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Christlieb Leberecht Fürchtegott Kumack, der Großbauer von Krummseifenbach, saß auf der Anklagebank. Die Verhandlung dauerte kaum zwanzig Minuten. Der Angeklagte hatte mit auffälliger Gelassenheit das ihm zur Last gelegte Vergehen zugegeben. Nichts hatte den alten Mann aus seiner Ruhe zu bringen vermocht, nicht die Fragen des Vorsitzenden, nicht die scharfen Worte des Staatsanwalts. All das schien an Kumacks Gemütsverfassung wie Wasser an dem starken Gefieder einer Ente abzulaufen. Er hörte sich die Sache mit an, als werde diese ganze Verhandlung zu seinem besonderen Vergnügen geführt, und dabei handelte es sich doch um »Gefängnis bis zu drei Jahren«.
Der Verteidiger hatte soeben das Plaidoyer beendet, an dessen Schlusse er um mildernde Umstände für seinen Klienten bat. Die Staatsanwaltschaft verzichtete auf Erwiderung; der Fall lag ja klar, alle Erfordernisse des Gesetzesparagraphen waren erfüllt. Wegen besonderer Schwere des Falles hatte der Staatsanwalt das höchste zulässige Strafmaß beantragt.
Der Vorsitzende stellte, schon halb auf dem Sprunge nach dem Konferenzzimmer, die übliche Frage, ob der Angeklagte selbst noch etwas zu seiner Verteidigung anzuführen habe.
Der Angeklagte hatte, ganz gegen allen Gerichtsgebrauch, wirklich etwas anzuführen: »Ich meene ack, und ich wullte ack ees sagen,« begann er und blickte die Richter mit derselben himmlischen Ruhe an, die er während der ganzen Verhandlung an den Tag gelegt hatte, »wenn'ch mit Galde dervonkumma, will'ch de gruße Glucke nei keefen, wenn Se mich aber ganz freisprachen tun, hernachen da wullt'ch alle drei Glucken nei keefen.«
Der Vorsitzende musterte den Angeklagten erstaunt ob dieser Rede, dann blickte er auf die Beisitzer, um sich Rat zu holen: verstanden sie das?
»Angeklagter, was reden Sie denn? Was wollen Sie mit ›Glocken‹? – Ob Sie etwas zu Ihrer Verteidigung anführen können, habe ich gefragt!«
»Das is so gutt wie geschrieben, Herr Richter! Das weeß der Paster och und de ganze Gemeende weeß das. 's Gald ha'ch liegen derzu; ich kennte die Glucken morne schun keefen, kennt'ch ...«
»Sie scheinen mir nicht ganz bei Troste!« rief der Vorsitzende ärgerlich. »Also, Sie haben nichts anzuführen! Der Gerichtshof wird sich nunmehr zurückziehen.« Damit gingen die Richter.
Im Zuhörerraum entstand lebhaftes Gemurmel und Köpfezusammenstecken. Es waren viele Leute da. Auf der Zeugenbank saßen: der Pfarrer von Krummseifenbach und Hermann Kumack, der Sohn, ein Jüngling von einigen zwanzig Jahren. Kumack junior erschien im Gegensatz zu seinem Erzeuger spitz und schmächtig; von seinem Kaliber hätten mehrere dazu gehört, um die breitgebaute, gut ausgepolsterte Figur des alten Bauern aufzuwiegen.
Sodann war noch manches Gemeindemitglied unaufgefordert herbeigekommen; man wollte doch sehen, wie es dem Großbauer vor Gericht ergehen würde. Die Sicherheit, mit der Kumack bis zum letzten Augenblicke behauptet hatte, er müsse freigesprochen werden, imponierte den Leuten. Der Großbauer hatte ja Geld, und wer Geld besaß, der konnte alles!
Man war äußerst gespannt auf den Spruch des Gerichts. Hier handelte es sich um keine kleine Sache. Wenn der Großbauer wirklich mit Gefängnis bestraft wurde, wie der Staatsanwalt beantragt hatte, dann war es mit seiner Stellung als erster an der Spritze ein für allemal aus. Gefängnis! Mit gemeinen Verbrechern zusammengesperrt! – So einer konnte doch nicht mehr im Gemeindekirchenrat sitzen oder andere Ehrenämter innehaben!
Wenn der Bauer hingegen freigesprochen wurde, dann bekam der Ort ein neues Glockenspiel. Das war nicht zu verachten! Die jetzigen Glocken waren altersschwach; ringsum in den Dörfern spottete man schon über das Gebimmel der Krummseifenbacher. Und gar die große Glocke, die hatte einen Riß. Ein neues Glockenspiel mußte früher oder später beschafft werden.
Welche Ersparnis also für die Gemeinde, wenn der Großbauer eines aus seiner Tasche anschaffte! Ob die Richter das nicht doch mit in Betracht ziehen würden? – So etwas müßte doch von Rechts wegen berücksichtigt werden, hätte man denken sollen!
