Wilhelm von Polenz
Das Land der Zukunft
Wilhelm von Polenz

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Familienleben

Die erste und wichtigste Frage, wenn man einem ganzen Volke die Diagnose stellt, wird die nach der Reinheit des Familienlebens sein. Ist das Privatleben gesund, so werden Krankheitssymptome des öffentlichen Lebens, wenn auch nicht übersehen, so doch milder beurteilt werden dürfen.

Das amerikanische Familienleben hat wie alles, was in der Neuen Welt gut und groß ist, seine Wurzeln im europäischen Mutterlande. Jene Volksstämme, die an der Bildung der amerikanischen Gesellschaft den entscheidenden Einfluß gehabt haben, der Hauptsache nach Arier, sind es ja gerade gewesen, die dem christlichen Familienleben Form und Inhalt gaben. Wertmesser für Heiligkeit und Reinheit des häuslichen Altars wird in erster Linie die Stellung abgeben, welche die Frau in der Familie einnimmt und die Achtung, die man ihr dort schenkt. Aus diesem Verhältnisse werden sich auch am ersten Rückschlüsse machen lassen auf den Stand der allgemeinen Sittlichkeit, da bei civilisierten Völkern die Wahrung guter Sitte vor allem in den Pflichtenkreis des Weibes fällt.

Nichts fällt dem Fremden schwerer, als sich über die Sittlichkeit einer Nation ein selbständiges und zutreffendes Urteil zu bilden; vielleicht schwerer fällt das 224 sogar, als die Religiosität eines Volkes zu ergründen. Denn es liegt im Wesen der Keuschheit und der Gottesfurcht, daß sie nicht von sich sprechen. Hingegen machen sich die unfrommen und lockeren Bestrebungen gern breit und prunken mit ihrer geistigen Überlegenheit. Der Beobachter sieht daher die ungünstige Seite in hellerer Beleuchtung als die andere vom Halbdunkel der Schamhaftigkeit verhüllte. Und so ist man schließlich gezwungen, mangels besserer Dokumente, aus äußeren Merkmalen seine Schlüsse zu ziehen.

Nicht günstig für die Sittlichkeit der höheren Stände spricht die zahlreiche Demimonde, der man besonders in den Straßen der westlichen Städte auf Schritt und Tritt begegnet. Aber man muß zugeben, daß diese Klasse sich anständig kleidet und leidlich gesetzt aufführt. Aufdringlichkeiten, wie sie in Paris, Wien und Berlin an der Tagesordnung sind, kommen höchst selten vor. Daß besonders in den Hafenstädten, wo viel Fremde zusammenfließen, wo alle Rassen vertreten sind, und Mischlinge dazu beitragen, die feineren Abtönungen des Geschmacks und des Zartgefühls zu verwischen, sich die sittlichen Begriffe arg verwirren, und Laster widernatürlichster Art im Schwange sind, kann nicht verwundern. Aber ich spreche hier weder von dem Schlamme, der sich in den Tiefen der Gesellschaft ansammelt, noch von dem leichten Schaum, der sich auf der Oberfläche bildet. Weder in die »Slums« der großen Städte soll man hinableuchten, noch darf man sich den »Smart set« 225 als Probe herausgreifen, wenn man die Sittlichkeit eines großen Volks prüfen will. Die Leute von New Port, die von Kennern auf etwa vierhundert des innern Zirkels beziffert werden, kann man Amerika kaum zurechnen; sie sind international, stark verjudet, und ihre Sitten bilden einen lächerlichen Abklatsch des englischen High Life.

Die Sittlichkeit des wirklichen Volkes steht mindestens so hoch wie bei den besten Völkern Europas. Ein negativer Beweis allerdings nur ist in der Seltenheit obscöner Literatur, in der Abwesenheit zweifelhafter Bilder in den Schaufenstern und schmutziger Darstellungen auf der Bühne zu suchen. Hier schlägt sogar nach unsern Begriffen die Sittenstrenge in Prüderie um. Ganz besonders in den Neuenglandstaaten ist noch ein Hauch jener alten harten und engen Sittenstrenge der Puritaner zu verspüren. In den Museen spielt das Feigenblatt eine befremdliche Rolle, für jeden der gewohnt ist, die nackten Statuen der Antike durch ihre keusche Schönheit hinreichend bekleidet zu sehen. Kürzlich erweckte ein Prozeß, in welchem ein französischer Maler einen Kunsthändler von New York verklagte, weil er Bilder hatte ummalen lassen, um sie dem altjüngferlichen Geschmack amerikanischer Sammler anzupassen, die Heiterkeit minder zimperlicher Leute auf dieser Seite des atlantischen Ozeans.

