Leopold von Ranke
Savonarola – Geschichte des Don Carlos – Die großen Mächte
Leopold von Ranke

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England, Österreich, Rußland.

Zuerst erhob sich England zu dem Gefühle seiner Stärke. Dies war, sahen wir, bisher dadurch zurückgehalten, gebrochen worden, daß Ludwig XIV. zugleich Karl II. und das Parlament bearbeitete und bald den einen, bald das andere für seine Zwecke zu bestimmen wußte. Mit Jakob II. aber stand Ludwig in einem viel vertraulicheren Verhältnis als mit Karl. Wenn nichts anderes, so vereinigte sie schon ihre religiöse Gesinnung, die gemeinschaftliche Devotion. Daß Jakob den Katholizismus so auffallend begünstigte, war einem Fürsten erwünscht, der die Protestanten selber grausam verfolgte. Ludwig ergoß sich in Lob, und der englische Gesandte kann nicht genug sagen, mit welcher Herzlichkeit er sich zu jedem erdenklichen Beistand erboten habe, als Jakob den entscheidenden Schritt getan und die Bischöfe gefangen gesetzt hatte. Aber eben dies bewirkte, daß alle populären und, da die englische Kirche angegriffen war, selbst die aristokratischen Gewalten sich zugleich ihrem Könige und den Franzosen entgegenwarfen. Es war eine religiöse, nationale und im Interesse des bedrohten Europas unternommene Bewegung, der die Stuarts unterlagen. Eben der leitete sie, der bisher die Seele aller Unternehmungen gegen Frankreich gewesen war, Wilhelm III. Der neue König und sein Parlament bildeten seitdem eine einzige Partei. Es konnte Streitigkeiten, selbst heftige Streitigkeiten zwischen ihnen geben; aber auf die Dauer, in der Hauptsache konnten sie sich nicht wieder entzweien, zumal da der Gegensatz so stark war, den sie gemeinschaftlich erfuhren. Die Parteien, die sich bisher in die Extreme geworfen, um einander von den entgegengesetzten Standpunkten aus zu befehden, wurden in den Kreis des Bestehenden verwiesen, wo sie freilich auch miteinander stritten, aber sich zugleich miteinander ausglichen, wo ihr Widerstreit zu einem lebendigen Gärungsstoff der Verfassung wurde. Es ist nicht ohne Interesse, diesen Zustand mit dem französischen zu vergleichen. Sie hatten doch vieles gemein. In Frankreich wie in England waren aristokratische Geschlechter im Besitz der Gewalt; die einen wie die anderen genossen einer alle anderen ausschließenden Berechtigung; sie besaßen dieselbe beide vermöge ihrer Religion, die einen durch ihren Katholizismus, die anderen durch ihren Protestantismus. Dabei aber bestand der größte Unterschied. In Frankreich war alles Uniformität, Unterordnung und Abhängigkeit eines reich entwickelten, aber sittlich verderbten Hofwesens. In England ein gewaltiges Ringen, ein politischer Wettkampf zweier fast mit gleichen Kräften ausgerüsteter Parteien innerhalb eines bestimmten, umschriebenen Kreises. In Frankreich schlug die nicht ohne Gewalt gepflanzte Devotion nur zu bald in ihr offenbares Gegenteil um. In England bildete sich eine vielleicht beschränkte, im ganzen männlich selbstbewußte Religiosität aus, die ihre Gegensätze überwand. Jenes verblutete an den Unternehmungen eines falschen Ehrgeizes; diesem strotzten die Adern von jugendlicher Kraft. Es war, als träte der Strom der englischen Nationalkraft nun erst aus den Gebirgen, zwischen denen er sich bisher zwar tief und voll, aber enge, sein Bette