Der Herr Pastor hätte in Anbetracht dessen, daß es sich hier doch gewissermaßen um einen »guten Zweck« handelte, sein Zeugnis auch etwas anders einrichten können. Warum mußte der Mann denn alles sagen, was er wußte?
Der Sohn des Angeklagten hatte auf Vorhalten des Vorsitzenden, daß er die Aussage verweigern könne, erklärt, er wolle von diesem Rechte Gebrauch machen. Es war dem verschüchtert und ängstlich dreinschauenden Menschen gewiß nur lieb, daß er nicht gegen den Vater auszusagen brauchte.
Der Angeklagte blickte noch immer mit selbstzufrieden trotziger Miene drein. Er nickte seinen Bekannten im Zuschauerraume zu, wollte einem etwas sagen, winkte ihn zu sich heran; aber der Gerichtsdiener bedeutete ihm in barschem Tone, daß das hier nicht erlaubt sei.
Nanu! Er war doch der Kumackbauer, der reichste Mann in Krummseifenbach. Hier auf dem Amte schienen sie wirklich nicht zu wissen, mit wem sie es zu tun hatten.
Jetzt kehrten die Richter zurück. »Im Namen des Königs: der Angeklagte, Christlieb Leberecht Fürchtegott Kumack, wird der ihm zur Last gelegten vorsätzlichen Störung des Gottesdienstes für schuldig befunden und zu einer Gefängnisstrafe von einem Jahre, sowie zur Tragung der Kosten des Verfahrens verurteilt.« Der Vorsitzende verlas das Urteil unter atemloser Stille. Aller Augen waren auf den Angeklagten gerichtet.
Der stand da mit offenem Munde und lächelte blöde. Seine knochigen Fäuste preßten die Brüstung der Schranke, daß es knackte. Das Blut war ihm jäh zu Kopf geschossen, färbte seine niedere Stirn und den Stiernacken blaurot bis unter das graue Haar.
Was denn! Man hatte wohl einen schlechten Witz mit ihm vor? Gefängnis! – Er, der Großbauer, ins Gefängnis? Er, auf ein Jahr ins ...
Kumack wollte etwas sagen, bewegte die Lippen stammelnd; aber der Vorsitzende, der sich inzwischen gesetzt hatte, war noch dabei, des näheren zu erklären: warum und wieso man zu dem Urteil gekommen. Etwas von »mildernden Umständen« schlug an das Ohr des Angeklagten, von »mangelhafter Bildung« und »angeborener Unmanierlichkeit«. Zu seinen Gunsten sei das angenommen worden, hieß es, darum habe man ihn nur mit einem Jahre bestraft.
Der Richter wollte ihn wohl verspotten? Ein Jahr Gefängnis! Ein Jahr in die Zelle! Von seinem Hause weg, von seinem Gute! Eingesperrt, getrennt von seinen Feldern, seinem Gesinde, seinem Vieh! Allmächtiger!
Er faßte sich an den Kopf, befühlte sich. Die hellen Tropfen standen ihm auf der Stirn, seine Lippen zuckten, er wollte was sagen: das Glockenspiel, die neuen Glocken, die er der Kirche versprochen hatte – sollte denn das gar nichts gelten?
Hilflos blickte er nach der Zeugenbank hinüber. Dort saß der Pastor, sein Sohn daneben. Konnten denn die ihm nicht helfen? Oder die anderen aus Krummseifenbach, würden denn die nicht für ihn eintreten? Er war doch ihr Großbauer! Er war doch der erste Mann in der Gemeinde! Durfte ihm denn so was geschehen? Das konnten seine Leute doch gar nicht zulassen! Aber im Zuschauerraum rührte sich niemand. Keine Anteilnahme, eher Schadenfreude auf den Gesichtern.
Der Großbauer verurteilt! – Nun war es aus mit ihm. Sein vieles Geld hatte ihm also doch nichts geholfen! – Von seinen Freunden und Dorfgenossen sann jeder bereits darüber im stillen nach, welcher Vorteil aus dieser Wendung der Dinge erwachsen könne.
»Unterwerfen Sie sich dem Urteil, Kumack?« fragte der Richter zum Schluß.
Der Bauer blieb die Antwort schuldig; er sah und hörte nicht mehr, was um ihn her vorging. Nur eines erfüllte ihn ganz: er war zu einem Jahre Gefängnis verurteilt.
* * *
Durch Erbschaft war Christlieb Leberecht Fürchtegott Kumack in den Besitz von zwei großen Bauerngütern gekommen; so war er der größte Grundbesitzer in seinem Dorfe geworden. Sein Gut übertraf manches Rittergut an Umfang.