Manchmal wird von übereifrigen Sittenrichtern auf das Überhandnehmen der Ehescheidungen in der amerikanischen Gesellschaft hingewiesen und darin ein bedenkliches Symptom für die Moral der Yankees 226 gesucht. Aus der Häufigkeit der Ehescheidungen auf ein lockeres Leben in und außer der Familie zu schließen, ist gewagt. Wenn auch das Eheleben in der Sittlichkeit seinen Lebensboden hat, so hängen die Gründe, welche die Scheidung zweier Menschen wünschenswert machen mögen, und die Leichtigkeit, mit der das eheliche Band gelöst wird, nicht vom Sittenkodex allein ab; Rassentemperament, gesellschaftliche Anschauungen, Konfession und vor allem das geltende Recht haben bei einer so delikaten, alle denkbaren Gebiete des Lebens berührenden Frage, ein gewichtiges Wort mitzusprechen.

Die Regelung des Familienrechts bleibt in der Union der einzelstaatlichen Gesetzgebung überlassen. Da aber die Ehescheidung in den verschiednen Staaten nach verschiednen Gesichtspunkten gehandhabt wird, so hat sich auf diesem wichtigen Gebiet ein durchaus nicht idealer Zustand der Rechtsungleichheit entwickelt. Es ist zum Beispiel vorgekommen, daß jemand, der in dem einen Staat geschieden worden war, in einem andern, als er sich wieder verheiratete, wegen Bigamie belangt wurde, weil der zweite Staat die Lösung der Ehe nicht als gültig auffaßte.

Im allgemeinen aber geht die Tendenz in der Gesetzgebung drüben auf Erleichterung der Ehescheidung. Trotzdem Familienskandale in Amerika zu den Seltenheiten gehören, sind Ehescheidungen an der Tagesordnung und zwar in allen Ständen. Für die Sittlichkeit des Volkes ist dies gewiß kein Schade, denn kein Irrtum ist menschlicher als der bei der Wahl eines Lebensgefährten begangene. Diesen Irrtum durch 227 Auseinandergehen gut zu machen erscheint aber in vielen Fällen weiser, mutiger und ehrlicher, als bei erkalteter Liebe den faulen Zustand eines zur Lüge gewordnen Lebensbundes weiterbestehen zu lassen.

Zweierlei interessante Experimente hat Nordamerika gesehen, die nach gerade entgegengesetzter Richtung gehend, die Ordnung des monogamischen Lebens umzustoßen versuchten. Das eine ging von den Mormonen aus, das andre von den Shakers. Die Mormonen wollten die Vielweiberei zu einer Art religiöser Institution erheben, die Shakers suchten das Heil im Cölibat. Beide Richtungen sind gescheitert und gehören bereits der Geschichte an. Sie haben zwar nicht das vorgesteckte Ziel erreicht, aber ihr Streben hat nichtsdestoweniger günstige Nebenwirkungen erzeugt. Salt Lake City war einer der ersten weit vorgeschobenen Posten des Amerikanertums im Felsengebirge, und der ehemalige Mormonenstaat läßt noch jetzt deutliche Spuren der wirtschaftlichen Tüchtigkeit und des Organisationstalents seiner Gründer erkennen. Die Shakers aber haben aus edlem wenn auch falsch geleitetem Idealismus heraus, in der Zeit ihrer Blüte Asyle geschaffen, von denen manche noch jetzt bestehen und asketisch gerichteten Persönlichkeiten beiderlei Geschlechts klösterliche Unterkunft bieten.

Wahre Sittlichkeit kann nur in wahrer Freiheit gedeihen. Während die Amerikaner im öffentlichen Leben vielfach einem falschen Freiheitsbegriffe huldigen, beanspruchen und gewähren sie in der Familie jene gesunde Freiheit, welche die Lebensluft ist für Reinheit und 228 Natürlichkeit. Am schönsten tritt diese private Freiheit in Erscheinung in der Stellung der Frau als Gattin und Mutter, in dem Verhältnis der Geschlechter und in der Freiheit bei der Eheschließung.

Vielleicht ist die letztgenannte Art der Freiheit die wichtigste. Denn für Glück und Bestand der Ehen, und damit für die Güte der Rasse, gibt schließlich die Möglichkeit den Ausschlag, bei der Wahl des Lebensgefährten seiner Neigung zu folgen. In Amerika werden – immer abgesehen von den Auswüchsen einer dünnen internationalen Oberschicht – Ehen aus puren Geldrücksichten selten geschlossen; Heirat aus Neigung ist die Regel.

Weder vom Manne noch vom Weibe wird drüben die Ehe als »Versorgung« angesehen. Das amerikanische Mädchen kennt nicht die Übereile mancher deutschen Jungfer, unter die Haube zu kommen. Sie gibt nur dann ihr Jawort, wenn der Rechte kommt; bleibt er aus, so braucht sie keine Degradierung durch den Altjungfernstand zu befürchten. Denn das Weib wird drüben als Einzelwesen geachtet, nicht erst wenn es Anhängsel irgend eines Mannes geworden ist. Die Art höherer Kuppelei, wie sie in Frankreich Mode, wo das junge Mädchen, aus der Klostererziehung kommend, meist ungefragt dem Manne, den die Eltern für sie ausgesucht haben, angetraut wird, ist ungefähr das Gegenteil von der amerikanischen Art, diese schicksalsschwere Frage zu entscheiden.