gewühlt, in die Ebene hervor, um sie in stolzer Majestät zu beherrschen, Schiffe zu tragen und Weltstädte an seinen Ufern gründen zu sehen. Das Recht der Geldbewilligung, über welches bisher die meisten Streitigkeiten zwischen dem König und dem Parlament ausgebrochen, fing nun vielmehr an, sie miteinander zu verbinden. Karl II. hatte während des Vierteljahrhunderts seiner Regierung alles in allem dreiundvierzig Millionen Pfund eingenommen. Wilhelm empfing binnen 13 Jahren zweiundsiebzig Millionen Pfund; wie ungeheuer aber stiegen seitdem diese Anstrengungen! Eben darum stiegen sie, weil sie freiwillig waren, weil man sah, daß ihr Ertrag nicht dem Luxus weniger Hofleute, sondern dem allgemeinen Bedürfnis diente. Da war das Übergewicht der englischen Marine nicht lange zweifelhaft. Im Jahre 1678 war es als ein blühender Zustand der königlichen Flotte erschienen, daß sie, die Brander eingeschlossen, 83 Kriegsschiffe zählte, mit einer Bemannung von 18323 Mann. Im Dezember 1701 besaß man dagegen, Brander und kleinere Fahrzeuge ausgeschlossen, 184 Schiffe vom ersten bis sechsten Range mit einer Bemannung von 53921 Mann. Wenn, wie man glaubt, der Ertrag des Postwesens einen Maßstab für den inneren Verkehr abgibt, so muß man sagen, daß auch dieser ungemein gestiegen war. Im Jahre 1660 soll die Post 12 000 Pfund, im Jahre 1699 dagegen 90504 Pfund Sterling abgeworfen haben. Man hat gleich damals bemerkt, daß das eigentliche nationale Motiv zu dem Spanischen Erbfolgekriege die Besorgnis war, Frankreich und Spanien vereinigt möchten den westindischen Verkehr den Engländern und Holländern wieder entreißen. Hätte auch sonst der Friede, den man zuletzt schloß, den Tadel verdient, den die Whigs so lebhaft über denselben aussprachen, so hat er doch diese Furcht beseitigt. Nichts bezeichnet mehr das Übergewicht der Engländer über die bourbonischen Mächte, als daß sie Gibraltar behaupteten. Den besten Verkehr mit den spanischen Kolonien brachten sie nunmehr sogar durch Vertrag an sich, indes die eigenen sich in ungeheuerem Fortschritt ausbreiteten. Wie Batavia vor Kalkutta, so verschwand seitdem der alte maritime Glanz von Holland vor dem englischen, und schon Friedrich der Große fand zu bemerken, Holland folge dem Nachbar wie ein Boot seinem Schiff. Die Vereinigung mit Hannover brachte ein neues, kontinentales, nicht minder antifranzösisches Interesse hinzu. In dieser großen Bewegung erhob sich die englische Literatur zuerst zu europäischer Wirksamkeit, und sie fing an, mit der französischen zu wetteifern. Naturforschung und Philosophie, diese sowohl in der einen als in der anderen ihrer Richtungen, brachten eine neue und originale Weltansicht hervor, in der jener die Welt übermeisternde Geist sich selber faßte und widerspiegelte. Zwar würde man zu viel behaupten, wenn man den Engländern die Schöpfung vollendeter, in der Form unvergänglicher Denkmale der Poesie oder der Kunst in dieser Zeit zuschreiben wollte; aber herrliche Genies hatten sie auch damals, und längst besaßen sie wenigstens einen großen Dichter, dessen Werke – für alle Zeiten faßlich und wirksam, wie sie sind – Europa nun erst kennen lernte. Hatten sie eine Zeitlang französische Formen nicht verschmäht, so nahm man nun an den ausgezeichnetsten Franzosen die Wirkung ihres Geistes und ihrer Wissenschaft wahr.