Der Kumackbauer war schon seit Jahren verwitwet. Anfangs, nach dem Tode der Bäuerin, ging er auf Freiersfüßen; aber es war nichts daraus geworden. Keines der Frauenzimmer, die er sich besehen, hatte gepaßt. Etwas hatte immer gefehlt: entweder waren Körpergröße und Gesundheit nicht in gewünschtem Maße vorhanden gewesen oder es hatte mit dem Reichtum gehapert. Diese drei Eigenschaften nämlich verlangte der Großbauer unbedingt. Stattlich gewachsen, kerngesund und reich mußte das Weib sein, das bevorzugt sein sollte, mit ihm Tisch und Bett zu teilen. Auf ein hübsches Gesicht legte er weniger Wert; davon hatten ja andere Leute schließlich ebensoviel wie er. Nein, er verlangte Eigenschaften, von denen der Besitzer wirklich was hatte. Einen Puff mußte sie vertragen können, so wie seine Selige, die bis zu ihrem Tode niemals geklagt hatte. Er hatte sich im stillen oft selbst gewundert, wieviel so ein Frauenzimmer auszuhalten imstande ist. Kumack hätte darum am liebsten eine Witfrau geehelicht; die Sorte hatte doch schon was mitgemacht, war nicht gar so hieferig und zimperlich wie die Jungfern. Verstand und Gemüt hingegen fielen nicht schwer in die Wage für ihn; denn dumm waren die Weiber nun doch mal alle, und ob eine zänkisch und widerhaarig, das ließ ihn gleichgültig. Er war noch mit jeder fertig geworden. Aber eines mußte sie haben: Geld! Ohne Vermögen zu heiraten, das wäre dem Kumackbauer wie eine Entwürdigung vorgekommen; er wußte, was er sich und seinem Besitze schuldig war.
Und da er so viel Tugend und Begabung, in einer Person vereinigt, nirgends hatte auftreiben können, war der Großbauer von Krummseifenbach Witwer geblieben.
Er besaß aus seiner Ehe drei Töchter und einen Sohn. Die Mädels waren, als Töchter des reichen Kumackbauern, abgegangen wie die warmen Semmeln und saßen jetzt gut versorgt in der Nachbarschaft, an Bauernsöhne verheiratet. Allein das jüngste Kind, der Sohn, lebte noch im Hause des Vaters.
Die Hand des Alten lag schwer auf Hermann. Den herkulisch gewachsenen Kumackbauer verdroß es, daß der Junge so klein und schmächtig. Die Kumacks waren, solange man denken konnte, immer Kerle von seinem Schlage gewesen. Aber mit dem hier schien überhaupt nicht viel los; erstens war er so spät gekommen, nach drei Mädeln erst. Und dann war er von Geburt an solch ein »Hieferig« gewesen. Zur Wehr gegen seinen Vater hatte sich Hermann noch niemals gesetzt, so wie Christlieb Leberecht Fürchtegott es doch seinerzeit getan gegen den seinigen. Denn das war in dieser Familie ein althergebrachter Brauch: Vater und Sohn maßen ihre Kräfte – ähnlich wie ein alter und ein junger Hahn auf dem Hühnerhofe zu kämpfen pflegen, bis der alte sich überzeugen muß, daß für ihn die Zeit gekommen, der jüngeren Kraft Platz zu machen. In dieser Weise zogen sich die Kumacks erst nach ehrlichem Kampfe ins Leibgedinge zurück.
Mit Hermann war das ein ander Ding. Er lernte gut auf der Schule; was vor ihm auch noch niemals ein Kumack getan hatte. Daran, sich mit den Fäusten sein Recht beim Vater zu holen, dachte er nicht. Er duckte sich vielmehr bescheiden unter das Regiment des Alten.
Aber nicht bloß im eigenen Hause herrschte der Kumackbauer als unumschränkter Herr und Gebieter, auch in Dorf und Gemeinde war er tonangebende Persönlichkeit.
In Wegesachen, in Steuerfragen, in Armenangelegenheiten, in Kirchendingen fiel sein Ausspruch gewichtig in die Wagschale, wie es dem Worte eines Mannes zukam, der den vierten Teil der Gemeindeabgaben allein zu tragen hatte.
Der Kumackbauer besaß den Willen und auch die Gabe zum Herrschen. Vor allem half ihm darin eine Maxime, die er sein ganzes Leben hindurch befolgt hatte; wurde er um seine Meinung befragt oder ging man ihn um irgend etwas an, dann sagte er: »Nein!« Beim »Ja«-sagen hatte er noch nie etwas Gutes herauskommen sehen. Nur nichts zugeben, nur nicht sich zureden oder gar sich überzeugen lassen! Wenn man jemandem etwas gab, das man nicht geben mußte, dann war man ein Esel; dies die Quintessenz seiner Lebensweisheit.
So hatte der Großbauer in Krummseifenbach geherrscht manches Jahr hindurch, ohne nennenswerte Opposition zu finden; was sich davon etwa gegen ihn vorgewagt hatte, war schnell und gründlich niedergeschlagen worden.