Die Möglichkeiten, die der Frau in Amerika offenstehen, sich selbständig ihr Brot zu verdienen, als 229 Lehrerin, im Bureau, als Choristin, durch schriftstellerische Arbeit, oder, wenn sie den unteren Klassen angehört: in der Fabrik, geben den Mädchen Rückhalt und Sicherheit.

Viele Frauen bleiben drüben ledig, das wirkt günstig auf die Achtung, die man ihrem Geschlechte zollt; sie unterbieten einander nicht, im Gegenteil, halten sich gegenseitig hoch im Preise. Ob dieses Verhalten des Weibes gut ist für das Wachstum der Bevölkerung, ist wieder eine andere Frage; die Stellung der Frau in der Gesellschaft jedenfalls hat durch die selbstbewußt wählerische Zurückhaltung, welche das einzelne Weib dem andern Geschlecht gegenüber beobachtet, gewonnen.

Vom Ehebund abschreckend wirken die hohen Kosten des amerikanischen Haushalts und die Schwierigkeit, Dienstboten zu bekommen und zu halten. Dafür stehen in der Neuen Welt andre Hindernisse nicht im Wege, die in unsrer »guten Gesellschaft« schon manches liebende Paar abgehalten haben, den Priestersegen nachzusuchen. Kein Vorgesetzter beanstandet die Verbindung, weil: »unter dem Stande.« Und die Mitgift der Braut, für viele Mitglieder unsres Offiziersstandes eine Frage des Verbleibs in der Armee, spielt jenseits des atlantischen Ozeans eine Rolle zweiten Grades. Man nimmt im allgemeinen an, daß ein Mann, der um ein Mädchen anhält, in der Lage sein muß, sich und sie zu erhalten.

Ist schon bei der Gattenwahl dem Mädchen größere Freiheit gewährt, so behauptet auch in der Ehe das 230 Weib einen höhern Grad von Selbständigkeit, als ihre europäische Schwester. Die Frauen sind drüben darum heute so hoch geachtet, ja vielleicht verwöhnt, weil sie in primitiveren Zeiten, als die Sitten und Anschauungen sich bildeten, in der Minderzahl waren. Damals wurden sie stark begehrt und die einzelne ward von dem glücklichen Gewinner natürlich zeitlebens auf Händen getragen. Die Frauenverehrung, die sich der Yankee inmitten rauherer Verhältnisse angewöhnt hat, ist ihm auch jetzt, wo das zarte Geschlecht längst mit ihm in der Gleichzahl lebt, nicht abhanden gekommen. Durch ihre Stellung in der Familie aber hat die Frau auch vor der Öffentlichkeit ein ihr bei uns noch oft verweigertes Ansehen gewonnen. Selbst wenn die Frau sich tyrannische Neigungen des Mannes gefallen lassen sollte – was bei ihrer Selbstachtung nicht wahrscheinlich ist – die öffentliche Meinung, die drüben fast kritiklos für sie Partei zu nehmen pflegt, würde den Tyrannen bald in seine Schranken weisen. Gehen lassen im eignen Hause, Unhöflichkeit gegen die Mutter seiner Kinder, Launenhaftigkeit und dergleichen üble Angewohnheiten, die der Gatte bei uns so oft für sein gutes, von Gott geordnetes Recht ansieht, verbieten sich für den Amerikaner, der auf die Achtung seiner Mitbürger etwas gibt, ganz von selbst. Andrerseits artet die Frauenverehrung nicht in jene Verzückung aus, die bei den romanischen Völkern aus dem Weibe ein Idol gemacht hat, vor dessen Göttlichkeit man angeblich religiöse Schauer empfindet, während man in Wahrheit vor dem Geschlechte auf 231 dem Bauche liegt. Daß man in Amerika die vornehmste Eigenschaft des Weibes: die Mütterlichkeit, in ihrer Bedeutung für die menschliche Gesellschaft wohl erkannt hat, beweist schon die eine Tatsache, daß die Erziehung der Jugend in den Händen der Frauen liegt. Nicht nur überwiegen an den Volksschulen die Lehrerinnen weitaus im Lehrkörper, man hat auch in den meisten Staaten und Kommunen der Frau die Wählbarkeit zu Schul- und Kirchenvorständen gewährt.