Dergestalt setzte sich Ludwig XIV. jenem Nebenbuhler, dessen er durch Politik oder den Einfluß der Religion Herr zu werden gehofft hatte, mächtiger in sich, großartiger und gefährlicher, als man irgend hatte erwarten können, entgegen. Alle maritimen Beziehungen, alle Verhältnisse des europäischen Westens wurden dadurch von Grund aus verändert.

Indessen war zur nämlichen Zeit auch der Osten umgestaltet.

Ich kann die Meinung nicht teilen, daß das deutsche Österreich in der Bedeutung, in der wir es erblicken, eine alte Macht zu nennen sei. Während des Mittelalters hätte es ohne das Kaisertum nur wenig zu sagen gehabt. Dann ward es von der spanischen Monarchie zugleich mit fortgezogen und in Schatten gestellt; am Ende des sechzehnten Jahrhunderts war es durch den Zwiespalt der Religion und die erblichen Berechtigungen der Stände in seinen verschiedenen Landschaften alles auswärtigen Ansehens entkleidet worden; im Anfang des Dreißigjährigen Krieges mußten deutsche Heere dem Kaiser sein Erbland wiedererobern. Selbst der Glanz, den die wallensteinischen Unternehmungen auf Ferdinand II. warfen, war doch nur vorübergehend; und welche gewaltsame Rückwirkung riefen sie nicht hervor! Wie oft wurden seitdem die Hauptstädte österreichischer Provinzen von den schwedischen Heeren bedroht! Jedoch gelang es eben damals dem Hause Österreich, durch die Vernichtung seiner Gegner, die Erhebung seiner Anhänger, die endliche Befestigung des Katholizismus seine Macht im Innern auf immer zu begründen. Es war der erste Schritt zu dem Ansehen, das es in neuerer Zeit erworben hat. Zu einer selbständigen und europäisch bedeutenden Macht wurde aber Österreich erst durch die Wiedereroberung von Ungarn. Solange Ofen in den Händen der Türken war, konnten die Franzosen Österreich bedrohen, ja außerordentlich gefährden, so oft es ihnen gefiel, ihren Einfluß auf den Diwan dahin zu verwenden. Haben sie den Zug Kara Mustaphas im Jahre 1683 auch nicht veranlaßt, so haben sie doch darum gewußt. Ihre Absicht war dabei nicht, Deutschland oder die Christenheit zu verderben; so weit gingen sie nicht; aber Wien wollten sie nehmen, die Türken wollten sie selbst bis an den Rhein vordringen lassen. Dann wäre Ludwig XIV. als der einzige Schirm der Christenheit hervorgetreten; in der Verwirrung, die eine solche Bewegung hätte hervorbringen müssen, würde es ihm nicht haben fehlen können, über die deutsche Krone zu verfügen und sie, wenn er nur wollte, selbst an sich zu nehmen. Unter den Mauern von Wien schlug dieser Plan fehl. Es war die letzte große Anstrengung der Türken, die um so verderblicher auf sie zurückwirkte, da sie alle ihre Kräfte dazu in barbarischem Übermaße aufgewendet hatten. Seitdem wichen denn vor den deutschen Kriegsscharen, welche, wie ein Italiener sagt, »wie eine starke, undurchdringliche Mauer« vorrückten, die ungeordneten türkischen Haufen allenthalben zurück; vergebens erklärte ein Fetwa des Mufti, daß Ofen der Schlüssel des Reiches und die Verteidigung dieses Platzes eine Glaubenspflicht sei; es ging doch verloren; ganz Ungarn ward wiedererobert und zu einem erblichen Reiche gemacht. Die Mißvergnügten unterwarfen sich; in die Grenzen von Niederungarn rückte eine Raizische Bevölkerung ein, um dieses fortan wider die Türken zu verteidigen. Seitdem hatte Österreich eine ganz andere Grundlage als früher. Sonst wurden alle Kriege in Ungarn von deutschen Heeren geführt, und man sagte, alle dortigen Flüsse seien mit deutschem Blute gefärbt; jetzt erschienen die Ungarn als der Kern der österreichischen Heere in den deutschen Kriegen. Nun war es der französischen Diplomatie nicht mehr möglich, die Türken bei jedem leichten Anlaß in das Herz der Monarchie zu rufen; nur noch einmal fand sie bei den Mißvergnügten Beistand und Hilfe; endlich war alles ruhig; eben auf diejenige Provinz, die ihn bisher am meisten gefährdet hatte, gründete seitdem der Kaiser seine Gewalt.

Man sieht von selbst, welch eine Veränderung die Befestigung dieser stabilen, reichen, wohlbewaffneten Macht, welche die Türken in Zaum, ja in Furcht hielt, in den Verhältnissen des europäischen Ostens hervorbringen mußte.

Ludwig XIV. erlebte wenigstens den Anfang noch einer anderen.