Das wurde anders, als an Stelle des alten Pfarrers, der bis dahin in Krummseifenbach amtiert hatte, und der sich endlich wegen Kränklichkeit emeritieren ließ, ein jüngerer Herr kam. Der neue Geistliche stöberte mancherlei auf, was der Reform bedürftig erschien. Wenn er nun irgendeinen Vorschlag zur Besserung vorbrachte, fand er bei den Vätern des Ortes wohl scheinbar willige Ohren, sobald es aber zum Bewilligen kommen sollte, stieß er auf Widerstand. Der Führer dieser Opposition, das erkannte er sehr bald, war kein anderer als der protzige alte Kumack, von dem die Dorfleute in scheuer Ehrfurcht nie anders als vom »Großbauern« sprachen.
So ähnlich sollte es auch jetzt wieder gehen, als der Pfarrer vor dem vereinigten Gemeinde- und Kirchenrat von Krummseifenbach um ein neues Glockenspiel für den Kirchturm petitionierte.
Der junge Geistliche hoffte seinen Wunsch zu erreichen, wenn er die Leute bei der Ambition packte. Die Krummseifenbacher waren nämlich nicht wenig eingebildet auf ihren Ort und seine Einrichtungen. Es schien daher nicht übel erdacht, wenn man ihnen vorhielt, sie dürften es nicht auf sich sitzen lassen, die schlechtesten Glocken von allen Kirchspielen in der Umgegend zu haben. Auch noch in anderer Weise wußte der neue Hirte seinen Vorschlag schmackhaft zu machen. Die alten Glocken sollten mit angegeben werden. Vielleicht würde auch ein hohes Landeskonsistorium einen Beitrag gewähren. Für die Musikalischen unter den Dorfbewohnern erwähnte er so nebenbei, daß man ein schönes Geläute, auf As-Dur gestimmt, schon im Gewichte von zwölf Zentnern bekommen könne, während das jetzige Fis-Dur-Geläute ganze zwanzig Zentner wiege. Man profitiere also bei diesem Wechsel am Anschaffungspreise.
Nachdem er so das Geschäftliche und Technische dargelegt, wandte sich der Geistliche nunmehr der idealen Seite der Sache zu. Er schilderte schwungvoll, wie erhebend es sein werde, wenn am Sonntagmorgen die neuen Glocken hoch vom Turm herab die Gemeinde zum Kirchgang rufen würden, wie feierlich und ergreifend, wenn bei Begräbnissen die Sterbeglocke ertöne, wie fröhlich, wenn bei Trauungen die große Glocke angeschlagen werde, oder wie festlich, wenn am Palmsonntag während der Einsegnung der Konfirmanden mit allen drei Glocken gleichzeitig geläutet würde. Und nun gar das Gedächtnisläuten im Dreiklang nach der Predigt zur besonderen Ehrung eines Dahingeschiedenen.
Aber auch diesmal erfuhr der Pfarrherr eine Enttäuschung. Als er seinen Vortrag geendet, herrschte lange Zeit Stille, dann räusperte sich der eine und der andere der Väter, man blickte auf den Großbauern, ehrfurchtsvoll abwartend, was der wohl zu der Sache sagen werde.
Christlieb Leberecht Fürchtegott Kumack stellte die geschlossene Faust vor sich auf den Tisch, dann seine Finger betrachtend und mit starrem Blicke, als rede er zu diesen, begann er: man sei bisher zufrieden gewesen in Krummseifenbach. Es sei auch bisher alles gut gegangen, und so würde es wohl auch noch weiter gut gehen, trotz des neuen Pastors. Er für seine Person gehe zur Kirche an jedem Sonntage, ob neue oder alte Glocken, das sei ihm ganz egal. Die alten hätten's so lange versorgt und würden ihn wohl noch aushalten; was nach seinem Tode werde, das sei ihm dann gleichgültig. Aber bei seinen Lebzeiten würden keine neuen Glocken angeschafft, so viel sage er.
Die Gemeindeväter gaben durch Kopfnicken zu verstehen, daß diese Meinung ihnen aus dem Herzen gesprochen war. Dem jungen, temperamentvollen Gottesmanne aber lief die Galle über. Was war mit solchen Starrschädeln anzufangen! Es war, als rede man einer Wand zu, sich von der Stelle zu bewegen. Einmal wollte er's der Gesellschaft aber doch sagen – seine Meinung! Er konnte nicht anders. Und so wetterte er denn los von Beschränktheit und Engherzigkeit und Geiz, die alle seine guten Absichten zunichte machten.
Auf die erregten Worte des Pfarrherrn erwiderte der Kumackbauer in überlegener Ruhe: es sei ja möglich, daß sie nicht so viel gelernt hätten wie der Herr Pastor, aber von wegen der »Beschränktheit« – es gäbe auch »gelehrte Ochsen«. Und wegen »Geiz« – wenn einer angestellt sei von der Gemeinde und beziehe jahraus, jahrein sein Gehalt, da sei es freilich leicht, von anderen verlangen, daß sie Geld hergeben sollten. Er wäre ein guter Christ und gäbe Gott was Gottes sei, und er gehe jeden Sonntag in die Kirche und höre dem Herrn Pastor zu, wenn er auf der Kanzel stehe ...
