei Mal gesehen, erst ein Mal ein paar Worte mit ihr gesprochen, noch kein Mal sie geküßt, und du weißt, Amor ist das ungeduldigste aller Kinder.
Julie. Ich weiß? Woher soll ich das wissen?
Till. Lieutenant, Sie vergessen, daß die Frauenzimmer das Widerspiel der Freimaurer sind, die sich immer das Ansehen geben, als wüßten sie, was sie nicht wissen.
Julie. Nach dieser Charakteristik sind alle Männer Freimaurer.
Till. Ausgenommen die Ehemänner; denn die müssen oft das Gegentheil thun.
Eduard. Ich beschwöre euch, fangt nicht wieder an, sondern laßt uns an unsern Plan denken.
Till. Sie haben Recht. Nun, der erste Schritt zum Unglück ist gethan.
Julie. Zum Unglück? Und was ist der, der seinem Nebenmenschen zum Unglück behilflich ist?
Till. Ein guter Christ, Fräulein. Man muß den Menschen immer zu Unglück verhelfen, denn nur Unglück bessert sie.
Eduard. Aber unser Plan! 13
Till. Recht. Von unserm Plane wollen wir reden; denn wenn man erwägt, wie schnell die Zeit über unsern Häuptern dahin streicht, und wie wahr es ist: »was du von der Minute ausgeschlagen, giebt keine Ewigkeit – –«
Eduard. Till, Sie bringen mich in Wuth.
Till. Dann, Lieutenant, ist von unserm Plane gar nicht mehr zu reden; denn ein Betrunkener, ein Wüthender und ein Verrückter, es mag letzterer nun – –
Eduard (Till und Julien bei der Hand fassend, und sie an sich reißend, zu Till). Kalter Bösewicht! unsern Plan.
Julie. Laß mir meine Hand, Bruder!
Till. Er ist ganz versessen auf eine Hand, und wird von dieser Krankheit nicht eher genesen, bis ihm der Glaube in die Hand kommen wird, daß eine Hand – –
Eduard (Beider Hände wegschleudernd). Ich will mir selbst helfen. (Will gehen.)
Till. Halt, junger Freund, halt! Was ich thue, ist nichts als Vorbereitung auf den Ehestand. Wie gesagt,] der erste Schritt ist gethan: Sie haben Ihres Vaters Einwilligung, und wenn er sie auch im Zorne gegeben hat, so nimmt er sie doch nicht zurück.
Eduard. Nein! darauf kenne ich ihn.
Till. Nun muß also der zweite Schritt geschehen, Sie müssen eine Zusammenkunft mit Ihrer Künftigen haben, um nach und unter allerlei unnützem Geschwätz auch die Frage zu ventiliren, [wie Sie die Einwilligung Ihres Vaters benutzen, was Sie dem Zufall überlassen wollen und was nicht; oder] wie das alte Fräulein zu gewinnen sein möchte, denn das Geld der Tante würde den Reizen der Nichte längere Dauer sichern. Diese Zusammenkunft zu bewerkstelligen, müssen Sie in das Haus hinein, und die alte Dame aus dem Hause heraus geschafft werden.
Julie. Gäbe es denn kein einfacheres und leichteres Mittel? Hier auf dem Lande, sollte ich denken – –
Eduard. Nein, liebe Schwester, nein! Die arme Minna wird nicht nur von der Tante, sondern auch von einer abscheulichen Creatur von Haushälterin mit Argusaugen bewacht. Wie ich trotz dieser Augen zu ihr gelangen soll, darüber sind wir schon einig; aber die Tante auf einige 14 Stunden vom Hause entfernen, dazu sollst du uns behilflich sein.
Julie. Mit Freuden, wenn ich es nur vermag.
Till. Könnten Sie wohl eine Zigeunerin vorstellen, Fräulein?
Julie. Warum nicht? Ich habe Walter Scott gelesen und die Preciosa wohl zwanzig Mal gesehen.
Till. Könnten Sie wohl auch aus Ihrer mitgebrachten Garderobe einen passenden Anzug zusammensetzen?
Julie. Ich denke, ja.
Till. Nun, so thun Sie es eiligst und schleunigst!
Julie. Aber wozu? wo ist meine Rolle?