Die Zustände von Polen, durch die es ihm leicht wurde, in diesem Lande immer eine Partei zu haben, die Macht von Schweden, das durch Herkommen und alten Bund wenigstens in der Regel an ihn geknüpft war, gaben ihm ohne viel Anstrengung ein entschiedenes Übergewicht in dem Norden. Karl XII. machte darin keine Änderung. Es war einer seiner ersten Entschlüsse, wie er zu seinem Kanzler sagte, »schlechterdings die Allianz mit Frankreich abzuschließen und zu dessen Freunden zu gehören.« Es ist wahr, der Spanische Erbfolgekrieg und der Nordische, die hierauf fast zu gleicher Zeit begannen, hatten keinen vorausbedachten, durch Unterhandlungen vermittelten Zusammenhang, obwohl man ihn oft vermutete; aber die schwedischen Unternehmungen kamen den Franzosen durch ihren Erfolg zustatten; in der Tat hatten die Begebenheiten eine gleichartige Tendenz. Während die spanische Sukzession dienen sollte, den Bourbonen den Süden von Europa in die Hände zu liefern, waren die alten Verbündeten der Bourbonen, die Schweden, nahe daran, die Herrschaft in dem Norden völlig an sich zu bringen. Nachdem Karl XII. die Dänen überfallen und zum Frieden gezwungen, nachdem er Polen erobert und einen König daselbst gesetzt, nachdem er die Hälfte von Deutschland, das in seinem Osten nicht viel besser befestigt war, als in seinem Westen, durchzogen und Sachsen eine Zeitlang innegehabt, blieb ihm zur Befestigung seiner Suprematie nichts mehr übrig, als den Zaren, den er schon einmal geschlagen, völlig zu vernichten. Dazu brach er mit seinem in Sachsen verjüngten Heere auf. Der Zar hatte sich indes mit großer Anstrengung gerüstet. Es kam zu dem entscheidenden Kampfe des Jahres 1709. Sie begegneten einander noch einmal, diese beiden nordischen Heroen, Karl XII. und Peter I., originale Geburten germanischer und slawischer Nationalität. Ein denkwürdiger Gegensatz. Der Germane großgesinnt und einfach, ohne Flecken in seinem Lebenswandel, ganz ein Held, wahr in seinen Worten, kühn in seinem Vornehmen, gottesfürchtig, hartnäckig bis zum Eigensinn, unerschütterlich. Der Slawe, zugleich gutmütig und grausam, höchst beweglich, noch halb ein Barbar, aber mit der ganzen Leidenschaftlichkeit einer frischen lernbegierigen Natur den Studien und Fortschritten der europäischen Nationen zugewandt, voll von großen Entwürfen und unermüdlich, sie durchzusetzen. Es ist ein erhabener Anblick, den Kampf dieser Naturen wahrzunehmen. Man könnte zweifeln, welches die vorzüglichere war; so viel ist gewiß, daß sich die größere Zukunft an die Erfolge des Zaren knüpfte. Während Karl für die wahren Interessen seiner Nation wenig Sinn zeigte, hatte Peter die Ausbildung der seinigen, die er selbst vorbereitet und begonnen, an seine Person geknüpft und ließ dieselbe sein vornehmstes Augenmerk sein. Er trug den Sieg davon. In dem Berichte, den er über die Schlacht von Pultawa an seine Leute ergehen ließ, fügte er in einer Nachschrift hinzu, »damit sei der Grundstein zu St. Petersburg gelegt.« Es war der Grundstein zu dem ganzen Gebäude seines Staates und seiner Politik. Seitdem fing Rußland an, in dem Norden Gesetze zu geben. Es wäre ein Irrtum, wenn man glauben wollte, es hätte dazu einer langen Entwicklung bedurft; es geschah vielmehr auf der Stelle. Wie hätte auch August II. von Polen, der seine Herstellung einzig und allein den Waffen der Russen verdankte, sich ihrem Einfluß entziehen können? Aber überdies mußte er in den inneren Entzweiungen, im Kampfe mit seinem Adel, ihre Hilfe aufs neue in Anspruch nehmen. Hierdurch ward Peter I. unmittelbarer Schiedsrichter in Polen, mächtig über beide Parteien; um so gewaltiger, da die Polen ihre Armee um drei Vierteile verminderten, während die seinige immer zahlreicher, geübter und furchtbarer wurde. Der Zar, sagt ein Venezianer im Jahre 1717, welcher sonst Gesetze von den Polen empfangen hat, gibt deren jetzt ihnen nach seinem Gutdünken mit unbeschränkter Autorität. Notwendigerweise hörte seitdem der Einfluß der Franzosen in Polen mehr und mehr auf; sie vermochten ihre Thronkandidaten nicht mehr zu befördern, selbst wenn sie den Adel für sich hatten. Indessen war Schweden durch eben diese Ereignisse entkräftet und herabgebracht worden. Noch in seinen letzten Tagen hatte Ludwig XIV. dieser Krone alle ihre Besitzungen garantiert; nichtsdestominder war sie zuletzt eines bedeutenden Teiles derselben verlustig gegangen. Wohl behaupteten die Franzosen ihren Einfluß in Stockholm. Man klagte dort 1756, Schweden werde von Paris aus regiert, wie eine französische Provinz. Aber, wie gesagt, Schweden war ganz unbedeutend geworden. Es waren armselige innere Entzweiungen der Mützen und Hüte, auf die man Einfluß hatte. Wenn man sie ein paarmal benutzte, um einen Krieg gegen Rußland hervorzurufen, so war das eher ein Nachteil; man gab diesem Reiche nur Gelegenheit zu neuen Siegen und Vergrößerungen.