Freiheit und Selbständigkeit aber finden ihren schönsten Ausdruck in der Unbefangenheit, mit der die Geschlechter drüben unter einander verkehren. Unsre Amerikafahrer haben in ihren Reiseberichten meistens allerhand Staunenswertes zu erzählen über gemeinsam mit jungen Damen unternommene Ausfahrten, Theaterbesuche, Dinnerparties und Picknicks, bei denen jede Art von Saufegarde fehlt. Die »Flirtation« der Amerikaner ist für den Europäer das rätselvollste Ding der Welt; man begreift nicht, daß der Mann nicht zugreift, wenn ihm soviel Liebenswürdigkeit, Charm und Temperament in scheinbar unbegrenzter Ungeniertheit entgegengebracht wird. Ist nicht solches Staunen im Grunde ein schlechtes Zeichen für unsre Sitten? Geben wir nicht zu, indem wir über die Zurückhaltung amerikanischer Männer spötteln, daß uns die Gelegenheit zu Dieben machen würde? – Der Vollblutamerikanerin gegenüber möchte sich jedoch ein falsches Auslegen ihres Entgegenkommens arg rächen. Wohl ist sie frei in ihren Manieren, aber sie weiß eine haarscharfe Grenze zu ziehen zwischen billigen Beweisen ihrer Gunst und 232 dem folgenschweren Hingeben der ganzen Person. Bewundernswerte Selbstbeherrschung und kluger Takt, aber auch eine uns befremdende nüchterne Sinneskälte sind ihr eigen.

Eine Erklärung dafür, daß der Verkehr der Geschlechter bei aller Ungeniertheit doch die Sittlichkeit nicht gefährdet, ist wohl in der frühen Gewöhnung der jungen Leute an kameradschaftliches Zusammensein zu finden. In der Elementarschule bereits sitzen Knabe und Mädchen friedlich neben einander, in der High School genießen sie den nämlichen Unterricht. Und selbst da, wo man die Geschlechter trennt, besuchen sie doch dasselbe Gebäude, unterstehen ein und derselben Aufsicht, haben den nämlichen Schulweg, kaufen Hefte, Federn und Ice-Creams in demselben Eckladen, wo sich die Girls schon früh daran gewöhnen, von der Herrenwelt frei gehalten zu werden. Bei allen Schulfestlichkeiten kommen sie zusammen, kurz, fühlen sich wie Kinder einer großen Familie.

Ob der gemeinsame Kollegbesuch von Student und Studentin das Richtige sei, bildet augenblicklich eine vielumstrittene Frage in Nordamerika. Der Osten mit seinen Europa angepaßten Verhältnissen weist als Regel die Trennung von Männer- und Frauen-Colleges auf. Harvard University besitzt im Annex eine Parallelanstalt für Damen. Im Westen überwiegt Co-Education in Schule und Hochschule. Grundverschieden wie diese westlichen jungen Colleges von unsern würdevollen historischen Universitäten an sich schon sind, 233 bekommen sie durch die Anwesenheit des weiblichen Elements noch etwas besonders Buntes, Lebhaftes und Anmutiges; Züge, die unsre orthodoxen Schulmänner als der Würde der Wissenschaft durchaus widersprechend verwerfen würden.

Der berechtigtste Vorwurf, welcher der Co-Education gemacht wird, ist wohl, daß die Anwesenheit des andern Geschlechts im Lehrsaale die Männer zerstreue. Daß dies bis zu einem gewissen Grade der Fall, kann kaum in Abrede gestellt werden. Mensch müßte nicht Mensch, Jugend nicht Jugend sein, wenn nicht magnetische Wirkungen vom Mann zur Frau und umgekehrt sich gebieterisch äußern sollten. Courmachereien kommen nicht nur vor, sie sind die Regel; aber, so wenigstens wird versichert: die Mädchen wissen überall die jungen Männer in den Grenzen des Anstands zu halten. Verbindungen fürs Leben, die in einer Kollegfreundschaft ihren Ursprung haben, sind nichts Seltnes.

Der Zerstreuung des Geistes durch Liebesgedanken stehen andre Einflüsse korrigierend gegenüber. Jüngling und Jungfrau lernen sich früh kennen und in ihrer Eigenart verstehen. Das nimmt einmal der Sinnlichkeit den geheimen Anreiz, es klärt die Phantasie, die an der Wirklichkeit immer das beste Gegenmittel findet, und es macht die Gedanken, welche in jenem Alter doch einmal das andre Geschlecht suchen, gesünder. Für das zukünftige vertraute Zusammenleben in der Ehe wird hier die natürlichste Grundlage geschaffen; der Jüngling entwöhnt sich der romantischen Auffassung, daß das Weib ein übermenschliches Wesen sei, wenn 234 er den Engel in nüchterner Wirklichkeit neben sich mit denselben Schwierigkeiten kämpfen sieht, die ihn quälen. Viel eher wird er erkennen, daß das Weib ihm beigesellt ist als ein guter Kamerad, der, trotzdem es zarter ist von Natur, doch dieselben rauhen Pfade des Lebens zu beschreiten hat, wie er. Vielleicht wird ihm dann auch eine Ahnung aufgehen von der seelischen Überlegenheit des Weibes, die sehr gut neben geringern Urteilskräften bestehen kann. Das aber wird den Mann früh zu jener Ritterlichkeit führen, die im selbstlosen Helfen und Tragen des schwächern Geschlechts beweist, daß man die Überlegenheit nicht in der Körperkraft, sondern in der Kultur des Menschen sucht und sieht. Ein äußres Zeichen für diese Auffassung ist, daß man den Frauen überall in Amerika den Vortritt läßt. Die Mode der Yankees, den Hut abzureißen, wo immer sie mit Frauen, welchen Standes sie sein mögen, im geschlossenen Raume, zum Beispiel im Elevator, zusammenkommen, ist mir niemals lächerlich erschienen; es ist der Mann, der unbewußt vor der höhern Art sich verneigt, der die sittliche Überlegenheit im Weibe grüßt.