Hier hielt sich der Geistliche nicht länger.
»Ja, in die Kirche gehen Sie, Herr Kumack, jeden Sonntag; das stimmt! Aber was tun Sie da? – Denken Sie, ich habe keine Augen und Ohren, Herr Kumack! Wozu kommen Sie ins Gotteshaus? Um zu schlafen! Jawohl, ich hab's gesehen. Sie schlafen, ja Sie sind unbefangen genug, zu schnarchen während der Predigt. Ich fordere die Anwesenden auf, der Wahrheit die Ehre zu geben! Hat Kumack am vorigen Sonntage während der Predigt geschnarcht oder nicht?«
Die Väter sahen sich ob dieser unerwarteten Frage verdutzt an. Recht hatte der Herr Pastor ja; der Großbauer machte sein Kirchenschläfchen. Und geschnarcht hatte er am Sonntage; gewiß, die ganze Gemeinde hatte es gehört, und das war auch nicht das erstemal gewesen. Der Herr Pastor hatte ganz recht! Aber sie hatten in dieser Beziehung kein reines Gewissen, denn dem Kirchenschlaf huldigten sie mehr oder weniger alle, nur wagten sie es nicht so offen zu betreiben, wie Kumack. Während der Predigt zu schnarchen, das war in Krummseifenbach gewissermaßen des Großbauern Privileg.
Der Großbauer war blaurot geworden im Gesicht. Was nahm sich der junge Mensch heraus! Ihm vorschreiben, wie er sich zu benehmen habe! Seit fünfzig Jahren ging er zur Kirche, und geschlafen hatte er in der Predigt, solange er denken konnte. Kein Pastor hatte etwas darin gefunden, und jetzt kam da so einer her! – Kumack fühlte es: hier handelte es sich um eine Kraftprobe. Gab er hier klein bei, dann war es aus mit seiner Autorität in der Gemeinde. Der Pastor oder er! Nur einer konnte herrschen in Krummseifenbach.
Seine Antwort ließ daher an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. Zum Schlusse erhob er sich und verließ unter Protest das Pfarrhaus. Ihm folgten seine Getreuen.
Von diesem Tage an bestand offenes Zerwürfnis zwischen dem Pfarrer und den Ortsvätern.
Zunächst hatte der Kumackbauer gesiegt. Er brüstete sich nicht wenig mit diesem Erfolge. Der Pastor solle ihm noch aus der Hand fressen lernen, sagte er jedem, der es hören wollte. Er werde nicht dulden, daß die alten, guten Gebräuche und Einrichtungen von Krummseifenbach durch vorwitzige Neuerer über den Haufen geworfen würden. Ferner erklärte er, daß er schlafen werde, wo es ihm passe und so laut es ihm passe. Sollte es aber jemandem einfallen, ihn zu stören ... das übrige deutete er durch äußerst sprechende Handbewegungen an.
Am nächsten Sonntag – es war Okuli – saß der Kumackbauer denn auch wieder in seinem Kirchenstande, neben ihm sein Sohn Hermann. Herausfordernd blickte der Dauer den Pastor an, als der die Kanzel betrat, als wollte er sagen: »Hier bin ich! Nun wollen wir mal sehen!«
Den Kanzelvers sang der Bauer stehend mit der übrigen Gemeinde. Dann griff er in die hintere Tasche seines blauen Rockes, holte die Tabaksdose hervor und nahm seine zwei Prisen – für jedes Nasenloch eine – alles, wie er es seit Jahren zu tun gewohnt war; für ihn war das eben ein Teil des Gottesdienstes und nicht der unwichtigste. Nun steckte er die Dose sorgfältig wieder ein, nieste und lehnte sich zurück, den Pastor, der inzwischen den ersten Teil seiner Auslegung begonnen hatte, mit starrem Blick fixierend, allmählich blinzelnd, bis sich die Lider geschlossen.
Der Großbauer schlief. Bald merkte es die Gemeinde an den tiefen, langgezogenen, röchelnden Tönen, die nicht zu überhören waren.
Die Nachbarn respektierten den Schlaf des Gewaltigen. Man hatte nicht vergessen, was der Bauer in Aussicht gestellt hatte für den, der sich's etwa einfallen lassen sollte, ihn zu wecken. Er war der Mann dazu, sein Wort wahr zu machen.
Das Schnarchen dauerte fort. Es klang nicht unharmonisch, wie eine rhythmische Begleitung der Predigt.
Einzelne Leute reckten bereits die Köpfe, man lächelte sich verständnisvoll zu, stieß den Nachbar an, schadenfroh. Der Großbauer hatte also doch seinen Kopf durchgesetzt!