Und so war der Norden unter eine ganz andere Herrschaft geraten als die mittelbare von Frankreich; eine große Nation trat dort in eine neue, eine eigentlich europäische Entwicklung ein. In dem Osten war der französische Einfluß zwar nicht verschwunden; aber er hatte daselbst, obwohl Österreich unter Karl VI. schwach genug wurde, doch lange nicht mehr die alte Bedeutung. Die See war in den Händen des Nebenbuhlers; die vorteilhafte Verbindung, welche Frankreich über Cadiz mit dem spanischen Amerika angefangen, duldete oder unterbrach derselbe nach seiner Konvenienz.

In dem südlichen Europa dagegen, durch das natürliche Einverständnis der bourbonischen Höfe, das nach kurzer Unterbrechung bis zu gemeinschaftlichen Plänen hergestellt worden war, und in Deutschland hatte Frankreich noch immer ein großes Übergewicht.

Vor allem in Deutschland.

Es existieren Betrachtungen über den politischen Zustand von Europa vom Jahre 1736, die uns die Lage, besonders der deutschen Angelegenheiten, kurz vor dem österreichischen Sukzessionskriege geistreich und bündig schildern. Wenn der Verfasser zugibt, daß Kaiser Karl VI. seine Macht im Reiche zu erweitern, die Verfassung monarchischer zu machen bemüht sei, daß derselbe sogar durch seine Verbindung mit den Russen, die schon damals an dem Rhein erschienen, einigen Artikeln seiner Kapitulation zuwidergehandelt habe, so findet er doch auf dieser Seite die Gefahr so groß nicht; der letzte Krieg, meint er, habe die Schwäche des kaiserlichen Hofes offenbart; in dem Stolze und der Gewaltsamkeit, mit denen derselbe seine Pläne durchzusetzen suche, liege ein Heilmittel gegen sie. Hüten wir uns dagegen, ruft er aus, vielmehr vor denen, die durch geheime Kunstgriffe, durch einschmeichelnde Manieren und eine erdichtete Güte uns in die Sklaverei zu bringen suchen. Er findet, daß Kardinal Fleury, damals Premierminister von Frankreich, obwohl er die Miene außerordentlicher Mäßigung annehme, dessenungeachtet und zwar gerade unter diesem Scheine die Pläne eines Richelieu und Mazarin verfolge. Durch anscheinende Großmut schläfere er seine Nachbarn ein; er leihe gleichsam seinen sanften und ruhigen Charakter für die Politik seines Hofes her. Mit wieviel Klugheit, ohne Aufsehen und Lärm, habe er Lothringen an Frankreich zu bringen gewußt; – um die erwünschte Rheingrenze zu erobern, woran nicht gar viel fehle, erwarte er nur die Verwirrungen, die der Tod des Kaisers unfehlbar nach sich ziehen müsse.

Im Jahre 1740 starb Karl VI. Kardinal Fleury ließ sich sogar zu noch kühneren Schritten fortreißen, als man ihm zugetraut hatte. Er sagte gerade heraus, er wolle den Gemahl der Maria Theresia nicht zum Nachfolger ihres Vaters, weil derselbe schlecht französisch gesinnt sei; er vor allen war es, der Karl VII. von Bayern die deutsche Krone verschaffte; er faßte den Plan, in Deutschland vier, ungefähr gleich mächtige Staaten nebeneinander zu errichten, das Haus Österreich ziemlich auf Ungarn einzuschränken, Böhmen dagegen an Bayern, Mähren und Oberschlesien an Sachsen zu bringen, Preußen mit Niederschlesien zu befriedigen; wie leicht hätte über vier solche Staaten, die sich ihrer Natur nach niemals miteinander verstanden haben würden, Frankreich dann eine immerwährende Oberhoheit behauptet!


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