Wie lächerlich muß einem, wenn man solche Erfolge vernünftiger Erziehung an einem ganzen Volke sieht, die Ängstlichkeit erscheinen, mit der unsre höhere Tochter vor der Bekanntschaft mit dem andern Geschlecht, wie es in Wirklichkeit ist, bewahrt wird. Der »Schmelz« soll nicht frühzeitig vom Blumenkelch »abgestreift« werden, heißt es womöglich. Das Leben wird diesen Schmelz, wenn die Blume allzu plötzlich in 235 rauhe Zugluft kommt, viel brutaler abstreifen und die Blütenblätter vielleicht dazu, als wenn die Pflanze rechtzeitig abgehärtet worden wäre. Das Halten der jungen Mädchen unter einer Glasglocke, von manchen Müttern »Erziehung« genannt, erzeugt eine verschrobene Weltanschauung, Unkenntnis des Lebens, ungesunde Träume und verkehrte Bilder; die Folge ist, daß, wenn solch verbildetes Wesen dann mit den Größen in Berührung kommt, die ihre Zukunft beherrschen werden, sie eine Menge Illusionen in schmerzhafter Weise aufzugeben hat, die ihre Schwester in der Neuen Welt nicht fahren zu lassen braucht, weil sie sie niemals in sich aufgenommen hat.

Der andre Vorwurf, welcher der Co-Education gemacht wird, ist, daß der wissenschaftliche Geist der Hochschule durch die Anwesenheit der Frauen leide. Das träfe vielleicht dann zu, wenn der Zweck des College überhaupt Wissenschaft im deutschen Sinne wäre. Nun aber ist drüben das Ziel der Volkserziehung das: allen Individuen ohne Unterschied der Stände, der Farbe oder des Geschlechts eine möglichst gleichmäßige Bildung zu geben, sie zu guten Bürgern und zu praktischen Menschen zu erziehen. Ein solches Ziel kann die Frauen nicht ausschliessen, im Gegenteil, es muß sie heranziehen als seine besten Helfer. Der amerikanische Pädagog weiß die Mädchen als Hilfskraft zur Erziehung der Knaben sehr zu schätzen. Nicht bloß mildert ihre Anwesenheit die rauheren Sitten des andern Geschlechts, es spornt auch den Eifer des jungen Mannes an, wenn er weiß, daß, während er ein Stück 236 Griechisch oder Französisch übersetzt, oder während er eine mathematische Aufgabe an der Tafel zu lösen hat, schöne Augen auf ihn gerichtet sind, deren spöttischer oder bewundernder Ausdruck ihm durchaus nicht gleichgültig sein kann. Der Fleiß der Mädchen ist drüben, genau wie bei uns, größer als der der Knaben, und hat etwas Ansteckendes für den von Natur trägeren Mann.

Es ist ein schönes Bild, wenn man im fernen Westen eines jener kleinen Colleges besucht, wo mit oft geringen Mitteln so eifrig und voll Ehrgeiz gestrebt wird, es den besser fundierten Hochschulen des Ostens gleichzutun. Es ist ein Bild voll Zukunft: diese lernbegierigen jungen Menschen, Mädchen und Knaben, zu den Füßen des Lehrers, der wie sie ein Kind des Volks, selfmade durch und durch, weniger gelehrte Autorität, als rüstiger Pionier scheint. Vielleicht ist er minder angefüllt mit Wissen als unsere Dozenten, aber er besitzt Gaben, die zum Aufbrechen von Neuland wichtiger sind, nämlich: Begeisterung, Frische und den naiven Optimismus seiner Rasse.