Der Pastor war blaß geworden bis in die Lippen, seine Stimme zitterte. Plötzlich brach er ab, schwieg. Totenstille im Gotteshause! Nur das Schnarchen ging weiter, jetzt doppelt hörbar.
Da erhob sich der Sohn des Großbauern von seinem Platze – Hermann Kumack war in diesem Augenblicke mindestens ebenso bleich wie die weißgetünchte Kirchenwand – er berührte den Vater am Arme, erst leise, da dies nichts half, fester. Die gurgelnden Töne setzten jäh aus. Verschlafen öffnete der Bauer die Augen, blöde blickte er in das Gesicht seines Jungen. »Sie sind in der Kirche, Vater!« flüsterte der.
Da, ein klatschender Schlag und noch einer – der Kumackbauer hatte seinen Sohn geohrfeigt.
* * *
Daß die Sache dem Alten schlecht bekommen werde, war allen klar, nur nicht dem Täter selbst.
Was wollten die Leute eigentlich? Von Anzeige zu sprechen, von Gericht und Gefängnis? – In der Kirche schlafen, war das ein Verbrechen? Und daß er den Jungen geohrfeigt hatte, war das nicht sein gutes Recht? Sein eigen Fleisch und Blut! – Hatte er's denn nicht vorher gesagt, daß sich's keiner unterstehen solle, ihn zu wecken; und nun ließ sich's der grüne Bengel doch einfallen.
Konnte man ihm verbieten, sein Kind zu züchtigen? Sein Vater hatte ihn auch geprügelt; das war so von Gott geordnet.
Aber in der Kirche! – Nun ja, das war am Ende nicht ganz in Ordnung. Wenn er sich's recht überlegte, wär's ihm lieber gewesen, er hätte es nicht getan. Aber deshalb Bestrafung? Das war wohl nicht so gefährlich, wie's die Leute machten. Wozu war er denn der Großbauer? Ihm ist doch noch nie etwas passiert! Er würde sich auch hier rauszuhelfen wissen. Nur sich nicht die Pferde scheu machen lassen; das war die Hauptsache!
Als er nun aber vor den Richter zitiert wurde, und als gar noch andere Leute aus dem Dorfe in dieser Sache verhört wurden, da fing dem Bauern an zu schwanen, daß die Geschichte doch ernster sei diesmal, als er's für möglich gehalten hatte.
Aber auch jetzt warf er die Flinte nicht ins Korn. Einen Ausweg gab's immer noch.
Christlieb Leberecht Fürchtegott Kumack lächelte verschmitzt, als er auf diesen Gedanken verfallen war. Dann zog er sich seinen Kirchenrock an und ging aufs Pfarrhaus.
Der Pastor sah mit Befremden den Großbauern bei sich eintreten. Aha, jetzt kommt der reuige Sünder! dachte er bereits im stillen triumphierend.
Der Geistliche hatte längst allen Groll fahren lassen gegen den alten Bauern; er wußte, daß es ihm übel ergehen werde vor Gericht. Daß es soweit gekommen, war ihm auch nicht recht. Im Grunde fühlte er sich nicht gänzlich frei von Schuld in dieser ganzen Angelegenheit. Er war daher bereit, dem Manne, falls er sich reuig zeigen sollte, eine Brücke zu bauen.
Da hatte er den Kumackbauern aber falsch taxiert. Reue war etwas, was der Alte wohl nie erlernt hatte. Mit ganz anderen Gedanken und Absichten trat der vor seinen Seelsorger.
»Der Herr Paster meenten doch, und Se redten in der Sitzung neilich von Glucken, daß Se a neies Gluckenspiel han mechten. Ich ha' mer das Ding iberlegt; eegentlich han Se ganz racht, Herr Paster: mir mechten a neies Gluckenspiel han. Mir wärsch ja o ganz racht; wenn mer ack's Geld derzu hätten in dar Gemeene. Denn su drei neie Glucken uf eemal, die kosten a Sticke Gald. Da ha'ch nu so bei mer gedacht: wenn du nu die neien Glucken keeftest, ha'ch gedacht. Und deshalb bi'ch hierher gekumma, um Ihre Meenung zu heren, Herr Paster, was Se meenen wirden, wenn'ch Se nu die Glucken beschaffen täte.«
Der Geistliche sah sich seinen Besuch erstaunt an. Potztausend, war der Mann verändert: so höflich und so freigebig gesinnt auf einmal! – Er vermutete, daß da doch noch etwas dahinter stecken müsse. Ein Bauer, der freiwillig ein Geschenk anbietet, aus purem, blankem Idealismus, der müßte denn doch ganz aus der Art geschlagen sein.
Er faßte sich den Mann scharf ins Auge und fragte, in welcher Höhe und Form er die Stiftung zu machen gedenke.