Till. Die sollen Sie zur rechten Zeit bekommen. Jetzt gehen Sie, gehen Sie beide, und besorge jedes das Costum, das ihm zu unserm Lustspiel nöthig ist, denn Sie wissen wohl, das Costum ist heut zu Tage die Stütze der sinkenden Kunst, weßwegen auch Costume ganz allein ohne alle Worte, ich meine lebende Bilder, das meiste Glück machen. Gehen Sie! gehen Sie!
Julie. Ich will thun, was ich kann. Wenn uns nur die Tante nicht erkennt.
Till. Wie wäre das möglich? Sie sind ihr völlig unbekannt, und den Herrn Lieutenant hat sie vielleicht zwei Mal oberflächlich gesehen. Uebrigens ist sie vorbereitet; denn ich habe ihr diesen Morgen von einem Schleichhändler Macklot erzählt, der hier an der Grenze sich furchtbar zu machen anfange, und von einer Zigeunerbande, die jenseits der Grenze lagere.
Eduard. Wenn es glückt, lieber Till, so bin ich auf ewig Ihr Schuldner. (Eduard und Julie gehen durch die Mitte ab.)
Till allein.
Till. Der denkt wahrhaftig, ich thue es seinetwegen. Nein, ich habe niemals etwas für einen Menschen gethan, ausgenommen für mich, denn ich will das schändliche Laster des Undanks nicht befördern. – Die Sache ist gut eingefädelt und kann erbaulich werden; aber ich will mir doch 15 noch einen Spaß auf meine eigene Hand machen. (Er zieht ein Billet aus der Tasche.) Dieses Liebesbriefchen habe ich im Namen des alten Fräuleins an den verrückten Schelle geschrieben; ihre Hand ist trefflich nachgemacht, ihr Petschaft ist es auch, und der Betteljunge, der den Postillon d'Amour spielen soll, steht schon auf der Lauer. Das kann einen unbezahlbaren Moment geben, und eine süße Erinnerung auf lange Zeit; ich könnte ordentlich sentimental darüber werden, wenn das meine Sache wäre. (Schelle tritt mit dem Barbierzeuge zur Mittelthüre ein.)
Till und Schelle.
Schelle. Guten Tag, Freundchen, guten Tag!
Till (für sich). Wie gerufen. (Laut.) Guten Tag, Schelle. (Für sich.) Da will ich doch gleich etwas Feuer anlegen.
Schelle. Der Hauptmann ist ausgegangen, und ist doch Rasiertag.
Till. Er hat sich geärgert; dann pflegt er die freie Luft zu suchen.
Schelle. Aber unrasiert; gereicht mir zur Schande, und wenn es mir nicht zur Schande gereicht, so will ich einer Mücke im Fluge den Staar stechen.
Till. Was kann es Euch verschlagen? Ihr habt hier wohl am längsten rasiert.
Schelle. Am längsten? Was ist geschehen? Ihr erschreckt mich, Freundchen, Ihr erschreckt mich!
Till. O Vocative! Stellt Euch nur nicht so.
Schelle (immer lauernd und doch sich stellend, als verstände er, was Till meint). Je nun, je nun.
Till. Glänzende Hoffnungen? Wie?
Schelle. O – o! So, so!
Till. Ja, wer's Glück hat!
Schelle. Ja, ja! wer's hat. (Sich die Hände reibend )
Till. Dort drüben – hm?
Schelle (ihm zunickend). Hm – hm!
Till. Und Glut und Flammen – hm?
Schelle (wie vorhin). Hm – hm! 16
Till. Glücklicher Kerl! (Er schüttelt ihm die Hand und geht.)
Schelle. Haha! (Till geht zur Rechten ab.)
Schelle allein.
Schelle. So will ich doch einen Hasen im Sprunge barbieren, wenn ich den heillosen Zöllner verstanden habe. Das heißt, insofern ich sehr gut weiß, was er in genere meint, kann ich wohl sagen, daß ich ihn verstanden habe; aber insofern es mir dunkel ist, was er in specie sagen will, muß ich gestehen, daß ich nicht ganz im Klaren bin. Gut! gut! ich habe heute noch vier Kunden zu bedienen; vielleicht kann ich etwas Näheres von meinem Glück erfahren. Glänzende Hoffnung – Glück – drüben – Glut und Flammen – verwünschter Zöllner! (Er geht durch die Mitte ab. – Der Vorhang fällt.)