In den Anfangsstadien der Wissenschaft, wie hier, ist das gemeinsame Schöpfen beider Geschlechter aus einem Borne nur ersprießlich. Es wirkt anregend auf alle Beteiligten. Sobald jedoch die Wissenschaft zum Selbstzweck erhoben wird, wie es in den älteren Universitäten des Landes mehr und mehr geschieht, scheidet das weibliche Element ganz von selbst aus. Amerikanische Psychologen, welche Erfahrungen mit der Co-Education gesammelt haben, erklären, daß die 237 Mädchen anfangs den Knaben weit voraus seien, daß sie, so lange es gelte nur Wissensstoff aufzunehmen, gut mit fortkämen; sobald aber das selbständige Urteilen, das Anwenden des Erlernten, oder gar die Kritik, kurz, die eigentliche Forscherarbeit begönne, hole der Jüngling das Mädchen unbedingt ein. Das Weib kommt dann gewissermaßen auf einen toten Punkt, auf dem ihr gesättigter Geist ruhig verharrt, während die männliche Begabung in der härtern Luft der freien Forschung erst ihre Schwingen zu entfalten beginnt. Hier ist also von der Natur selbst ein deutlicher Wink gegeben, wo die Grenzen weiblicher Begabung liegen und die Mahnung zugleich, weise dort Halt zu machen, wo ihre Überschreitung Unnatur bedeuten würde.

Dem aufmerksamen Beobachter amerikanischer Frauen wird nicht entgehen, daß sie Realistinnen sind, aber er wird deshalb nicht behaupten wollen, daß das Weib drüben unweiblich sei. Sie zeigen in Tugenden und Fehlern, in Art und Unart, in Hingeben und Versagen, das angeborene Wesen ihres Geschlechts. Ihr Eifer, es dem Manne auf allen Gebieten gleich zu tun, hat sie nicht zu Hausfrauen verdorben. Allerdings haben sie von der Häuslichkeit eine etwas andre Auffassung als unsre Frauen; aber das liegt in der sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung Nordamerikas begründet, die natürlich auch das Haus und seine Einrichtungen beeinflußt hat. Es gibt auch ein amerikanisches Ideal des Familienglücks, und die tüchtige Frau weiß es ihrem Manne und ihren Kindern zu bereiten, mag sie nun an 238 einem College graduiert oder nur die Volksschule besucht haben.

Der Umstand, daß das Recht ihr die Vermögensverwaltung und die Vormundschaft über ihre Kinder gibt, ferner die ihr offenstehende Möglichkeit, ihre Ansichten in Schul- und Kirchensachen zur Geltung zu bringen, das politische Wahlrecht, das ihr in einigen Staaten und Städten zukommt, haben sie nicht dazu verführt, Missbrauch mit solchen Freiheiten zu treiben.

Die Frauen der Neuen Welt haben mehr Zeit als ihre durch die Wirtschaft meist stark in Anspruch genommenen deutschen Schwestern, und sie konnten sich daher auf einige Gebiete werfen, die mit der eigentlichen Häuslichkeit nichts zu tun haben. Den Lehrberuf haben sie stark überschwemmt, Kunst und Literatur sind ihre Domäne. Sie lesen viel und sind über alles Wissenswerte weit besser unterrichtet als die Männer. Ausgenommen von ihrem Interesse ist nur das Geschäftsleben, das gern dem Gatten überlassen wird. Bei ihnen findet man am ersten das was sie drüben »Refinement« nennen, eine Mischung von Geisteskultur, Geschmack und Lebensart. Literarisch sind sie äußerst fruchtbar; das Schrifttum hat durch sie auf manchen Gebieten, so in der Zeitungslyrik und in der Short Story ein geradezu weibliches Gepräge erhalten. Es verhält sich hier aber ähnlich wie in der Wissenschaft; die Frau besitzt schöne, vielversprechende Gaben, deren Grenzen jedoch schnell erreicht werden. Der Mangel an Originalität und Tiefe, und der Zug zum Dilettantismus, der uns an der modernen amerikanischen 239 Unterhaltungsliteratur so auffällt, muß wohl mit darauf zurückgeführt werden, daß sie zum großen Teil für Frauen und zum nicht geringen von Frauen geschrieben wird.

Manche wollen in dem Vorherrschen der Frauen auf so vielen Gebieten eine öffentliche Gefahr erblicken. Ungewöhnlich erscheint es ja allerdings, daß die jungen Leute bis zum achtzehnten Jahre fast ausschließlich von Frauen erzogen werden. Auf den werdenden Mann kann Frauenunterricht unmöglich gleich anregend wirken wie der von Männern erteilte. Die Gefahr muß also auf intellektuellem Gebiete bis zu einem gewissen Grade zugegeben werden; der Vorzug liegt auf dem Gebiete der Manieren und des Gemüts. Das amerikanische Leben ist rauh und hart genug; es ist daher sicher kein Schade für den Mann, wenn er in der Jugend wenigstens von den weicheren Händen der Frau geleitet wird.

