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Thronbesteigung

So gelangte Friedrich zur Regierung, 31. Mai 1740. Davon aber, daß Preußen Ursache habe, sich an Österreich zu rächen, sind seine ersten Beschlußnahmen nicht ausgegangen. Vorlängst hatte sich Friedrich die politische Lage des Landes, das ihm zufiel, überlegt; er hatte die Meinung, daß es so nicht bleiben könne, wie es war, daß er im Osten Westpreußen, das noch polnisch war, und im Westen das Gesamtgebiet von Jülich und Berg erwerben müsse, wenn sein Staat zu einer wirklichen Bedeutung gelangen solle; auch waren die ersten Handlungen seiner Regierung nach den westlichen Regionen gerichtet, wo er nur zeigen wollte, daß er ein kräftigeres Regiment nach außen hin führen werde, als sein Vater. Die Richtung gegen Osterreich entsprang in ihm in dem Augenblicke, als Kaiser Karl VI. starb.

Durch diesen Todesfall veränderte sich die Gesamtlage. Das große Haus, welches Spanien und Indien, Italien und die Niederlande beherrscht und unter dem sich eine neue österreichische Macht in Deutschland, Ungarn und Böhmen gebildet hatte, ging nun in seinem Mannesstamme vollkommen zu Ende. Der Abgang der älteren, der spanischen Linie hatte einen europäischen Krieg veranlaßt; wie durfte man erwarten, daß der Abgang der zweiten ohne große Erschütterungen vor sich gehen würde! Zwar hatte der Wiener Hof alles getan, um die Nachfolge in den Erblanden für die Erbtochter Karls VI., Maria Theresia, zu sichern; allein das lief doch dem in den deutschen Landen seit alten Zeiten üblichen Erbfolgerecht entgegen. Ein großes deutsches Halls, das bayrische, machte Ansprüche, die ihm gerade für diesen Fall, so behauptete es, zugesichert worden seien. Es ließ sich nicht denken, daß Frankreich den Gemahl Maria Theresias, der aus dem Hause Lothringen stammte, zur kaiserlichen Krone gelangen lassen sollte: denn dadurch würden die Ansprüche dieses Hauses wieder erneuert worden sein; ein Kaiser aus demselben, der zu wirklicher Macht gelangt wäre, würden den Franzosen den Besitz von, Lothringen auf das ernstlichste streitig gemacht haben. Und ohne Zweifel hätte England, in neuen Zerwürfnissen mit den bourbonischen Mächten begriffen, in einem solchen Kampfe für Österreich Partei genommen; der Krieg der alten großen Allianz gegen Frankreich mußte sich alsdann erneuern. Und durfte man nicht erwarten, daß auch Preußen, wie in dem letzten Feldzug, die Partei von Österreich ergreifen würde? Hatte es doch die pragmatische Sanktion, welche der Erbtochter die Nachfolge versichern sollte, förmlich angenommen. Der junge König war nicht dieser Meinung; denn Österreich selbst hatte die Verbindlichkeiten gebrochen, an welche die Versicherung der Nachfolge Maria Theresias geknüpft war. Nicht eigentlich Haß war dadurch in dem Hause Brandenburg entstanden, aber es fühlte sich von den Verpflichtungen frei, die es eingegangen hatte, und Friedrich faßte nun bei dem Schwanken aller großen Verhältnisse sein eigenes Interesse ins Auge.

Von alter Zeit her hatte Brandenburg Erbansprüche an drei schlesische Herzogtümer, die von der Krone Böhmen, zu welcher Schlesien gehörte, anerkannt worden waren, noch ehe Böhmen an das Haus Österreich gelangte; die Kaiser-Könige von Böhmen hatten dieselben für ungültig erklärt, Brandenburg immer daran festgehalten; nach dem Abgange der Habsburger glaubte der junge König darauf zurückkommen zu können. Und noch ein anderer Hader entzweite die Häuser: in den Zeiten der allgemeinen politisch-religiösen Bewegungen, die dem Dreißigjährigen Kriege vorangegangen waren, hatte Brandenburg durch die Erwerbung des Fürstentums Jägerndorf eine sehr bedeutende Stellung für Schlesien und selbst für Böhmen erworben, aber die großen Entscheidungen des Krieges zugunsten des Katholizismus hatten Brandenburg nicht allein dieser Stellung, sondern auch jenes Territoriums beraubt. Österreich hat das brandenburgische Anrecht nie geleugnet; es war der Anspruch, für welchen der große Kurfürst durch Überlassung des Kreises Schwiebus hatte entschädigt werden sollen; da aber dies Gebiet später hatte zurückgegeben werden müssen, so hielt man dafür, daß das alte Recht wieder zur Geltung gelangt sei. Und keineswegs waren diese Ansprüche bei dem Hause Brandenburg seitdem in Vergessenheit geraten; schon Kurfürst Friedrich Wilhelm hat an eine Invasion in Schlesien gedacht. Man darf nicht bezweifeln, daß der Entwurf dazu, der zu den geheimsten Papieren gehörte, die von Fürst auf Fürst übergingen, dem neu eintretenden König bekannt geworden ist. Vergegenwärtigen wir uns einen jungen Fürsten, voll von Geist und Ehrgeiz, in den Besitz von Rechten gelangt, die seine Vorfahren niemals hatten durchführen können, aber auch in den Besitz der Macht, dieselben durchzuführen. Lag es nicht in der Natur der Sache, daß er den Entschluß faßte, sie zur Geltung zu bringen? Er machte der Tochter des Kaisers ihre Erbfolge nicht streitig, aber er meinte, daß die schlesischen Fürstentümer gar nicht das wahre Eigentum ihres Vaters gewesen seien; er vindizierte seinem Hause ein unverjährbares Recht an dieselben, für dessen Ausführung nun die Zeit gekommen sei. Noch in Rheinsberg ist er darüber mit dem Feldmarschall Schwerin und dem Minister Podewils zu Rate gegangen, jedoch nicht sowohl über die Sache selbst, über die sein Entschluß vom ersten Augenblicke an feststand, als über die Mittel, sie ins Werk zu setzen. Da boten sich nun zwei sehr verschiedene Möglichkeiten dar.

Maria Theresia konnte durch die Gefahr, in der sie sich befand, und das Bedürfnis einer starken Hilfe, wenn Friedrich ihr eine solche anbot, sich bewegen fühlen, seinen schlesischen Ansprüchen gerecht zu werden. Friedrich II. und seine Ratgeber meinten jedoch, dies nicht etwa abwarten zu müssen, denn mit Unterhandlungen würde nichts zu erreichen sein; sie zogen es vor, die Fürstentümer, auf welche der König rechtlichen Anspruch habe, in Besitz zu nehmen; würde dann der Hof zu Wien darin eine Feindseligkeit sehen, so bleibe der ganz entgegengesetzte Weg immer noch offen, sich mit dessen Feinden zu verbinden; dann werde Preußen den Anspruch, den es eigenmächtig geltend mache, auch durch offene Gewalt behaupten.


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