»Nee, Herr Paster, so jählings gieht das ne! Ack state, ack state! Von wegen Stiftung hat noch kee Mensch was geredt. Erscht wollen mer mal de Verhandlung abwarten bei Gerichte, was de Zeigen aussagen werden gegen mich. Hernachen woll'n mer schreiben. Heite sag'ch blussig su vills: wenn'ch frei kumma bei Gerichte, gah'ch a neies Gluckenspiel für unse Kirche. Ich meene, das is gerade genug! Die Uhrfeige is am Ende och nich su vills wart. Aber wie'ch 's sage: wenn'ch frei kumma, will'ch 's Gald gahn, aber eher ne.«
Sehr erstaunt war der Bauer, als er erleben mußte, daß der Geistliche nicht mit beiden Händen zugriff, daß er vielmehr das Ansinnen klipp und klar, ja mit einer gewissen Entrüstung abwies.
Diese Pastoren! Das wollte nun studiert haben! Den praktischen Vorteil einer Sache, der hier doch klar auf der Hand lag, sah so einer nicht.
Aber wenn der Pastor auch dumm war, Kumack setzte seine Hoffnung immer noch auf die Dorfgenossen; die würden den Vorteil besser erkennen, der ihnen hier geboten ward. Und die Richter mußten am Ende doch auch die Vernünftigkeit seines Vorschlages einsehen.
* * *
Als der Kumackbauer aus dem Gefängnis zurückkehrte nach Krummseifenbach, erkannten ihn die Leute kaum wieder. Aus dem rüstigen Manne war im Laufe eines Jahres ein Greis geworden.
Gehorchen hatte er müssen, sich fügen in der Anstalt, und das war ein wenig spät gewesen für den alten, steifen Baum, den in der Jugend niemand an einen Pfahl gebunden hatte. Das Schrecklichste aber von allem war, daß er soviel Zeit gehabt hatte zum Nachdenken. Das Denken, das schreckliche Denken! Daran war er nicht gewöhnt.
Wenn er beim Tabakrippen stand oder beim Wollereißen, unter einem Haufen gleich beschäftigter Gefangener, da flogen seine Gedanken hinaus nach dem Dorfe, nach seinem Gute. Was mochten sie jetzt wohl machen? Heute vorm Jahre säeten wir den Hafer. Ob sie wohl jetzt die Kartoffeln schon gelegt haben? Oder: heute ist trockene Witterung, da werden sie wohl ins Korn hauen. So war er mit seinem Denken und Sinnen immer draußen, während die starken Hände, die viel besser den Pflug geführt hätten oder die Sense, mechanisch die vorgeschriebene Arbeit verrichteten. Und gewiß würde der Junge, der Hermann, alles verkehrt machen! Was verstand der grüne Bengel vom Wirtschaften! Alles würde er ihm auf den Kopf stellen, im Hofe und Stalle und auf dem Felde.
Das war das Schwerste, zu denken, daß der Sohn, den er schlechter als einen Knecht behandelt hatte, nun schalten und walten konnte nach Belieben.
Hermann hatte inzwischen die Zeit auszunutzen verstanden. Mancherlei Veränderungen nahm er vor auf dem Gute während des Vaters Abwesenheit. Die Nachbarn staunten über die Tatkraft und Rührigkeit des jungen Mannes; der schien ein ganz neuer Mensch, seit der Alte nicht mehr hinter ihm stand, ihn zu ducken. Ja, Hermann führte einen Streich aus, den er in Gegenwart des Vaters kaum gewagt haben würde, er ging nämlich auf die Freite, nahm sich ein hübsches, kräftiges, gesundes Mädchen zum Weibe.
Als der Alte endlich in sein Nest zurückkehrte, fand er dort ein junges Paar wohnlich eingerichtet. Anfangs wollte er den früheren Ton gegen den Sohn anschlagen, aber er mußte die Erfahrung machen, daß dem jungen Hahne inzwischen die Sporen gewachsen seien. Er selbst aber war nicht mehr, der er früher gewesen.
Die Welt war anders geworden in dem einen Jahre. Auch im Dorfe sah jetzt alles verändert aus; man zitterte nicht mehr vor dem Großbauern.
Die Ehrenämter, die er vordem in der Gemeinde innegehabt, waren längst mit anderen Kräften besetzt. Niemals würde es ihm gelingen, die alte Rolle wieder zu spielen. Er hatte ja gesessen; das konnte ihm jeder Lausejunge vorhalten.
Er war wohl gar nicht der Großbauer mehr? Die Leute nannten ihn schon lange nicht mehr so. Sogar auf dem Gute, bei dem Gesinde, das sich inzwischen gewöhnt hatte, auf die Befehle des Jungen zu hören, stieß er auf spöttische Blicke, Murren und Auflehnung. Nein, er war nicht mehr der Großbauer; er sah es selbst ein.
Da faßte er denn einen Entschluß: er gab sich bei seinen Kindern ins Ausgedinge, überließ dem Sohne die Wirtschaft.
Wer ihm das vor ein paar Jahren gesagt hätte! Er freiwillig abdanken! Er aufs Altenteil gesetzt! – Nicht einmal die übliche Kraftprobt hatte stattgefunden zwischen dem Alten und dem Jungen.