Auch daß das Vordringen der Frauen in die verschiedensten Berufe sein Bedenkliches hat, soll nicht geleugnet werden. Die Unterbietung des Mannes durch billigere Frauenarbeit scheint noch nicht einmal das schlimmste dabei. Denn die Löhne sind in Amerika hoch und vertragen weit eher eine Herabminderung als die deutschen. Auch ist die Frauenarbeit drüben für die Gesundheit minder bedenklich, weil sie eigentlich nur in Berufen vorkommt wie: Textilindustrie, Wäschebranche, Nähterei, Konfektion, Kartonage, Buchbinderei, Tuchkämmerei, Zwirnerei, die durch ihre mehr Geschicklichkeit und Akkuratesse als Kraft erfordernde Handhabung den Frauen an sich gut liegen. Dazu 240 kommt die Arbeit der Telephonistinnen, Kassiererinnen, weiblichen Clarks, Stenographinnen und Typographinnen, Choristinnen und Krankenpflegerinnen; Dinge, die ebenfalls von Frauen recht wohl versehen werden können. Das Bedenkliche liegt mehr darin, daß die Frau durch die Arbeit außer dem Hause von der Familie abgezogen wird. Von diesem Gesichtspunkte aus gesehen wirkt die Fabrikarbeit viel ungünstiger, als die bei den Amerikanern so sehr verpönte und als ein Rest von Barbarei betrachtete Arbeit der Frauen auf dem Felde. Die Fabrikarbeit geht das ganze Jahr durch und ist mechanisch, die Feldarbeit ist an die Jahreszeiten gebunden, bietet aber innerhalb dieser mancherlei Abwechselung. Ganz sicher jedoch lockt die Arbeit in Feld und Garten nicht so von Haus und Herd weg und kann mit der Führung häuslicher Geschäfte viel eher verbunden werden, als zum Beispiel die alle Kräfte absorbierende Bedienung mehrerer Webstühle. Aber in diesen Dingen spielt die Mode eine große Rolle. Feldarbeit gilt für unfein bei den Frauen; gegen jede Art persönlicher Dienste hegen sie drüben eingefleischten Widerwillen. Die amerikanischen Farmersfrauen und Töchter werden sich niemals mit der Feldbestellung abgeben, ebensowenig werden die Töchter des städtischen Proletariats Dienstbotenstellungen annehmen, außer durch die größte Not gezwungen.

So haben wir bei der Berufswahl der Frau zwei Tendenzen neben einander herlaufen: einmal das Frauenstudium, das ins Lehrfach führt, und die mehr mechanischen Arbeiten in Büreau und Fabrik. In 241 beiden Fällen wird das junge Mädchen frühzeitig selbständig gemacht, so daß die Begründung eines Hausstandes für sie stark an Reiz verliert; die verheiratete Frau aber wird von der Häuslichkeit abgezogen. Die Ehen werden auf diese Weise seltener und kinderärmer. Denn Wochenstube und Kinderpflege bedeuten für die Frau, die sich ihr Brot verdienen muß, schwere Last.

Viele uns in der Neuen Welt fremd anmutende Erscheinungen erklären sich aus der Sucht nach Gleichheit, die durch das ganze amerikanische Leben geht, jeder will so gut sein und so vornehm wie der andre. Auch in der Frauenwelt kommt das zum Ausdruck. Der Unterschied zwischen Dame und Nichtdame, in Europa so auffällig schroff, ist drüben, wenn auch nicht völlig verwischt, so doch stark gemildert. Die Töchter der Farmer ziehen sich genau so modisch an und haben dieselben Gewohnheiten und Unterhaltungen wie die Stadtdamen. Volkstrachten, die bei uns doch noch hie und da erhalten sind, hat es drüben niemals gegeben. Die Dienstboten suchen es am Feiertage ihren Herrschaften gleich zu tun in Toilettenaufwand. Es fällt jedem Fremden auf, wieviel Wert drüben die Mädchen der unbemittelten Klasse auf Zahnpflege und Haartracht legen und wieviel Geschmack sie oft in der Wahl ihrer Kleidung beweisen.

Die Sucht der Gleichmacherei möchte am liebsten auch die Verschiedenheit der Geschlechter aus der Welt schaffen; aber, Gott sei Dank, hier wird ihr von der Natur ein nicht mißzuverstehendes Halt! zugerufen. 242 Auch die Amerikanerin ist eine Tochter Evas. Ihr Charakter ist genau so widerspruchsvoll und schwer zu ergründen wie der ihrer Schwestern in der Alten Welt.