Hin und wieder ging er noch hinaus aufs Feld, aber er brachte nichts Rechtes mehr vor sich.
Die Art, wie sein Sohn die Wirtschaft betrieb, mit allerhand Maschinen und mit künstlichem Dünger, ärgerte ihn. Aber da der Junge nicht auf Rat hörte und ihn beiseite schob, gab er die Einmischungen mit der Zeit auf, räsonierte fortan nur noch in Selbstgesprächen.
Seinen Prophezeiungen zum Trotz gedieh die Wirtschaft der jungen Leute vortrefflich. Die Schwiegertochter aber sorgte dafür, daß die Kumacks in Krummseifenbach so bald nicht aussterben würden.
In die Kirche ging der Alte jeden Sonntag, wie früher. Da er jetzt nichts mehr zu tun hatte, war sein Schlafbedürfnis ein geringeres geworden; ja er sehnte sich ordentlich nach Gottesdienst und Predigt, als nach einer Abwechselung in seinem leeren Dasein. Und so gewöhnte er sich den Kirchenschlaf mit der Zeit ganz ab.
Neue Glocken hatte die Kirche auch jetzt noch nicht; denn an Stelle Kumacks waren andere Geizkragen in die Gemeindevertretung gekommen, welche die nötigen Gelder nicht bewilligen wollten.
* * *
Eines Tages – es war im März – trat Kumack ins Pfarrhaus. Er war seit jenem Tage, wo er seine Freisprechung durch das Angebot eines neuen Glockenspiels hatte bewirken wollen, nicht mehr da gewesen.
Der Geistliche, der auch inzwischen erfahren hatte, daß man nicht mit dem Kopfe durch die Wand kann, freute sich aufrichtig, den Alten bei sich eintreten zu sehen; er hatte ihn im stillen schon immer erwartet. Zwischen ihm und dem Manne da war ja noch eine alte Rechnung zu begleichen.
Christlieb Leberecht Fürchtegott Kumack blieb an der Tür stehen und drehte die Mütze in der Hand. Der Pastor nötigte ihn ins Zimmer und auf einen Stuhl, dann fragte er, was ihm die Ehre verschaffe.
Der Alte brauchte einige Zeit zum Räuspern und Schnäuzen, dann brach er los:
»Ich kam zu Sie, Herr Paster, und ich wollt' ack – mir han doch heite an achten März wieder, und da dacht'ch nur so, weil doch de Kirche keene neien Glucken nuch ne hat, da dacht'ch, ob'ch am Ende die Glucken schenkte, dacht'ch. – Was würden Sie denn daderzu meenen, Herr Paster?«
Dem Geistlichen schien etwas in die Kehle gekommen zu sein, er schluckte und würgte. Dann trat er vor den Alten hin – der jetzt ganz schlohweißes Haar hatte –, legte ihm die Hände auf die Schultern und sah ihm in die Augen.
»'s is nämlich heute der achte März, Herr Paster! Damals war's a Sunntch, als das passierte – nu Se wissen ja! – Fünf Jahre sein's heite, Herr Paster!«
»Richtig, richtig, Kumack! Es war am Sonntag Okuli vor fünf Jahren.«
»Ees wollt'ch Sie noch befragn, Herr Paster; wenn'ch nu die Glucken schenken tue, alle dreie, kennt'ch hernach den Glucken Namen gahn, welche ich wollte, oder gieht das ne?«
»Namen! Natürlich! Warum denn nicht? Das heißt, wenn es gute christliche Namen sind, Kumack!«
»Nu, ich dacht' ock, weil's duch gerade drei Glucken sen, und ich ha' doch drei Namen, da dacht'ch: se kennten am Ende de gruße Christlieb, de mittlere Leberecht und de dritte, was de kleene is, Fürchtegott tofen. So sein nämlich meine Namen, Herr Paster.«
»Das wird sicherlich keine Schwierigkeiten machen, lieber Kumack! Das sind ja wunderschöne Namen, die werden den Glocken nur zur Zierde gereichen. – In Gottes Namen also! Jetzt sind wir auf dem rechten Wege.« –
So wurden denn die neuen Glocken angeschafft, und Krummseifenbach bekam ein Glockenspiel, wie weit und breit in der Gegend keine Gemeinde eines besaß. Der alte Kumack erlebte die Glockentaufe selbst nicht mehr; er starb sehr plötzlich an einem Schlaganfall. Und so wurde sein Wort wahr, das er ausgesprochen hatte, als er noch Alleinherrscher war in Krummseifenbach, daß zu seinen Lebzeiten die alten Glocken es versorgen müßten.
Der Pastor aber kam mit den Gemeindevätern dahin überein, daß jedes Jahr am Sonntag Okuli, nach der Predigt, mit allen drei Glocken ein Ehrengeläute zum Gedächtnis des Stifters geläutet werden solle.