Sie scheinen herausfordernd, und man weiß doch, daß sie in Wirklichkeit eher zurückhaltend sind. Sie gehen bis zum äußersten scheinbarer Koketterie und Genußsucht, und wissen doch ihr Temperament kurz vor der Grenze des Verhängnisvollen zu zügeln. In ihren Zügen spiegelt sich eine feine, allem Schönen offene Seele, dabei spricht ihr Körper von Sinnlichkeit und animalischer Kraft. Sie sind nüchtern und prosaisch, mystisch und phantasievoll in einem; sie vereinigen das Raffinement der Weltdame und hausfrauliche Solidität in wunderlicher Mischung. Sie legen bei vielen Gelegenheiten Freimut und Größe der Auffassung an den Tag, und doch stecken sie voll Aberglauben und Einbildungen, fallen nur zu leicht auf Mystifikationen und Schwindel herein. Bei scheinbarem Freisinn huldigen sie in gesellschaftlichen Dingen hyperkonservativen Anschauungen; sie sind es vor allem, die trotz der demokratischen Verfassung mit allem Aristokratischen liebäugeln. Wo sie das politische Wahlrecht besitzen, hingegen, haben sie sich mit Vorliebe der radikalen Richtung angeschlossen. Die Kirche hat auch in Amerika an den Frauen die treueste Stütze. In ihrem Haß gegen Andersdenkende pflegen sie fanatisch zu sein. Duldsamkeit kennen sie nur dort, wo ihr Herz engagiert ist. In ihrer Lebensführung herrscht Klugheit, und wo es nötig, ernste Arbeitsamkeit, und doch haben 243 sie die harmlose Munterkeit der Kinder nicht verloren. Sie treten im öffentlichen Leben selbstherrisch auf und glauben im Kampf um Emanzipation und Frauenrechte ihre Geschicke bestimmen zu können; in Wahrheit kommen sie doch nicht vom Manne los bei noch so selbstbewußtem Gebaren. Sobald sie die Grenzen ihres Naturells überschreiten, geraten sie in Zerfahrenheit hinein und jagen, wie Ibsens Frau vom Meere, allem nach »was lockt und zieht«.

Nirgends sieht man es so deutlich wie an den Frauen, daß sich in Nordamerika eine von allen andern Völkern der Welt verschiedene Rasse herausbildet. Man wird die Amerikanerin nie mit der Engländerin, der Französin, der Deutschen verwechseln. Sie hat ganz bestimmte typische Züge entwickelt in der äußern Erscheinung, im Gang, in der Haltung, der Sprechweise, der Toilette. Keine Frau der Welt versteht es heutzutage sich so vorteilhaft anzuziehen, wie die Amerikanerin. Sport, peinlichste Reinlichkeit, Bewegung im Freien, haben ihren Körper gekräftigt. Alle triumphierenden Eigenschaften des Geschlechts sind stark an ihr entwickelt. Aber andrerseits haben auch wieder die Unrast des Lebens, die Anstrengungen der Geselligkeit oder des Studiums Spuren von Nervosität und selbst von Blasiertheit in ihren Zügen hinterlassen. Junge Greisinnen sind nichts seltenes. Ganz verloren gegangen ist die bei uns sprichwörtliche »Anschmiegsamkeit« der Frauennatur; drüben ist das Weib kein Efeu, der sich um irgend einen Stamm rankt, auch nicht ein Veilchen, das sich begnügte, im 244 Verborgenen zu blühen. Im Gegenteil, das Leben hat sie auf einen weithin gesehenen Platz gestellt. In der Gesellschaft spielt die Frau die erste Rolle. Ihr Einfluß reicht tief in viele Lebensverhältnisse hinein.

Schön ist es von ihr und ein Zeichen für ihren Stolz, daß sie sich in keinem Stande hat zum Haustier erniedrigen lassen. Eher scheint sie in das entgegengesetzte Extrem verfallen zu wollen, sich allzusehr verwöhnen zu lassen; vielfach ist sie geradezu Luxusartikel geworden. Auch in der Neuen Welt werden noch immer die größten Torheiten, Frauenlaune zuliebe, begangen.

Das weibliche Geschlecht in der Vielseitigkeit seines Wesens bringt Farbe und Abwechslung in die Monotonie des amerikanischen Gesellschaftslebens. Die Männer in ihren Fräcken, deren totes Schwarz nie von einer Uniform oder andern Standesabzeichen unterbrochen wird, tragen nur das äußere Gewand ihres bürgerlich nüchternen Wesens allzudeutlich zur Schau. Der normale Yankee ist Geschäftsmann; selbst die Politik betreibt er unter geschäftlichen Gesichtspunkten. Wissenschaft hat für ihn nur Sinn, wenn mit ihrer Hilfe etwas Praktisches zu erreichen ist. Literatur ist er geneigt mit der Zeitung zu verwechseln. Kunst pflegt er höchstens als Sammler. Es fehlt der Männerwelt jede feinere Abschattierung. Man kann sich mit amerikanischen Männern ausgezeichnet unterhalten; aber auf die Dauer geht es einem mit ihnen wie mit den Yankee-Zeitungen: wenn man ihrer hundert gelesen hat, merkt man, daß sie alle dasselbe sagen.

245 Hier liegt für die Zukunft die große Mission des amerikanischen Weibes. Die Frau darf nicht dabei stehen bleiben, sich selbst nur zu schmücken und ihre Gaben zu entwickeln; sie muß auch den Mann verfeinern helfen, muß ihn zu den Schätzen der Kultur in Wissenschaft und Kunst führen, die diesem Volke im höchsten Sinne noch nicht erschlossen sind. Sie muß ihn aus seiner geschäftlichen Einseitigkeit herausreißen und ihn lehren, vollwertig zu leben. 246

 


 


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